Ein paar Gedanken zu ‚Cabin in the Woods‘ (2012)

Als ich vor ziemlich genau fünf Jahren das Kino verließ war ich nicht eben begeistert. Dabei war es nicht so, dass ich ‚Cabin in the Woods‘ nicht gemocht hätte, ich fand ihn in Ordnung. Die Leute mit denen ich ihn gesehen hatte fanden ihn hingegen großartig. Die Kritik fand ihn großartig. Er tauchte auf Toplisten des Jahres auf und wurde zu einem der wichtigsten Horrorfilme erklärt. Warum, fragte ich mich. Der war doch höchstens ganz okay. Ich kann nicht behaupten, dass mich die Frage, ob ich etwas verpasst hatte, in irgendeiner Weise umgetrieben hätte. Aber in dieser Halloween-Zeit habe ich ihn mir dann doch nochmal wieder vorgenommen. Habe ich nun was übersehen?

Das Offensichtliche jedenfalls nicht. Der Film ist Liebesbrief und deutliche Kritik an der amerikanischen Horrorfilm-„Industrie“ in einem. Drehbuchschreiber Joss Whedon und Drew Goddard beweisen ein tiefes Wissen um diesen Bereich des Horrors und führen ihn korrekt bis zu seinen Wurzeln bei H. P. Lovecraft zurück. Nur das hier die unersättlichen, bedrohlichen, lovecraftschen Alten Götter zur Metapher für das unersättliche Publikum geworden sind. Die Alten verlangen nach immer neuen Opfern, die aber stets dem alten Ritual, sprich den alten Klischees folgend getötet werden müssen. Und genau hier hakt die Metapher für mich ein wenig. Diese Behauptung folgt einer Maxime, die ich nicht teile. Nämlich der, dass ein Publikum immer das bekommt, was es verdient. Die Großen Alten und das Publikum können schließlich nur konsumieren, was man ihnen vorsetzt. Die Mühe nach Alternativen zu suchen machen sich vielleicht verrückte Filmfreunde, die Blogs über sowas schreiben aber vom Durchschnittspublikum, das abends halt mal einen Film sehen will, scheint mir das arg viel verlangt. Und wenn kleinere, womöglich bessere Filme in den Multiplexen halt nie auftauchen, dann können sie auch nicht gesehen werden. Stattdessen wird derselbe Mumpitz, der zum fünfzehnten Mal hochgekocht wird geschaut (und oftmals auch kritisiert). Aber die Schuld dafür beim Publikum zu suchen halte ich für falsch.

Nun kann man argumentieren, dass der Film das nie wirklich so sagt. Wir kennen den Willen der Alten Götter nur aus den Worten der zynischen, in ihren Bahnen völlig festgefahrenen Organisation, die die Opferungen veranstaltet. Die steht natürlich für das Hollywood-Studiosystem und das hat jede Unze an Kritik verdient und vermutlich sogar noch mehr, denn jemanden wie z.B. Harvey Weinstein für einen Einzelfall zu halten scheint mir geradezu willentlich naiv aber das ist ein anderes Thema. Nach meiner zweiten Sichtung bin ich absolut bereit diese Lesart zu akzeptieren. Aber das Studiosystem ist nicht alles wofür die Organisation im Film steht. Sie steht auch für eine, zumindest bei Erstellung des Films, ganz akute Ausschweifung des Horrorfilms.

‚Cabin in the Woods‘ kam 2012 in die Kinos. die Drehabreiten fanden allerdings bereits Anfang 2009 statt. Dann blieb der Film auf Halde, wurde für 3D umgearbeitet und geriet schließlich in die Pleite von MGM. Von daher fühlten sich, als er Ende 2012 schließlich herauskam, zum Beispiel die Seitenhiebe auf Asia-Horror ein wenig veraltet an, der Boom war da lange vorbei. Aber in dem Film versteckt sich noch eine andere Kritik für die ich ein wenig weiter ausholen muss. Die Klischees, auf die sich ‚Cabin in the Woods‘ bezieht entstanden größtenteils in den 80er Jahren im Zuge der Slasher Welle. Auch vorher waren es zwar üblicherweise junge Menschen, die zum Opfer der Monster wurden und auch vorehelicher Sex wurde „bestraft“ aber die rigide Aufteilung in Archetypen wie „der dümmliche Sportler“, „die Promiskuitive“, „der Intelektuelle“ etc. mit dem enthaltsamen „Final Girl“, als einzige mögliche Überlebende entstand aus der Flutwelle, die John Carpenter mit ‚Halloween‘ 1978 ausgelöst hatte (ich weiß, es gibt Wurzeln, die weiter zurückreichen). Die Opfer in vielen dieser späteren Filme waren keine Charaktere mehr, sie waren Abziehbilder. Die Charaktere, die im Gedächtnis blieben waren hingegen die Mörder. Freddy Krüger und Jason Vorhees wurden zu Popstars, die in Late Night-Talkshows auftraten. Das ist natürlich einerseits seltsam bis eklig, andererseits zerstörte es ihre Effektivität als Monster. Sie wurden zu albernen Clowns, 10Jährige verkleideten sich zu Halloween als Freddy Krüger, ursprünglich mal explizit ein Kindermörder, implizit noch mehr. Anfang der 90er waren diese Superstars somit auch ziemlich am Ende.

Mitte der 90er revitalisierte Wes Craven, Erfinder von Freddy, das Genre mit ‚Scream‘. Und durch eine Vermischung des Slashers mit dem „Whodunnit“ verhinderte er nicht nur ein „Startum“ des Mörders, nein auch die anderen Charaktere mussten besser geschrieben sein. So verbindet man mit ‚Scream‘ zwar das „Ghostface“ Kostüm, was Charaktere angeht bleiben jedoch Sidney Prescott, Gale Weathers oder Deputy Dewey im Gedächtnis und nicht die relativ austauschbaren Killer. Aber dann passierte etwas, ob es nun mit den Anschlägen des 11. Septembers zu tun hatte, die etwas in der Seele des Westens, vor allem aber der USA haben zerbrechen lassen, weiß ich nicht, aber es blubberte etwas Hässliches an die Oberfläche. Im „Torture Porn“ gab es überhaupt keine Charaktere mehr. Mörder wie Opfer wurden zu schemenhaften Archetypen, die Filme konzentrierten sich vollends auf Schmerz und Leid und Effekt, hatten keinen Platz mehr für etwas Anderes. Die Apotheose des Genres fand dann in ‚Human Centipede‘ statt, der es mit nichts als einer ekligen Grundidee und dem riesigen Ego des Regisseurs auf inzwischen 3 Teile gebracht hat.

Whedon zumindest hat aus seiner Ablehnung des „Torture Porn“ nie einen Hehl gemacht und so stehen die beiden Hauptantagonisten seines Films für genau dieses Genre ein. Gelangweilte Männer mit Halbglatze in Schlips und Kragen, die Kaffee schlürfen und sich über ihre nervigen Frauen beklagen während sie junge Menschen, über die sie nicht einmal mehr als Menschen denken, in einen grausamen Tod schicken. Wenn diese Figuren am Ende von den bunt-kreativen Auswüchsen der finstersten Vorstellungskraft des Menschen zerrissen werden, dann ist das ein sehr deutliches Statement. Aber eben auch wieder eines das etwas zu spät kam, war doch die Zeit des Torture Porn eigentlich um 2010 vorbei. Ich bete jedenfalls zu allen finsteren Göttern, dass ‚Jigsaw‘ daran nichts ändern möge.

Lasst mich mit ein paar Worten zum Film selbst schließen, der mir, man ahnt es, bei diesem zweiten Ansehen weit besser gefallen hat. Regie und Schnitt mögen nicht eben inspiriert sein, das passt allerdings, wird doch eine gewisse Art Horrorfilm persifliert auf die genau das ebenso zutrifft. Die Darstellungen bewegen sich alle auf recht hohem Niveau, bei den jungen Leuten fand ich Chris Hemsworth am schwächsten, Fran Kranzes Marty, zu bekifft und paranoid um beeinflusst zu werden, am besten. Die Show stehlen allerdings Richard Jenkins und Bradley Whitford, die ihre zynischen Arschlöcher mit solchem Gusto geben, dass es eine helle Freude ist. Die zahllosen Anspielungen zu finden macht immer noch Spaß und im Heimkino kann ich eben auch mal auf Pause drücken, um das Whiteboard zu studieren und Dinge wie die „Dismemberment Goblins“ zu finden. Oder die Unterscheidung in „Witches“ und „Sexy Witches“. Und natürlich „Kevin“, auf den übrigens niemand gewettet hat. Auch in den „Wo ist Freddy“ Wimmelszenen ist die Pause nützlich, denn neben Archetypen und offensichtlichen Anspielungen sind auch Hommagen an Unbekannteres, wie ‚Dr. Giggles‘ oder ‚Chopping Mall‘ zu finden. Und Whedon hat es sich nicht nehmen lassen zumindest einen Reaver (aus ‚Firefly‘) unterzubringen. Eine winzige Kritik: so sehr ich Sigourney Weaver auch mag, hier ist deutlich, dass ihre Besetzung als Direktorin vor allem der Thematik geschuldet war. Für diese wäre es aber besser gewesen die Rolle mit einer Slasher-Ikone, wie z.B. Jamie Lee Curtis zu besetzen. Oder vielleicht Heather Langenkamp. Die wäre übrigens ohnehin am Set gewesen, zeichnet sie doch mit ihrer FX Schmiede für die großartigen, praktischen Kreatureffekte verantwortlich (nicht für die weit weniger großartigen CG Effekte!).

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8 Gedanken zu “Ein paar Gedanken zu ‚Cabin in the Woods‘ (2012)

  1. Es gibt auf Youtube ein gutes Video, in dem man die Mühe und Detailverliebtheit sieht, mit denen die ganzen „Cubes“ erstellt wurden, in denen die Monster sich aufhalten und wie viele Anspielungen durch sie gemacht werden. Sehr, sehr cool-

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    • Oh, da muss ich bei Gelegenheit mal nach suchen! Wobei vieles sicher auch offen für Interpretation ist. Die bösen Chirurgen z.B. stehen sicherlich nicht unbedingt für „Dr. Giggles“ (auch wenns lustig wär) sondern könnten eine ganz archetypische Angst vor Ärzten repräsentieren.
      Und ich frage mich immer noch, ob das Einhorn ein Gag ist oder eine Blade Runner Anspielung oder ob ich ein ganzes Horrorgenre verpasst habe…. 😉

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  2. Vielleicht muss ich mir den auch noch mal anschauen. DEnn beim ersten mal ging es mir ähnlich wie dir. Ganz gut, aber großartig ist auch anders. Wobei ich die Heransgehensweise, ähnlich wie bei „Tucker and Dale vs Evil“ sehr lustig finde. Und Weavers Auftritt fand ich auch irgendwie befremdlich.

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    • Ich kann nichtmal sagen, warum ich ihn diesmal besser fand. Vielleicht, weil ich nicht auf einen Twist gewartet habe? Der Film legt ja von Anfang an die meisten Karten auf den Tisch, vielleicht hatte mich das etwas gestört.

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