‚La La Land‘ (2016) – „Not a Spark in Sight“

Ich mag Musicals, ich mag Damien Chazelles ‚Whiplash‘, ich mag Filme die (wenn in diesem Fall auch nur am Rande) sich mit Filmemachen beschäftigen. Es ist also bestenfalls seltsam, dass es so lange gedauert hat, bis ich endlich zu ‚La La Land‘ gekommen bin. Jeder schien den Film zu mögen, dann gewann er bei den Oscars und plötzlich wurden Stimmen laut, dass er so toll doch nicht sei. Das kommt mir bekannt vor. Bei ‚Chicago‘ (2002) war es ganz ähnlich und den finde ich zumindest unterhaltsam. Also, mal sehen wie ‚La La Land‘ bei mir abschneidet (ich könnte die Songzeile in der Überschrift schließlich auch nur ganz zufällig gewählt haben…).

Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling) begegnen sich das erste Mal am Ende eines Verkehrsstaus in Los Angeles. Diese erste Begegnung besteht aus aggressivem Hupen und erhobenen Mittelfingern. Einige weitere zufällige Begegnungen sind nötig, damit Funken fliegen können. Mia ist angehende Schauspielerin die sich durch die zermürbenden Mühlen erfolgloser Vorsprechen quält. Sebastian ist Musiker und Jazzfanatiker, der allerlei Musik-Gelegenheitsjobs annehmen muss. Sein eigentlicher Traum ist aber ein eigener Jazzclub. Mia hingegen beginnt an einem eigenen Ein-Frau-Theaterstück zu arbeiten. Werden die beiden, nicht eben zu Kompromissen bereiten, Charaktere, ihre professionellen Träume und ihre Beziehung vereinbaren können?

Der Film beginnt mit einer großartigen Szene: ein Stau auf einem gigantischen Freeway-Overpass irgendwo in L.A.. Plötzlich beginnen Menschen, alt und jung, aus den Autos zu steigen, zu singen und zu tanzen. Eine Explosion von Bewegung und Farbe gegen das stehende Grau der Blechlawine mit einer Kamera, die hierhin und dorthin saust. Eine Reminiszenz und Brücke zu den Musicals der 50er, als hätten die niemals aufgehört. Es sollte die beste Szene des Films bleiben.

Das liegt keineswegs daran, dass Chazelles Inszenierung nachließe. Was er in Sachen Farbgebung und Bildkomposition abliefert ist durchaus beeindruckend. Auch die die Gesangs- und Tanznummern bleiben gut inszeniert, den Höhepunkt bietet vielleicht eine Sequenz im Griffith Observatorium, die im wahrsten Sinne des Wortes die Schwerkraft außer Kraft setzt. Nein das Problem liegt weder an Technik noch Inszenierung, sondern an anderer Stelle. Etwa an der Tatsache, dass der Film gelegentlich beinahe betrunken an seiner eigenen Nostalgie wirkt. Nicht nur auf Musicals wird Bezug genommen, nein das ganze „goldene Hollywood“ bekommt den Bauch gepinselt, von ‚Casablanca‘ bis ‚… denn sie wissen nicht, was sie tun‘. Das kann gelegentlich etwas anstrengen. Weit größer ist aber das Problem beim „Gefühl“, bei den Charakteren.

Chazelle ist interessiert an Charakteren mit einer absolut zielstrebigen kreativen Ambition (man könnte wohl auch Besessenheit sagen) und was das mit ihrem Leben macht. In ‚Whiplash‘ war das Miles Tellers Charakter, der sich die Finger blutig trommelt, hier sind es sowohl Stone, die sich wieder und wieder in die seelenvernichtenden Vorsprechen stürzt und Gosling, der Musik spielen muss, die er nicht als reinen Jazz betrachtet. Das Problem für mich ist hier, dass die Charaktere nicht genug Charaktere sind. Sie sind Chiffren, Symbole, die nur im Moment der Szene zu existieren scheinen. Insbesondere über Mia erfahren wir absolut nichts, was über ihre Ambition hinausgehen würde. Sie schreibt, produziert, inszeniert ein Ein-Frau-Theaterstück. Wir sehen, wie sie ein paar Worte schreibt und ein paar Szenen später die Nachwirkungen des Stücks. Wir sehen sie zu Hause bei ihrer Familie und erfahren nichts über das Familienleben. Alles was nicht direkt mit ihrer Ambition oder ihrer Beziehung mit Sebastian zu tun hat wird rigoros ignoriert.

Sebastian selbst kommt etwas besser weg. In einer Szene taucht seine Schwester auf, die uns ein wenig Exposition gibt und dann aus dem Film verschwindet. Aber Sebastian redet viel, sehr viel. Fast immer über Jazz. Dabei gleitet der Film gelegentlich ins Komische ab, anscheinend ohne es zu merken: Mia sagt, bei ihr zu Hause würde Jazz nur als Hintergrundberieselung für Gespräche auf Parties verwendet. Seb ist empört und schleppt sie in einen Jazzclub. Hier erklärt er lang und breit den Jazz. Und eine Band spielt dazu – als Hintergrundberieselung. Als Gag wird das dabei nicht inszeniert. Dadurch, dass die Charaktere eben nur wie Symbole wirken, wurde zumindest mir der Film vor allem sehr, sehr langweilig.

Es spricht sicherlich für Emma Stones Talent, dass es ihr beinahe gelingt aus diesem absoluten Nichts etwas zu machen. In einigen Szenen wirkt sie lebendiger und wahrhaftiger als alles um sie herum. Und ihre Vorsprechen sind kleine Meisterwerke der Schauspielerei. Überrascht hat mich hingegen Ryan Gosling. Dem habe ich hier ja schon häufiger 50er Jahre Hollywoodstar-Qualitäten unterstellt, so müsste er gerade in diesem Film eigentlich wie in seinem Element sein. Doch bleibt sein Sebastian absolut flach. Er legt einige Manierismen an den Tag, die einfach nur merkwürdig aufgesetzt wirken, bei diesem Charakter, den man problemlos auch durch ein Jazzlexikon ersetzen könnte. Beide sind sicherlich nicht Fred Astaire und Ginger Rogers was Tanz angeht, aber das ist völlig in Ordnung, sie sollen ja auch nur ganz „normale“ Menschen darstellen. Ihr Gesang ist ebenfalls durchgehend mindestens passabel.

Ach ja, das erinnert mich an etwas, das ist ja ein Musicalfilm. Wie sind also die Songs? Wenn ich ganz ehrlich bin, ich weiß es nicht. Während ich das schreibe ist es vier Tage her, dass ich den Film gesehen habe. Würde mir jemand eine Pistole an den Kopf halten und mich zwingen einen der Songs aus dem Film zu summen, müsste ich mich wohl meinem Schicksal ergeben. Während ich sie gehört habe waren sie völlig in Ordnung, aber hängengeblieben ist absolut nichts. Das kann an meiner Unmusikalität liegen, doch normalerweise bleiben wenigstens ein oder zwei Songs eines guten Musicalfilms bei mir hängen.

Was bleibt ist ein sehr hübscher, sehr langweiliger Film mit einer Hauptdarstellerin, die das Beste aus dem Gegebenen macht und einem talentierten Hauptdarsteller, der völlig im Material untergeht. Mit Songs, die zumindest ich mir nicht merken kann. Nein, ich kann die Begeisterung leider nicht nachvollziehen und das ist wirklich schade.

14 Gedanken zu “‚La La Land‘ (2016) – „Not a Spark in Sight“

  1. Interessant mal wieder eine Gegenmeinung zu lesen. Ich fand, dass der Film unter den 14 Oscarnominierungen litt. Von da an wurde er schlecht geredet, ich kann auch nicht einiges an Kritik nicht verstehen. Ich finde die Charaktere absolut menschlich und auch, dass sie manchmal verwundern. Flach fand ich sie wirklich nicht. Die Songs waren sehr gut, auch wenn nur ein Ohrwurm (City of Stars) dabei war, dabei ist dieser Film sowohl Musical als auch Liebesgeschichte über zwei kompromisslose Charaktere, wodurch der Film ein bittersüßes Ende bekommt. In meinen Augen einer der besten Filme mindestens der letzten 15 Jahre.
    Aber ich akzeptiere deine Kritik, da es hier um den persönlichen Eindruck eines Zuschauers geht und jeder hat Filme, deren Popularität man nicht nachvollziehen kann…

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    • Nachdem ich nochmal in den Soundtrack reingehört habe, würde ich auch sagen, dass City of Stars mein Favorit ist. Mal sehen, ob er diesmal hängen bleibt.

      Das Ende hätte ich in der Tat noch positiv erwähnen sollen. Es ist gut, dass Chazelle am Ende so kompromisslos wie seine Charaktere geblieben ist und im vermutlich romantischsten Genre überhaupt, dem Musical, ein „unromantisches“, oder wie Du besser sagst, bittersüßes Ende findet.

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  2. Immer wieder interessant, wie ein Film bei zwei Menschen so unterschiedlich ankommen kann und wie sich die Begründungen dann unterscheiden.

    Im Endeffekt sehe ich so gut wie alles Gegenteilig (für mich ist die z.B. Szene im Observatorium die schwächste, weil im wahrsten Sinne abgehobenste) und kann ausnahmsweise die Argumente nicht nachvollziehen – gibt es überhaupt Argumente für subjektives Empfinden oder sind sie nur versuchte Erklärungen, unseren Gefühlen den Hauch von Logik zu geben?

    Aber gut, bei einem Film, der nur für wenige Sekunden den Oscar für den besten Film in den Händen hielt, kann man schonmal unterschiedlicher Meinung sein. Und eines sehen wir ja beide gleich: Whiplash ist besser 🙂

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    • Dadurch, dass ich meinen Text in letzter Sekunde gekürzt habe, wirkt meine Meinung zu der Observatorium Szene vermutlich positiver als sie ist. Ich hatte einen Vergleich drin, der klassiche Musicals der Herr der Ringe Trilogie gleichsetzt und La La Land der Hobbit-Trilogie. Der Aufwand ist da, das Talent ist da, der Willen scheint da, allein es fehlt (zumindest mir) das Herz. Da hatte ich genau die Sequenz als Beispiel.

      Fand dann aber 1. den Vergleich albern und 2, hatte das Gefühl meine Meinung klingt langsam zu negativ. Ich hab den Film ja nicht gehasst, fand ihn nur etwas öde, was mich erstaunt hat, nachdem Whiplash die Geschichte eines Jazzdrummers mit der Dramatik eines Thrillers und dem Pathos eines Rockyfilms erzählt hat. Ich bin nachwievor ehrlich gespannt auf Chazelles Mondlandungsfilm.

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      • Findest du wirklich, dass Ryan Gosling Gesangstalent hat? Für mich die größte Schwachstelle im Film.

        Ein Vergleich mit den Hobbit-Filmen wäre auch sehr hart gewesen. Etwas herzloseres gab es die letzten Jahre kaum.

        Je mehr Filme man gesehen hat, desto extremer könnte die eigene Meinung werden, wer weiß.
        Aber hey, hättest du ihn nicht so abgestraft, dann hätte ich mich nicht dazu geäußert: mehr Traffic für dich 😉

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  3. Sehr schön zusammengefasst warum ich den auch nicht sonderlich gut finde. Sehe fast alles genauso wie du. Wenn mich nächstes mal jemand fragt warum, verweise ich auf deinen Beitrag 😉

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  4. And here’s to the fools who dreams, foolish as they may seem. Here’s to the hearts that breaks, here’s to the mass we make!

    Noch immer regelmäßiger Dauerohrwurm bei mir. Für mich die schönste Szene des ganzen Films.
    Ich mag la la Land, auch wenn ich den großen Hype nicht ganz nachvollziehen kann, versteh aber auch deine Kritikpunkte

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