‚Gremlins‘ (1984)

In den USA kam Joe Dantes ‚Gremlins‘ 1984 in derselben Woche ins Kino, wie ‚Ghostbusters‘. In den modernen 80ern, so philosophierten Filmkritiker damals, musste man offenbar über die Schrecken früherer Tage nurmehr lachen. Der wahre Film-Horror der 80er trug eine Maske und ein großes Messer, war aber am Ende menschlich. So ganz funktioniert diese Annahme in der Rückschau zwar nicht mehr, aber eines ist dennoch deutlich: die 80er waren ein Höhepunkt der Horrorkomödie. Ein Genre, das bei weitem nicht so einfach funktioniert, wie es klingt. ‚Ghostbusters‘ und ‚Gremlins‘ sind dabei grundsätzlich  unterschiedliche Filme. ‚Ghostbusters‘ zieht seinen Humor vor allem daraus, dass dem Übernatürlichen mit blasiertem Großstadtzynismus begegnet wird, am Ende, eher mit Glück als Verstand, sogar erfolgreich. ‚Gremlins‘ hingegen nimmt zwei typische, amerikanische Kleinstadt-Genres, den Weihnachtsfilm und den Horror B-Movie, hämmert sie zusammen und lacht über den Schaden, den er dabei anrichtet.

Die Handlung, sollte sie jemand noch nicht kennen: Der erfolglose Erfinder Randall Peltzer (Hoyt Axton) kauft vom Enkel eines mysteriösen, chinesischen Händlers einen Mogwai. Ein niedliches, pelziges Wesen, das mit drei Regeln daherkommt: 1. Den Mogwai nicht dem Sonnenlicht aussetzen. 2. Ihn nicht nass werden lassen. 3. Nicht nach Mitternacht füttern. Peltzer schenkt den Mogwai seinem Sohn Billy (Zach Galligan) zu Weihnachten. Der tauft das Wesen Gizmo. Doch Billys Freund Pete (Corey Feldman) bricht alsbald Regel 2, woraufhin weitere Mogwai aus Gizmo hervorplatzen. Die Neuen sind deutlich weniger nett als dieser und legen Billy herein, sodass er sie nach Mitternacht füttert. Daraufhin verwandeln sie sich in deutlich größere, geschuppte Gremlins und richten im Örtchen Kingston Falls eine Menge tödliches Chaos an. Es ist an Billy, seiner Freundin Kate (Phoebe Cates) und Gizmo die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen und die bösartigen Gremlins zu stoppen.

„Gremlins“ waren tatsächlich, wie es Dick Millers Charakter, Mr. Futterman, im Film beschreibt, eine Erfindung anglophoner Kampfpiloten im Zweiten Weltkrieg. Kleine Wesen, denen humorvoll allerlei kleine Probleme mit den Flugzeugen zugeschrieben wurden. RAF-Pilot und Autor Roald Dahl verewigte sie 1943 in seinem Buch „The Gremlins“. Tatsächlich kamen sie in der Popkultur immer mal wieder in Zusammenhang mit Flugzeugproblemen vor. Sei es ein Bugs Bunny Cartoon, oder William Shatners Beobachtung eines Gremlins „…on the WING… of the PLANE!“ in einer Folge der originalen ‚Twilight Zone‘. Drehbuchautor Chris Columbus und Regisseur Joe Dante nehmen Abstand vpn Flugzeugen, behalten aber die technischen Manipulationen der Kreaturen bei, sei es eine Ampel oder, besonders effektiv, ein Treppenlift, doch sind ihre Gremlins auch mehr als bereit Menschen direkt zu schaden.

Tatsächlich war es bei seinem Erscheinen die Gewalt des Films, die besonders kritisiert wurde. Dabei ist genau diese wichtig, als stilistisches Mittel zur Abgrenzung vom oftmals süßlichen Weihnachtsfilm. Wenn das Scrooge/Mr. Potter Äquivalent dieses Films, Mrs. Deagle (Polly Holliday), von den Gremlins mittels manipulierten Treppenlifts im hohen Bogen aus dem Fenster und über die Straße katapultiert wird, dann ist das komisch und unerwartet, aber auch sehr, sehr düster. Es ist interessant zu lesen, wie exakt an der Gewaltschraube gestellt wurde. Denn die Gremlins waren ursprünglich noch deutlich grausamer. Billys Mutter Lynn (Frances Lee McCain) sollte eigentlich, nachdem sie eine ganze Reihe Gremlins mit Hilfe von Küchengeräten ausgeschaltet hatte, von ihnen überwältigt werden. Und wenn Billy nach Hause zurückkehrt, sollte ihr Kopf die Treppe herabrollen. Auch sollten die Gremlins Billys Hund auffressen. Und mehrere der Kleinstadtbewohner. Daran sieht man, wie schwierig die Balance einer Horrorkomödie zu finden ist. Hätte man das gemacht, hätte man den Regler vermutlich viel zu weit in Richtung Horror gedreht. Jedenfalls für diesen Film. Tatsächlich sollte sich auch Gizmo in den Gremlinanführer Stripe verwandeln. Dagegen legte jedoch Produzent Steven Spielberg früh sein Veto ein, nachdem er erste Konzepte des niedlichen Mogwai (übrigens kantonesisch für „Teufel“) gesehen hatte.

Eine Szene für die Dante allerdings energisch gekämpft hat, um sie gegen die Widerstände der Produzenten im Film zu behalten, ist die absurd-düstere Weihnachtsgeschichte, die Phoebe Cates Charaktere erzählt. Wie ihr Vater an Weihnachten verschwindet und ihre Mutter und sie in den nächsten Wochen einen Verwesungsgestank rund um den Kamin wahrnehmen. Da wisse doch keiner, ob die nun komisch oder tragisch sein soll, sagten die Produzenten. Aber genau darum geht es doch, erwiderte Dante. Und setzte sich zum Glück durch.

Denn das ist genau das wovon der Film lebt. Von der Widersprüchlichkeit des Settings. ‚Ist das Leben nicht schön?‘ vs. ‚Der Blob‘ beschreibt den Film recht gut. Da fällt nicht mehr groß ins Gewicht, dass das Drehbuch bei genauerer Betrachtung reichlich dünn ist, der Film ist schließlich stolz auf seinen B-Movie-Charakter. Schwerer ins Gewicht fallen da vielleicht eher die Pacing-Probleme. Insbesondere der abschließende Kampf gegen Stripe in einem Kaufhaus zieht sich für mich etwas in die Länge. Und dem Film würden 10 Minuten weniger vermutlich insgesamt nicht schaden (vielleicht einer der Gründe, warum der zweite Film direkt auf Vollgas drückt und nie mehr den Fuß vom Gas nimmt).

Aber natürlich lebt der Film nicht nur von seiner hintersinnigen Genre-Mixtur. Auch die praktischen Effekte wussten damals zu begeistern und können es bis heute. Insbesondere Gizmo ist, nicht zuletzt aufgrund der geringen Größe der Figur, eine technische und puppenspielerische Meisterleistung. Man wollte Gizmo übrigens kurzzeitig von einem Affen spielen lassen, hat aber zum Glück davon abgesehen, als das arme Tier in Panik ausbrach, als man ihm die Maske überziehen wollte. Die Puppe wurde aber, weil sie so filigran war, zum Hassobjekt der technischen Crew. Die Szene in der die Gremlins Gizmo mit Darts bewerfen, wurde denn auch vor allem zum Vergnügen der Crew eingefügt.

Ähnlich wie bei den ‚Ghostbusters‘ sollte es einige Jahre dauern, bis sich Joe Dante zu einer Fortsetzung überreden ließ. Für die verlangte er dann aber volle kreative Freiheit und ließ sämtliche Hintersinnigkeit in den Vordergrund springen, indem er sie zu einer lautstarken, cartoonhaften  Persiflage auf den unbedingten Willen nach Sequels machte. Aber um den umstrittenen, zweiten Film (ich mag ihn sehr!) soll es hier gar nicht gehen. ‚Gremlins‘ ist immer noch ein grandioser Spaß, auch wenn er einige Zeichen seiner Zeit aufweist (weiß eigentlich jemand, warum in vielen 80er/frühen 90er Komödien das Bild des Vaters als erfolgloser Erfinder so beliebt war?).

3 Gedanken zu “‚Gremlins‘ (1984)

    • Ja, das fände ich vermutlich auch schwer abzuschätzen, wann der für welche Kinder geeignet ist. Nicht nur die Gewalt, auch einige der „Verpuppungsszenen“ sind reichlich eklig, ist mir bei diesem Schauen wieder aufgefallen.

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  1. Pingback: Die 5 Besten am Donnerstag: 5 nervige Charaktere aus Weihnachtsfilmen | filmlichtung

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