Cinematische Feiglinge

Egal ob es zwei kleine Typen mit haarigen Füßen sind, die ein Stück bösartigen Modeschmucks in einen Vulkan schmeißen, oder ein Feuchtigkeitsfarmer, der ein galaktisches Imperium stürzt, das Kino liebt seine Helden. In den letzten Jahrzehnten, so kann man argumentieren, ist das sogar ein wenig eskaliert und nun reicht nicht mehr der „normale“ Held, nein dieser Tage muss es der Super-Held sein. Aber was ist mit der Kehrseite der Medaille? Was ist mit dem Feigling? Sicherlich, er wird aus offensichtlichen Gründen wohl nie denselben Respekt erhalten wie der Held, aber kann nicht auch er für grandioses Kino sorgen? Gibt es womöglich so etwas wie den Super-Feigling? Schauen wir lieber schnell nach, bevor sie sich alle versteckt haben!

Was macht einen außergewöhnlichen Feigling aus? Er muss natürlich aus der Masse hervorstechen. Damit wären etwa sämtliche Einwohner von Hadleyville aus Fred Zinnemanns ‚Zwölf Uhr Mittags‘ disqualifiziert. Da wollte schließlich keiner Gary Coopers Marshall zur Seite stehen. Also alles eine feige Masse. Der außergewöhnliche Feigling muss außerdem bis zuletzt zu seiner Feigheit stehen. Damit wäre George McFly disqualifiziert, der in ‚Zurück in die Zukunft‘, nicht zuletzt dank der Ermutigung seines zukünftigen Sohnes, im entscheidenden Moment über seine Feigheit hinauswächst. Gut für ihn, gut für Lorraine, gut für den Film, aber hier kann er damit eben nicht punkten.

Na schön, aber ein Feigling, dessen Feigheit es in den Filmtitel schafft, der muss doch wohl ein außergewöhnlicher Feigling sein, oder? ‚Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford‘ sollte Mr. Ford doch einen Platz hier einbringen (und ich spreche hier ausdrücklich vom fiktiven Ford des Films, über die historische Person kann ich mir aufgrund vollständiger Unkenntnis kein Urteil erlauben). Vielleicht. Aber es spricht einiges dagegen. Man könnte die Feigheit auch als kalten Pragmatismus auslegen. Will man einen der schnellsten Schützen umbringen, kann essich lohnen zu warten, bis er, ohne Knarre, auf einem Stuhl steht und ein Bild abstaubt. Klar ist das feige, aber eben auch pragmatisch. Es vergisst auch Roberts Bruder Charley, der ebenfalls am Komplott beteiligt war und es nicht einmal in den Titel geschafft hat. Die Tatsache, dass der Film nahelegt, dass James weiß, was geschehen wird, nimmt allerdings keinen Einfluss. Aber nee, am Ende ist mir der Feigling Robert Ford nicht außergewöhnlich genug.

Vielleicht sollten wir nach Feiglingen wirklich mehr auf der Antagonisten-Seite des Films suchen. Ein Gutteil der Schurken aus ‚Die Braut des Prinzen‘ würde sich hier sicherlich qualifizieren. Ale außer, ausgerechnet, Wallace Shawns Vizzini, der allzu sehr von sich selbst eingenommen ist, um feige zu sein. Als Beispiel sei hier aber Christopher Guests Graf Rugen erwähnt:

Ganz schön feige und ein Niveau, das er bis zum bitteren Ende hält!

Für mich in der absoluten Oberliga der Feiglinge spielt Kevin J. O’Connors Beni Gabor aus ‚Die Mumie‘ von 1999. Es gibt keine Gefahr, vor der er nicht fliehen würde und, wichtiger noch, andere ihr willentlich ausliefern würde. Da verwundert es nicht, dass er zum willigen Renfield zu Imhoteps Dracula wird. Was zu dieser wunderbaren Szene führt.

Ich könnte mir stundenlang ansehen, wie Brendan Fraser ihm einen Stuhl ins Kreuz schmeißt und es wird nie nicht lustig sein! Und ohne Benis Feigheit gäb‘s die Szene nicht! Sein Ende ist dann hingegen deutlich düsterer, aber er ist immer noch feige!

Das ernsthaftere Pendant zu Benis Feigheit wäre wohl Kim Ui-seongs Yon-suk aus ‚Train To Busan‘, der über dutzende Leichen geht, um sein eigenes Leben vor den Zombies zu retten. Den mag wohl zum Ende des Films hin absolut niemand mehr.

Na schön, unter Schurken gibt es also außergewöhnliche Feiglinge, das haben wir geklärt. Und bei den „Guten“? Wirklich niemanden? Naja, es gibt natürlich den „liebenswerten Feigling“. Das wäre eine ziemlich lange Liste von Scooby Doo und Shaggy über C3PO, den ängstlichen Löwen, Jonathan aus dem oben erwähnten ‚The Mummy‘ und zahllose weitere. Aber weil die eben ein solches Klischee sind, sind sie doch kaum mehr außergewöhnlich.

Aber es gibt Charaktere wie Donald Genarro aus ‚Jurassic Park‘. Der ist erst mal ziemlich neutral. Doch als dann der T. Rex auftaucht, da nimmt er die Beine in die Hand. Das allein kann man ihm kaum vorwerfen, doch die Tatsache, dass er dabei zwei Kinder sich selbst überlässt, macht ihn absolut zum Feigling. Und die Tatsache, dass er sich daraufhin in einem Leichtbauweise Klo versteckt und so zu einem der denkwürdigeren Tode des Films führt, das macht ihn, in meinen Augen, zu einem außergewöhnlichen Feigling!

Wenn man die Buchvorlage kennt, grenzt das zwar schon ein wenig an Rufmord, aber Darsteller Martin Ferrero sagt, er wird noch bis heute als der Typ erkannt, den der T. Rex vom Klo mampft. Wenn das nicht außergewöhnlich ist, weiß ich auch nicht!

Schließen möchte ich mit einem der vielleicht übelsten Feiglinge der Filmgeschichte. William H. Macys Jerry Lundegaard aus ‚Fargo‘ heuert nicht nur zwei Gauner, um seine Frau entführen zu lassen und Lösegeld zu erpressen, er ist auch als die Situation mehr und mehr eskaliert in jedem Moment ein absolut schmieriger Feigling. Selten sieht man einen Charakter derart bar jeglicher rettenden Eigenschaften, für den man höchsten in kurzen Momenten einmal Mitleid empfindet, weil er derart kläglich ist. Und so muss diesen Artikel über außergewöhnliche Feiglinge natürlich sein erbärmlichster Moment schlechthin beschließen.

Wahrlich ein Feigling, wie er im Buche steht. Oder eher im Filme zu sehen ist.

Natürlich sind das nicht einmal annähernd alle Feiglinge, die es so gibt. Ich will auch von Euch Eure geliebten oder gehassten Filmfeiglinge wissen! Ganz egal, ob außergewöhnlich, liebenswert, oder einfach bloß feige. Also, seid nicht feige, schreibt sie einfach in die Kommentare!

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