Stop Motion Animation scheint ein Medium, das für Wes Andersons ausgeprägte Ästhetik liebevoller, bis in den letzten Winkel ausgestalteter Dioramen wie geschaffen scheint. Entsprechend gern mag ich auch ‚Der fantastische Mr. Fox‘ seinen ersten Ausflug in die Welt der Stop Motion. Damals wurde ihm vorgeworfen, seine neurotischen Charaktere seien für Kinder kaum zu entschlüsseln. Erstens bezweifle ich das, zweitens ist die Idee, ein Animationsfilm müsse sich zwangsläufig an Kinder richten (selbst wenn er auf einem Roald Dahl Werk beruht) doch ein wenig albern. Die gute Nachricht ist, ‚Isle of Dogs‘ kann man bedenkenlos mit Kindern schauen. Die noch bessere ist, der Film ist ebenso gut wie ‚Mr. Fox‘.
Japan 20 Jahre in der Zukunft. Kobayashi, der Bürgermeister von Megasaki City, lässt in einer großangelegten Kampagne verbreiten, dass das unter den Hunden der Stadt grassierende Schnauzenfieber auf den Menschen übertragbar sei. Daher lässt er alle Hunde der Stadt auf die vorgelagerte Müllinsel Trash Island deportieren. Beginnend mit Spots, dem Hund seines Mündels Atari. Sechs Monate später ist die Aktion vollzogen. Die Hunde King, Rex, Boss und Duke stammen aus gutem Haus und haben große Schwierigkeiten sich dem Leben im und von Unrat anzupassen. Inoffizieller Anführer der Gruppe ist, allerlei demokratischen Abstimmungen zum Trotz, der Streuner Chief. Doch als Atari in einer waghalsigen Aktion auf die Insel kommt um Spots zu retten, sind die vier ehemaligen Haushunde sehr froh, wieder ein Herrchen zu haben, dem sie folgen können. Sehr zum Unmut von Chief. Dennoch werden sie sich auf der Suche nach Spots Kobayahis Häschern und MechaHunden, sowie angeblich kannibalischen Ausbrechern einer Tierversuchsanstalt stellen müssen.
Was Andersons Filme funktionieren lässt, ist ihr hoher Grad an Abstraktion. ‚Grand Budapest Hotel‘ hat weitreichende Themen über das Europa zwischen den Weltkriegen, von der Einmischung im nahen Osten bis zum Aufstieg des Faschismus, die im selben Universum existieren wie eine Reihe cartooniger Roadrunner/Coyote Verfolgungsjagden und ein Gefängnisausbruch, der aus ‚Paddington‘ stammen könnte. Es ist die Abstraktion und Andersons Ablehnung üblicher sentimentaler Erzählmethoden, die das nicht nur nicht geschmacklos, sondern glaubhaft aus einem Guss wirken lassen.
Das funktioniert auf der ‚Isle of Dogs‘ genauso. Im Kleinen, bei der Darstellung von Gewalt. Wenn die Hunde kämpfen dann in der typischen Cartoon- (hier Watte-)Wolke, aus der gelegentlich Extremitäten herausragen. Doch kann es durchaus sein, dass einem Hund bei einem solchen Kampf ein Ohr abgerissen (und dann von Ratten gefressen) wird. Atari legt eine slapstickreife Landung auf der Insel hin, danach steckt ihm allerdings ein Stück Schrappnell im Kopf. Und dann ist da eine Sushi-Zubereitungsszene, die mir vermutlich die Knie weichgemacht hätte, hätte ich nicht bereits gesessen. Im Großen thematisch. Auf der einen Seite die Queste des 12jährigen Jungen, der seinen Hund sucht, auf der anderen Seite die, in ihrer Allegorie nun alles andere als subtile, Geschichte einer entrechteten Minderheit. Einer sich aus Angst speisenden Propagandapolitik Kobayashis, deren hilflose Opposition die „Wissenschaftspartei“ ist. Als Ursache all dieser Proble scheint Anderson die mangelnde Kommunikation ausgemacht zu haben. Am Anfang des Films erfahren wir, dass der japanische Dialog nicht übersetz wird (außer er wird es im Film selbst), das Bellen der Hunde jedoch ins englische (oder eben deutsche) übersetzt wurde. Ein Weg diesem Problem Ausdruck zu verleihen. Praktisch sind es aber vermutlich etwa 10% des japanischen Dialogs der tatsächlich unübersetzt bleibt und der Film stellt durchaus sicher, dass wir auch dann verstehen was die Charaktere inhaltlich meinen. Nein, die mangelnde Kommunikation die Anderson meint liegt noch deutlich tiefer. Die homophone Spielerei in der Überschrift dieses Textes ist aber sicherlich absolut gewollt.
Was Andersons extreme Abstraktion funktionieren lässt ist hier, wie auch sonst, seine wunderbare, geradezu obsessiv ausgestattete Diorama-Puppenhaus-Ästhetik. Anderson arbeitet hier mit dem berliner Modellbauer Simon Weisse, den er bei den Dreharbeiten zu ‚Grand Budapest Hotel‘ traf. Und meine Güte, darf der sich austoben. Von der Müllinsel auf der sich nicht nur Müllberge sondern verfallene Vergnügungsparks und Golfplätze finden, bis Megasaki City wo traditionelle japanische Architektur mit westlicher konkurriert, beide aber von einem 60er Jahre Retrofuturismus dominiert werden. Da ist jede kleinste Gerätschaft bis ins letzte durchdesignt. Mein persönliches Highlight waren die Hundedrohnen des Bürgermeisters. Sehen die in einem Moment wie ein niedlicher Aibo aus, verwandeln sie sich auf Knopfdruck in die MechaGodzilla-Version des Dilophosaurus aus ‚Jurassic Park‘.
Anderson und seine Leute haben, wie schon bei ‚Mr. Fox‘, einen sehr eigenen Look für die Stop Motion gefunden. Wenn ich das erklären sollte, würde ich wohl bei den Haaren ansetzen. Das Fell der Hunde ist hier hochbeweglich und geleichzeitig steif. Das gibt ihm einen geradezu elektrisierten Charakter, der dem Film eine ganz eigene Kinetik gibt. Das ganze fühlt sich gleichzeitig greifbar, seltsam und niedlich an, falls das irgendwie nachvollziehbar ist. Auch greift der Film auf andere Arten der Animation zurück. Auf Bildschirmen im Film etwa sieht man das Geschehen als klassische, gezeichnete Animation.
Das Wichtigste ist aber, dass sich das Verhalten der Hunde absolut richtig beobachtet ist. Wenn es dann auch übersetzt wird in die typischen Anderson Dialoge typischer Anderson-Darsteller wie Bill Murray, Jeff Goldblum oder Edward Norton. Bryan Cranston ist zwar kein typischer Anderson-Darsteller gibt aber als Streuner Chief, der sich selbst als „Beisser“ begreift eine sehr gute Vorstellung ab. Die Figur des Bürgermeisters erinnert im Aussehen an Darsteller Toshiro Mifune. Sein Sprecher Kunichi Nomura, der auch für die japanischen Texte und Sprachregie verantwortlich zeichnet, hat ebenfalls bestätigt, dass er seine Darstellung an Mifune angelehnt hat. Womit eine Verbindung zum gelegentlich erkennbaren filmischen Vorbild Akira Kurosawa geschaffen wurde.
Musikalisch bewegt sich der Film zwischen Shamisen-Klängen, aufbrausenden Taiko-Trommeln und Indie Pop sicher direkt aus Andersons, fraglos gigantischer, Vinyl-Sammlung. Auch hier ist der Grad der Abstraktion hoch genug um beides nebeneinander funktionieren zu lassen.
Ein äußerst gelungener Film also, an dem ich nur wenig zu meckern habe. Die Figur der amerikanischen Austauschschülerin Tracy Walker etwa. Bei der bin ich mir nicht sicher, ob sie im Film ist, weil Anderson Angst vor seiner eigenen Courage bekommen hat, die japanischen Dialoge nicht zu untertiteln, oder weil er unbedingt Greta Gerwig eine Rolle geben wollte. Letzteres wäre zwar immerhin ein guter Grund, allerdings trägt sie nicht wirklich viel bei. Auch fand ich es etwas seltsam eine Wissenschaftlerin Yoko Ono zu nennen. Bis mir im Abspann klarwurde, dass das ein Cameo-Auftritt von Yoko Ono war. Okay, das Letzte war nicht wirklich gemeckert. Hab ja gesagt, ich hab da nicht viel…*
Dementsprechend kann ich den Film nur empfehlen… wenn an denn Andersons Stil mag. Wer damit bislang gar nichts anfangen konnte, der wird wohl auch von seinen Hunden nicht plötzlich umgestimmt werden. Ich jedenfalls verbleibe mit einem begeisterten „Wau“!
*Oh eins hab ich nach etwas nachdenken doch noch: ein Film über Hunde in (Pseudo-)Japan und kein einziger Akito, Shiba Inu, japanischer Spitz und Co.? 0/10 Mr. Anderson! (oder ich hab sie übersehen…)
“wenn an denn Andersons Stil mag. Wer damit bislang gar nichts anfangen konnte, der wird wohl auch von seinen Hunden nicht plötzlich umgestimmt werden.“
Das stimmt nicht. Ich mag Andersons Filme eigentlich nicht sonderlich. Genauso wenig wie Hunde. Den Film hier fand ich aber toll
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Najaaa, Ausnahmen bestätigen die Regel! 😉
Dann gib vielleicht dem fantastischen Mr. Fox eine Chance, falls Du den noch nicht versucht hast.
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Witzigerweise war Der fantastische Mr. Fox nicht so meins, finde die beiden Filme bis auf die Stop-Motion auch gar nicht so vergleichbar. Isle of Dogs liebe ich wirklich sehr, würde ihn vermutlich zu meinen Lieblingsfilmen zählen und von Anderson mochte ich eigentlich nur Grand Budapest Hotel wirklich besonders. Komischerweise war der Rest von ihm meistens ziemlich öde..
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Grand Budapest ist vermutlich auch mein Favorit. Neben Royal Tenenbaums. Und den Tiefseetauchern. Und vielleicht Moonrise Kingdom…
Und ja, Fox und Isle sind sich abgesehen von der Animation und ihren stark abstrahierten Settings nicht sooo ähnlich. Aber Mr. Fox ist trotzdem gut… 😉
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Ich merk schon hier ist ein wahrer Fan 😆 konnte mit den allen irgendwie nix anfangen, die waren plötzlich super langweilig und ich kanns auch nicht genau festmachen
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Ich hätte ehrlich gesagt auch Schwierigkeiten zu definieren, was an den Andersons die ich nicht mag (Darjeeling Limited, etwa) nun groß anders ist. Seine (visuelle) Erzählweise scheint bei unterschiedlichen Leuten bei den jeweiligen Filmen mehr oder weniger gut zu funktionieren, ohne dass man das klar vorhersagen könnte. Beweist aber immerhin, dass diejenigen, die ihm vorwerfen er würde immer wieder den gleichen Film drehen Unrecht haben.
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Also was ich an budapest hotel und isle of dogs liebe ist das world building, die teilweise doch nahbaren figuren und die klare story. Ich glaube grade Story und Figuren haben mich bei sonstigen Anderson Filmen verloren bzw gar nich erst gekriegt 😅
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In Sachen World Building würde ich ‚Die Tiefseetaucher‘ aber fast noch höher ansetzen. Mal ganz davon ab, dass da einer meiner meistzitierten Dilaoge vorkommt.
„Aber was ist der wissenschaftliche Nutzen Ihrer Expedition?“
„Ich weiß nicht… Rache?“
Murray transportiert das besser als mein Text. 😉
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