Dieser Tage sind Superhelden (und -schurken) mehr wert als je zuvor. Spielen an Kinokassen und in Streaming-Services unzählige Millionen von Filmfreunden ein und werden weltweit erkannt und vermarktet. Allerdings gibt es Leute, die von diesem großen Kuchen nur erschreckend wenig abbekommen. Diejenigen, die sie erfunden haben. Und der größte Knauser in Hinsicht auf die Kreativen scheint hierbei, ausgerechnet, Marktführer Disney.
Kürzlich hat sich Comicautor und -zeichner Jim Starlin auf Facebook zu Wort gemeldet. Dort sagte er, er habe mehr Geld für die Verwendung seines Charakters KGBeast in ‚Batman v Superman‘ von Warner erhalten als für alle Verwendungen seiner Erfindungen Gamora, Drax und vor allem Thanos in sämtlichen Marvel-Produktionen zusammen. Dabei lohnt es sich zu erwähnen, dass KGBeast als Handlanger Luthors nur in seiner Zivilpersona Anatoli Knyazev auftritt und nicht einmal ein Kostüm trägt. Und Thanos war der BIG BAD des MCU.
In eine ähnliche Kerbe schlägt die Aussage von Comicautor Ed Brubaker, gemeinsam mit Zeichner Steve Epting Schöpfer des „Winter Soldier“, der in Kevin Smiths Fatman Beyond Podcast erzählte, er bekomme mehr aus „residuals“ für einen kurzen Cameo-Auftritt in ‚The Return of the First Avenger‘, als für die Verwendung seiner Figur in den Filmen. Er beschreibt das Gefühl dabei als „Jack Kirby Magengeschwür“, das ihm sagt „So fühlt sich das an, Junge!“. Die Erwähnung von Jack Kirby macht dabei deutlich, dass dieses Übervorteilen von Kreativen im Superheldenbusiness nichts Neues ist. Genau genommen begann es direkt damit, die Schöpfer des ersten Superhelden über den Tisch zu ziehen.
1938 verkauften Autor Jerry Siegel und Zeichner Joe Shuster sämtliche Rechte an ihrer Schöpfung „Superman“ an Detective Comics, Inc.. Es war ein Art Verzweiflungstat nachdem sie über Jahre erfolglos versucht hatten, ihren Superhelden als Zeitungsstrip zu etablieren. Sie bekamen 130 Dollar. Etwa 2400 Dollar, inflationsbereinigt. Ein lächerlicher Betrag dafür, dass DC Comics seinen Erfolg auf Superman aufbaute. Einige Jahre später klagten sie auf Rückgabe der Rechte, man einigte sich jedoch außergerichtlich. Das ist ein spezifischer Fall, aber weitaus weitreichender sind Dinge, wie die Tatsache, dass Autoren und Künstler in Comics (und nicht nur bei den Superhelden) üblicherweise nicht einmal genannt wurden.
Das änderte sich spätestens 1961, als das „Marvel Age Of Comics“ anbrach. Nach dem zweiten Weltkrieg und über den Verlauf der 50er waren Superhelden immer weniger erfolgreich. Doch bei DC hatte man einen Trick gefunden: wenn ein Superheld nicht zieht, pack sie einfach zusammen. Die „Justice League of America“ verkaufte sich gut. So beauftragte Stan Lees Verleger bei Timely (Vorgängerverlag von Marvel) ihn ebenfalls ein Team-Comic abzuliefern. Lee glaubte nicht dran, oder an Comics im Allgemeinen. Er schrieb simple Abenteuer- und Monstergeschichten für Timely und war tief unglücklich mit seinem Job. Aber er schrieb die ‚Fantastic Four‘ verzichtete dabei jedoch auf typische Superhelden-Accoutrements wie Masken oder Geheimidentitäten, gab ihnen aber komplexere Persönlichkeiten als üblich. Sollte er dafür gefeuert werden, wäre es ihm gar nicht so unrecht. Er schrieb, wie üblich, eine halbe Seite mit einer Zusammenfassung der Geschichte. Jack Kirby zeichnete sie (und änderte das Skript dabei durchaus erheblich nach seinen Vorstellungen), bevor Lee die Dialoge einfügte. Wir wissen um den Erfolg und bald hielten „typischere“ Superhelden wie Spider-Man oder Ironman Einzug. Lee nannte zwar überall die Künstler (er machte sogar auf redaktionellen Seiten eine Art Soap Opera aus dem Zeichnerpool), allerdings war es oft genug allein er, der in der öffentlichen Wahrnehmung das „Genie“, der „coole Walt Disney“, war. Und er tat nicht unbedingt viel dafür, um von diesem Eindruck abzuweichen. Spider-Man Zeichner Steve Ditko verließ den Verlag frustriert Mitte der 60er und Superstar „King“ Kirby Ende der 60er (ausgerechnet zum Hauptkonkurrenten DC), nachdem Lee einen Millionenvertrag bekommen hatte, er einen, den er als Beleidigung empfand.
Nur um eines klarzustellen, ich bin kein Vertreter der Idee, dass Lee Kirby grausam ausgenutzt hat, wie man das manchmal liest. Das hätte Kirby zum einen nicht mit sich machen lassen, zum anderen hat er ca. 35.000 (heute über 200.000) Dollar im Jahr verdient, nagte folglich nicht am Hungertuch. Dennoch wurde Kirby, nicht nur weil er einer der besten Superhelden-Zeichner aller Zeiten sein dürfte, sondern weil er ob seiner Behandlung auch nie ein Blatt vor den Mund nahm, zu einem Sinnbild der Probleme der Superheldencomics.
Aber es ist nicht nur mangelnde Anerkennung oder mangelnde finanzielle Beteiligung an den eigenen Erfindungen, es ist auch die Kontrolle über sie, die ein Problem ist. In den 80ern hatte der damalige Superstar-Comicautor (und Magier) Alan Moore es satt für DC Charaktere zu schreiben, die ihm nicht gehörten. So ließ er sich für seine Miniserie ‚Watchmen‘ 1986 vertraglich zusichern, dass das geistige Eigentum der Charaktere an ihn und Zeichner Dave Gibbons fallen würde, sobald die Comics aus dem Verkauf wären (was damals üblicherweise schnell ging). DC hält die Serie seit 1986 in ständigem Verkauf. Das tun sie natürlich nicht nur, um Moore und Gibbons zu übervorteilen, sondern auch, weil die Serie immer noch die Empfehlung für großkopferte Superhelden ist. Und weil man ja Film, Fernsehserie und Comicfortsetzungen machen will, ohne beim (nicht zuletzt ob seiner Erlebnisse bei den großen Comicverlagen) mürrischen Bartträger aus Northampton nachfragen zu müssen.
Da ist es für Disney, denen Marvel gehört oder Warner, denen DC gehört natürlich wunderbar, dass sie Charaktere haben, über die sie vollkommene Kontrolle besitzen. Deren Erfindern man im Abspann dankt und ihnen einen kleinen Scheck zukommen lässt, über den sie lieber mal froh sein sollten! Ein Buchautor (oder dessen Nachkommen) will sicher satt am Erfolg der Verfilmung seines Werkes beteiligt werden, ein Luxus den Comicschaffende meist nicht haben.
Wie kann es sein, dass ein Ed Brubaker für einen Winzauftritt im Film mehr Geld bekommt, als dafür eine zentrale Figur mehrerer Filme (und nun einer Serie) geschaffen zu haben? Meine Antwort darauf, die vielen Amerikanern vermutlich nicht gefällt ist, dass Schauspieler mit der Screen Actors Guild eine extrem mächtige Gewerkschaft haben. Comicschaffende haben überhaupt keine. Spätestens jetzt, wo sie die wesentliche Grundlage eines Milliardengeschäfts liefern, wäre aber doch wohl die Zeit dafür gekommen, oder?
https://www.cbr.com/winter-solder-ed-brubaker-paid-more-cameo-creating-winter-soldier/
Ein spannender und bitterer Artikel. Von den Comic-Zeichnern scheint es vor allem Peter Laird richtig gemacht zu haben. Die Rechte bis zum Schluss behalten und dann geballt an Nickelodeon verkauft.
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Ja, wobei Eastman und Laird (meine ich, korrigier mich gern) nicht aus der klassichen Comicverlagecke kamen, sondern eine Designfirma hattten und die ersten Comics quasi als Gag selbstveröffentlicht haben. Da war zum Glück niemand, der ihnen die Rechte streitig machen konnte und bei den Verhandlungen über Serie, Spielzeug etc. waren sie dann clever. Eastman ist irgendwann ausgestiegen, oder?
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Ja, genau. Die Comics waren am Anfang eher ein Nebenprojekt, von dem sie niemals gedacht haben, dass sie wirklich davon leben könnten.
Eastman hat seine Anteile irgendwann an Laird verkauft, der dann ein paar Jahre später den Deal mit Nickelodeon machte.
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Man sollte meinen, heute in Zeiten des Internet wäre es leichter denn je, Augen auf Inide-Helden zu kriegen, wie die beiden es gemacht haben, scheint aber nicht so. Ich glaube der Mark für Superheldencomics wurde, ausgerechnet durch die Berieselung damit durch das Kino/Fernsehen, aber auch ziemlich ziemlich verkleinert.
Bin gespannt ob wir blad „comicartige“ Superhelden ohne Vorlagen im Film sehen, so ala Darkman. Wobei man wohl argumentieren könnte, dass viel Actionkino heute eh schon „superheldisiert“ ist (Fast & Furios, John Wick etc.).
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