Ich glaube, wir müssen mal über ‚Avatar‘ reden

Ich mache hier auf meinem Blog ja gerne selbstironische Bemerkungen, dass ich über genau dieselben Themen spreche, wie tausende andere Blogger und Internetnutzer im Allgemeinen. Aber liegt es nur an meiner ganz persönlichen „Bubble“, oder reden wirklich verdammt wenige Leute über James Camerons ‚Avatar‘? Derzeit immerhin gerade wieder einmal der finanziell erfolgreichste Film aller Zeiten (wenn man nicht für Inflation bereinigt) vor ‚Endgame‘. Und es stehen laut James Cameron nicht eine, nicht zwei nicht drei sondern vier Fortsetzungen ins Haus, bis ins Jahr 2027. ‚Avatar‘ scheint für all seinen Erfolg erstaunlich wenig blaue Fingerabdrücke auf dem Mosaik der Popkultur hinterlassen zu haben. Natürlich hat der Film seine Fans (und wenn Du einer bist will ich Dir gar nicht zu nahe treten) und dennoch ist da diese unübersehbare Diskrepanz zwischen finanziellem Erfolg und kulturellem Echo. Woran liegt das? Ich werde unten darüber spekulieren, aber keine der Antworten befriedigt mich so wirklich, wenn Ihr eine bessere habt, sagt sie mir bitte gern.

Stand womöglich das technische Spektakel allzu sehr im Vordergrund? 3D oder nicht 3D war etwa seit Mitte der 2000er eine wichtige Frage beim Kinogang. Und viele, mich eingeschlossen, haben nie wirklich den Mehrwert des 3D Kinos ergründen können. Dann kam Cameron mit seinem Weltraumspektakel und erschuf eine komplett neue Welt in drei Dimensionen. Selbst 3D Muffel wie ich mussten zugeben, ja, der Film hat schon einen gewissen Zugewinn durch seine Technologie. Dazu kam beeindruckende Performance Capture, die sicher wegweisend war und überhaupt eine eindrucksvolle Welt vollständig im Rechner erschaffen. Während Lucas mit seinen ‚Star Wars‘ Prequels erste Schritte machte mit rein digitalen Welten und perfekt kontrollierbaren Studiodrehs, zeigte Cameron hier wie man damit elegant gehen konnte und Disney rennt heute damit. Aber der 3D Boom ist lange abgeklungen und, wie gesagt, die Technologie hat allgemein aufgeholt. Werden Camerons 4(!) ‚Avatar‘ Sequels den Erfolg wiederholen können? Cameron produziert grundsätzlich keine Flops, daher bezweifle ich, dass er keine Ahnung hat was er tut, aber rein technisch muss ich mich doch fragen, was er hier aus dem Ärmel schütteln könnte, was heute noch einmal einen solchen Wow-Effekt auslösen würde.

War die Story allzu generisch? Sämtliche Vergleiche wurden schon oft genug gezogen. ‚Schlümpfe‘ im Weltall. ‚Pocahontas‘ im Weltall. Der mit dem Wolf tanzt‘ im Weltall. ‚Lawrence von Arabien‘ im Weltall. Cameron zeichnete seine Themen breit. Erhaltung der Natur und Anti-Imperialismus standen im Mittelpunkt, aber auch alte Klischees wie der weiße Retter der „edlen Wilden“ kamen zum Vorschein. Eine ganz gute Idee, wie sehr sich die Story an Allgemeinplätzen abarbeitete gibt vielleicht die schiere Anzahl an Klagen, die Cameron Plagiate vorwarfen. Ein gutes halbes Dutzend Autoren meinten ihre Geschichten in ‚Avatar‘ wiederzuerkennen. Und damit meine ich nicht die Ähnlichkeiten zu oben genannten, bekannten kulturellen Elementen. Eine rücksichtslose Gruppe, die irgendeinen Rohstoff auf einem fernen Planeten abbauen will, doch dann verbündet sich einer aus ihren Reihen mit den dort Ansässigen ist halt wirklich schon das eine oder andere Mal geschrieben worden. Auch in der Science Fiction. Man könnte halt fast sagen, es wäre ‚Dune‘ im Weltall. Also, auch im Weltall aber im Weltall-Dschungel statt in der Weltall-Wüste. Und alles ist blau außer den Augen.

Hätte ‚Avatar‘ schlicht ein Expanded Universe benötigt? Unser popkulturelles Gedächtnis zeigt, man möge mir die Formulierung verzeihen, in den letzten Jahren gewisse Demenzerscheinungen. Eine Serie wie ‚Game of Thrones‘ kann über Jahre das heißeste Ding seit Erfindung des Eiskugelportionierers sein, doch eine enttäuschende letzte Staffel später ist der Winter gekommen und wieder gegangen und keinen interessiert der Frühling auch nur noch im Geringsten. Und auch ‚Avatar‘ ist gekommen und wieder gegangen. Cameron plante selbst einen Prequelroman zu schreiben, daraus ist nie was geworden, stattdessen sollte Steven Charles Gould eine Reihe Romane im Universum schreiben. Daraus ist, soweit ich das sehe, auch nie etwas geworden. Seit 2017 sind wieder Romane in Planung, allerdings müssen diese mit Camerons 4(!!) Sequels abgestimmt werden und, nochmal soweit ich das sehe, lassen bislang ebenfalls auf sich warten. Was bleibt sind eine Handvoll Comics, die seit 2017 erscheinen. Bloß liest kaum noch jemand Comics. Der Film selber brachte es nur auf das übliche Videospiel und einige Actionfiguren. Fast schwer vorstellbar, dass der erfolgreichste Film aller Zeiten nicht gleich eine Serie, Online-Special und irgendwelchen Plastikkram zum Sammeln säckeweise hervorgebracht hat. Auch hier hat vor allem Disney dazugelernt und bimmelt uns alle Jahre wieder mit Marvels und Star Warses und Remakes von klassischer Animation und dazwischen mit allerlei dazugehörigen Serien vor der Nase herum, damit sie ja nicht unsere furchtbar unstete Aufmerksamkeit verlieren. Denn heute gibt es so viele Medien, die allesamt so leicht erreichbar sind und die alle nur darauf warten von uns konsumiert zu werden, dass ‚Avatar‘ als Film der einfach Films ein will, sich im Blockbustermarkt schon seltsam ausnimmt. Doch hier korrigiert Cameron ja nun im Extrem. Eben mit vier Sequels. Bis 2027. Wird ‚Avatar 2‘ kein Totalflop werden wir es die nächsten jahre wohl eher nicht übersehen können. 

Die Antwort ist hingegen vermutlich eher nicht die reine Qualität des Films. Ich will die hier nicht groß diskutieren, aber sagen wir mal ‚Transformers‘ hat einen weit größeren Fußabdruck im feuchten Zement der Popkultur hinterlassen. Und ich würde bestreiten, dass die Filme unbedingt besser als ‚Avatar‘ sind. Aber sind es vielleicht die Charaktere und ihre Darsteller? Ich gebe zu, ich habe ‚Avatar‘ lange nicht gesehen und könnte keinen Charakter mehr benennen. Das ist ungewöhnlich für Cameron. Sarah und John Connor, Rose und Jack oder selbst ein Harry Tasker bleiben im Gedächtnis. Und das ist bevor wir bei Arnies ikonischem T800 oder gar Ripley angekommen sind. Aber ‚Avatar‘? Jake Sully heißt der Hauptcharakter. Gespielt vom edelhölzernen Darsteller Sam Worthintgton. Okay, da versteht man schon mal, warum der nicht in Erinnerung bleibt. Zoe Saldana ist im Film aber ihren Charakter könnte ich nicht benennen. Einer meiner liebsten Native American Darsteller Wes Studi ist im Film und ich hatte es vergessen. Der einzige Charakter, der mir vor dem inneren Auge erscheint ist ausgerechnet Stephen Langs fanatischer Colonel. Weil der mich in seiner „alles wegbolzen“-Mentalität an Videospielkarikatur Duke Nukem erinnert hat. Ehrlich gesagt auch nur deshalb. Versteht mich nicht falsch, ‚Avatar‘ hat einen durchaus talentierten Cast (und Sam Worthington), aber eben keine Darstellungen die im Gedächtnis bleiben.

Regelmäßige Leser meines Blogs wissen ja, was von meinen Voraussagen zu halten ist (gar nix!), daher halte ich mich mit Vorhersagen für die ‚Avatar‘ Sequels zurück. Ich wüsste auch überhaupt nicht wie die ausfallen sollten. Ich habe keinerlei Idee, wie sie laufen werden. Werden sie die ersten Plätze der Liste der erfolgreichsten Filme aller Zeiten belegen, oder zum totalen Flop geraten? Beides halte ich für nicht völlig unmöglich. Eben gerade weil der erste Film so keinerlei Abdruck hinterlassen hat, aus dem man nun Spuren (oder Kaffesatz) lesen könnte.

‚Avatar‘ verwirrt mich. Das ist tatsächlich das Einzige, was ich mit gewisser Sicherheit sagen kann. Wie geht es Euch? Seid Ihr ‚Avatar‘ Fans? Ist der Film Euch völlig wurscht? Verwirrt er Euch wie mich? Freut Ihr Euch auf die vielen Sequels? Wisst Ihr warum es gleich vier sein müssen? Wird James Cameron je die Zeit finden ‚The Abyss‘ mit einer vernünftigen, zeitgemäßen Veröffentlichung auszustatten? Sagt es mir in den Kommentaren. Insbesondere über ein „Ja“ zur letzten Frage tät ich mich freuen…

8 Gedanken zu “Ich glaube, wir müssen mal über ‚Avatar‘ reden

  1. Sehr schön analysiert! Ich mochte „Avatar“ ja wirklich sehr gerne. Schon alleine als großer Sci-Fi-Bilder-Porn. Jedoch bin ich auch skeptisch, dass die Welle mit den ganzen Fortsetzungen nach all den Jahren und den gewandelten Sehgewohnheiten heute noch funktioniert. Aber wie du schreibst: James Cameron macht keine Flops. Wenn es nach mir ginge, würde er sich mal lieber um eine Blu-ray von „The Abyss“ kümmern.

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    • Ich glaube ja Abyss ist so nahe wie Cameron je einem Flop gekommen ist (also nicht sehr nahe…) und deswegen zeigt er ihm die kalte Schulter. Eine gewisse Verwandtschaft zu Avatar ist trotzdem da, hat doch auch Abyss eher wenig popkulturelle Spuren hinterlassen.

      Aber ich vermute mal vier Fortsetzungen bekommen wir da nicht mehr. An seiner Unterwasserfaszination hat sich Cameron in den 90ern weitgehend abgearbeitet.

      Aber wissen kann man es nicht. Cameron scheint die Art von Regisseur, der genau das macht woran er Spaß hat und sonst nix. Bloß dass seine Filme dabei Abermillionen einspielen.

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  2. Das ist Pocahontas im Schlumpf – All. Ich halte nichts von 3D, wo ich eine extra Brille tragen muss. Dementsprechend habe ich den Film irgendwann mal gesehen. War froh, das man vorspulen konnte und das ich kein Geld dafür an der Kinokasse ausgegeben hatte.

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  3. Zur Ausgangslage deines Textes passt, dass es bei der Ankündigung des kommenden Videospiels vor einigen Wochen mit ein globales Schulterzucken war. Ich würde spontan auf eine Mischung aus Grund 1 und 2 tippen – zu viel Technik, zu wenig interessante/innovative Handlung. Und vielleicht hat ihn auch geschadet, dass 3D in den Jahren darauf ja eher zum Nerv- als zum Spektakelfaktor wurde in der allgemeinen Wahrnehmung.
    Und ich würde noch ergänzen: Zu wenig ikonische Momente/Zitate – im Gegensatz zu Terminator, Aliens oder Titanic, um ihn in den großen Popkulturkanon einfließen zu lassen

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    • Ach, da wurd n Spiel angekündigt? 😉

      Und ja, 3d scheint ziemlich durch zu sein. und ich würde nicht darauf wetten, dass Avatar 2 hier die Begeisterung neu entfacht. Obwohl vielleicht sind nach über einem Jahr nur Streaming einfach auch sehr viele sehr hungrig auf Spektakel, wer weiß.

      Und Du hast ganz Recht, es ist wirklich schwer einen ikonischen Moment in Avatar auszumachen.

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