‚Peninsula‘ (2020)

Yeon Sang-hos ‚Train To Busan‘ war für mich als altem Zombie-Muffel einer der, zugegeben gar nicht so seltenen, Lichtblicke in dem unüberschaubaren Genre. Klaustrophobisch, mit hochkinetischen Szenen und dennoch auf Charakterentwicklung bedacht, biss sich der Film direkt in mein Herz. Klar, dass seine Fortsetzung von mir mit einigem Interesse erwartet wurde. Allein der Titel ‚Peninsula‘ macht bereits klar, dass wir aus der bewusst begrenzten Erzählwelt des Zuges nun in eine größere Geschichte wechseln. Zum Guten und zum Schlechten.

Der Film beginnt kurz nach dem Ausbruch der Zombieepidemie in Südkorea. Soldat Jung-seok (Gang Dong-won) fährt seine Schwester und deren Familie zu einem Schiff, dass sie außer Landes bringen soll. Doch gibt es an Bord einen Zombieausbruch, den von der Familie nur Jung-seok und sein Schwager Chul-min (Kim Do-yoon) überleben. Vier Jahre später ist Südkorea vom Rest der Welt isoliert. Nordkorea verschließt effektiv die Landesgrenzen, eine internationale Küstenwache verhindert, dass jemand auf dem Seeweg hinein- oder hinauskommt. Was bedeutet, dass erhebliche Geld und Materialwerte in Südkorea verblieben sind. Jung-seok und Chul-min leben mehr schlecht als recht in Hongkong, geplagt von Überlebensschuld. Sie und einige andere Koreaner werden von einigen Gangstern angeheuert einen Lastwagen in Korea zu finden und an den Hafen von Incheon zu bringen. Das gelingt auch beinahe. Doch dann kommen die meisten Beteiligten ums Leben. Jung-seok kommt bei einer überlebenden Familie unter. Einer Familie, die er bei seiner Flucht vier Jahre zuvor zurückgelassen hat. Chul-min hingegen gerät in die Hände der der Barbarei verfallenen Einheit 631 der koreanischen Armee. Der Lastwagen, voll mit US-Dollar und das Satellitentelefon, um die Hongkong-Gangster zu rufen, werden bald zum umkämpften Schlüssel in die Freiheit.

Der größere Rahmen des Films wird sehr schnell deutlich. Der Film präsentiert uns die Großstadt Incheon als verfallene und bereits überwachsende Ruine. Eine Ruine bis zum Bersten (teilweise wörtlich zu nehmen) gefüllt mit Zombies. Leider enttäuscht nach ‚Train To Busan‘ ein wenig, was wir in dieser Stadt finden. Wir haben die beherzte, kleine Gruppe Überlebender auf der einen Seite, auf der anderen die mörderischen, psychopatischen Soldaten, die fast schlimmer sind als die Zombies. Das sind sattsam bekannte Elemente des Genres, die sich bis zu seinem Urvater George Romero zurückverfolgen lassen. Und leider weiß der Film weder mit diesen Charakteren, noch mit Jung-seok oder Chul-min sonderlich viel anzufangen.

Sicherlich, auch der Vorgänger zeichnete seine Charaktere nun nicht eben mit dem feinsten Pinselstrich, dennoch hat man (oder wenigstens ich) hier zu jedem Moment mit ihnen mitgefiebert. Hier bleibt mir die Distanz einfach zu groß, was spätestens beim extrem melodramatischen Finale zum Problem wird, das sich einfach „unverdient“ anfühlt. Selbiges gilt für die menschlichen Antagonisten. Während der Geschäftsmann im ersten Teil, der bereit war für sein Überleben über Berge von Leichen zu gehen, gerade durch seine Normalität erschreckte, ist Fiesling Sergeant Hwang hier eher eine Knallcharge. Darsteller Kim Min-jae gibt ihn derart überzogen, dass ich fast sicher bin, er hat zur Vorbereitung Joseph Pilatos Captain Rhodes aus Romeros ‚Day of the Dead‘ studiert. Da funktionierte das jedoch, weil der Film einen grundsätzlich satirischen Ansatz hatte, hier wirkt es schlicht deplatziert.

In den Action-Szenen jedoch findet man immer wieder einmal die inspirierten Momente des ersten Teils wieder. Gerade der Einsatz der Zombies ist hier immer wieder sehr kreativ. Aber auch die Schusswechsel sind sehr gut inszeniert. Wenn auch Jung-seoks Gegner gern einmal vergessen, dass auch sie mit Schusswaffen ausgestattet sind und stattdessen auf ihn einstürmen. Im Mad Max-inspirierten Finale agiert der Film dann allzu sichtbar an der Grenze (und teilweise jenseits davon) dessen was das Budget zulässt. Aber es ist in meinen Augen unterhaltsam genug um darüber hinwegzutrösten.

‚Train To Busan‘ ist mit seiner Gradlinigkeit und seinem extrem klaustrophobischen Setting sehr schnell und zu Recht zu einer Art Klassiker des Genres geworden. Ich fürchte, das wird ‚Peninsula‘ nicht gelingen. Allzu zahlreich sind die Zitate auf andere Zombie- aber auch postapokalyptische Filme. Da wird hier und da mal ein wenig politische Satire angedeutet, etwa wenn wir einen Ausschnitt aus einer westlichen Talk-Show sehen, die sich erstaunlich positiv über Nordkorea äußert, weil das eben das durchinfizierte Südkorea so effizient abschottet. Daraus macht der Film aber nichts weiter. Vielleicht auch ganz gut so, denn ein wenig zu sehr mäandert er ins einer Erzählung ohnehin schon, von einem Heist zu Gladiatorenkämpfen, zu extremem Melodrama und nichts fühlt sich vollständig ausgebacken an. Aber es geht auch nichts so richtig schief. Der Film erweckt das Gefühl des bei Bands gefürchteten, verdammten, zweiten Albums.

Fans von Zombie-Filmen werden hier sicherlich dennoch auf ihre Kosten kommen. Alle anderen schauen lieber nochmal ‚Train To Busan‘. Oder ‚The Girl With All The Gifts‘, oder ‚One Cut Of The Dead‘. Ist ja nicht so als sei das Zombie-Genre in den letzten Jahren arm an gelungenen, ideenreichen Filmen gewesen.

PS: meine Güte, der internationale, anglophone Titel ‚Train To Busan presents: Peninsula‘ ist mal doof!

Ein Gedanke zu “‚Peninsula‘ (2020)

  1. Wenn man ihn nicht als zweiten Teil von Train To Busan zitiert hätte, wäre der Film besser zu schauen gewesen. Er hatte so ja rein gar nichts mehr mit dem ersten Film zu tun.
    Ok, Spaß hat er schon gemacht.

    Gefällt 1 Person

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