‚The Punisher‘ (1989) – Marvels frühe Filmversuche

Kommt mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1988! Superheldenfilme sind hier alles andere als Mainstream. Wirklich erfolgreich war eigentlich nur DCs ‚Superman‘ von 1978, der bei Warner erschien. Und die Serie hat sich in den letzten 10 Jahren totgelaufen. Der vierte Film erschien im letzten Jahr gar bei Menahem Golan und Yoram Globus‘ Billigfilmschmiede Cannon Films. Doch zumindest hat DC gerade ein neues, heißes Eisen im Feuer. Nächstes Jahr soll ‚Batman‘ ins Kino kommen, gedreht von einem aufregenden neuen Regisseur namens Tim Burton! Man darf gespannt sein! Wie bitte? Marvel? Was für Filme Marvel in petto hat? Öh, da muss ich nachgucken. Tja, im Fernsehen waren sie vor ein paar Jahren ganz erfolgreich, mit einem grün angemalten Lou Ferrigno als ‚Hulk‘. Aber im Kino?

Na gut, George ‚Star Wars‘ Lucas hat 1986 ‚Howard The Duck‘ gedreht. Der Film hat ca. 5 Leuten mit erstaunlicher Vorliebe für Entenbrüste gefallen, für alle anderen ist er zur Pointe geworden. Die Rechte an ‚Spider-Man‘ und ‚Captain America‘ sind ohne Umwege über ein größeres Studio direkt bei Cannon Films gelandet. Und ob die überhaupt rauskommen ist mehr als fraglich, denn Cannon hat sich letztes Jahr (1987) mit dem Spielzeugfilm ‚Masters of the Universe‘ und dem Sylvester Stallone Armdrück-Epos ‚Over the Top‘ zwei verdammt teure Flopps eingefahren und es ist fraglich, ob sie das überstehen. Oh halt, hier sehe ich etwas, das funktionieren könnte. Wenn etwas hier in den 80ern läuft, dann ist es laute Action voller Muskelmännern mit fetten Knarren. Und Marvels ‚The Punisher‘ könnte genau das liefern. Und die Rechte dafür liegen bei Roger Cormans ‚New World Pictures‘, also wird er definitiv laut. Sicher, billig aber vor allem laut. Mark Goldblatt dreht den derzeit mit Dolph Lundgren in der Hauptrolle in Sydney Australien (weil’s da billig (und vermutlich laut) ist). Reisen wir also zurück in unsere Zeit und schauen mal, was der kann.

Kurzer Einwurf, weil’s vermutlich auch heute noch kein Allgemeinwissen ist: im Comic ist der Punisher der ehemalige Polizist Frank Castle. Der musste mit ansehen, wie seine Frau und seine Kinder bei einem Picknick im Park zwischen eine Bandenschießerei gerieten und ermordet wurden. Er schwor nicht einfach nur den Banden Rache, sondern wollte alle „Schuldigen“ überall bestrafen. Mit einem großen Totenschädelsymbol auf der Brust und einem noch größeren Waffenarsenal macht er nun Jagd auf Verbrecher aller Art. Aufgrund seiner mörderischen Methoden gerät er dabei immer wieder mit Superhelden in Konflikt. Kurz, der Punisher ist Batman, wenn Batman statt Millionen auf dem Konto, eine NRA-Mitgliedskarte unter dem (natürlich stahlharten und überaus männlichen) Kopfkissen hätte. Jetzt aber zum Film.

125 Morde hat der mysteriöse Punisher in den letzten 5 Jahren begangen. Die meisten davon an Mitgliedern der italienischen Mafia von Atlanta. Die Polizei hat keine Spur, doch Detective Jake Berkowitz (Louis Gosset jr.) ist überzeugt, dass sein ehemaliger Partner Frank Castle (Dolph Lundgren) dahintersteckt. Dessen Familie ist durch eine Autobombe der Mafia ums Leben gekommen und auch Castle selbst gilt offiziell als tot. Währenddessen versucht Boss Gianni Franco (Jeroen Krabbe) die durch den Punisher geschwächten Mafiafamilien zu einen. Doch auch die Yakuza bemerkt die Schwäche der Mafia. In einem brutalen Schachzug versucht sie, unter Leitung von Lady Tanaka (Kim Miyori), die übrigen Mafiabosse zu neutralisieren. Indem sie ihre Kinder entführen. Der Punisher sieht sich nun dem Dilemma ausgeliefert, dass sein Wunsch die Schuldigen zu bestrafen, Unschuldige in Gefahr gebracht hat. Aber dieses Dilemma wird er lösen. Mit Handfeuerwaffen, Maschinengewehren, etwas Sprengstoff, Dolchen und der einen- oder anderen Garotte.

Lasst uns eines direkt klar machen: der Film ist nicht mehr und nicht weniger als, in meinen Augen, grundsolider Trash. Mark Goldblatt ist kein großer Regisseur. Am Aufbau seiner Figuren hat er bestenfalls mäßiges Interesse. Seine Qualitäten kommen aber zum Vorschein, wenn es knallt. Und zum Glück knallt es in dem Film sehr häufig. Und wenn er kein großer Regisseur sein mag, so ist er auf jeden Fall ein brillanter Cutter (‚Phantom Kommando‘, ‚Terminator‘ (1+2), oder ‚The Rock‘ etwa gehen auf seine Kappe). Daher läuft auch ‚The Punisher‘ mit einer solchen Verve ab, dass der Film gar keine Chance hat langweilig zu werden. Castles Hintergrundgeschichte etwa, bekommen wir in zwei Flashbacks, zusammen weniger als eine Minute präsentiert. Dann mäht er schon wieder reihenweise Mafiosi und Yakuza in derart übertriebenen Szenen um, dass man es nicht ernst nehmen kann und als pure Exploitation, als völligen Over The Top (aber ohne Armdrücken) Film begreifen muss. Und als solcher ist er toll. Auch wenn man das (vergleichsweise) geringe Budget von 9 Millionen Dollar durchaus gelegentlich bemerkt (das „Edelrestaurant“ der Mafia sieht ein wenig wie Muttis ausgebauter Keller aus).

Wie ist er als Comicverfilmung? Ich kenne den Punisher zu wenig um das wirklich zu sagen. Aber viel ist von der Figur schon dadurch nicht übrig, dass der Film auf das Totenschädelsymbol verzichtet. Nur am Knauf von Castles Dolchen taucht es noch auf. Für mich funktioniert der Punisher allgemein eigentlich nur als überzogene Exploitation (daher ist Lexi Alexanders vollkommen irrwitzig brutaler ‚Punisher : Warzone‘ auch der beste Film der Figur), denn wenn man diese Figur zu ernst nimmt, wird sie schnell ein wenig… unangenehm. Es ist allerdings interessant zu sehen, wie Goldblatt versucht, seinen Film an das Medium Comic anzunähern. Er schafft eine gewisse „Panel-haftigkeit“, indem er etwa die im Film reichlich vorkommenden Wurfgeschosse, von Dolchen bis Shuriken, immer wieder in Großaufnahme zeigt, bevor sie ihr Ziel finden. Eine typische Comic-Erzählweise. Man darf nicht vergessen, dass er ohne jedes Vorbild für einen solchen Comichelden drehte.

Ich überrasche wohl niemanden, wenn ich eröffne, dass Dolph Lundgren kein guter Schauspieler ist. Allerdings funktioniert er gut als schweigsames Monster, das dreckverschmiert aus der Kanalisation auftaucht. Ein mörderischer, bleicher Riese mit blutunterlaufenen Augen und verfilzten Lederklamotten. In der Mitte des Films scheint dann aber plötzlich die Entscheidung gefallen zu sein, er bräuchte Arnold‘sche Oneliner. Und für die fehlt Lundgren einerseits das Charisma und zur Figur passt es andererseits auch nicht. Das merkt der Film auch und sie verschwinden schnell wieder. Echtes Charisma und ein wenig Humor bringt Louis Gosset jr. In den Film ein. Und Jeroen Krabbe ist vermutlich der begabteste Darsteller, als Gangster zwischen Sorge um seinen Sohn und Machtwillen.

‚The Punisher‘ ist also kein ganz großer Comicfilm, aber ein toller 80er Actionreißer. Also der erste große Erfolg an der Kinokasse für Marvel? Nein. Denn New World Pictures geriet 1989 in eine Krise. Sie verkauften die amerikanischen Rechte des Films daher an Live Entertainment (heute Lionsgate). New Line brachte den Film in anderen Territorien ins Kino, etwa in Deutschland, wo er sofort auf dem Index landete. In den USA kam er hingegen nie ins Kino, weil Lundgren mit ‚Masters oft he Universe‘ und ‚Red Scorpion‘ unter Beweis gestellt hatte, dass er als „Leading Man“ nicht funktioniert. Live Entertainment brachte ihn erst 1991 auf Video heraus, wo er in der negativen Reaktion auf den ‚Captain America‘ Film (nicht von Cannon) unterging. Und Cannon gingen Pleite, bevor sie ‚Spider-Man‘ fertigstellen konnten. Ein Glück? Das müsst Ihr selbst entscheiden! Jedenfalls sollte es noch gut 10 Jahre dauern, bis Marvel auch an der Kinokasse Erfolge einfahren durfte.

Was bleibt ist ein spaßiger, dreckiger, billiger 80er-Knaller, der keine Comicverbindung braucht.

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