„Did I hit’cha?“
„NO!“
Ti West ist ein Regisseur, den ich zutiefst schätze, bei dem ich andererseits aber jedes Verständnis habe, wenn jemand mit ihm überhaupt nichts anfangen kann. War er bislang im Horror-Genre zuhause, sowohl als Regisseur (‚House of the Devil‘, ‚The Sacrament‘) als auch als Schauspieler (Tariq in ‚You’re Next‘) hat er sich für seinen neuesten Film an seinem Nachnamen orientiert und einen Western gemacht. Kann sein methodischer, eher langsam siedender Stil, der schon im Horror oft abschreckend wirkt, im Western funktionieren?
Die Geschichte liest sich geradezu stereotyp „Western“: ein schweigsamer Fremder (Ethan Hawke), der sich nur Paul nennt kommt, auf dem Weg nach Mexiko, in das texanische Wüsten-Kaff Denton, begleitet nur von seinem Hund Abbie (wer ist ein guter Hund? Abbie ist ein guter Hund!). Hier legt sich Störenfried Gilly (James Ransone) sofort mit ihm an und wird prompt von ihm verprügelt. Dummerweise ist Gilly der Sohn des örtlichen Marshalls (John Travolta) und so muss Paul den Ort eiligst verlassen. Doch Gilly und Kumpane folgen ihm heimlich, ermorden nachts Abbie und werfen Paul von einer Klippe. Der überlebt und kennt nur noch ein Ziel: Rache.
Der aktuelle Western ist zwar nicht oft im Fokus des Mainstream, allerdings ist er durchaus gut besetzt. Wenn ich überhaupt etwas zu kritisieren hätte, dann dass er sich oftmals sehr, sehr ernst nimmt. Das ist an und für sich nichts Schlechtes, doch ist der aktuelle amerikanische Western sehr am Italo-Western der 60er und 70er orientiert, sprich düster, dreckig und brutal. Dabei geht allerdings das Augenzwinkern verloren, mit dem die Europäer das Genre, bei aller Liebe, immer betrachtet haben. ‚In a Valley of Violence‘ besitzt diese leicht ironische Qualität und wie die besten Italo-Western schafft er es sie in einer dennoch zutiefst dramatischen Handlung unterzubringen. Erst durch das Reduzieren auf ein genretypisches Skelett eines Plots, gelingt es West das Ganze mit absurdem Humor anzureichern und eben mit Augenzwinkern auf die typischen Klischees des Westerns zu blicken. Tatsächlich spielt seine typische, erzählerische Entschleunigung auch hier ganz gezielt mit hinein und die westerntypischen Schießereien setzen erst recht spät im Film ein.
Hawkes Charakter spielt eine zutiefst klischeehafte Rolle die er aber erstaunlich unklischeehaft anlegt und spielt. In der Szene des nächtlichen Überfalls auf sein Lager, erleben wir keinen typischen Westernhelden, sondern einen verängstigten Mann, der sich so hilflos verhält, wie es vermutlich die meisten von uns tun würden. Das gibt seinem späteren Auftritt als Mann, der der Gewalt abgeschworen hat, durch die Umstände allerdings zurück in die Rolle des Mörders gedrängt wird, einen durchaus gewollten, absurden Anstrich. Er wird zu einem verzerrten Spiegelbild von Gilly, der nur das Leben durch Gewalt kennt. Verdeutlicht wird das noch durch ein Geschwisterpaar (Taissa Farmiga und Karen Gillan), von dem sich eine Schwester zu Paul, die andere zu Gilly hingezogen fühlt. Viel mehr als das bekommen Gillan und Farmiga übrigens leider nicht zu tun. Die beste Leistung im Film liefert allerdings fraglos John Travolta als alternder Kleinstadt-Patriarch ab, der weiß, dass der Konflikt mit Paul das Schlimmste ist was ihm passieren kann. Er wird vom offensichtlichen Schurken beinahe zur tragischen Figur, die von familiärer Pflicht zu ihrem Handeln gezwungen wird. Und, da auch ein guter Hundeschauspieler nicht unerwähnt bleiben soll, muss ich natürlich Jumpy als Abbie erwähnen, für mich die beste Hunderolle seit ‚The Artist‘. Wuff!
Weit weniger gut gefällt mir leider die Ausstattung des Films. Das Kaff, in dem der Hauptteil der Handlung spielt, scheint ungefähr 5 Einwohner zu haben, die auch nur sehr selten auf die Straße gehen. Statisten sind Mangelware. Die Stadt selbst wirkt auch etwas steril, als hätte man eine bestehende Westernstadt übernommen wie sie ist ohne eigene, den Charakteren angemessene Ausstattung hinzuzufügen. Auch fehlen mir ein wenig Staub und Dreck, die in der Wüste fernab aller Zivilisation doch die ständigen Begleiter sein müssten. Gelegentlich wirkt es fast, als wäre nachdem man Hawke und Travolta an Bord geholt hat das Geld ein wenig knapp geworden. Da es sich um eine Blumhouse Produktion handelt und Jason Blum für seine sehr günstigen aber guten-hervorragenden Produktionen bekannt ist würde es mich nicht wirklich wundern.
Ein anderer eher mäßiger Punkt ist die Musik. Jeff Graces Score wirkt immer wieder so als würde er sich im nächsten Moment in eine Hommage an Ennio Morricones außergewöhnlichere Soundtracks verwandeln, biegt im letzten Moment aber immer wieder auf vermeintlich sicherere Pfade ab und bleibt so sehr blass. Keinesfalls schlecht aber man hat immer das Gefühl, er wäre fast zu etwas Besserem geworden.
‚In a Valley of Violence‘ reiht sich problemlos ein, in die Riege gelungener Neo-Western. Ich würde ihn etwas unterhalb von Werken, wie den hervorragenden ‚Slow West‘ oder ‚Bone Tomahawk‘ einordnen aber deutlich über einem Film wie ‚The Homesman‘. Für jeden Western-Fan absolut sehenswert, für Ti West Fans eh Pflichtprogramm. Wer mit Western gar nicht anfangen kann wird von diesem hier aber sicher nicht bekehrt werden.
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