1985 explodierte Theatermann Stuart Gordon mit seiner wilden Splatter-Komödie ‚Re-Animator‘ ins Horrorfilmgenre. Mehr oder weniger durch Zufall, denn Gordon hat seine H.P. Lovecraft-Adaption eigentlich als Theaterstück gedacht. Dann als Fernsehspiel. Doch wurde ihm überall unter Kopfschütteln beschieden, dass der einzige Ort für Horror der Film sei. Also wurde es ein Film. In Brian Yuzna wurde ein begeisterter Produzent gefunden, Geld gab es dennoch nicht viel. Doch hatte der Film einen solchen Drive, eine solche Lust am Experimentieren mit Kameraeinstellungen und Licht, die Bereitschaft Kunstblut gleich Hektoliterweise zu vergießen, dazu in Jeffrey Combs einen fähigen Hauptdarsteller, dass man über mäßige Effekte und die eine oder andere Amateurhaftigkeit gerne hinweg sah. Der Film wurde bei Kritik und Publikum ein großer Erfolg. Und in Deutschland natürlich auf den Index gesetzt.
Kaum ein Jahr später standen Gordon und Yuzna bereit an den Erfolg mit einer weiteren Lovecraft Verfilmung anzuknüpfen. Diesmal mit etwas mehr Geld und dem Plan in Italien statt in Hollywood zu drehen, auf das es weiter reiche. Neben Combs kehrte auch die in ‚Re-Animator‘ eher unterforderte Barbara Crampton zurück. Und war Lovecrafts Geschichte für den letzten Film eher Inspiration als Vorlage, nahm Gordon es bei dieser Adaption durchaus genauer.
In der literarischen Vorlage (auf deutsch etwas krumm „Vom Jenseits“ betitelt) erzählt ein namenloser Erzähler, wie er einem Wissenschaftler namens Crawford Tillinghast bei dessen Experimenten assistierte. Tillinghast hat eine Maschine entwickelt, die die Zirbeldrüse stimuliert (sie zum „dritten Auge“ macht) und den Menschen so befähigt eine parallele Existenz zu der unseren wahrzunehmen. Blöd nur: die Wesen, die dort leben, können den Menschen dann auch wahrnehmen. Von einer solchen Wesenheit angegriffen, zerstört der Erzähler die Maschine, doch Tillinghast ist bereits tot.
Genau so geschieht es in Gordons Film, nur aus der Gegenwart Lovecrafts, den 1920er Jahren, in die Gegenwart der 80er transportiert. Crawford Tillinghast ist nun der Name des Assistenten (Combs), während der Hauptforscher (Ted Sorel) Dr. Pretorius (eine Anspielung auf James Whales ‚Frankensteins Braut‘) heißt. Allerdings passiert all das in den ersten 5 Minuten, noch vor dem Vorspann. Der Rest des Films ist dann purer Gordon.
Crawford sitzt nämlich in einer Nervenheilanstalt, weil er mit einer Axt nahe der kopflosen Leiche von Pretorius aufgegriffen wurde. Genauer, wegen seiner Behauptungen ein Wesen aus einer parallelen Realität habe Pretorius den Kopf abgebissen („wie einem Lebkuchenmann“), bevor Crawford die Maschine, den Resonator, mit der Axt zerstörte. Da die Polizei sich seiner Schuld aber nicht sicher ist (und gern Pretorius‘ fehlenden Kopf finden würde), erhält die Psychologin Katherine McMichaels (Crampton) die Erlaubnis das Experiment mit Crawford unter Aufsicht von Polizist „Bubba“ Brownlee (Ken Foree) mit der originalen Maschine nachzustellen. Tatsächlich bringt sie ihre eigene wissenschaftliche Faszination für die Maschine mit, nachdem ein CAT-Scan belegt, dass Crawfords Zirbeldrüse tatsächlich extrem vergrößert ist. Bald zeigt sich, dass der Betrieb des Resonators psychische und körperliche Folgen hat. Mit der Zirbeldrüse wird nicht nur das „dritte Auge“ stimuliert, sondern auch das Lustzentrum des Hirns, was zu einem Suchteffekt bei den Beteiligten führt. Schlimmer noch: Pretorius ist keineswegs tot, sondern auf der anderen Seite, alles andere als ein netter Kerl und versucht nun „Vom Jenseits“ aus Einfluss zu nehmen.
Stuart Gordon ist ein B-Movie Regisseur* und er will auch gar nicht als etwas anderes erscheinen als ein B-Movie Regisseur. Was seine Filme auszeichnet ist, dass sie oftmals ein klein wenig cleverer sind als viele andere B-Movies der 80er (und später), die sich vor allem anderen auf Sex und Gewalt verlassen. Nicht das beides nicht auch bei ihm vorkäme. ‚From Beyond‘ ist als Film weniger albern als ‚Re-Animator‘, verzichtet weitgehend auf Oneliner oder allzu slapstickhaften Splatter. Was nicht heißen soll, dass er nicht immer noch sehr, sehr albern ist. Aber er ist atmosphärisch näher am Lovecraft-Material. Die Idee einer völlig fremden, unverständlichen Welt, die Zugang zu der unseren erhält, übernimmt er sehr direkt. Und reichert sie dann mit allerlei schleimigen Monstern und sexuellen Unter- Obertönen an, die es so bei Lovecraft sicher nie gegeben hätte.
Das Thema des Films ist der Sieg der Lust über die Ratio. Der Ratio scheint Gordon ohnehin wenig zu trauen. In ‚Re-Animator‘ schuf sie buchstäblich Monster, hier muss sie sich den Trieben geschlagen geben. Das wird symbolisiert einerseits durch das weidlich bekannte Bild von der Wandlung Katherines von der zugeknöpften Wissenschaftlerin zur Domina im schwarzledernen Fetisch-Outfit (wobei sie, deutlich ungewöhnlicher, dabei einen Umweg über die „Mad Scientist“ Route nimmt). Andererseits, sehr Gordon, dadurch, dass Crawford seine endgültig überstimulierte Zirbeldrüse durch die Stirn platzt, wie ein rot-feuchter Tentakel-Phallus und ihn endgültig zum rein lustgetriebenen Wesen macht. Subtil ist das nicht, aber Gordon wäre vermutlich beleidigt, sollte ihm jemand jemals Subtilität unterstellen. Und, nur um eines klarzustellen: ich mag hier oft von Lust und Sex sprechen, aber etwas Expliziteres als ein paar Brüste und Ken Foree in einer sehr engen Speedo-Badehose gibt es nicht zu sehen.
Es ist vermutlich aufgefallen, dass ich mich nicht auf die genauen Umstände der Handlung einlasse. Das ist durchaus beabsichtigt. Denn der Film weiß bei der ersten Sichtung derart zu überraschen, dass ich ihm das nur ungern nehmen würde. Gordon weiß exakt, wo er hinwill und wir als Zuschauer können den wilden Ritt nur mitmachen. Dabei spielt der Film an exakt zwei Schauplätzen: dem Haus wo der Resonator steht (666 Benevolent Street, natürlich) und der Nervenheilanstalt. Gerade mit dem Haus stellt Gordon aber derart viel an, dass es zu keinem Moment eintönig oder gar langweilig werden kann.
Die Spezialeffekte und auch die Bildkomposition sind im Vergleich zu ‚Re-Animator‘ ein ganzes Stück besser geworden. Gordon hat im Laufe seines ersten Filmes offensichtlich viel gelernt. Auch hier stellt er aber wieder eine Farbe ins Zentrum. War es in ‚Re-Animator‘ noch das giftige Grün des Serums, das die Toten wiederbelebt, ist es hier das violette Licht des Resonators und der fremden Welt. Den Monstern, allen voran den verschiedenen Inkarnationen von Pretorius, merkt man das höhere Budget deutlich an. Sicherlich ist es kein ‚The Thing‘ und gerade zum Ende hin übernimmt sich der Film hier etwas in seinen Ambitionen, aber im Großen und Ganzen funktioniert es sehr gut.
Jeffrey Combs gibt seinen Crawford anfangs als, verständlicher Weise, hypernervösen Paniker. Diese Figur im Horrorfilm, die den Schrecken gesehen hat, der aber niemand glauben will. Im Laufe des Films wird er immer mehr zu einer Art Renfield. Vom Bösen verführt aber nicht vollständig verdorben. Seine Erscheinung wird den Film über immer bizarrer, wenn ihm erst die Magensäure eines Riesenwurmes alle Haare vom Körper ätzt (ja, wirklich) und später die oben beschriebene physiologische Veränderung der Zirbeldrüse eintritt. Barbara Crampton ist der eigentliche Star des Films. Ihre Figur wird von der mitfühlenden Psychologin zur verrückten Wissenschaftlerin zur übergriffigen Domina zur Ausgestoßenen und schließlich, aber nein, keine Spoiler. Crampton trägt alle diese Veränderungen, lässt sie aus einem Guss wirken und hat erkennbaren Riesenspaß daran, endlich einmal etwas anderes tun zu dürfen als zu schreien. Ken Foree ist sympathisch, der „normale“ Zugang zu den anderen Charakteren. Am Ende ist er der Vernünftigste, aber das nützt ihm nur wenig. Ted Sorel ist widerlich als Dr. Pretorius. Und das meine ich als Kompliment.
Stuart Gordon wird selten unter den „Größen“ des Horrorfilms erwähnt. Das ist schade, denn Filme wie ‚Re-Animator‘ oder ‚From Beyond‘ könnten von keinem anderen als ihm stammen (und Brian Yuzna, der später selbst hinter der Kamera stand und etwa in ‚Society‘ bewies, dass die Reichen tatsächlich anders sind als wir, war ganz offensichtlich von ihm inspiriert). Vielleicht liegt es daran, dass Gordon sich zwar immer für einen B-Filmer gehalten hat, aber keineswegs immer im Horror gearbeitet hat. Andererseits wird er auch nicht eben unter den „Größen“ des SciFi Genres gehalten. Seine beiden Debutfilme brachten damals ähnlich frischen Wind ins Genre wie ‚Tanz der Teufel‘. Vielleicht ist Gordons „Problem“, dass er nie Fortsetzungen drehen wollte (das übernahm dann Yuzna für den ‚Re-Animator‘). Wie auch immer, seine ersten beiden Filme kann man auch heute noch mit den Worten „so etwas habt Ihr noch nie gesehen“ Leuten mit halbwegs unempfindlichen Magen empfehlen.
*Fun Fact: bei Disney(!) muss man irgendetwas in ‚From Beyond‘ gesehen haben, denn kurz nach dem Film bot man Gordon an ‚Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft‘(!!) zu schreiben und zu drehen(!!!). Geschrieben hat er den Film, doch scheiterte seine Regiearbeit (nach eigener Aussage) daran, dass er ein Treffen mit den Disney-Bossen als derart unerträglich empfand, dass er das Projekt verließ.
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