Jetzt erscheint ja wieder regelmäßig alle zwei Jahre im Herbst ein neuer Asterix-Band. Von einem neuen Kreativteam aus Autor Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad. Und während ich die bislang alle durchaus nett fand, wurden sie halt einmal gelesen und dann ins Regal gestellt. Sie waren sicher allesamt besser als das späte Solowerk von Albert Uderzo, doch konnten sie für mich nie wirklich so ganz das Gefühl eines etwas hilflosen „the show must go on“ loswerden. Denn Asterix verkauft sich halt und vermutlich würde auch ‚Asterix und das wachsende Gras‘ seine Abnehmer finden. Aber mit ‚Asterix und der Greif‘ haben die (inzwischen gar nicht mehr so) Neuen mMn. nun endlich ein Stück weit ihre eigene Stimme gefunden und ihr bislang bestes Album abgeliefert.
Die Römer planen hier nämlich das Totemtier der Sarmaten, den Greif, für Cäsars Zirkusspiele zu fangen. Dafür macht sich eine große Kolonne Legionäre unter dem Geografen Globulus, dem Großwildjäger Ausdiemaus und Zenturio Brudercus auf ins unerforschte, östliche „Barbaricum“. Hier in den tief verschneiten vorderasiatischen Steppen finden wir auch bereits unsere Helden, Asterix, Obelix und einen arg erkälteten Miraculix. Dessen alter Freund, der sarmatische Schamane Terrine hat die Gallier im Traum nämlich um Hilfe gebeten, weil seine Trommel ihm schreckliche Vorahnungen über die nahende, römische Gefahr schickte. Bei den Sarmaten läuft einiges anders, wie sich herausstellt. Die Männer hüten die Häuser, während die Frauen das Kriegshandwerk erledigen. Asterix und Obelix dürfen sie lediglich als „gallische Diplomaten“ begleiten. Vielleicht gar nicht verkehrt, denn wie sich herausstellt, verliert der Zaubertrank einmal gefroren seine Wirkung.
Ich gebe zu, ich bin mit recht geringer Erwartung an diesen Band gegangen. In ‚Asterix in Italien‘ ließ Ferri zum ersten Mal Sarmaten auftreten und bediente mit diesen Figuren uralte Sowjet-Klischees mit Gags wie „der Kriegsgott Mars heißt bei ihnen Marx“ (höhöhö). Das ließ mich für diesen Band einen Haufen aufgewärmte Kalte Kriegs-Späßchen (okay, das war mein eigenes höhöhö) befürchten. So kam es zum Glück nicht. Ich weiß über die historischen Sarmaten wenig, aber es ist recht offensichtlich, dass Ferri sie hier mit der griechischen Legende um die Amazonen, die ja auch irgendwo im Osten leben sollen, vermischt hat. Was ihm aber mit dieser winterlichen Reise wirklich zum ersten Mal gelingt, ist das doch recht enge Korsett des Asterix-Kosmos ein wenig zu lockern. Hier muss immer ein Band ein Dorfabenteuer sein, das nächste ein Reiseabenteuer. Römer müssen vermöbelt werden, die Piraten versenkt, Obelix muss erinnert werden, dass er als Kind in den Zaubertrank gefallen ist und am Ende gibt’s das große Bankett. Natürlich umgeht Ferri das nicht alles, das wäre auch zu viel des Guten. Aber allein, dass die Helden schon in medias res starten, um eine Redensart der Spinner auszuborgen, sprich, wir sie im tiefen Schnee des Ostens treffen, anstatt erst einen langwierigen Start im Dorf zu haben, tut der Geschichte wahnsinnig gut. Auch das Asterix hier einmal ohne Zaubertrank zurechtkommen muss, ist zwar nicht ganz neu, aber immerhin ungewöhnlich genug. Dazu kommen niedliche Details, etwa, dass sich eine der starken Frauen direkt in Obelix verguckt, der mit seinen Gedanken aber nur bei Hündchen Idefix ist, der nämlich den Wolf in sich entdeckt hat. Oder wenn die skythischen Führer der Römer die Landschaft im Tonfall gelangweilter Touristenführer präsentieren, während die Legionäre in der Schneewüste dem Wahnsinn verfallen.
Aber noch mehr als Ferri glänzt hier für mich Zeichner Conrad. Sicherlich, er orientiert sich immer noch sehr nahe an Uderzo. Doch während er in vorigen Bänden oft wie eine flottere, viel zu oft aber noch fahrigere Version des großen Vorbilds wirkte, darf er hier in den vor Details strotzenden Winterlandschaften seine Stärken voll ausspielen. Die Bilder sind wahnsinnig atmosphärisch und heben sich in meinen Augen von allem bisher in Asterix dagewesenem ab. Wo er im Gegensatz zu Uderzo immer noch ein wenig schwächelt sind dann aber die Actionszenen. Die waren bei Uderzo ebenso nachvollziehbar wie komisch, hier muss ich mich gelegentlich mal fragen, was da genau zwischen den Panels passiert sein soll. Aber das macht wenig, die Landschaft wirkt glaubhaft und lässt einige Recherche erahnen, die Sarmaten erscheinen ebenso fremd wie vertraut und gleichzeitig sympathisch. Nein, ganz so gut wie Uderzo zu seinen besten Zeiten ist Conrad immer noch nicht, das ist aber auch gar nicht ehrenrührig, denn das sind nur wenige.
Zu meckern gibt es natürlich auch etwas. Ferri ist mir in seinen aktuellen Bezügen meistens zu platt. In ‚Der Papyrus des Cäsar‘ war mir das mit seinen Leaks und seinem Tauben-Twitter ernsthaft zu viel. Wenn sich hier unter den Römern Verschwörungstheorien verbreiten, dann ist das durchaus in Ordnung, das gibt die Geschichte her und der Realweltbezug ist klar. Wenn aber der dafür verantwortliche Legionär „Fakenius“ heißen muss, dann ist mir das wieder viel zu viel. Wobei dafür natürlich auch durchaus die Übersetzung verantwortlich sein könnte (man denke an ‚Asterix in Italien‘, wo aus dem nachträglich berüchtigt gewordenen Rennfahrer Coronavirus im Deutschen Caligarius (also Schuhmacher) gemacht wurde). Aber dass die Piraten für genau ein Panel dann doch noch mit der Brechstange in die Geschichte gezwängt werden müssen, daran ist dann wohl doch wieder das steife, asterixsche Korsett schuld.
Viel mehr hab ich tatsächlich nicht zu meckern. Der Band hat mich hochzufrieden mit breitem Grinsen zurückgelassen. Wenn sich Ferri und Conrad in diese Richtung weiterentwickeln, dann könnte Asterix tatsächlich noch Großes bevorstehen. Wobei es vermutlich nicht leichter wird ihn zu schreiben. Nun war er also in Russland. Europa ist weitgehend abgefrühstückt, im Nahen Osten war er, in Indien und in Amerika. Die nächsten Ziele würde ich in Afrika und China vermuten. Spätestens wenn er in Australien anlandet ist die Serie wohl zu lange erschienen. Aber bis dahin darf, bei dieser Qualität, gern noch viel Zeit vergehen! Dieser Band wird nicht lang im Regal stehenbleiben. Spätestens diesen Winter werde ich ihn, schon allein des Settings wegen, wieder zur Hand nehmen. Plaudite amici!
Fakenius war doch geil und Kalischnikova nicht vergessen 😆
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Danke für die Rezension – ich bin schon dran vorbei gelaufen,und hab mich nicht getraut, es zu kaufen. Obelix als Rocketman würde auch das Universum erweitern, hihi. Die Pyramiden als Startrampe, und er bräuchte keine Luft wegen dem Zaubertrank, aber mit dem kleinen Korsen hat er ja immer die Luft angehalten. Ach, irgendein Druide wird schon was erfinden.
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Ah, Du meinst sie reisen vor langer Zeit in weit, weit entfernte Galaxie. 😉 Und plötzlich gehört auch Asterix Disney.
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