Gestern Gesehen: Senna (2011)

„Nichts kann mich von der Liebe Gottes trennen“ – Ayrton Sennas Grabinschrift

Ich interessiere mich nicht für Formel 1. Also, so gar nicht. Ich habe kein Verständnis dafür wie man sich am Sonntagnachmittag vor den Fernseher setzen und mit absoluter Faszination beobachten kann wie ab und an ein Rennbolide mit lautem IIIIeeeeaaaaaugghhh an der Kamera vorbei donnert. Nicht das ich jemandem dieses Interesse vorwerfen würde, ich teile es einfach nicht.

Insofern stand ich denn auch einer Dokumentation über Ayrton Senna eher skeptisch gegenüber. Alles was ich über Senna wusste war, dass er ein hervorragender Rennfahrer aus Brasilien war und 1994 in Imola tödlich verunglückt ist. Der Film ist allerdings so gut, dass er mangelndes Interesse und geringes Wissen einfach wegwischt und den Zuschauer mit auf die wilde Reise Sennas nimmt.

Zentrales Thema des Films ist seine Rivalität mit Alain Prost: auf der einen Seite der rein über den Intellekt gesteuerte Prost (Spitzname „der Professor“), ein Fahrer der, wenn punktemäßig ein fünfter Platz notwendig ist, auch den fünften Platz belegt, selbst wenn er mit etwas Risiko einen höheren Rang belegen könnte. Auf der anderen Seite Senna, für den Rennfahren ein spirituelles Erlebnis darstellt, der sich im Cockpit näher bei Gott fühlt und selbst wenn er das gesamte Feld uneinholbar abgehängt hat den Fuß nicht vom Gas nimmt, der die Meinung vertritt, wenn man eine Lücke sieht und sie nicht nutzt sei man kein Rennfahrer. Schnell geht die Beziehung der beiden (die anfangs im selben Rennstall fahren) aber über eine normale Rivalität hinaus und in Bereiche, die als unsportlich zu betrachten sind.

Und ja, werter Leser ich beschreibe hier eine Dokumentation und keinen Spielfilm. Die brillante Idee des Films ist nur Archivmaterial zu nutzen. Aussagen von Beteiligten die nur für den Film entstanden sind, sind zwar zahlreich vorhanden aber stets aus dem Off über Filmmaterial zu hören. Die berüchtigten „Talking Heads“ tauchen nicht auf. Dadurch wirkt der ganze Film wie aus einem Guss und ist tatsächlich mitreißend wie ein Spielfilm. Der Begriff „Doku-Drama“ wäre hier sicher angebracht, wenn er nicht von RTLII für dicke Frauen, die im Müll nach Käse suchen vereinnahmt wäre (ich wünschte diese Aussage wäre billige Übertreibung).

Aus diesem Doku-Drama Ansatz entsteht denn auch meine einzige Kritik: Alain Prost und FISA-Chef Jean-Marie Balestre sind die Schurken des Stücks (hihi French Connection hihi), Ayrton Senna der fehlerlose Held auch im Tode noch makellos. Prost ist daher auch sehr kritisch, was den Film angeht. Der Fairness halber muss allerdings erwähnt werden: der Film zeigt gegen Ende hin schon eine Normalisierung des Verhältnisses, die Tatsachen das Prost als Sargträger auftaucht und in der Senna-Stiftung engagiert ist sprechen ebenfalls für sich.

FAZIT: Geniales, mitreißendes leicht hagiographisches Doku-Drama über Ayrton Senna. Bestens geeignet für Formel 1 Muffel. Regisseur Azif Kapadias aktueller Film „Amy“ über Amy Winehouse steht für mich jetzt fest auf dem Programm.

9/10 Boxenstopps

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3 Gedanken zu “Gestern Gesehen: Senna (2011)

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