Das ist auf Youtube: Kanadische Experimente von Norman McLaren

Norman McLaren wurde 1914 in Strirling, Schottland geboren. Er studierte in Glasgow Design und begann früh sich für Film zu interessieren. Da er keine Kamera zur Verfügung hatte bemalte und verkratzte er Filmmaterial direkt. 1935 hatte er eine Kamera aufgetrieben und arbeitete mit einem System, dass Pixilation genannt wird. Dabei werden Schauspieler wie Stop-Motion Modelle verwendet: man nimmt einen Frame auf, der Schauspieler verändert leicht seine Position und der nächste Frame wird aufgenommen usw., was einen starken Abstraktionseffekt beim Zuschauer hervorruft. Für eine Weile arbeitete er als Kameramann für John Grierson, den „Vater“ des britischen Dokumentarfilms (und Begründer dieses Begriffs).

1939, kurz vor dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs ging McLaren nach New York. Er erhielt Unterstützung von der Solomon Guggenheim Foundation und kehrte zurück zu seinen direkt auf den Film gemalten Animationen.

1941 lud ihn sein alter Arbeitgeber Grierson, der inzwischen für die kanadische Regierung das „National Film Board“ (NFB) gegründet hatte, als Lehrer für Animation nach Kanada ein. Für den Rest der Kriegszeit war McLaren damit beschäftigt Animationen für Propagandafilme (zum Beispiel Landkarten mit Grenzverläufen) herzustellen. Doch nach dem Krieg sollte er seine kreative Blütezeit erreichen.

In ‚Begone Dull Care‘ von 1949 kehrte er ein weiteres Mal zur Animation direkt auf dem Film zurück um Oscar Petersons Jazz Musik visuell darzustellen:

Als sein Meisterwerk gilt allgemein der Film ‚Neighbours‘ von 1952, in dem das oben beschriebene Pixiliationsverfahren zum Einsatz kam:

Was wie ein Cartoon mit menschlichen Darstellern beginnt nimmt einen zusehends verstörenderen und brutaleren Verlauf. Diese zutiefst schwarzhumorige Allegorie auf den Kalten Krieg, sowie die menschliche Natur an sich gewann 1952 den Oscar als beste Kurzdokumentation. Allerdings in gekürzter Form. Die Gewalt gegen Frauen und Kinder wurde geschnitten. Der Film wurde erst mit Ausbruch des Vietnamkrieges in seiner unveränderten Form gezeigt und von Kriegsgegnern begeistert aufgenommen. McLarens Förderer Grierson war dem Film gegenüber sehr kritisch und bezweifelt öffentlich McLarens Fähigkeit zum politischen Denken.

Älteren Videospielern und sonstigen Nerds dürften Musik und Soundeffekte in ‚Neighbours‘ aufgefallen sein, die eindeutig an die (viel spätere) 8-Bit Ära und Chiptune Musik erinnern. McLaren schaffte diese Töne indem er, wie in seinen Animationen, direkt den Film manipulierte. In den Film gekratzte Dreiecke, Vierecke und sonstige Formen konnten durch ein bestimmtes „graphisches Tonerzeugungs System“ ausgelesen und in Töne umgewandelt werden. Das System kam seit dem Durchbruch des „echten“ Tonfilms in den 30er Jahren eigentlich nicht mehr zum Einsatz doch kam es McLarens Vorliebe zur mechanischen Manipulation von Film natürlich sehr entgegen. In seinem Kurzfilm ‚Synchronomy‘ von 1956 sehen wir dementsprechend was wir hören:

 

Ein interessantes synästhetisches Experiment, das den silbernen Bären bei den 6. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gewann.

Kanadas NFB hat seinen großen Experimentator nie vergessen und hat nach mehreren DVD Veröffentlichungen 2013 eine iTunes-App herausgebracht, die es dem User ermöglicht eigene Werke im Stile von McLaren herzustellen. Eine Idee, die dem lebenslangen Lehrer und Vermittler gefallen hätte.

3 Gedanken zu “Das ist auf Youtube: Kanadische Experimente von Norman McLaren

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