Achtung! der folgende Text wurde mit einer gewissen Frustration geschrieben. Daher verrate ich mehr über einen noch recht neuen Film als sonst üblich! Wer ihn unvorbereitet sehen möchte, sollte vermutlich hier aufhören zu lesen.
Ich mag den originalen ‚Blair Witch Project‘ durchaus. Ich habe ihn im letzten Jahr, als dieser hier ins Kino kam noch einmal gesehen. Sicherlich, dieselbe Wirkung wie 1999 erreicht er nicht mehr aber es ist immer noch ein effizient gedrehter, immersiver Horrorfilm. Was ich wirklich mag sind die Filme von Regisseur Adam Wingard. ‚You’re Next‘ habe ich vermutlich bereits 5mal gesehen und auch ‚The Guest‘ mag ich sehr. In beiden gelingt es Wingard Hommagen an ältere Horrorfilme, mit denen er aufgewachsen ist, mit einem gänzlich eigenen Stil, der die üblichen Erwartungen unterläuft, zu verbinden. Von daher ist er vermutlich die beste Wahl, um aus einem 17 Jahre alten Film eine Fortsetzung, auf die wohl Niemand mit angehaltenem Atem gewartet hat, herauszuholen. Auch die schlechten Kritiken hätten mich wohl nicht vom Kino ferngehalten, es war schlicht die Tatsache, dass ich von Found Footage Geruckel auf der großen Leinwand heftige Kopfschmerzen bekomme, die mich zu Hause bleiben ließ. Nun habe ich ihn also endlich im Heimkino nachgeholt… Hurra?
James ist der jüngere Bruder von Heather Donahue aus dem originalen ‚Blair Witch Project‘. Da ihre Leiche nie gefunden wurde geht er davon aus, dass sie noch lebt. Völlig überzeugt ist er, als er sie in einem Youtube Video zu erkennen glaubt, dass in den Black Hills, wo sie verschwunden ist, aufgenommen wurde. Zusammen mit seinem alten Freund Peter, dessen Freundin Ashley und der Filmstudentin Lisa, die alle mit Kameras ausstattet, macht er sich auf nach Burkittsville. Dort treffen sie die örtlichen Idioten (‚tschuldigung aber der Film gibt mir keinen Grund sie anders zu nennen) Lane und Talia, die das Video hochgeladen haben und es im Wald gefunden haben wollen. Gemeinsam wandern sie in die Black Hills auf der Suche nach Heather…
Ich mag es nicht gänzlich negativ zu sein, daher werde ich mit etwas Positivem schließen aber zunächst mal muss ich mir leider ein wenig Luft machen… Wo soll ich anfangen? Jeder Charakter hat eine eigene Kamera im Ohr, zusätzlich sind noch zwei weitere Kameras im Umlauf und weiterhin eine Drohnenkamera, zwischen allen wechselt der Film, wie es die Szene benötigt, ganz so wie in einem klassischen, narrativen Film. Warum also nicht gleich einen klassischen, narrativen Film drehen und auf das elende Kopfschmerz-Gewackel verzichten? Weil’s eben ‚Blair Witch‘ ist.
Die Charaktere? Ich kenne keinen der Schauspieler und habe kein Bedürfnis auch nur einen nachzuschauen, es sei nur gesagt, ich kaufe ihnen nicht ab, dass sie jahrelange Freunde sind, ich kaufe ihnen nicht ab, dass sie sich mögen, ich kaufe ihnen nicht mal ab, dass sie sich kennen! Ich rege mich üblicherweise nicht über irrationale Handlungen von Charakteren in Horrorfilmen auf – sie stehen immerhin unter erheblichem Stress – aber auch hier geht der Film etwas weit (Beispiel: ein Charakter wird als Rettungssanitäter eingeführt. Nachdem sich eine Frau im Wald den Fuß an einem Stein aufschneidet verbindet er ihn und lässt ihn dann für zwei Tage unbeobachtet. Während die Frau über heftige Schmerzen klagt…) Sie alle wirken ein wenig wie die Charaktere in höhernummerigen ‚Freitag der 13te‘ oder ‚Nightmare on Elmstreet‘ Filmen, in denen die Macher davon ausgehen, das Publikum sei eh nur da um Freddy oder Jason anzufeuern. Und dieser Film hat es mir sehr schwer gemacht nicht die Hexe anzufeuern. Und ja, um sich keinesfalls dem Vorwurf der Subtilität ausgesetzt zu sehen, lässt der Film die Blair Witch höchstselbst als (nicht fliegendes) Spagetti-Monster durch den Wald stampfen!
Das grobe Gerüst des Films folgt exakt dem des ersten ‚Blair Witch Project‘ mit mehr Charakteren, mehr Kameras, mehr Effekten aber keinerlei Wirkung. Der einzige Moment dieses Films, der mir im Gedächtnis bleiben wird, ist ein Tod der mit den allgegenwärtigen Holzmännlein in Verbindung steht. Der war derart überzogen absurd, dass er mir ein lautes, herzliches Lachen entlockte. Wohl nicht die gewollte Reaktion aber immerhin etwas. Ein Großteil des Films wirkt nämlich wie Füllmaterial. Bestimmt 10 Minuten bestehen daraus, dass Charaktere taschenbelampt durch den dunklen Wald irren und den Namen eines anderen Charakters rufen. Dazu kommen merkwürdige Szenen, wie die als die oben erwähnte Frau mit kaputtem Fuß aus fadenscheinigsten Gründen auf einen Baum kraxelt (ja, das geht exakt so aus wie ihr jetzt denkt). Oder gegen Ende als die Filmstudentin von einem Hillbilly-Ex-Machina in ein finsteres Kellerloch gestoßen wird, wo sie durch enge Tunnel kriechen muss, in einer Sequenz 1:1 aus ‚The Descent‘ übernommen. Und hätte ich aus all den Möchtegern-Jumpscares, in denen sich ein Charakter in ninja-gleicher-Stille dem aktiven Kamera-Charakter nähert, nur um dann in nächster Nähe sehr laut auf sich aufmerksam zu machen, ein Trinkspiel gemacht, ich wäre wohl immer noch im Krankenhaus. Selbst die Charaktere bemerken „wir müssen damit aufhören“, cool! TUN SIE ABER NICHT!
Ich bin ernsthaft fassungslos, dass dieses unrunde, unsaubere – und ehrlich gesagt peinliche – Stückwerk vom selben Regisseur (und seinem Stamm-Autor Simon Barrett) stammen soll, wie die exakt konstruierten ‚You’re Next‘ und ‚The Guest‘. Hier ist nichts von Wingards sicherem Gespür für nervenaufreibende Momente zu spüren, hier ist einfach gar nichts. Ich kann nur hoffen Wingard lässt sich nicht, wie derzeit viele junge Indie Regisseure, für Franchise-Einträge verheizen. Die Tatsache, dass einer seiner nächsten Filme ‚Godzilla vs Kong‘ ist macht mir da aber wenig Hoffnung.
Oh richtig, ich wollte positiv schließen: es gibt Fortsetzungen, die sind so schlecht, dass sie das Original rückwirkend schlechter machen. ‚Blair Witch‘ ist im Gegenteil so schlecht, dass mein Respekt für das Original erheblich gewachsen ist. Der Film macht aus Nichts einen spannenden Film, dieser Film macht aus jeder Menge Material absolut Nichts. Das Original bleibt immer mit einem Fuß geerdet, was dafür sorgt, dass er sich unheimlich echt anfühlt. ‚Blair Witch‘ hingegen verliert jegliche Bodenhaftung und wird wohl dasselbe Schicksal erfahren, wie die erste Fortsetzung von 2000: weitgehendes Vergessen.
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder fassungslos sein soll. Zum Glück habe ich den damals (und bis heute) ausgelassen.
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Und dabei würd ich es lassen. Keine Ahnung, warum der Quatsch nicht noch mehr verissen wurde…. Aber falls Du You’re Next oder The Guest nicht kennst, die lohnen sich! 🙂
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You’re next kenne ich. Den fand ich unterhaltsam. Aber nicht soooo überragend wie viele immer sagen.
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Bei mir hat er erst beim zweiten Mal geklickt….
und nein, die Chance gebe ich Blair Witch nicht!!! 😉
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Ja, für den Film hatte ich in meinem Jahresrückblick ähnlich viel “Liebe“ übrig. Die niedrige Erwartung aber nochmal locker unterlaufen.
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Als Wingard-Fanboy hab ich den Fehler gemacht die Erwartung nichtmal zu senken….
Von daher war „Fassungslosigkeit“ wirklich das einzige, um mein Gefühl zu umschreiben.
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Das glaube ich, da tut der Tiefschlag gleich doppelt weh.
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Ich fande Blair Witch 3 bzw. Blair Witch (2016) irgendwie besser als Blair Witch (1999). Was ist den in The Blair Witch Project großartig passiert? Achja! Leute die sich nur am anschreihen sind! Wirklich Schockmomente hatte der Film auch keine zu bieten. Ich mag den Film den noch wegen seiner Atmosphäre und wegen der Storie bzw. dem Mythos über der Blair Hexe. Blair Witch (2016) hatte mich da an einigen stellen schon etwas mehr zum zucken vielleicht sogar zum erschrecken gebracht. Ich gebe zu das der erste Teil etwas echter wirkte. Besonders dank der gelungenen Marketingaktion. Aber den noch hat mir Blair Witch (2016) deutlich besser gefallen. Blair Witch 2 (2000) war jedoch totaler müll. Ich glaube da sind wir uns alle einig ^^
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Du beschreibst das, glaube ich, ganz richtig. BWP lebte vor allem (oder auch völlig) von seiner Atmosphäre, beim ersten Ansehen fand ich die Charaktere sogar richtig nervig. Inzwischen verstehe ich sie etwas besser und der Film funktioniert für mich fast noch besser.
BW (2016) vergeudet, zumindest in meinen Augen, alles an Atmosphäre, weil er nicht wirklich weiß, was er sein will. Found Footage oder „normaler“ Film. Auch die Hexe zu zeigen, war für mich ein Fehler (aber wenigstens etwas wirklich Neues, was die Fortsetzung zu bieten hatte). Vielleicht waren auch einfach meine Erwartungen zu hoch weil ich Wingards andere Filme sehr mag.
Bei Teil 2 kann und will ich Dir aber nicht widersprechen! 😉
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