Reisetagebuch: ‚Die Versunkene Stadt Z‘ (2017)

Bildungsreise #55

Die Filmreise Challenge führt mich heute zur versunkenen Stadt Z. Und um den obligatorischen Witz gleich aus dem Weg zu räumen: nein, um Zombies geht es dabei nicht, ehehehe. Stattdessen geht es in James Grays gewollt altmodischem Film um den Oberst der Armee des Britischen Empires, Naturforscher und Abenteurer Percy Fawcett (1867 bis 1925 (oder später)) und um seine besessene Suche nach einer verschollenen Stadt im Dschungel Brasiliens.

Im Jahr 1905 stagniert die militärische Karriere von Oberst Percy Fawcett (Charlie Hunnam), weil er „unachtsam bei der Wahl seiner Vorfahren“ war. Da kommt ein Angebot der Geografischen Gesellschaft im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Bolivien Messungen vorzunehmen, um Grenzstreitigkeiten beizulegen gerade recht. Im Verlaufe dieser Arbeit verfolgt Fawcett, ausbrechenden Gefechten zwischen den beiden Nationen und den Gefahren des Dschungels zum Trotz, den Verlauf des Rio Verde bis zu seiner unerforschten Quelle. Hier entdeckt er Artefakte, die er für die Überreste einer Hochzivilisation hält. Er kehrt als Held nach England zurück, wird für seine Ideen, im Dschungel der „Wilden“ könnte es eine hochentwickelte Zivilisation gegeben haben, aber gnadenlos verspottet. Fawcett nennt seine verschollene Stadt „Z“, weil er sie als das letzte Teil im Puzzle der menschlichen Geschichte ansieht. Bald gelingt es ihm, mit Hilfe des arroganten Naturforschers James Murray (Angus McFadyen) eine neue Expedition auszurüsten. Sehr zum Unmut seiner Frau Nina (Sienna Miller) und seiner Kinder. Doch sollen sie noch lange Zeit von ihm getrennt sein, nicht nur wegen weiterer Expeditionen, sondern auch wegen des Ersten Weltkriegs.

James Gray hat sich in seiner Regie sehr an älteren Filmen orientiert. Insbesondere David Leans ‚Lawrence von Arabien‘ scheint es ihm angetan zu haben, nicht zuletzt, weil er dessen berühmten Schnitt vom ausgeblasenen Streichholz zur aufgehenden Wüstensonne, mit einem etwas gewollten Schnitt von einem Whisky-Rinnsal zu einem fahrenden Zug zitiert. Der Großteil der Bildsprache ist aber Grays eigener und funktioniert oftmals ziemlich gut. Die Flussfahrten auf brüchigen Flößen, Piranhaangriffe und speerschwingende Kannibalen (die der Film nicht so plump behandelt, wie das jetzt klingt!) inszeniert Gray in seinen besten Momenten ähnlich gelungen wie ‚The Revenant‘ die Gefahren der Eiseskälte. Fawcetts Suche wird immer wieder durch helle Lichtpunkte in Grays oftmals dunstig-düsteren Bildern symbolisiert. Seine Besessenheit zeigt der Film ganz deutlich in den Szenen, die in Großbritannien und Europa spielen. Hier tauchen Dschungelpflanzen an Orten auf, an denen sie nichts zu suchen haben und zeigen, dass Fawcett eigentlich gar nicht da ist.

Gray zeichnet ein durchaus faszinierendes Bild von dem (zumindest mir) weitgehend unbekannten Forscher. Er führt ihn ein als Actionhelden mit donnernder Kasernenhofstimme. Für einen Großteil des Films erhebt er diese aber kaum einmal über ein Flüstern und geht Konflikten mit den Eingeborenen aus dem Weg und setzt auf Kommunikation. Überhaupt ist seine Sichtweise auf die Indios für seine Zeit derart progressiv, dass sie auf seine Zeitgenossen beinahe anstößig wirkt. Dies scheint mit dem historischen Fawcett übereinzustimmen. Gleichzeitig baut er seine Ehe zu Nina, die er durchaus ihm intellektuell ebenbürtig akzeptiert, fest auf sexistische Ideen seiner Zeit. Der Film ist also durchaus bemüht ein komplexes Bild seines Hauptcharakters zu zeichnen und betreibt keine Heldenverehrung.

Bis hier hin dürfte sich also alles sehr gut anhören. Daher mag es überraschen, wenn ich sage, dass der Film für mich nicht wirklich funktioniert hat. Dafür werde ich im Folgenden zwei Gründe anführen und einen dritten, für den der Film aber nichts kann.

Das größte Problem des Films ist Charlie Hunnam. Körperlich ist er perfekt für die Rolle, allerdings gelingt es ihm nicht sie mit dem nötigen Charisma zu füllen. So wirkt sein Fawcett oftmals wie ein egozentrischer Langweiler. Mir zumindest war völlig unklar, was an Fawcett ihm die unverbrüchliche Treue seiner Begleiter einbrachte, was seine Frau Nina dazu brachte durch alle Schwierigkeiten zu ihm zu stehen. Ein Film hat ein Problem, wenn ich mir denke, dass ich lieber die Geschichten anderer Charaktere sehen würde. Und ich würde gerne Ninas Geschichte sehen, denn Sienna Miller holt aus der wahnsinnig undankbaren Standardrolle „Frau, die zuhause bleiben muss“ beinahe mehr raus als da sein dürfte. Angus McFadyen ist faszinierend als arroganter Feigling Murray, den der Film kurzzeitig als Fawcetts Nemesis einführt und dann ebenso schnell wieder vergisst. Auf jeden Fall zu erwähnen ist auch Fawcetts treuester Begleiter Costin. Der wird gespielt von Robert Pattinson, der seine Dialoge kryptisch hinter einem dichten Vollbart hervormurmelt, sich andererseits beinahe kindlich freut, wenn die Expedition die Quelle des Rio Verde erreicht. Oder auch Percys ältester Sohn Jack (Tom Holland als Erwachsener), der Fawcett mehrfach vorwirft seine Familie zu vernachlässigen, bevor er ihn auf seiner letzten Reise schließlich begleitet.

Das bringt mich zum anderen Problem des Films: seine Episodenhaftigkeit. Fawcett fährt auf Expedition und kommt zurück. Fährt wieder und kommt zurück. Dann ist eine Viertelstunde Weltkrieg und dann geht es wieder auf Expedition. Zwischen zwei Szenen können Jahre liegen und Charaktermotivationen machen zwischen diesen nicht immer unbedingt Sinn. Das Schlimmste ist aber die Episode im Ersten Weltkrieg. Hier wird mehr als die Hälfte ernsthaft darauf verschwendet, dass Fawcett eine Weissagung von einer russischen Wahrsagerin bekommt, während seine Männer gebannt dabei zuschauen (ein Moment auf den man wohl so stolz war, dass er sogar im Trailer vorkommt). Das war der Moment, in dem mich der Film verloren hat. Der Film hat das Problem, das viele Filmbiografien haben: sie wollen zu viel vom Leben ihres Sujets erzählen. Zwar hat der Film die 8 Expeditionen der historischen Figur schon auf drei eingedampft und eine Laufzeit von beinahe 2einhalb Stunden und hat trotzdem noch das Problem der „und dann, und dann…“ Erzählweise so vieler Biopics. Ich denke es wäre klüger gewesen, sich auf eine Expedition Fawcetts (vermutlich seine letzte) zu konzentrieren und hier gezielt unter seine Haut zu kommen, um uns mehr über den Mann an sich zu erzählen, so wie es ‚Jackie‘ mit Jaqueline Kennedy gemacht hat.

Das dritte Problem, dass ich dem Film nicht direkt vorwerfen kann, ist der Vergleich mit anderen Filmen. Insbesondere natürlich den Werner Herzog/Klaus Kinski Kollaborationen. Allerdings erinnert der Film selbst beinahe direkt an ‚Fitzcarraldo‘, wenn Fawcett auf die Hacienda eines Gummi-Barons stößt, der mitten im Dschungel eine Oper inszenieren lässt. Von da an denke ich bei jeder Floß-Szene an die letzten Momente von ‚Aquirre‘, wenn der irr gewordene Konquistador, seine tote Tochter im Arm, einer Horde verängstigter Affen seine Gottwerdung verkündet. Einen solch apokalyptischen Moment erreicht Gray, aller inszenatorischen Eleganz zum Trotz, nie. Und auch der großartige ‚Der Schamane und die Schlange‘, der eine ähnliche Geschichte aus weitaus interessanterer Sicht, nämlich der des Indio-Führers des weißen Mannes, erzählt kam mir wieder und wieder in den Sinn und ließ ‚Die Versunkene Stadt Z‘ nicht gut aussehen.

All das soll nicht heißen, dass es ein schlechter Film ist. Es ist für mich ein Film großartiger (und alles andere als großartiger) Momente, der aber nie zu etwas Ganzem zusammenkommt. Dennoch hat der Film bei mir jetzt ein Interesse für Fawcett, letztlich nicht viel mehr als eine Fußnote der Naturforschung, geweckt und ich werde wohl einen Blick auf das Sachbuch gleichen Namens von David Grann werfen, auf das der Film sich zum größten Teil stützt. Wenn Ihr aber nur einen neueren Amazonas-Dschungel-Film sehen wollt, dann nehmt ‚Der Schamane und die Schlange‘!

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13 Gedanken zu “Reisetagebuch: ‚Die Versunkene Stadt Z‘ (2017)

  1. Pingback: Kritik: Die versunkene Stadt Z – Filmexe – Blog über Filme und Serien

  2. Den hab ich ähnlich wahrgenommen wie du. Das episodenhafte hat einen auch immer wieder aus dem aufgebauten Dschungelflow herausgerissen. Die Konzentration auf eine bestimmte Phase seines Expeditionslebens (muss ja nicht zwingend die letzte sein) wäre tatsächlich wünschenswerter gewesen. Hunnam fand ich aber ganz gut in der Rolle. Für das Zerhackstückeln der Geschichte kann er ja nur indirekt was.

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  3. Gestern habe ich mir den Film endlich angeschaut und fand ihn insgesamt ganz ok.

    Die interessanteste Szene war für mich die, in der die Frau des Protagonisten zu ihrem Sohn sagt, dass man im Leben nie sicher ist etc. und ihn dann in den Dschungel ziehen lassen muss.

    Mit diesem Film, Jungle und Gold hatte ich ganz schön viel Dschungel in letzter Zeit 😉

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