Fegefeuer der Eitelkeiten – neun peinliche Prestigeprojekte

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr.“ Das hat wohl nicht, wie oft vermutet, Wilhelm Busch zuerst festgestellt, es war ein Satz, der schon damals länger im deutschen Sprachgebrauch unterwegs war. Und nirgendwo scheint dieser Satz mehr zuzutreffen als im Showgeschäft. Hier ist eine gewisse Eitelkeit nicht nur nicht unbedingt von Nachteil, sie scheint beinahe notwendig, wenn man sich gegen die Konkurrenz durchsetzen möchte. Doch was passiert, wenn diese Eitelkeit zu weit getrieben wird? Dann wird es für den Betroffenen peinlich und für alle anderen mehr oder weniger lustig. Und so möchte ich heute einmal ganz ungeniert mit dem Finger auf neun unfassbar eitle Projekte zeigen und lachen. Warum neun? Naja, zehn erschien mir etwas eitel… Seid Ihr dabei (pssst, wenn Ihr bis zum Ende bleibt, gibt es sogar einen aktuellen Bezug!)?

  1. ‚Postman‘ (1997)

Es hat Kevin Costner offenbar nicht gereicht, dass er bereits als (Anti-)Held der nassen Postapokalypse in ‚Waterworld‘ baden gegangen ist. Eine weitere Postapokalypse musste her und diesmal sollte jeder Anflug von Antiheldentum von vornherein getilgt werden. Costner gab einen Nomaden, der sich zwischen zwei im Krieg befindlichen Fraktionen als Postbote verdingt. Er inszenierte sich hier selbst fast drei Stunden lang als selbstaufopfernder, bewundernswerter Held, der gerne auch mal Shakespeare zitiert. Und wer immer noch nicht glaubt, dass da eine gewisse Eitelkeit dahintersteckt: der Film endet mit der tränenreichen Enthüllung einer Statue von… Kevin Costner.

Das Publikum blieb tränenlos und außerdem aus, seine Filmkarriere musste hiernach jedenfalls erst mal eine längere Auszeit nehmen.

  1. ‚Heaven’s Gate‘ (1980)

Über ‚Heaven’s Gate‘ habe ich an anderer Stelle schon ausführlich geschrieben. Michael Cimino durfte nach seinem Erfolg mit ‚Deer Hunter‘ tun und lassen was er wollte. Das kann ein Ego aufblähen. Er ließ aufwändig gebaute Kulissen wieder abreißen, weil eine Straße nicht breit genug war (beide Seiten, nicht nur eine), er ließ Bäume, die ihm gefielen in Scheiben schneiden, zum Set schicken und wieder zusammenkleben. Mindestens ein Pferd wurde in die Luft gejagt, anderen Blut am Hals abgezapft, das sich die Schauspieler dann ins Gesicht schmieren mussten (der Film ist einer der Gründe für die Einführung der „No animals were harmed“ Einblendungen in Hollywoodfilmen). Heraus kam am Ende ein erschreckend teurer Film, den niemand sehen wollte und die Pleite für das Traditionsstudio United Artists. Das nenne ich mal Fegefeuer. Aber immerhin wurde was für den Tierschutz am Set getan.

  1. ‚Battlefield Earth‘ (2000)

„Scientology könnte so vielen Leuten helfen, man müsste ihnen die Ideen nur mittels eines unterhaltsamen Films nahebringen.“ So etwa müssen John Travoltas eitle Gedankengänge ausgesehen haben, als er 2000 die Verfilmung eines Buches von L. Ron Hubbard produzierte und eine Hauptrolle übernahm. Nun könnte man – mit Recht – sagen, dass der Ansatz schon reichlich falsch ist, doch ist ‚Battlefield Earth‘ nicht einmal ein unterhaltsamer Film. Zumindest nicht so, wie er gerne möchte. Man lacht eher über ihn, als mit ihm. Eine hanebüchene Geschichte um eine postapokalyptische Erde im Jahr 3000 beherrscht von humanoiden Außerirdischen, merkwürdige Spezialeffekte und Masken, sowie ein Travolta, der overactet als gäb‘ es kein Morgen. Als hätte er im letzten Moment doch noch gemerkt, was für einen völligen Blödsinn er da produziert. Hier schießt er Kühen die Beine weg, bevor er von einem Mann mit einem Biber auf dem Kopf getacklet wird:

  1. ‚After Earth‘ (2013)

Der hat offenbar auch Scientology-Motive, zeichnet sich meiner Meinung nach aber vor allem durch seine vollständige Langeweile aus. Und durch das gigantische Ego von Will Smith und der ist, soweit ich weiß, kein Scientologe. Aber offensichtlich ein stolzer Vater. Und er möchte, dass der Rest der Welt genauso stolz auf seinen Sohn Jaden ist, wie er selbst. Und hat daher die Geschichte für einen Film geschrieben in der er und sein Sohn die Hauptrollen spielen würden. Auf einer postapokalyptischen Erde (erkennt jemand ein Muster?) stürzen sie mit ihrem Raumschiff ab und langweilen das Publikum rund 100 Minuten lang. Inszeniert von M. Night Shyamalan. Leider war der Rest der Welt weit weniger von Jaden begeistert als Big Willie und es wurden Vorwürfe laut, die Smith einen gewissen Nepotismus unterstellten. Die Verteidigung (nicht von Smith selbst, sondern von „Experten“): Nepotismus ist in Hollywood kein Problem, sondern ein Verkaufsargument! Na, denn… gefloppt ist er trotzdem.

  1. ‚Cool as Ice‘ (1991)

Selbst wenn Ihr so tragisch alt wie ich sein solltet, ist es unwahrscheinlich, dass Ihr Euch an Rapper Vanilla Ice und seinen Hit „Ice Ice Baby“ erinnert. Und falls doch, vermutlich vor allem an die Bassline. Und die stammt aus Queens/David Bowies „Under Pressure“. Wie auch immer 1990 waren die 15 Minuten Ruhm des Vanilleeises ausgebrochen. Folglich musste fix ein Film her. Auch wenn die 15 Minuten lange um waren, bevor auch nur die erste Klappe am Set klappte. Heute sehen wir nur noch einen wahnwitzig albern wirkendenden jungen Mann, der so gar nicht schauspielern kann und versucht Frauen mit Sprüchen wie „Drop that zero and get with the hero!“ für sich einzunehmen. Kurz: eine Karikatur. Glaubt Ihr nicht? Verstehe ich, aber guckt halt selbst:

  1. ‚Lady In The Water‘ (2004)

Wie eitel ist Regisseur M. Night Shyamalan? Die titelgebende Lady im Wasser ist eine Narf(?) namens Story(!) gespielt von Bryce Dallas Howard. Sie wird gejagt von Scrunts(?) und ist auf der Suche nach dem bedeutendsten Autoren aller Zeiten, der die Menschheit zum Besseren verändern wird. Der wird natürlich gespielt von… M. Night Shyamalan. Okay, das ist schon mal eitel, aber da hört es noch nicht auf. Bob Balaban gibt einen doofen Filmkritiker (Buuuh! zisch!!), der alles falsch versteht, falsche Hinweise gibt und ein brutales Ende durch die Scrunts(??) findet (yay!), nur falls unklar sein sollte, was Shyamalans Eitelkeit von seinen Kritikern hält…

  1. ‚The Room‘ (2003)

Man muss kein Superstar sein, um eitel zu sein. Nur sehr, sehr vom eigenen Talent überzeugt. Wenn man dann noch 6 Millionen Dollar rumliegen hat, um einen Film zu produzieren und wer weiß wie viel Knete um für 5 Jahre lang ein Plakat mit dem eigenen Gesicht drauf über dem Sunset Boulevard zu mieten, dann steht einem peinlichen Prestigeprojekt nichts mehr im Weg. Tommy Wiseau hatte all das zu bieten. Und kann als Beweis dafür gelten, dass Eitelkeit tatsächlich weiter bringt, schließlich hat er aus dem Erfolg seines Films ‚The Room‘ so etwas ähnliches wie eine Karriere gezimmert. Sicher, der Erfolg kam, weil Leute den Film schauten, um über ihn zu lachen, aber dann sagte Tommy halt, der war schon immer komisch gemeint. Wenn man nur eitel und verblendet genug ist geht alles. Dann macht sogar irgendwann James Franco einen Film über die Entstehung Deines Films. Und der kennt sich aus mit Eitelkeiten.

  1. ‚Swept Away‘ (2002)

Es lief alles so gut für Guy Ritchie. Der Durchbruch mit ‚Bube, Dame, König, Gras‘, die Festigung des Erfolges mit ‚Snatch‘ und dann auch noch die Hochzeit mit einer der berühmtesten Frauen der Welt: Madonna. Und dann? Dann wollten sie einen Film zusammen machen. Ein Remake eines Lina Wertmüller Films von 1974. Darin strandet eine unerträgliche, verwöhnte Superreiche, zusammen mit dem ersten Maat ihrer Privatyacht auf einer einsamen Insel. Hier kann der Mann, den sie stets misshandelt, die Situation umdrehen. Vom politischen Kontext des Originals bleibt nichts übrig, Ritchie ist so weit weg von den Kleinganoven-Themen, die ihm liegen, wie es nur geht und Madonna? Madonna ist schlicht furchtbar in der Rolle. Sie scheint gelegentlich gar ihre Texte abzulesen, oder gerade eben auswendig gelernt zu haben. Zu ihrer Verteidigung: sie hatte gerade eine Welttournee beendet. Die Kritiken jedenfalls sind derart vernichtend, dass Madonna schließlich die lang gehegte Idee einer erfolgreichen Hauptrolle aufgibt und sich der Regie zuwendet. Ihr ‚W.E.‘ (das steht nicht für Whatever) hätte vermutlich einen Platz hier verdient, aber es sollten ja nur 9 werden…

Und damit Trommelwirbel für die einzig mögliche Numero Uno:

  1. ‚United Passions‘ (2014)

Und der ist nicht nur auf Platz eins weil gerade Weltmeisterschaft ist! Ich glaube man könnte jeden Freund des internationalen Fußballs fragen, was genau seine Leidenschaft ausmacht und die Antwort wäre stets die gleiche: die Verehrung der hochanständigen Funktionäre der FIFA! Zumindest sowas in der Art müssen sich der Blatter Sepp und Konsorten gedacht haben, als sie diesen Film in Auftrag gaben und finanzierten. Er zeigt die Ursprünge der FIFA, wie sie aus der reinen Liebe zu den völkerverständigenden, ehrenhaften Aspekte des wunderbaren Sportes Fußball entstanden ist und diese hegt und schützt. Wie gerade Blatter entschlossen gegen Korruption kämpft! Und  wer etwas anderes behauptet ist ein ganz gemeiner Lügner und vermutlich sogar Handballer!! Wenn allerdings selbst Blatter-Darsteller Tim Roth feststellt, er habe immer wieder gefragt „wo zeigen wir denn die Korruption?“ (er gab später an, er brauchte den Job, aufgrund finanzieller Schwierigkeiten) und der Film ausgerechnet zeitgleich mit dem FIFA Skandal von 2015 erscheint, der Blatter den Job kostet, dann wünscht man sich als grundehrlicher Funktionär wohl, man hätte die 30 Millionen Dollar für den Film lieber gleich in die eigene Tasche gesteckt. Um Kritiker Des Kelly des britischen Evening Standard zu zitieren (der ganze Artikel lohnt sich!):

„I’ve seen more objective party political broadcasts than this tripe. It is the most extraordinary vanity exercise; a vile, self-aggrandizing, sugar-coated pile of manure where Blatter and Co manage to make North Korea’s Kim Jong-un look self-effacing.“[1]

Was sind Eure „liebsten“ fehlgeleiteten Prestigeprojekte? Oder womöglich sogar wirklich gelungene Werke reiner Eitelkeit?

 

[1] https://www.standard.co.uk/sport/football/des-kelly-sugar-coated-fifa-film-is-spreading-around-europe-like-a-virus-9820165.html

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6 Gedanken zu “Fegefeuer der Eitelkeiten – neun peinliche Prestigeprojekte

  1. United Passions ist schon fast Satire, so schlimm ist dieser FIFA Eitelkeitsfilm. Über The Room muss man nichts weiter sagen außer „Oh Hi Marc“.
    Vanilla Ice hatte nen eigenen Film, das ist ja Banane, seinen Song fande ich super, bis er anfängt zu rappen…
    Bei Postman muss ich sagen, ich mag den irgendwie, bei weitem nicht so gut wie Dances with Wolves, aber unverdienter Flop. Ich mochte an Kevin Costner, dass er mutige Projekte gemacht hat, auch auf dem Zenit seiner Karriere.
    Deadpool ist für mich ein Eitelkeitsprojekt eines Durchschnittsschauspielers, zumindest der zweite war gut…

    Gefällt 2 Personen

    • Ich habe United Passions vor ein paar Jahren in 10 Minuten Happen auf Youtube gesehen, als ich etwa 39°C Fieber hatte. Ich war mir hinterher nicht sicher, was aus dem Film stammt und was aus meinem fiebrigen Hirn. Aber wenn man den Besprechungen glaubt habe ich mir tatsächlich nix eingebildet.

      Deadpool fand ich ganz gut, aber Du hast sicher recht, dass Reynolds seit Jahren versucht den Charakter zu spielen. Sei es nun Leidenschaft oder Eitelkeit.

      Gefällt 1 Person

  2. Großartiger Artikel, auch wenn ich nicht alle vorgestellten Filme aus eingebet Anschauung kenne. Aber dafür kann ich mich noch sehr gut an Vanilla Ice erinnern. Schon schräg, dass ihm dieser kurzfristige Ruhm eine Filmrolle eingebracht hat. Aber Daniel Küblböck und Zlatko (wer kennt die noch?) haben es ja auch geschafft.
    Heavens Gate soll – sofern man es schafft unvoreingenommen heranzugeht- ein guter Film mit wirklich schönen Bildern sein. Herangetraut hate ich mich aber auch noch nicht. Bin da wohl zu voreingenommen 🙂
    Meiner Meinung nach sind alle Fime von und mit Til Schweiger nichts weiter als das Ergebnnis eines maßlos übersteigerten Egos. Aber vermutlich bin ich da auch einfach nur zu voreingenommen 🙂 🙂

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    • Zlatko und Küblböck sind mir in der Tat entfallen… Den Vanalla Ice Film hat mir erst vor ein paar Jahren jemand gezeigt und es war unfassbar. Noch merkwürdiger ist, das es die erste Studioarbeit von Kameramann Janusz Kaminski war, der kurze Zeit später zu Steven Spielbergs Stamm-Kamermann wurde. Würde mich wirklich interessieren, was Spielberg in dem Film gesehen hat.

      Heaven’s Gate ist, rein für sich genommen, ein wirklich guter (wenn auch überlanger, vollgepackter) Film. Da ist es mehr das ganze Darumherum und die Tatsache, dass Niemand Cimino einmal nein gesagt hat, warum er auf der Liste ist.

      Mit Til Schweiger könnte man vermutlich eine eigene Liste füllen, da ist aber das Problem(?), dass ich einfach seit Jahren nix von ihm gesehen habe. Ich glaube zuletzt ist er mir in seinem Cameo Auftritt in Muppets Most Wanted begegnet…

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      • Das von Kaminski wusste ich gar nicht. Wirklich erstaunlich, dass Spielberg von – was auch immer – sich hier so hat beeindrucken lassen.

        Von Heavens Gate gibt es grad aktuell eine neue BluRay-Edition. Wenn ich mal fleissig gespart habe….

        Schweigers Werke sind mir eben weder der übertriebenen Selbstbeweihräucherung auch überwiegend fremd. Da reicht mir meist schon die Berichterstattung im Vorweg. Muppets Most Wanted fand ich wirklich gut. Schweigers Mini-Auftritt/e hat/ben sich da nicht nicht weiter störend ausgewirkt.

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        • Die neue Heavens Gate habe ich auch letztens im Laden gesehen. Aber ich glaube da gäbe es vieeles andere, dem ich erst mal Vorrang geben würde.

          Schweiger ist eigentlich immer gut, wenn er Teil eines Ensembles ist, das er nicht selbst inszeniert (z.B. Inglorious Basterds).

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