‚Tron Legacy‘ (2010) – „Rinzler!“

Gleich nach 1977 wollte jedes Studio sein eigenes ‚Star Wars‘ haben. Allen voran das arg gebeutelte Disney. Sie starteten mehrere durchaus ambitionierte und faszinierende Versuche, von denen aber keiner so recht die Popkultur in Flammen setzen wollte. Der interessanteste Film aus dieser Zeit ist vermutlich ‚Tron‘. Eine Art ‚Zauberer von Oz‘ für die Atari-Generation. Statt böser Hexe gab es Master Control Program, statt „ruby slippers“ „Lightcycles“. Und statt Judy Garland Jeff Bridges, der als Hacker Kevin Flynn herausfindet, dass die Programme der Firma EnCom auf dem „Grid“, einer Art virtuellen Realität existieren, wo sie die Gesichtszüge ihrer User tragen. Doch mit einem speziellen Laser können auch User, namentlich Flynn, auf den Grid digitalisiert werden. Mit seiner Schwarzlichtoptik und dem Soundtrack von Elektromusik-Pionierin Wendy Carlos wirkt der Film einerseits sehr aus seiner Zeit, andererseits aber auch absolut einzigartig. Er mag kein grandioser Film sein, doch seinen Kultstatus hat er völlig zu Recht. Dieser Kultstatus dürfte denn auch der Grund gewesen sein, dass Disney vor 11 Jahren ein Sequel veröffentlicht hat. Auch das hat in der Popkultur keine tiefen Spuren hinterlassen, aber inzwischen seinen eigenen, durchaus verdienten, Kultstatus. Schauen wir mal warum.

Nachdem Kevin Flynn (Jeff Bridges), nach den Geschehnissen des ersten Films, als neuer CEO von EnCom gemeinsam mit den Programmen Tron (Bruce Boxleitner) und seinem eigenen Clu (ebenfalls Bridges) einen neuen „Grid“ erschaffen hat, verschwindet er von einem Tag auf den anderen und lässt seinen jungen Sohn zurück. 20 Jahre später ist EnCom eine Art Microsoft geworden und Flynns Sohn Sam (Garrett Hedlund) einerseits Mehrheitseigentümer, andererseits ein Hacker/Prankster/Saboteur, der die Firma vorführt. Als der alte Kollege seines Vaters Alan Bradley (Boxleitner) eine Nachricht des verschwundenen Flynns erhält, macht sich Sam auf die Suche in dessen alter Videospiel-Arcade. Hier wird er alsbald von einem Laser auf den neuen Grid gebeamt, jenen seltsamen, virtuellen Raum, in dem personifizierte Programme existieren. Schnell stellt sich heraus, das Clu hier, in Folge des Auftauchens „isomorpher Algorithmen“, natürlich entstehender Programme, die die „Perfektion des Grid in seinen Augen bedrohten, die Macht an sich gerissen hat, Flynn irgendwo versteckt ist und sich die reale Welt tatsächlich in einiger Gefahr befindet.

Das erste was auffällt ist, wie gut es Regisseur Joseph Kosinski gelungen ist, die Videospiel-Ästhetik ins Jetzt (oder wenigstens das Jetzt vor 10 Jahren) zu befördern. Das fällt schon auf, bevor wir überhaupt auf dem Grid sind. Die Eröffnungsszene, wenn Sam in das Gebäude von EnCom einbricht erinnert inszenatorisch frappierend an „Open World“ Spiele wie ‚GTA‘. Bloß dass der Massenmord fehlt. Aber auch auf dem Grid selbst ist die Ästhetik geschickt und elegant modernisiert, so dass sie sich gleichzeitig zeitgemäß anfühlt, sich aber gleichzeitig direkt aus ‚Tron‘ herleitet.

Okay, wenn ich mal ganz ehrlich sein soll, der Film lebt für mich vollständig von seiner audio-visuellen Inszenierung. Der leuchtende, andersweltliche, aber doch vertraute Grid unterlegt vom grandiosen Soundtrack von Daft Punk, die hier quasi orchestrale Elektromusik schaffen ist für mich nichts weniger als großartig. Was ich mir vor allem gewünscht habe, ist mehr von dieser Welt zu sehen. Dabei bekommen wir durchaus einiges geboten, Höhepunkt für mich war der „End of the line club“, in dem das schillernde Programm Zuse (Martin Sheen), irgendwo zwischen David Bowie und Frank-n-Furter, Hof hält. Hier hat auch das Soundtrack-Duo einen völlig logischen, nicht aufgesetzt wirkenden Cameo-Auftritt. Ich kann kaum in Worte fassen, wie schnell ich bei einer Wiederaufführung auf der Größtmögliche Leinwand im Kino wäre.

Abseits der Schau- und Hörwerte des Films wird es dann jedoch durchaus schwieriger. Sam ist ein wahnsinnig blasser Charakter, dem Darsteller Hedlund kaum Profil verleihen kann. Jeff Bridges ist sympathisch wie immer, verfällt als Flynn aber gelegentlich in Lebowski, was zwar lustig, dem Charakter aber nicht unbedingt zuträglich ist. Sein digital verjüngtes Gesicht in den 80er Rückblenden ist furchtbar, aber für Clu funktioniert es ganz großartig. Denn der soll ja gerade ein digitales Zerrbild des Menschen Flynn sein. Von den drei Hauptdarstellern kommt für mich Olivia Wilde am besten weg. Ihre Quorra ist ein Programm auf Seiten Flynns und Sams, einerseits neugierig-naiv, andererseits loyal und wagemutig. Vor ihr hätt ich gern mehr gesehen als von Mr. Zahncreme-Reklame-Sam. Außerdem, öh, kann mir irgendwer erklären, warum Cillian Murphy für etwa 30 Sekunden als Sohn von David Warners Charakter aus dem ersten Film auftaucht? Ich habe den ganzen Rest des Films gewartet, dass der wiederkommt, tat er aber nicht. War das als Cameo gedacht? Gab’s da Streit? Seltsam. Noch ne Frage: warum war Trons Gesicht nie deutlich erkennbar? Hat Bruce Boxleitner untersagt sich digital verjüngen zu lassen? So viele Fragen!

Die Action ist unterhaltsam (und erstaunlich nachvollziehbar, dafür dass hier sicherlich viel CGI am Werk ist), das Worldbuilding grandios, die Ästhetik interessant, die Story ist simpel. Das ist nicht unbedingt ein Problem, für mich jedenfalls war es kein großes. Das Ende war ein bisschen zu over-the-top für mich, aber unter Bedrohung für die ganze Welt steht seit den 2010ern ja kein Blockbuster überhaupt auf. Wobei ich schon gern gesehen hätte, was passiert wäre, wenn Clus heimtückischer Plan gelungen wäre.

Das ist der zweite Film von Joseph Kosinski, den ich kenne und wie der andere, ‚Oblivion‘, ist er ein hochelegant inszenierter SciFi-Film, mit einem KILLER-Soundtrack und einer Story, die sich leider nicht gerade im Gedächtnis festsetzt. Beide mag ich sehr, bei beiden tue ich mich schwer damit eine allgemeine Empfehlung auszusprechen. Sprechen sie einen an, wie sie es bei mir tun, wird man ihnen ihre Schwächen nicht nur vergeben, sie werden kaum ins Gewicht fallen. Aber wenn nicht, dann können sie vermutlich schon reichlich öde wirken. Aber ein Double-Feature mit dem Original und dieser Fortsetzung ist auf jeden Fall ein ziemlich einzigartiger Filmabend. Und dagegen kann man doch nun wirklich nix haben.

PS: Arrgh, das Art-Book ist nur noch gebraucht zu… interessanten Preisen zu haben. Manchmal wird es halt bestraft 11 Jahre zu spät dran zu sein.

8 Gedanken zu “‚Tron Legacy‘ (2010) – „Rinzler!“

    • Der OST ist sooo gut!!!

      Aber ja, der ganze Film macht echt spaß!

      Wenn ich jetzt nur eine Antwort auf die Cillian Murphy-Frage fände. Überall ist zu lesen, das sei ein Cameo Auftritt. Aber in der Szene wird er direkt als ein Sam ebenbürtiger Hacker eingeführt, das wirkt absolut so, als wäre er wenigstens ein Nebenantagonist. Naja, wenn ich Herrn Murphy mal treffe, muss ich ihn wohl fragen. 😉

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  1. Pingback: Seltsame Cameo Auftritte | filmlichtung

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