Nur um gleich mit der Eiserne Jungfrau-Tür in die Bathöhle zu fallen: ich liebe diesen Film! Tim Burton war auf dem Höhepunkt seines Schaffens, Jahre davon entfernt eine Karikatur seiner selbst zu werden. 1989 hatte er mit ‚Batman‘ quasi den modernen Superheldenfilm wie wir ihn heute kennen geschaffen. Es sollte nur rund 10 Jahre dauern, bis der Rest der Industrie das wirklich verstanden hatte. Interesse einen zweiten Batman Film zu drehen hatte er danach eigentlich nicht. Doch der Erfolg des Erstlings sorgte dafür, dass man ihm bei Warner absolut freie Hand ließ (von einigen „bitte, Tim, lass uns wenigstens Spielzeug verkaufen“-Szenen abgesehen). Heraus kam einer der bis heute merkwürdigsten Superheldenfilme überhaupt. Einer, der den eigenen geschaffenen Regeln scheinbar absichtlich widerspricht. Der keine bloße Übertragung des Franchises Batman auf die Leinwand ist, sondern durch und durch Burtons ganz eigene Interpretation. Und ich liebe jede einzelne Minute! Also los, steigt mit mir in des Pinguins Entenmobil und finden wir heraus, was diesen Film miauen lässt!
Wir beginnen mit einer Rückblende. Aber es sind nicht die Waynes, die wieder einmal, in einer Gasse erschossen werden, nein, es ist eine andere Gothamsche Geldadelsfamilie. Das Ehepaar Cobblepot wirft seinen missgestalteten kleinen Sohn im Park in einen Bach. Hier treibt er nun während der Eröffnung im Körbchen wie ein pervertierter Baby Moses in die Kanalisation, wirft Schatten an die Wände, die Nosferatu neidisch werden lassen, während sich Danny Elfmans Musik in weihnachtlich-finsteren lalala-Crescendi ergeht, die als Testlauf für ‚A Nightmare Before Christmas‘ gelten dürfen. Am Ende wird er, natürlich, von Kanalisations-Pinguinen aufgelesen. 33 Jahre später hat Milliardär Max Shreck (Christopher Walken) ein Problem. Er hatte Gothams Bürgermeister schon von seinem geplanten Kraftwerk überzeugt, da legt der unerträgliche Gutmensch Bruce Wayne (Michael Keaton) offen, dass dieses Werk ein großer Betrug ist. Dabei hatte Shreck doch schon seine Sekretärin Selina Kyle (Michelle Pfeiffer), die genau das herausgefunden hat, aus dem Fenster gestoßen. Was Shreck natürlich nicht weiß ist, dass sie seitdem als Catwoman seine Kaufhäuser in die Luft jagt. Doch als der „Pinguinmensch“ Cobblepot (Danny De Vito) Shreck entführt, um seinen „rechtmäßigen Platz“ in der Gesellschaft zu erpressen, hat der eine bessere Idee: die Gang des Pinguin solle den Bürgermeister (und Batman) durch eine Verbrechenserie vorführen. Dann würde Shreck dafür sorgen, dass Cobblepot neuer Bürgermeister wird. Zunächst spielt der Pinguin mit, hat jedoch andere, weit finsterere Pläne.
Möglicherweise fällt Euch auf, wie wenig in der Zusammenfassung der Name Batman fällt. Tatsächlich dauert es eine Viertelstunde bevor wir ihn im Film überhaupt zu sehen bekommen. Burton hat dieses Mal deutlich weniger Interesse am dunklen Ritter als an seinen Widersachern. Dennoch fasst er den Charakter in seiner ersten Szene perfekt zusammen. Bruce Wayne sitzt teilnahmslos im Dunklen, bis das Batsignal durchs Fenster scheint und seine Augen zum aufleuchten und extreme, fast hypnotisierte Bewegung in ihn bringt. Keaton gibt seinen Wayne weiterhin als eine Art Alien. Durch sein Geld und seine Doppelidentität jedem normalen Leben weit entrückt, scheint er sich kaum in der Welt zurecht zu finden. Sein Batman wird nur durch eine sehr schmale Linie von seinen Feinden abgegrenzt. Wenn ein feines Grinsen um Batmans Mund spielt, als er einem Widersacher eine Bombe anheftet und ihn in einen Gulli wirft, dann ist das definitiv verstörend. Und so wird Batman vor allem durch seine Parallelen zu seinen Schurken umrissen.
Max Shreck ist das Zerrbild von Bruce Wayne. Ein Milliardär, der sein Vermögen rücksichtslos für politischen Einfluss und Vorteile einsetzt. Fest im öffentlichen Leben verankert ist er ein scheinbarer Wohltäter, der nur das Schlimmste will. Das genaue Gegenteil von Wayne, einem scheinbar nutzlosen Playboy, der Gutes nur mit Maske tut. Walken spielt seinen Shreck trotz Ebenezer Scrooge Kostüm und wilder, grauer Perücke mit absoluter Ernsthaftigkeit in gewolltem Abstand zur Cartoonhaftigkeit der anderen Charaktere.
Oswald Cobblepot ist, wie Bruce Wayne, der verlorene Sohn einer reichen Familie. Doch seine Eltern wurden nicht ermordet, sie haben im Gegenteil versucht ihn umzubringen. Wie Wayne ist der Pinguin in Folge dessen zu einem Rächer geworden. Nur ist seine Art der Rache derart scheußlich, dass man sich fast wundert, dass sie es so in den Film geschafft hat. Der Pinguin ist ein Kindermörder, der es auf erstgeborene Söhne, wie er einer war, abgesehen hat. Natürlich sieht man davon wenig, aber er beschreibt ausführlich, wie er Gothams Söhne in Shrecks Industrieabfall ersäufen will. Im Mittelpunkt steht aber eher seine Kandidatur zum Bürgermeister, aus der der Film auch den Großteil seines schwarzen Humors bezieht. Wenn Ihr den Film als Kind gesehen habt, ist Euch sicher exakt eine Szene in Erinnerung: wenn der Pinguin seinem Wahlkampfmanager die Nase abbeißt. Die Tatsache, dass ein absoluter Widerling nur dank Geld und bekanntem Namen Wahlerfolg einfährt ist aber natürlich einer der unrealistischsten Teile des Films… De Vito ergeht sich geradezu im Grotesken seines Charakters. Schwarzer Schleim trieft ihm aus dem Mund und alles was er sagt ist gar noch widerwärtiger. Der perfekte Darsteller für den Charakter.
Selina Kyle ist wie Bruce Wayne von Trauma gezeichnet und flüchtet sich wie er in eine zweite Persona. Tatsächlich ist es vor allem Selinas Charakter, der die größte Entwicklung über den Film durchmacht. Nicht nur ist Michelle Pfeiffer hier nichts weniger als großartig wenn sie es schafft gleichzeitig sympathisch, lustig, sexy und verdammt gruselig zu sein, nein, die Chemie in ihren Szenen mit Bruce Wayne ist so explosiv, dass man eine gute Entlüftungsanlage braucht. Kein Wunder, dass Warner noch über Jahre ein ‚Catwoman‘ Spin-Off mit ihr drehen wollte. Über das was dann Jahre später (ohne Pfeiffer) dabei rausgekommen ist breiten wir mal den großzügigen Mantel des Schweigens.
Was mich dazu bringt, dass der Film mit heutigen Superheldenfilmen quasi nicht zu vergleichen ist. Alle Hauptcharaktere in ‚Batmans Rückkehr‘ sind spitz wie Nachbars Federmaus. Das wäre an sich nicht bemerkenswert, doch sind Superhelden in aktuellen Filmen oft genug quasi asexuelle Wesen, dass es hier definitiv auffällt. Auch schert sich der Film im Gegensatz zu heutigen wenig um interne Logik oder Konsistenz. Warum gibt es ein paar Jahre nach dem Joker schon wieder eine Gang, die sich wie Clowns kleidet? Egal! Weil es halt Gotham ist! Batman kann Cobblepots Kindermordplan verhindern, indem er einen einzigen seiner Handlanger vermöbelt? Jep, er ist Batman. PINGUINE MIT RAKETENWERFERN? Sind verdammt cool. Ja!
Burton mischt hier genüsslich Cartoonhaftes mit tiefschwarz Groteskem, 60er TV-Serie mit deutschem Expressionismus. Und das Ergebnis ist sicherlich nicht 100% Batman, aber 100% Burton am Höhepunkt seiner Karriere. Drei Filme hat Burton mit Kameramann Stefan Czapsky gedreht und beide scheinen das Beste ineinander hervorgeholt zu haben. Neben diesem Film noch ‚Edward mit den Scherenhänden‘ und (mMn. Burtons Besten) ‚Ed Wood‘. Die wilde Architektur Gothams mit seinen gigantomanen Statuen, ziselierten Türmen und Wasserspeiern und seinen Einwohnern und Technologie, die in der Zeit verloren scheinen setzen beide dem ersten ‚Batman‘ Film noch eins drauf. Vor allem aber lebt Burton hier seine Liebe für den deutschen Expressionismus mit visuellen oder textlichen Anspielungen auf Filme wie ‚Nosferatu‘, Metropolis‘, ‚Das Cabinet des Doktor Caligari‘ oder ‚M‘ voll aus.
Und ich glaube daher kommt meine lange Liebe für den Film, den ich alle paar Jahre in der Weihnachtszeit schaue und der mich irgendwie jedes Mal wieder überrascht. Burton war für meine Entwicklung zum Filmfreund vermutlich entscheidend. Er war der erste Regisseur, bei dem ich schon als Kind einen absolut distinkten Stil ausmachen konnte. Einen Stil, der dafür gesorgt hat, dass ich jeden seiner Filme (wenigstens bis Ende der 90er) sehen wollte. Er ist aber auch ein Einsteigeregisseur, der logisch eben zum deutschen Expressionismus oder den B-Movies der 50er führt, genauso wie Tarantino ein Einsteigeregisseur ist, der seine ganz offensichtlichen eigenen Bezüge mitbringt und Interessen weckt. Für mich als Kind/Teenager in den 90ern also ganz logische Ansatzpunkte.
Das ist jetzt alles etwas länger und fanboyischer als gewollt geworden, aber manchmal fällt mir eben erst beim Schreiben und Nachdenken über einen Film auf, wie viel er mir eigentlich bedeutet. Und ‚Batmans Rückkehr‘ ist definitiv so ein Fall. Ich war damals hochenttäuscht über seinen mäßigen Erfolg und über alles was danach mit Batman für lange Zeit im Kino geschah. Heute ist mein Superhelden-Sättingungslevel definitiv erreicht, aber ich würde absolut jedem der von den heutigen Filmen gelangweilt ist, diesen nahelegen. Burton beschrieb ihn mal als Film, in dem sich Menschen wie Tiere verkleiden und wie Monster benehmen. Es ist ein kleiner Ausblick was hätte sein können in einer wilderen, seltsameren, spannenderen Superheldenwelt.
Oh, und Weihnachten war eher noch zentraler als ich es in Erinnerung hatte. In dem Sinne: frohe und gesunde Feiertage!
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Update, viel zu spät in der Nacht geschrieben: Pudeldarstellerin Darla hatte bereits einmal zuvor in ‚Pee-wees irre Abenteuer‘ mit Tim Burton gearbeitet. Ihren größten Erfolg feierte sie ein Jahr vor ‚Batmans Rückkehr‘ als Buffalo Bills Pudel in ‚Das Schweigen der Lämmer‘. Die Rolle hier als Pudel der treffend benannten „Pudel Lady“ sollte leider Darlas letzte Rolle sein, da sie noch 1992 siebzehnjährig (für einen Pudel ein reifes Alter) starb. Auch wenn sie hier einen fiesen Gangster spielt, bin ich doch überzeugt, dass Darla ein sehr lieber Pudel war. Das ist alles.