Nachdem ich vor kurzem die erste, durchwachsene Staffel von ‚Picard‘ gesehen habe, hatte ich ernsthaft Lust diesen Film wieder einmal zu schauen. In meinem persönlichen Ranking ist er der beste Kinofilm der „Next Generation“-Crew (ich nutze die Gelegenheit einfach mal, um anzumerken, dass ‚Treffen der Generationen‘ aber bei weitem nicht so schlecht wie sein Ruf ist) und landet auf Platz drei hinter den beiden Nicholas Meyer Filmen ‚Der Zorn des Khan‘ und ‚Das unentdeckte Land‘. Es war die erste Kino-Regiearbeit von Riker-Darsteller Jonathan Frakes, der zuvor nur bei einigen Folgen fürs TV Regie geführt hatte. Doch da für das Gelingen eines Star Trek Films ein inhärentes Verständnis der schwer greifbaren „Star Trek-Haftigkeit“ sehr wichtig ist, ist er bei weitem nicht der erste Darsteller, der auf den Regie-Stuhl befördert wurde. Mal mit mehr (Leonard Nimoy), mal mit weniger (William Shatner) Erfolg. Ich jedenfalls war gespannt, ob meine Begeisterung für den Film einem neuen Ansehen standhalten würde (Spoiler: ja, tut sie).
Ein gigantischer Kubus der Borg, eine kybernetische Schwarmintelligenz, die jedes intelligente Lebewesen, das ihnen begegnet als Cyborg-Drohne in ihr Kollektiv integriert oder zerstört, befindet sich auf direktem Angriffskurs auf die Erde. Captain Picard (Patrick Stewart) führt die brandneue Enterprise E in die Schlacht gegen die Invasoren. Entgegen direkter Befehle, die ihn fernhalten sollten, da er selbst bereits einmal in das Kollektiv assimiliert wurde. Der Kubus wird zerstört, doch ein kleines Schiff der Borg verschwindet in einem Zeitstrudel. Im nächsten Moment ist die gesamte Erde „borgifiziert“. Die Eroberung hat in der Vergangenheit, Mitte des 21. Jahrhunderts, kurz nach dem dritten Weltkrieg, stattgefunden. Die Enterprise folgt den Borg durch den Zeitstrudel und kann das Schiff zerstören, kurz nachdem es eine Anlage in Nordamerika beschossen hat. Das Problem ist, dass das zerstörte Lager der Ort ist von dem aus am nächsten Tag Zefram Cochrane (James Cromwell) zum ersten menschlichen Warpflug starten würde. Dieser Flug würde von einem Schiff der Vulkanier beobachtet, die daraufhin den titelgebenden Erstkontakt zur Menschheit aufnehmen, der zur Gründung der Föderation führt. Um das noch zu schaffen benötigt Cochrane Hilfe von der Crew der Enterprise. Doch dann stellt sich heraus, dass die Borg alles andere als besiegt und dabei sind die Enterprise zu übernehmen.
Ich werde Frakes hier nun sicherlich nicht als brillanten Regisseur hinstellen, doch alles was er hier abliefert ist mindestens solides Handwerk, gelegentlich aber, etwa Picards anfänglicher Borg-Alptraum oder der schwerelose Kampf auf der Außenhülle des Schiffes durchaus kreativ und elegant inszeniertes SciFi Kino. Er erzählt schwungvoll und temporeich. So Schwungvoll, dass man kaum Gelegenheit hat gewisse Logikfragen zu stellen. Fragen wie „die Borg können zeitreisen?“ oder „und wie genau reist die Enterprise am Ende in ihre Zeit zurück?“. Aber das ist das Ding mit Zeitreise-Plots, man tut sich nie einen großen Gefallen, wenn man allzu genau drüber nachdenkt. Was damals sicherlich toll war, aus heutiger Sicht aber etwas überflüssig ist Frakes‘ Bemühen, den Film exakt im Star Trek-Kanon zu verorten. Es passt durchaus, dass etwa Worf (Michael Dorn) anfangs die Defiant kommandiert, aber wenn Robert Picardo einen ca. 10 sekündigen Cameo-Auftritt als medizinisches Notfallprogramm absolviert ist wenigstens mir das ein bisschen zu viel Fanservice. Nicht das ich mich ernsthaft über 10 Sekunden aufregen würde.
Was ‚Der erste Kontakt‘ aber wirklich auszeichnet ist etwas, wovon sich zahllose, gerade aktuelle Blockbuster etwas abschauen könnten. Die besten Star Trek Filme haben einen vergleichsweise „kleinen“ Rahmen, was die Bedeutung ihrer Handlung angeht. Khan etwa hat keine Pläne, die über die Rache an der Crew der Enterprise und Kirk im Speziellen hinausgehen. In ‚Das Unentdeckte Land‘ ist die Gefahr, dass der Status Quo, sprich der Kriegszustand zwischen Föderation und Klingonen, erhalten bleibt. Die Filme arbeiten nicht mit riesigen Bedrohungen, von denen wir als Zuschauer eh wüssten, dass sie nicht eintreten, sondern sie bedrohen ganz gezielt Charaktere, die wir mögen. ‚Der erste Kontakt‘ nutzt eine Mischform, wenn man so will. Er droht nicht nur die Menschheit zu Borg zu machen, sondern die Föderation, die Grundlage von Star Trek, auszulöschen bevor sie existiert. Aber diese Dinge bleiben Abstraktionen im Hintergrund. Die Motivation im Film bleibt jeden Moment persönlich. Wir wollen nicht, dass die Borg die Enterprise übernehmen. Wir wollen, dass Zefram Cochrane seinen Warpflug antritt. Weil wir die Crew und auch die neuen Charaktere mögen. Die apokalyptische Gefahr ist immer auch eine persönliche. Deswegen sind wir investiert. Ich für meinen Teil jedenfalls deutlich mehr, als wenn sich zwei gewichtslose CGI puppen vor dem Todesstrahl aus dem Himmel prügeln.
Die ‚Next Generation‘ Crew spielt ihre Rollen mit der Eleganz jahrelanger Erfahrung. Jeder hier hat die Beziehungen vollständig begriffen. Stewart spielt seinen Captain mit ungewohnter, aus seinen traumatischen Erlebnissen mit den Borg aber vollkommen folgerichtiger Besessenheit. Bemerkenswert, dass es Alfre Woodards Lily ist, eine Frau aus der Vergangenheit, die an Bord der Enterprise gebracht wird, die Picard seine Verblendung deutlich macht. Ein auffälliger Hinweis darauf, dass es vermutlich Lily war, die Zefram Cochrane ohne das Auftauchen der Zeitreisenden auf Kurs gehalten hätte. James Cromwell jedenfalls hat großen Spaß als trinkender Chaot, der mit der Idee, dass die gesamte Zukunft der Menschheit auf seinen Schultern lastet nicht wirklich gut zurecht kommt. Riker, Troy (Marina Sirtis) und Geordi La Forge (LeVar Burton) sind zwar wenig mehr als Stichwortgeber für ihn, haben aber den einen oder anderen unterhaltsamen Moment. Mit der Borgkönigin habe ich meine Probleme. Sicher nicht wegen Alice Kriges Darstellung, die ihr hier gekonnt eine verstörende Mischung aus Verführung und Besessenheit verpasst, sondern weil ich die Borg als hierarchielosen Schwarm, ohne jedes greifbare Zentrum VIEL spannender und bedrohlicher finde. Auch habe ich ihre Verführung von Data (Brent Spiner) nicht eine Sekunde geglaubt. Aber sie erklärt sich natürlich aus der oben von mir ausdrücklich gelobten persönlichen Bedrohung, die vielleicht eine gewisse Personifikation der Borg notwendig macht. Ach ja, und dann ist da noch Neal McDonough als neues Enterprise Crewmitglied Hawk. Der trägt, aufgrund des neuen Uniformdesigns, nicht direkt ein rotes Hemd, aber seine Chancen den Abspann zu sehen waren von Anfang an eher minimal.
Der Film stammt aus einer Zeit, die mir tricktechnisch, sicherlich auch mit nostalgischer Verklärung, sehr gut gefällt. Eine clevere Mischung aus praktischen Effekten und CGI lässt viel davon auch heute noch gut aussehen. Und das bei einem Budget von 45 Millionen Dollar, was bei heutigen Blockbustern vermutlich gerade das Catering finanzieren würde. Lediglich einige Greenscreeneffekte, allen voran Actionheld Picard zum Ende des Films lassen ihr Alter erkennen. Aber die Action-Setpieces sind grundsätzlich flott, schick und kreativ inszeniert, etwa Picards Dick Tracy-eskes Holodeckprogramm, in dem er hier Borgdrohnen mit einer Tommygun über den Haufen schießt.
Doch, ‚Der erste Kontakt‘ macht mir immer noch großen Spaß. Mit ‚Der Aufstand‘ würde sich herausstellen, dass Frakes gegen ein allzu lahmes Drehbuch nicht anfilmen kann und das Ergebnis erinnert eher an eine mäßige Doppelfolge der Serie als einen Film. Stuart Bairds ‚Nemesis‘ war dann eher generische SciFi Action, wie es sie zum Jahrtausendwechsel viel gab, als Star Trek. Und damit das Ende der „Next Generation“ Filme und von Star Trek im Kino allgemein für einen guten Teil der 2000er. Somit bleibt ‚Der erste Kontakt‘ ein spätes Aufblühen der originalen Star Trek Filmreihe von 1979 bis 2002.
Auf jeden Fall der beste TNG-Film!
Interessant, was du über die besten Star Trek Filme schreibst. Ich würde da noch Star Trek IV mit einbeziehen, der es geschafft hat, eine große Bedrohung auf eine simple, aber clevere Mission runter zu brechen. Man sollte eigentlich meinen, dass dieser Kniff, eine Umweltbedrohung so miteinzubauen, aus einem aktuellen Film stammen könnte. Aber nein, sie hatten das einfach schon in den 1980ern gemacht.
Und so schlecht fand ich die 1. Staffel von Picard gar nicht. Aber die Erwartungen waren nach Discovery eh schon nicht mehr besonders hoch.
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Ja, IV mag ich auch sehr. Vermutlich der augenzwinkerndste Film der Reihe, aber mit dem Zeitreisen viellicht sogar Inspiration für diesen hier.
Nee, schlecht fand ich Picard auch nicht wirklich. Insgesamt hatte ich Spaß, aber leider gerade die letzen zwei Folgen waren, mMn., die schwächsten. Durchwachsen, eben. 😉 Discovery hab ich nicht gesehen, kann da nicht vergleichen.
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