Eine Woche noch bis Halloween. Das Fest selber könnte mir zwar kaum egaler sein, aber die gute Ausrede (als ob ich sie bräuchte) um Horrorfilme zu schauen, nehme ich gerne mit. Heute soll es aber nicht um Filme gehen, sondern um Bücher. Allerdings um Bücher, die durchaus visuell ansprechen. Eines zumindest hat auch direkte Verbindung zu Film.
„The Art of the Horror Film Press Advert: Alraune to Alien, 1918-1979“ von Paul Sutton
Dieses Buch hat die Art von unhandlichem Titel, der sonst der Ermordung von Jesse James vorbehalten ist. Was es mitbringt ist aber doch recht interessant. Ich erinnere mich noch, als Kind gab es diese Doppelseite in der Zeitung, auf der das Programm aller umliegenden Kinos verzeichnet war. Dazu war sie gefüllt mit kleineren und größeren Anzeigen, die Filminteressierte auf laufende Filme aufmerksam machen wollten. In den letzten Jahrzehnten des Internets hat natürlich sowohl diese Seite (sofern es sie überhaupt noch gibt, was ich für die meisten Zeitungen bezweifle) als auch die Printwerbung für Filme den Großteil ihrer Bedeutung verloren. Über Filmplakate, ihre Bedeutung und den durchschnittlichen Rückschritt ihrer Qualität, wenn sie immer mehr nur noch zu Icons für Streamingdienste werden, ist viel geschrieben worden. Die Printwerbung für den Film hingegen ist einfach einen stillen, kaum beachteten Tod gestorben. Das fand Paul Sutton ganz zu Recht schade und hat daher hochqualitative Scans aus seiner umfangreichen Filmmagazinsammlung und allerlei Archiven zusammengestellt. Der vorliegende Band bildet die Zeit von 1918 bis 1979 ab. Britische Anzeigen bilden dabei, eben aufgrund von Suttons Herkunft, den Löwenanteil. Aber es kommen auch allerlei europäische Anzeigen vor, darunter erfreulich viele deutsche.
Sutton fasst dabei die Idee von „Horror“ sehr weit. So räumte er den deutschen Edgar Wallace Filmen (die er als „german krimi“ vergenret) etwa viel Raum ein. Das schöne dabei ist, dass er nicht nach „deutsche Anzeigen für deutsche Filme“ aufteilt, sondern gerne zeigt wie Filme international vermarktet werden. Gerne auch mit welchen Fehlinformationen. Gleich eine der ersten Anzeigen bewirbt ein expressionistisches Crossover zwischen ‚Alraune und der Golem‘. Einem Film, den es nie gab. Auch ansonsten führt er Interessantes zu Tage. Etwa, dass es ein paar Monate vor ‚Der Weiße Hai‘ einen Hai-Film gab, der in seiner Anzeige mit einem sehr ähnlichen Motiv des aufstrebenden Hais mit aufgerissenem Maul warb. Weist aber auch darauf hin, dass der Film einfach das Cover von Peter Benchleys Romanvorlage kopiert haben könnte.
Das gesamte Buch ist schwarz-weiß gedruckt. Für das meiste funktioniert das natürlich wunderbar, denn so sah es immer aus. Gelegentlich ist es aber schade. Für eine verschwenderische 5-seitige(!) Anzeige für ‚Frankensteins Braut‘ aus einem US-Filmmagazin oder das Cover eines deutschen Programmheftes zu ‚Die Vögel‘ hätte ich mich über eine Handvoll Farbtafeln gefreut. Dennoch ist es spannend die Bandbreit zu sehen, mit der Filme beworben wurden. Mal ist es nur das Plakat, das abgedruckt wird, mal ist es eine gezeichnete Version des Covers, die in schwarz-weiß besser funktioniert. Doch gibt es auch Texte, kleine Bildchen oder sogar kurze Comicstrips, die Interesse für einen Film wecken sollen. Mit kommentierenden Texten hält sich Sutton weitgehend zurück, wenn er etwas anmerkt ist es oft genug interessant, auch wenn ich nicht in allem übereinstimme.
Das Buch scheint exklusiv bei Amazon erhältlich zu sein. Jedenfalls steht in meiner Ausgabe „Printed in Poland by Amazon Fulfillment“. Als Verlag ist „Camera Journal Cambridge“ vermerkt, was ich nur als den Namen eines 2009 gelöschten Blogs von Sutton ausmachen konnte. Der Druck ist allerdings sehr gut. Jedoch wellte sich das Papier, als das Buch hier eintraf. Nach ein paar Wochen im Bücherschrank eingezwängt, scheint sich das aber gegeben zu haben. Im Oktober sollte eigentlich ein weiterer Band mit Anzeigen aus den 80ern erscheinen, allerdings ist von dem bislang nichts zu sehen. Ich würd ihn kaufen…
„Paperbacks From Hell“ von Grady Hendrix
Mit dem Erfolg von Ira Levins „Rosemarys Baby“ begann nicht nur auf dem amerikanischen Buchmarkt eine extreme Nachfrage nach Horrorliteratur. Durch weitere gigantische Erfolge wie William Peter Blattys „Der Exorzist“ (1973) zunächst ein rein „satanisches“ Phänomen, zeigte Benchleys ‚Der Weiße Hai‘ (1974), dass auch anderer Horror funktionierte. Es folgte eine wahre Flut von schnell auf den Markt geworfenen Horror-Paperbacks immer in der Hoffnung den nächsten Hai oder Exorzisten im Angebot zu haben. Die Flut endete in den frühen 90ern, als der Thriller Horror als „genre du jour“ ablöste und von den vielen Paperback-Autoren nur Superstars wie Stephen King übrigblieben. Aber wie fällt man in einer solchen Horrorflut auf? Natürlich durch möglichst grelle Cover. Blut ist gut. Gruselhäuser. Federmäuse. Und Skelette, Skelette gehen immer.
Hier kommt unser Autor, Mr. Hendrix, ins Spiel. Seine Sammelleidenschaft für 70/80er-Horror wurde von einem ungewöhnlich bizarren Cover geweckt. John Christophers „The Little People“ zeigt einen typischen, grüngewandeten Leprechaun. Allerdings mit Nazi-Armbinde, Peitsche und reichlich fiesem Gesichtsausdruck. Dieser Fund sorgte dafür, dass Hendrix jahrelang Dollarkisten und Flohmärkte durchforstete und eine gigantische Sammlung anhäufte. Ein Buch, das die wunderbar übertrieben reißerischen Cover dieser Zeit illustriert wäre schon sehr gut. Aber Hendrix hat all diese Bücher auch noch gelesen.
Und natürlich finden sich bei so viel vergessenem Material einige Schätze an. An dieser Stelle wurde Hendrix‘ Buch zweischneidig. So effektiv macht er Lust auf einige der Geschichten, dass die Zweithand-Preise plötzlich von ein paar Dollar in die hunderte schossen. Doch zum Glück bemerkten sowohl Autoren als auch Verlage die neue Nachfrage und legten zahlreiche Bücher wenigstens als ebook neu auf. Ich lese etwa gerade Michael McDowells wunderbare „Blackwater“-Saga, die ich ohne dieses Buch niemals entdeckt hätte (nicht zuletzt weil sie seit Mitte der 80er vergriffen war).
Hendrix teilt die Bücher thematisch in Kapitel ein. „Creepy Kids“, „Real Estate Horror“, oder „When Animals Attack“ etwa. Diese Überschriften geben einen guten Eindruck des lockeren Tonfalls des Buchs. Hendrix ist sehr gut darin gleichzeitig ein Schmunzeln über besonders absurde Themen oder Cover (siehe eben die SM-Gestapochauns) zu transportieren, gleichzeitig aber auch seine Begeisterung für gelungene Bücher herüberzubringen. Ich jedenfalls habe bald angefangen mir Titel aufzuschreiben.
Wenn ich meckern sollte, dann höchstens, dass das Buch auf den amerikanischen Markt beschränkt ist. Aber das kann ich dem Amerikaner Hendrix nun echt nicht vorwerfen. Ansonsten halte ich das Buch von vorne bis hinten für gelungen.
Grady Hendrix selbst hat übrigens selbst einen Roman namens „Horrorstör“ verfasst. Ein Horrorroman im Stil eines Kataloges einer bekannten skandinavischen Möbelfirma gehalten. Den habe ich zwar noch nicht gelesen, der liegt, anders als „Paperbacks“, aber auch auf Deutsch vor und scheint gut anzukommen. Ich übernehme aber keine Verantwortung, wenn Ihr Angst vor Eurem Billy bekommt!
Vielen Dank! 🙂
The Art of the Horror Film Press Advert: Alraune to Alien habe ich gerade in meine Amazonliste gepackt 🙂
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