Vor einem guten Jahr haben wir uns das berühmteste Pseudonym Hollywoods, Alan Smithee, genauer angeschaut. Der gar nicht mal so gute Alan ist aber bei Weitem nicht das einzige Pseudonym, das in der Traumfabrik Verwendung findet. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf unterhaltsame und weniger unterhaltsame Verwendungen von Pseudonymen. Ziel ist dabei nicht die vollständige Abdeckung verwendeter Pseudonyme, sondern einen Überblick zu schaffen, über die verschiedenen Gründe, warum sie verwendet werden.
Zunächst mal müssen wir über Künstlernamen reden. Die sind offensichtlich nicht dasselbe wie ein Pseudonym. Und es gibt eine ganze Reihe guter und schlechter Gründe für Künstlernamen. Und oft genug kamen, gerade im frühen 20ten Jahrhundert, die Ideen für diese Namen nicht von den Künstlern selbst, sondern von den Studios. Sei es weil man „amerikanischer“ klingen möchte, man denke an Sergio Leone und Ennio Morricone, die bei ‚Für eine Handvoll Dollar‘ als Bob Robertson und Dan Savio aufgeführt wurden. Oder aber das genaue Gegenteil, den Versuch exotischer zu klingen, als Beispiel sei an Theodosia Goodman erinnert, die als Theda Bara auftrat. Einen traurigen Höhepunkt erreichten diese Namensänderungen mit dem Aufstieg der Nazis, als viele deutsche Filmemacher und, nach Ausbruch des Krieges, weitere europäische, in die USA auswanderten. Wenn etwa Hans Detlef Sierck nach der Ausreise aus Deutschland 1937, mit seiner jüdischen Frau Hilde, seinen Namen in Douglas Sirk änderte, dann war das nicht eine Amerikanisierung aus reinen Vermarktungsgründen, es war ein bewusster Bruch mit der fremd gewordenen, ehemaligen Heimat. Ähnliches gilt für Samuel Wilder, der 1933 emigrierte und zu Billy Wilder wurde. Während jemand wie Ernst Lubitsch, der bereits 1922, ohne den Druck der Nazis, auswanderte seinen deutschen Namen behielt (mit ‚Sein oder nicht sein‘, aber eine der ersten Reaktionen aus Hollywood auf das Nazi-Regime schuf).
Kommen wir aber zu den eigentlichen Pseudonymen. Also einen falschen Namen, den jemand, der bereits im Filmgeschäft etabliert ist, verwendet um von seiner Person abzulenken. Auch da gibt es einen traurigen Höhepunkt, mit dem wir beginnen wollen, bevor wir uns in unterhaltsamere Gefilde begeben. Die McCarthy-Ära beschreibt eine Phase der US-amerikanischen Politik, die von der extremen Verfolgung „kommunistischer, unamerikanischer Umtriebe“ geprägt war. Von 1947 bis in die späten 50er reichte es bereits, dass der eigene Name im Umfeld linker Ideen genannt wurde, um in Hollywood auf die „Schwarze Liste“ gesetzt zu werden, sprich, keine Arbeit mehr zu bekommen. Manche taten sich dabei in Hollywood als ganz begeisterte Denunzianten hervor, allen voran John Wayne, mit dem Senator McCarthy gerne für Fotos posierte. Auf der Schwarzen Liste landete unter anderem Drehbuchautor Dalton Trumbo. Der schrieb weiter, unter mehreren Pseudonymen. Diese Pseudonyme waren allerdings andere, existierende und etablierte Drehbuchautoren, darunter Ian McLellan Hunter. 1953 gewann Trumbo, als Hunter, den Oscar für das beste Drehbuch für ‚Ein Herz und eine Krone‘ (der Durchbruch für Audrey Hepburn). Hunter nahm den Preis entgegen und Trumbo blieb unbenannt. Kurz darauf geriet Hunter selbst auf die Schwarze Liste. Trumbo bekam den Preis erst 40 Jahre später, als beide Männer bereits tot waren, zugesprochen. Dafür musste eine neue Statue geschaffen werden, weil sich Hunters Sohn weigerte den originalen Preis herauszugeben. 1956 gewann Trumbo einen weiteren Oscar. Diesmal für sein Drehbuch für ‚Roter Staub‘. Für dieses hatte er sich mit „Robert Rich“ den Namen des Neffen eines Produzenten „ausgeliehen“. Wenigsten diesen Preis erhielt Trumbo aber noch zu Lebzeiten. 1975, ein Jahr vor seinem Tod.
Wenden wir uns nun aber der illustren Karriere von Roderick Jaynes zu. Viel ist über diesen zurückgezogenen Mann und brillanten Cutter nicht bekannt. Wenn wir einmal davon absehen, dass er als einer der begeistertsten Sammler von Aktgemälden Margaret Thatchers gilt. Wir wissen etwa, dass der Brite Jaynes in den 30er Jahren bei den Shepperton Studios für den Teewagen verantwortlich war. Von dort arbeitete er sich hoch zum Cutter. Internationalen Ruhm erreichte er erst im hohen Alter, als Cutter sämtlicher Filme der Coen Brüder. Für seine Arbeit an ‚Fargo‘ wurde er für den Oscar nominiert. Das war ein Problem. Denn, wie Ihr sicher bereits ahnt, Roderick Jaynes existiert nicht. Er ist ein Pseudonym der Coens, die für ihn auch die biografischen Eckdaten und seine Sammelleidenschaft erfanden. Ethan und Joel Coen überredeten Albert Finney verkleidet als Jaynes bei den Oscars aufzutauchen. Leider verriet irgendeine extreme Spaßbremse das der Academy (argh, warum?), die es natürlich untersagte. So hieß es dann Jaynes sei zu alt zum Reisen und die Coens würden, wenn es dazu käme, den Preis in seinem Namen akzeptieren. Es kam nicht dazu, Walter Murch gewann für ‚Der englische Patient‘. Wann genau Jaynes aufhörte ein Pseudonym zu sein und zu einem Witz wurde, ist weniger klar. In einem Artikel, den „Jaynes“ 2001 für den Guardian schrieb, gab er offen zu eine Erfindung der Coens zu sein. Dennoch wurde er 2008 für ‚No Country For Old Men‘ erneut für den Oscar nominiert – und verlor erneut. Direkt gefragt, warum sie Roderick Jaynes verwenden, antworteten die Brüder, dass der Name Coen schon oft genug in den Credits auftauche.
Genau das scheint der typische moderne Grund für die Verwendung von Pseudonymen zu sein. Steven Soderbergh hat eine persönliche Regel, dass sein Name nur einmal in den Credits auftaucht. Allerdings gibt es strikte Regeln, der mächtigen Künstlergewerkschaften (oder Gilden) von Hollywood, wie die Credits aufgebaut sein müssen. Für ‚Traffic‘ (1999) wollte sich Soderbergh den Credit „Photographed and Directed by“ (also in etwa „Kamera und Regie von“) geben. Die Gewerkschaften von Kameraleuten und Regisseuren hatten damit auch überhaupt kein Problem. Allerdings hatte die Writers Guild etwas einzuwenden. Zwischen Autor und Regisseur dürfe kein weiterer Credit stehen lautet eine ihrer Regeln, die sie durch die Doppelnennung gebrochen sahen. Also wurde kurzerhand „Peter Andrews“ zum Kameramann. Das Pseudonym besteht aus Vor- und mittlerem Namen von Soderberghs Vater. Für seine Arbeit als Cutter gab er sich ab ‚Solaris‘ (2002) den Namen „Mary Ann Bernard“, den Mädchennamen seiner Mutter und als Autor nennt er sich „Sam Lowry“ (nach Jonathan Pryces Charakter in Terry Gilliams ‚Brazil‘). Für Soderberghs brillantes TV Biopic ‚Liberace – zu viel des Guten ist wundervoll‘ gewannen denn auch, neben Soderbergh, „Peter Andrews“ und „Mary Ann Bernard“ Emmys. Tatsächlich ist bei einem von Soderberghs neuesten Filmen, ‚Logan Lucky‘, ein neuer Name aufgetaucht. Als Autorin wird „Rebecca Blunt“ geführt. Eine Person über die nichts bekannt ist und die keine Interviews gibt. Vermutungen behaupten, es handle sich aber nicht um ein weiteres Soderbergh Pseudonym, sondern um eines seiner Frau Jules Asner.
Als letztes sei noch ein kurzer Blick auf eine besondere Form des Pseudonyms geworfen. Das Drehbuch für ‚Adaptation‘ wird Charlie Kaufman und seinem verstorbenen Zwillingsbruder Donald zugeschrieben. Wer den Film gesehen hat, weiß natürlich, dass sich die Handlung um den Versuch der Adaption des Buches The Orchid Thief dreht, an der Charlie Kaufman und sein Zwilling Donald (beide gespielt von Nicolas Cage) arbeiten. In der Realität ist Donald selbstverständlich nicht verstorben, er ist schlicht fiktiv. Für den Oscar nominiert waren sie aber dennoch beide. Es sollte inzwischen klar geworden sein, dass die Academy es nicht als ihre Aufgabe betrachtet Pseudonyme aufzudecken. Wie sie mit der Nominierung umgehen, überlässt sie den Künstlern. Nur wenn man einen verkleideten Albert Finney zur Annahme schicken will, ist man anscheinend zu weit gegangen (grmbl!).
Das soll es gewesen sein, mit einem kurzen Überblick über die Verwendung von Pseudonymen in Hollywood. Falls Ihr ein Beispiel wisst, dass ich nicht genannt habe, dann gerne in die Kommentare damit.
Kein Beispiel aus Hollywood, sondern aus dem österreichischen „Schundfilm“ der 60er und 70er Jahre: Friedrich O. Fronz nannte sich als Regisseur „Frits Fronz“, als Drehbuchautor „Marcel Troussant“ und als Darsteller (und zeitweise als Schlagersänger bzw. Schlagersprecher) „Frank Roberts“, teilweise alles zusammen im selben Film. Bei Gelegenheit nannte er sich auch „Seine Exzellenz, Handelsrat Professor Friedrich Fronz-Frundsberg“.
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Na, das klingt ja wirklich nach einer schillernden Persönlichkeit😊
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In der Tat! 😉
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Na, das klingt ja wirklich nach einer schillernden Persönlichkeit
Ja, das ist auch das Fazit meines Artikels über ihn.
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Sehr amüsant. Leider kann ich sonst nichts zum Thema beitragen. Außer vielleicht, dass der Film „Trumbo“ empfehlenswert ist. 😉
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Ist auf meiner elendlangen Liste… 😉
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