Streiflichter 5: Sommerprogramm?

Da es bei mir mit aktuellen Filmsichtungen derzeit, nicht zuletzt dank der Fußball-WM, ein wenig dünn ist, will ich die Gelegenheit nutzen Euch ein paar Kurzrezensionen, die sich über längere Zeit angesammelt haben zu präsentieren. Heute schicken wir die Kinder ins Ferienlager, gehen in die Sauna und schauen eine romantische Komödie! Wenn das kein Wellness-Tag* ist, dann weiß ich auch nicht.

 

‚Stage Fright‘ (2013)

Horrorkomödien gibt es wie Sand am Meer, manche mehr, manche weniger gelungen. Aber Horrormusicals? Klar, auf ‚Rocky Horror Picture Show‘ passt die Beschreibung, auch auf ‚Little Shop of Horrors‘, Sweeney Todd oder Brian de Palmas ‚Phantom of the Paradise‘. Dennoch, es ist ein Genre, bei dem man wohl nicht beide Hände benötigt, um die Vertreter aufzuzählen. Mit ‚Stage Fright‘ kommt ein weiterer dazu.

Ein Broadway Star (Minnie Driver) wird während der Premiere der Show The Haunting of the Opera brutal ermordet. 10 Jahre später leben ihre Tochter Camilla (Allie MacDonald) und deren Bruder Buddy (Douglas Smith) beim ehemaligen Liebhaber ihrer Mutter Roger (Meat Loaf) und verdingen sich als Mitarbeiter in seinem Sommercamp für Musiktheater-interessierte Schüler. In diesem Sommer aber überschlagen sich die Ereignisse. Nicht nur will Roger das Stück, bei dem Camillas Mutter starb, neu aufführen lassen, Camilla wird auch noch in die Hauptrolle gecastet. Und prompt steht wieder ein maskierter Mörder auf der Matte.

Der Anfang des Films ist großartig! Die Eröffnungsszene mit der Mutter ist Giallo-inspiriert und hochatmosphärisch gefilmt. Das Ankommen der Schüler im Lager ist mit einer der unterhaltsamsten Musiknummern verbunden. Aber dann schien der Musical Ansatz wohl zu aufwändig zu werden. Die meisten weiteren Lieder finden nur noch im Rahmen der Proben für das Stück und ohne besondere Inszenierung statt. Die Charaktere brechen nicht, wie für Musicals üblich, plötzlich in Gesang aus. Abgesehen vom Mörder, der immer von jaulenden Gitarren und Metal-Melodien umgeben scheint, die dem Musiktheater wunderbar entgegen laufen. Die Protagonisten werden als sympathisch dargestellt, obwohl (oder weil) sie, abgesehen von Camilla, weitgehend untalentiert, aber mit sehr viel Begeisterung bei ihrem Stück dabei sind. Allie MacDonald trägt den Film problemlos.

Am Ende passt es leider nicht ganz zusammen, Musical und Horror(Komödie) werden nicht zu einer untrennbaren Einheit. Der Film ist aber ungewöhnlich genug, dass allein dafür ein Ansehen lohnt. Und Meat Loaf sehe ich eh gerne, selbst wenn der Film seine anfänglichen Versprechen nicht zur Gänze einlösen kann.

 

‚Es ist kompliziert…!‘ (2015)

Der Aufbau dieser romantischen Komödie ist gar nicht mal so kompliziert: die Mittdreißigerin Nancy ist schon eine ganze Weile Single. Die Kupplungsversuche ihrer Schwester wenig hilfreich. Im Zug nach London trifft sie die leicht anstrengende Jessica. Die ist auf dem Weg zu einem Blind Date, Erkennungsmerkmal: ein Selbsthilfebuch. Da Nancy sich unfreundlich verhält, überlässt Jessica ihr das Selbsthilfebuch. In London angekommen landet Nancy ausgerechnet unter der Bahnhofsuhr, die der Treffpunkt für das Blind Date sein sollte und Jack (Simon Pegg) taucht auf. Spontan beschließt Nancy sich als Jessica auszugeben.

Das wichtigste für eine romantische Komödie zuerst: Bell und Pegg sind charismatische Darsteller, die hier sehr sympathische Rollen spielen und das allerwichtigste, diese undefinierbare Magie, die wir als „Chemie“ bezeichnen stimmt. Sie sind beide sehr, sehr gut darin die Verlegenheit und Nervosität (in Bells Fall die doppelte Nervosität, weil sie sich als jemand anderes ausgibt) eines Blind Dates einzufangen und das (gut geschriebene) hyperaktive Gequassel, das mit dem Versuch einhergeht diese Nervosität zu überspielen. Das sich aus der Ausgangsituation gewisse Verwicklungen ergeben ist klar und im Laufe des Films schleichen sich einige typische RomCom Klischees ein, die der Film auch gar nicht zu umschiffen versucht. Dennoch trägt für mich die zentrale Beziehung problemlos über die gesamte Laufzeit und ich sage das als nicht eben der größte RomCom Fan. Der starke Supporting Cast trägt seinen Teil bei und schafft einige wirklich komische Szenen. Empfehlung!

 

‚Sauna – Wash Your Sins‘ (2008)

1595, der schwedisch-russische Krieg ist vorüber. Die Brüder Knut (Tommi Eeronen) und Eerik (Ville Virtanen) sind Teil einer schwedisch-russischen Kommission, die die neue Grenze, tief in der finnischen Wildnis vermessen soll. Im Zuge dieser Arbeit ermordet Eerik einen Mann in einem abgelegenen Bauernhaus, von dem er behauptet er wollte sie umbringen und Knut sperrt dessen junge Tochter in den Keller, wo sie vermutlich zu Tode kommt. Knut, der den Krieg nicht miterlebt hat ist schockiert, doch Eerik sagt, dass sei nichts im Vergleich zu dem was er im Krieg getan und erlebt habe. Bald sehen sich die Brüder von einer Erscheinung die unaufhörlich schwarzen Unrat ausspeit verfolgt. In einem nicht kartographierten Sumpfgebiet stößt die Kommission auf ein mysteriöses Dorf, in dem sich eine noch mysteriösere Sauna befindet, in der man angeblich alle seine Sünden abwaschen kann. Doch die Konflikte zwischen den Kommissionsmitgliedern brechen hier noch weiter auf als zuvor.

Das klingt alles etwas vage? Gut, das soll es auch. ‚Sauna‘ gibt sich nicht nur selbst vage, er hat es auch verdient, dass man ihn komplett frisch sieht. Der finnische Regisseur Antti-Jussi Annila zeigt hier eine raue, karge Landschaft mit dürren Birkenwäldchen und schnellen Gewässern, die schon beim Ansehen kalt sind. Die Charaktere die sich in dieser düster und blass ausgeleuchteten Landschaft bewegen sind mindestens ebenso rau, geschliffen, nicht nur vom Krieg auch von der gnadenlosen Gegend. In diese stillen, abweisenden Bilder webt der Regisseur dann noch eine reichhaltige Symbolik ein, das beginnt schon in den ersten Sekunden, wenn sich der weiße Schaum einer Stromschnelle im Fluss blutrot färbt.

Die kargen aber beeindruckenden Aufnahmen, der hohe Symbolgehalt, die sparsamen Dialoge und die spürbare Tiefe des Films erinnern nicht nur unweigerlich an die Filme von Andrei Tarkowski, sie machen mir auch sehr deutlich, dass ich beim ersten Ansehen wohl kaum alles mitgenommen habe, was der Film zu bieten hat. Sicher, das zentrale Thema um Schuld und Erlösung ist zwar für sich genommen deutlich und allein schon das Ansehen wert, allerdings nehme ich an, dass der russisch-schwedische Krieg für ein Publikum in Finnland, diesem Land, das so lange ein Spielball zwischen den beiden Mächten war, eine ganz andere Bedeutung entfaltet. Ich habe zumindest vor mich vor dem nächsten Ansehen in der Richtung etwas weiterzubilden, was ich ohne den Film wohl nicht getan hätte.

Falls es nicht klar genug geworden sein sollte: der Film bekommt eine ganz dicke Empfehlung von mir! Ich bin mir sicher, würde er heute, in Zeiten von ‚The Witch‘ und anderen, erscheinen würde er einen ganz anderen Eindruck machen. 2008 erwartete man bei dem Wort „Horrorfilm“ etwas anderes, hier gibt es keine Jumpscares oder übermäßigen Gore. Sicher ist er nicht gerade massentauglich, aber wenn irgendwas in meinem Text interessant klang, dann gebt ihm eine Chance.

*Wellness nicht garantiert!

3 Gedanken zu “Streiflichter 5: Sommerprogramm?

    • Er hat mit Witch auch wenig zu tun, außer das beide ungewöhnliche Themen für Horrorfilme haben und ein historisches Setting.

      Ich fand die VVitch noch ein Stück besser, aber ich glaube Sauna könnte Dir gefallen.

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  1. Pingback: Die 5 Besten am Donnerstag: die 5 besten Filme, die in der Wildnis spielen | filmlichtung

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