Willkommen beim Newslichter 33. Diesmal gibt es wieder einen Themenschwerpunkt. In gewissem Sinne geht es noch einmal um die Oscars. Denn die Academy scheint sich nun, unter Steven Spielbergs Führung, für einen Kampf gegen Netflix im Besonderen und Streaming-Anbieter im Allgemeinen entschieden zu haben. Ist es eine gute Idee dem Cannes Filmfestival nachzueifern? Ich habe jedenfalls jede Menge Senf dazuzugeben und Ihr womöglich auch!
Oscar vs. Netflix
https://www.indiewire.com/2019/02/steven-spielberg-vs-netflix-oscar-academy-wars-1202047846/
https://screenrant.com/steven-spielberg-netflix-oscars-rule-changes/
Steven Spielberg in seiner Rolle als „Academy Governor“ für die Sparte Regisseure will anscheinend sicherstellen, dass die Oscars niemals wieder ein ‚Roma‘ zu sehen bekommen. Seiner Meinung nach sollten Netflix und Co. Nur für Preise bei den Emmys qualifiziert sein, nicht jedoch bei den Academy Awards. Darauf will er beim diesjährigen Treffen der „Academy Governors“ drängen und es sieht so als könnte er einigen Rückhalt bekommen. Die Academy hat bereits verkündet, dass Regeländerungen nichts Ungewöhnliches und nach dem Treffen im April durchaus möglich seien.
Was genau hat aber Netflix denn nun falsch gemacht, das eine solche Reaktion hervorruft? Mir ist es ehrlich gesagt nicht ganz klar. Angeblich hätten sie zu viel Geld für die Oscar-Kampagne ihres Films (angeblich 50 Millionen) ausgegeben. Eine offizielle Begrenzung gibt es hier aber nicht. Auch wird ihnen vorgeworfen über das Einspielergebnis zu schweigen. Regeln gibt es hierzu aber auch nicht. Um sich zu qualifizieren muss ein Film für mindestens eine Woche, in dem Jahr für das die Preise verleihen werden (in diesem Fall also 2018), in Kinos in L.A. und New York zu sehen sein, in einem Umfang, dass nachweisbare Zeitungsrezensionen vorliegen. Das war bei ‚Roma‘ der Fall, der Verleih ging sogar deutlich darüber hinaus. Einige Kinos spielten ihn gar 13 Wochen lang. Eine Regel, dass zwischen der Kinoauswertung und der Verbreitung auf anderen Wegen mindestens vier Wochen liegen müssen wurde 2012 von der Academy gekippt. Bei ‚Roma‘ waren es drei. Tatsächlich ist es bei traditionellen Filmverleihern üblich, kleinere (nicht umsonst oft „Oscar-Bait“ getaufte) Filme für eine Woche im Dezember in L.A. und New York ins Kino zu bringen und den weiten Verleih dann erst im März des nächsten Jahres, hoffentlich mit dem gewünschten Oscar-Boost zu starten. Ich würde fast argumentieren wollen, das sei mehr ein windiges Ausnutzen der Regeln, als alles was Netflix tut. Ein Beispiel hierfür wäre übrigens Spielbergs eigener ‚Die Verlegerin‘…
Der Verdacht drängt sich auf, es geht hier nicht um ein mögliches Fehlverhalten von Netflix, das in Zukunft unterbunden werden soll, es geht stattdessen um den Konflikt zwischen traditionellem Kino und Streaming im heimischen Wohnzimmer. Viele Filmemacher, darunter auch Spielberg, haben klargemacht, dass sie ein Heimkinoerlebnis als dem „echten“ Kino gegenüber als minderwertig empfinden. Netflix, Amazon und in naher Zukunft auch die Dienste von Apple und Disney bedienen sich beim selben Talentpool wie der traditionelle Film und graben den Kinos womöglich das Publikum ab, sind die Befürchtungen die im Raum stehen. Ich will Netflix hier auch gar nicht als das arme, hilflose Opfer stilisieren, das sind sie keineswegs. Immer wieder hört man von Kinobetreibern, dass Netflix ein notorisch schwieriger Vertragspartner sei (im Gegensatz etwa zu Amazon, die ihre Eigenproduktionen bislang durch klassische Verleihe an die Kinos brachten). Auch sind sie tatsächlich reichlich verschwiegen über Erfolge oder Misserfolge ihrer Filme und alle anderen Firmeninterna, was sicherlich damit zu tun hat, dass notorisch unsicheres Venture Capital den Haupttreibstoff des Unternehmens stellt.
Aber, seien wir ehrlich, Streaming wird nicht verschwinden, weil einige Große Alte der Filmbranche beschließen es zu ignorieren. Ich habe einen Vergleich gelesen mit den späten 80ern, als Neil Gaimans ‚Sandman‘, ein Comic, auf einmal Literaturpreise gewann. Sofort änderten die Verleiher die Bedingungen, um so etwas in der Zukunft zu verhindern. Meiner Meinung nach hinkt der Vergleich, weil Comics und Literatur zwei grundsätzlich unterschiedliche Medien sind (das ist kein Qualitätsurteil, ich meine nur Comics „Graphic Novels“ zu nennen und so zu tun, als wären sie einfach Romane mit etwas Grafik wird ihnen nicht gerecht), während Streamingfilm und Kinofilm grundsätzlich das Gleiche sind. Aber das Gefühl ist dasselbe. Eine alte, etablierte Garde wehrt sich gegen etwas Neues, nachdem es dazu schon viel, viel zu spät ist. Die Unterschiede zwischen Streaming/Fernsehen und Kino haben doch mindestens in den letzten 20 Jahren so deutlich abgenommen, dass sie beinahe verschwunden sind. 1990 war es noch eine Sensation, dass sich ein etablierter Filmregisseur wie David Lynch dazu entschloss mit ‚Twin Peaks‘* plötzlich Fernsehen zu machen, heute zuckt doch keiner mehr mit der Wimper, wenn man hört, dass ein Martin Scorcese seinen ‚The Irishman‘ für Netflix dreht. Oder eben Alfonso Cuaron seinen ‚Roma‘.
Hätte die Filmindustrie den Streaminganbietern das Wasser abgraben wollen, dann wäre die Zeit dafür vor 7, wenn nicht gar 10 Jahren gewesen. Jetzt ist es zu spät und, selbst wenn ich nicht der größte Freund von Streaming bin: das ist auch ganz gut so! Jegliche Versuche der Academy wirken jetzt nur noch altmodisch, engstirnig und peinlich. Aber hey, vielleicht fühlen sie sich damit ohnehin adäquat beschrieben. Ich wundere mich nur, dass sich Spielberg dafür hergibt.
Das ist übrigens ein Thema, bei dem ich insbesondere neugierig auf Eure Meinungen bin. Ich würde mich hier also insbesondere über Kommentare freuen.
‚Invisible (Wo?)Man‘, neue Hauptdarstellerin bekannt
https://www.cinemablend.com/news/2467738/the-invisible-man-reboot-may-have-found-its-first-new-star
Wie der Newslichter neulich berichtete, ist ein neuer ‚Invisible Man‘ Film, unabhängig von jedem „Dark Universe“ in Arbeit. Johnny Depp ist offiziell als Hauptdarsteller raus und Elisabeth Moss (‚High Rise‘, ‚The Square‘) ist als neuer Star des Films bekanntgegeben. Bedeutet das es wird eine Invisible Woman? Oder wird sie sich mit dem Unsichtbaren auseinandersetzen müssen? Nix genaues weiß man nicht, aber aus irgendeinem Grund freue ich mich auf den Film.
‚Edge Of Tomorrow‘ Fortsetzung kommt (vielleicht)
Ein Megaerfolg, war der unterhaltsame Zeitschleifen-SciFi Film seinerzeit nicht. Aber offenbar hat er dennoch genug Geld eingespielt und hat anschließend im Heimkino genug an Popularität zugelegt, das nun die Möglichkeit einer Fortsetzung im Raum steht. Regisseur Doug Liman und Hauptdarsteller Emily Blunt und Tom Cruise sind alle bereit zurückzukehren. Wenn ihnen denn das Drehbuch zusagt. Und das schreibt Matthew Robinson. Einer der Autoren des seltsamen Megaflops ‚Monster Trucks‘. Man sollte also vielleicht in Erwartung der Fortsetzung noch nicht gleich die Luft anhalten.
Und das war es auch schon wieder für heute. Wir sehen uns nächste Woche. Gleicher Newslichter Ort, gleiche Newslichter Zeit. Bis dann.
*AAAAAHHHHH, Staffel 3 ist so gut ahahahaha, ähem, zurück zum Thema
Wenn ich mal etwas anmerken darf:
Ich finde u.a. das Thema Netflix vs Academy hätte einen eigenen Beitrag verdient. Das sieht man alleine schon an der Tatsache, dass der Text dazu länger ist als bei den üblichen News.
Du scheinst bei solchen Film-politischen Themen immer sehr gut informiert zu sein, was du meiner Meinung nach noch weiter vertiefen könntest. Wir haben ohnehin schon länger nicht mehr über Filme geklönt (oder wie das heißt)
Übrigens freue ich mich auch auf den Unsichtbaren. Ich fand die Mumie ja mittlerweile gar nicht übel. Hab dazu direkt zwei Beiträge zum Film verfasst, die demnächst kommen.
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Ja, du hast schon Recht, ganz glücklich war ich hiermit auch nicht.
Ich werde mich wahrscheinlich damit abfinden müssen, dass der Newslichter auch mal sehr kurz werden kann, gerade weil ich über eine Meldung viel zu sagen habe und die dann zum Samstag auslagere.
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Schöner Beitrag 🙂 Werde an der Stelle meinen Kommentar übernehmen, den ich bereits an anderer Stelle zu dieser News gepostet hab und bisschen Schreibarbeit reingesteckt habe:
Ich finde die es ehrlich gesagt schon unangemessen Netflix mit TV-Produktionen zu vergleichen. Gerade Filmen wie Roma oder Annihilation oder andere Konsorten wird dieser Vergleich einfach nicht gerecht und ich finde es mehr als gerechtfertigt, dass Netflix mitkonkurriert, denn sie geben mutigen Projekten eine Chance und das Budget, um sich ganz zu entfalten und es ist dieser Mut der anderswo in der Kinolandschaft oft vermisst wird. Gerade Roma hat es gezeigt, dass er ein Recht auf die Oscars hat und da muss die Academy und der werte Herr Spielberg auch einfach mal mit der Zeit gehen. Klar ist, dass man auch für das Überleben des Kinos sich Gedanken machen muss, jedoch sind es doch gerade diese Arthouse-Filme, die in der Kinolandschaft viel zu sehr untergehen würden und ich denke nicht, dass Roma sich eines so breiten Publikums und einer solch großen Aufmerksamkeit sonst hätte bedienen können.
Meiner Meinung nach muss da definitiv eine andere Lösung gefunden werden, als Netflix von den Oscars auszuschließen. Das ist einfach nicht mehr zeitkonform und damit würden sich die Oscars auf lange Sicht nur selbst ins Aus befördern.
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Du hast schon Recht, dass Netflix gerade in letzter Zeit viele Projekte angegangen ist, die weit über das hinausgehen, was man sich unter „TV-Film“ vorstellen würde. Man denke nur an ‚The Other Side Of The Wind‘.
Aber selbst wenn ein klassischer Fernsehanbieter, vielleicht HBO, einen Film im Portfolio hat, den sie für würdig halten und dann die Bedingungen erfüllt, sprich ihn ins Kino bringen, dann sähe ich auch da keinen Grund den von den Oscars auszuschließen. Warum auch? Weil ich als Zuschauer ihn nur im Heimkino sehen kann? Das würde ja etwa für ‚Black Panther‘ auch gelten, wenn der gewonnen hätte, ist er doch seit einem Jahr aus dem Kino raus.
Ein großes Problem der Oscars ist, glaube ich zumindest, dass sie zu einer Werbeveranstaltung für die für den Preis maßgeschneiderten Filme (wie Green Book einer zu sein scheint, ohne ihn gesehen zu haben) geworden sind. Da erfüllen sie mit dieser Aktion beinahe alle meine Vorurteile…
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Ja, ist mir auch egal ob Netflix oder Amazon oder HBO oder wer auch immer. Ich denke damit schießen sich die Oscars nur selbst ins Bein und müssen aufpassen nicht in die Bedeutungslosigkeit abzudriften, wenn sie die aktuelle Entwicklung der Streaminggiganten einfach ignorieren und abstreiten. Dabei finde ich die Oscars gar nicht mal so unwichtig, in meinen Augen sind sie schon relevant um dem Maistream-Kino etwas entgegenzusetzen. Und sie haben sehr wohl eine große Plattform für Roma geboten, was auch gut so ist. Allein durch die Diskussion hat der Film deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten und hinzu kommt, dass der Großteil mittlerweile über ein Netflix-Abonnement verfügt und dadurch vielleicht das interesse für den Film erweckt wird. Und ich sage das alles, obwohl ich nicht mal ein großer Fan von Roma bin, da empfinde ich viel mehr Respekt für das Projekt und die Machart, als dass es mir persönlich gut gefällt.
Ich finde, dass sich die Academy sich da durchaus denVorwurf gefallen lassen muss, altbacken zu sein.
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Richtig, die Oscars sind nicht für die Hardcore Cinephilen, die sich beschweren, dass die „richtigen“ Filme nicht einmal nominiert wurden. Sie sind für die Gelegenheits-Kinogänger/Filmschauer, die etwas wollen, das über die üblichen Blockbuster hinausgeht. Und als Hinweis dafür, dass ein Film zumindest gut ist funktioniert der Oscar (mit wenigen Ausnahmen) eigentlich sehr gut. Und wie du sagts damit als Plattform für Filme, die ansonsten womöglich übersehen worden wären.
Natürlich hält mich das nicht davon ab, den „wichtigsten Filmpreis der Welt“ auch in Zukunft für seine Kurzsichtigkeiten zu benörgeln… 😉
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Ja natürlich, davon leben die Oscars ja auch, von der Diskussion drum herum 😀
Aber ja das ist genau was ich meine, man kann eigentlich froh sein dass es sie gibt, auch wenn man kein Fan von ihnen ist. Ich denke, man sollte sie schon als Chance wahrnehmen.
Besonders hier in Deutschland finde ichs immer wieder erschreckend, wie sang und klanglos hier in den Kinos manche Filme untergehen, falls sie überhaupt anlaufen
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Ja, was hier aus deutschen Produktionen ohne jedes Marketing an kreativem Zeug in der Versenkung verschwindet, mag man sich gar nicht vorstellen. Und dann heißt es das deutsche Kino kann nur Nazi Betroffenheit und RomCom (ich bin da selbst nicht ganz unschuldig…).
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Ich bin weder ein sonderlich großer Freund von Netflix, noch von den Oscars. Den Streit finde ich aber auch albern. Zumal die Argumente eben nicht ziehen, wie du schon schön dargelegt hast. Insofern kann ich nur sagen: Wie auch immer es ausgeht, es ist mir egal. Ich befürchte höchstens, dass bald alle Streaming-Anbieter ihre Filme ins Rennen schicken und diese dann nur exklusiv auf ihren Portalen zu sehen sein werden. Vielleicht noch nicht nächstes Jahr, aber irgendwann. Sprich noch weniger Kinoauswertung und keine haptischen Medien mehr. Aber das geht jetzt schon am Thema vorbei…
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Ich sehe vor allem überhaupt kein System dahinter, was Netflix als physische Medien veröffentlicht und was nicht. Ich verstehe, dass sie ihre Tophits exklusiv halten wollen, aber wie gesagt, viel Logik entdecke ich hinter dem Rest nicht. Aber ich bin ja auch kein Marketingmensch… 😉
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