‚The Shallows‘ hat beinahe überall lobende Besprechungen bekommen. Die waren der einzige Grund, warum ich dem Film eine Chance gegeben habe. Denn Regisseur Jaume Collet-Serra ist mir nur durch ‚Orphan‘ (2009) im Gedächtnis, ein Film, der mir immer dann einfällt, wenn ich über die Phrase „dümmste Wendung aller Zeiten“ nachdenke (was nicht oft passiert). Ansonsten ist er nur durch Liam Neeson-Eurothriller-Meterware aufgefallen. Aber ist ihm mit diesem Mensch gegen Hai Film vielleicht wirklich der große Wurf gelungen?
Die Texanerin Nancy (Blake Lively) lässt sich zu einem einsam gelegenen Strand in Mexiko fahren, um zu surfen. Demselben Strand an dem ihre Mutter surfte, als sie mit Nancy schwanger war. Die Mutter hat vor kurzem ihren langen Kampf gegen eine tödliche Krankheit verloren, was Nancys Leben aus der Bahn geworfen hat. Anfangs sind noch ein paar Einheimische in der Bucht, doch als Nancy zum letzten Mal hinauspaddelt ist sie allein. Da entdeckt sie etwas außerhalb der Bucht den Kadaver eines Buckelwals. Der hat aber auch einen weißen Hai angelockt, der Nancys Rückkehr zum Festland zu einer langen, schmerzhaften Erfahrung machen würde.
Wer schon länger meine Besprechungen liest, der weiß, wie sehr ich es mag, wenn es einem Filmemacher gelingt ein Setting zu etablieren und dieses dann im Film aus einem völlig anderen Blickwinkel zu betrachten. Collet-Serra tut hier genau das. Die ersten zwanzig Minuten erinnern an eine Deodorant-Reklame. Vor paradiesischem Hintergrund betätigen sich leicht bekleidete, attraktive Menschen sportlich (und riechen dabei vermutlich hervorragend). Aber wenn der Film Nancy schließlich allein auf ihrem Brett ein paar hundert Meter vom Strand entfernt den Hai bemerken lässt, dann wird aus diesem Paradies eine Ansammlung einiger weniger spitzer Felsen mit scharfkantigen Korallen darauf, inmitten der brennenden Sonne oder der Kälte der Nacht, getrennt durch finsteres Wasser in dem überall der befinnte Tod lauern kann.
Blake Lively muss über weite Strecken den Film als einzige Darstellerin bestreiten, was ihr im Großen und Ganzen sehr gut gelingt, sie verleiht Nancy die nötige Verletzlichkeit aber auch die nötige Entschlossenheit die Situation durchzustehen. Auch einige kleinere Charaktermomente gelingen, etwa wenn Medizinstudentin Nancy krude Chirurgie an sich selbst durchführen muss und Lively sie mit ärztlicher Distanz mit sich selbst sprechen lässt.
Ist ‚The Shallows‘ also das B-Movie Destillat von ‚Der Weiße Hai‘? Ein Film auf seine reinen Thrillermuskeln reduziert? Nein, leider nicht und hier liegt das größte Problem des Films. Denn es reicht aus irgendeinem Grund nicht Nancy von dem Hai entkommen zu lassen, der Film macht auch eine wahnsinnig tollpatschige Metapher für Nancys Familientragödie daraus. Er versucht den Kampf Nancys Mutter gegen eine Krankheit mit dem Kampf gegen den Hai gleichzusetzen. Zwei Dinge die absolut unterschiedlicher nicht sein könnten. Das stört zwar die meiste Zeit über wenig aber wenn der Film Nancy, gerade wenn der dritte Akt beginnen soll, einen langen Monolog in eine gefundene Kamera halten lässt, dann streut das völlig ohne Not Sand in das bis dahin relativ rund laufende Spannungsgetriebe. Und ich sage „relativ rund“, weil der Film selbst mit seinen 87 Minuten schon ein wenig lang erscheint und ein wenig repetitiv wird. Meiner Meinung nach hätte man problemlos alle Szenen mit einer Möwe streichen können, die Nancy auf den Namen „Steven Seagull“ tauft. Die ist zwar ausdrucksstärker als ihr menschlicher Namensvetter trägt aber doch eher wenig bei.
Im qualitativ nicht besonders hochwertig bedienten Segment des Mensch-gegen-Knorpelfisch-Films ist ‚The Shallows‘ sicherlich einer der besten. An die Genregröße eines ‚Der Weiße Hai‘ kommt er sicherlich nicht ran und ich persönlich würde wohl auch dem trashigen Charme eines ‚Deep Blue Sea‘ den Vorzug geben, dennoch ist ‚The Shallows‘ für Interessierte durchaus sehenswert. Ob man sich in 10 Jahren noch an ihn erinnert (oder ich am Ende diesen Jahres) wird sich zeigen müssen.
PS: eine Sache nehme ich dem Film persönlich übel. Zu Anfang des Films reagieren Ortsansässige auf Nancys Frage, wie der Strand eigentlich heiße, wie der durchschnittliche Film-Transsylvanier auf die Erwähnung von Draculas Schloss. Mit direkter Ablehnung oder bedeutungsschwangerem Schweigen. Ich hatte mich auf eine wunderbar blöde Eröffnung am Ende gefreut, „bahía de tiburón blanco“ oder sowas. Aber der Film vergisst es einfach! Wie heißt der Strand, Film? WIE HEISST DER STRAND?!
Freut mich, dass du doch ganz gut von dem Film unterhalten wurdest. Ich mochte ihn durchaus auch, selbst wenn er nicht der große Wurf ist. Habe aber auch eine Schwäche für Hai-Horror und Wasserfilme generell.
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Oh ja, unterhaltsam war er durchaus!
Was gibt es denn im Bereich Hai Horror noch für empfehlenswerte Filme neben dem Weißen Hai, Deep Blue Sea, dem hier und vielleicht noch Open Water?
Ich habe das Gefühl, das Genre ist gerade in den letzten Jahren zu einem Tummelplatz für „gewollt schlechte“ Filme wie Sharknado geworden und mit denen komme ich nicht wirklich klar.
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Außer den von dir genannten weiß ich leider auch keinen Film mehr, wäre aber auch für Tipps offen.
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Ja, ich bin sicher wir sehen nur die Rückenflosse…
Haiwortspiel!
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Hallöchen!
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich die Wendung in „Orphan“ überhaupt nicht dumm. Im Gegenteil, ich habe sie nicht kommen sehen und fand das mal was Neues.
Das mit der Krankheitsmetapher habe ich gar nicht erkannt. Oder ich wollte es möglicherweise nicht sehen. Jedenfalls ist mir das im Kino damals nicht negativ aufgefallen. Insgesamt fand ich den Film ziemlich cool, auch wenn das Finale letztendlich schon etwas albern war. Richtig gestört haben mich die Nahaufnahmen von Livelys Brüsten. Das war echt daneben und unnötig.
Aber unter dem Stich schaue ich mir die lieber an als einen Film wie Sharknado…
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Kommen sehen habe ich die Wendung in Orphan auch nicht. Das war für mich aber wirklich ein „ist das wirklich ernst gemeint?“ Moment. Habe aber schon gemerkt, dass das viele Leute anders sehen. Das ist wohl das Ding mit ner überraschenden Wende, wenn sie für den Zuschauer funktioniert wertet sie den Film auf, wenn nicht kann der Rest des Films noch so gut sein, das einzige was im Gedächtnis bleibt ist die Wendung.
Ich mochte The Shallows insgesamt auch, ich hoffe das ist rübergekommen! Der war auch reichlich erfolgreich, hat aus 15 Mil. Budget fast 120 Mil. eingespielt. Ein Wunder, dass für dieses Jahr nicht ‚Shallows 2 – Sharkin around in Texas‘ angekündigt ist. 😉
Das (große) Problem des Hai-Horrors sprichst Du an: es ist ein reichhaltig bedientes Genre aber der Großteil ist unschaubarer Trash. Und das Schlimmste (für mich) ist „gewollter Trash“ wie eben Sharknado. „Der soll schlecht sein“ funktioniert für mich gar nicht. Damit ein Film „so schlecht, dass er gut ist“ wird muss eine Ambition und damit eine Fallhöhe da sein.
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Kennst du „The Room“?
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Oh hai, Ma-Go!
Ja, tue ich und ist ein gutes Beispiel für meine These. Wiseau war überzeugt, dass er etwas Geniales geschaffen hat, hat (mit seinem scheinbar unendlichen Geld) dafür gesorgt, dass der Film lange genug in genug Kinos spielte, um für den Oscar nominierbar zu sein.
Als er dann gemerkt hat, dass alle über den Film lachen, behauptete er zwar der sei immer komisch gemeint aber das ist nicht glaubhaft und eher ein Zeichen für Geschäftssinn.
Ich bin gespannt auf Disaster Artist.
Haha, what a story…
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Genau deswegen habe ich gefragt. The Disaster Artist habe ich gestern gesehen. Jetzt überlege ich mir, ob ich mir The Room auch zu Gemüte führe. 🙂
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Wenn Du ein paar Leute, die spaß an sowas haben + Bier zur Verfügung hast, dann kann es absolut lohnen. Ansonsten reicht wohl auch ein „best of“ Zusammenschnitt auf Youtube. Wobei die „besten“ Szenen vermutlich eh in Disaster Artist nachgestellt wurden. Denn streckenweise ist der eher anstrengend als komisch.
Ist aber auch etwa 10 jahre her, dass ich den gesehen habe und es war Cola-Rum involviert… alle Angaben also ohne Gewähr! 😉
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Hihi! Vielleicht fang ich dann doch wieder mit dem Trinken an 😀
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Das lohnt für den Film dann doch nicht!
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Der Strand heißt The Beach! 😀
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Ah, dann war das Tilda Swinton als Hai. Die Frau ist aber auch wandlungsfähig!
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Wenn jemand einen Hai überzeugend mimen kann, dann die Tilda.
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