‚Zurück in die Zukunft II‘ und ein seltsam hellsichtiges Problem

Die ‚Zurück in die Zukunft‘ Trilogie erfreut sich seit bald 40 Jahren großer Beliebtheit. Während der erste Film als absoluter Klassiker gilt, werden die beiden Sequels vom Zeitgeist regelmäßig neu bewertet. Hinter den Kulissen der Filme gab es aber auch durchaus einiges Drama, welches man zumindest erahnen kann. So wurde für den ersten Film fast drei Wochen lang mit Eric Stoltz in der Rolle des Marty McFly gedreht (den man auch im fertigen Film noch teilweise hinter dem Steuer des DeLorean ausmachen kann). Danach wurde er entlassen und durch Michael J. Fox ersetzt. Mit Stoltz musste aber auch Melora Hardin als Martys Freundin Jennifer Parker die Produktion verlassen, weil sie laut den Produzenten neben Fox „zu groß“ wirkte. Sie wurde durch Claudia Wells ersetzt. Doch Wells gab kurz nach dem ersten Film, aufgrund nicht näher benannter persönlicher Probleme, die Schauspielerei auf. Sie wurde im zweiten Teil durch Elisabeth Shue ersetzt. Doch heute soll es um eine andere, weit schwierigere Ersetzung eines Darstellers gehen, die auf merkwürdige Weise ein damals weit in der Zukunft liegendes Problem vorwegnahm.

Crispin Glover, Darsteller von Martys Vater George McFly, war vom Drehbuch des zweiten Films (und vom Ende des ersten) ganz und gar nicht begeistert. Daher stellte er für seine Rückkehr eine absurde Gagenforderung von einer Million US-Dollar in den Raum. Die wurde natürlich abgelehnt und Glover durch Jeffrey Weissman ersetzt. Hier könnte die Geschichte eigentlich enden, doch genau hier wird es schwierig. Denn ‚Zurück in die Zukunft II‘ spielt zu großen Teilen innerhalb der Handlung des ersten Films. Und hier spielt George McFly eine große Rolle. Es war nicht realistisch machbar, einen guten Teil des ersten Films mit dem neuen Darsteller nachzudrehen, es wäre aber auch schwierig und verwirrend zwischen „alten“ und „neuen“ George McFly Szenen einen ständigen, offensichtlichen Darstellerwechsel zu haben. Daher entschlossen sich die Produzenten und Regisseur Robert Zemeckis auf einen Gesichtsabdruck Glovers zurückzugreifen, der für den ersten Film erstellt wurde und Weissman mittels prothetischem Makeup möglichst exakt wie Glover aussehen zu lassen. Eine falsche Nase, ein falsches Kinn usw. Dies gelang gut genug, dass offenbar ein guter Teil des Publikums getäuscht wurde.

Laut Glover und seinem damaligen Anwalt Doug Kari war man über diese Benutzung von Glovers exaktem Aussehen entsetzt. Umso mehr als, wiederrum laut Glover und Kari, Darsteller Weissman zu ihnen kam und ihnen berichtete am Set vielfach als „Crispin“ angesprochen worden zu sein. Als Beispiel wird hier Produzent Steven Spielberg angeführt, der lautstark zu Weissman gesagt haben soll „Na Crispin, hast du doch deine Million bekommen?“ Was sich für mich eher nach einem, zugegeben fiesen Scherz auf Kosten Glovers anhört, als nach einer bewusst verwendeten, falschen Persönlichkeit. Aber das Problem mit Witzen ist halt, dass sie vor Gericht nie witzig sind. Und vor Gericht würde es gehen, denn Glover verklagte Universal aufgrund unrechtmäßiger Verwendung seines Aussehens, an dem Universal keine Rechte besitze und wofür er keine Erlaubnis erteilt hätte. Universal antwortete mit einem Rechtseinwand, man habe ja nur den Charakter George McFly (an dem man sämtliche Rechte halte) weiterverwenden wollen und das wäre (wie oben beschrieben) nur auf diese Weise möglich gewesen. Die Klage sei daher abzuweisen.

Die Richterin schloss sich dieser Sichtweise nicht an und erlaubte Kari Zemeckis, Fox und Autor Bob Gale für eine anstehende Verhandlung vorzuladen. Allerdings riet sie auch dringend zu einem Vergleich. Und auf einen solchen einigte man sich, nachdem sich Universal zur Zahlung einer größeren Summe an Glover (eine dreiviertel Million US-Dollar steht gerüchteweise im Raum) bereiterklärte.

Ich kann natürlich nicht nachvollziehen, ob für Glover finanzielle Interessen im Mittelpunkt seines Handelns standen (allerdings wäre das ironisch, denn er betont gerade, dass er mit der materiellen Ausrichtung der Filme auf monetären Gewinn große Probleme hatte). Ich glaube ihm aber durchaus, dass ihn diese unrechtmäßige Verwendung seines Aussehens verletzt hat. Schließlich ist die physische Erscheinung ein wichtiger Teil des Handwerkszeugs für Schauspieler. Seiner Karriere in Hollywood zuträglich war die Klage des exzentrischen Darstellers sicher nicht.

Dadurch, dass es keinen direkten Richterspruch gab, sind aber auch keine klaren Richtlinien geschaffen. Dass ein Studio einen Darsteller für denselben Charakter durch einen anderen ersetzen darf ist etabliert und logisch. Und ist ja auch exakt so in ‚Zurück in die Zukunft II‘ mit Jennifer passiert. Hier hat man übrigens die finale Szene des ersten Films/erste Szene des zweiten Films mit Shue statt Wells nachgedreht. Auch Glover macht ganz deutlich, dass er gar kein Problem damit gehabt hätte, wäre er schlicht durch einen neuen Darsteller ersetzt worden. Das man dafür jemandem nimmt, der dem originalen Darsteller ähnlich sieht ist nur logisch. Das Problem erwächst hier aus der Verwendung von Prothesen, um den Eindruck zu erwecken, es handle sich um denselben Darsteller.

Heute wären es eben keine Prothesen, sondern ein digitales Abbild, das verwendet wird. Und dafür bedarf es der Erlaubnis der originalen Darstellerinnen (oder heute oft genug ihrer Nachfahren). Glover behauptet, es sei seine Klage gewesen, die dafür gesorgt habe, dass die einflussreiche Schauspielergewerkschaft SAG ihre Regeln in dieser Hinsicht verschärfte. SAG bestreitet das. Aber dennoch war das ein Fall, der Wesentliches vorausgegriffen hat. Digitale Darsteller werden ein Teil der Zukunft des Kinos sein, ob ich das mag oder nicht. Sie werden echte Schauspieler nie ersetzen, aber sie werden auch nicht verschwinden. Wesentlicher für diese Entwicklung waren sicherlich spätere Vorgänge. Etwa als Sängerin Gwen Stefani vor gut 10 Jahren Spieleentwickler Activision verklagte, weil man mit Stefani als Avatar sämtliche Songs in dem Spiel bestreiten konnte. Auch solche, die Stefani, laut ihrer Klage, nie singen würde. Auch hier endete es nach einer hohen Zahlung in einem Vergleich. Keine klare Richtlinie, aber es ist eindeutig, dass bei (selbst nicht photorealistischen) Abbildungen von Künstlern eben nicht gilt „anything goes“.

Spielberg macht nicht nur fiese Witze, er will auch eine Fortsetzung zu ‚Bullitt‘ drehen. Kann es einen ‚Bullitt‘ ohne Steve McQueen geben? Die Tatsache, dass er sich mit dessen Nachkommen „geeinigt“ hat, lässt vermuten, dass ein digitaler McQueen durchaus zum Einsatz kommen wird. Wird Disney seine lukrativen Helden alt werden lassen? Muss man wirklich auf Luke Skywalker verzichten, wenn Mark Hamill (in weit, weit entfernter Zukunft) einmal nicht mehr ist? Ich kann die Antworten darauf ahnen, auch wenn ich sie nicht mag. Moralisch kann man wohl wenig dagegen sagen, wenn die Darstellerinnen selbst ihr Einverständnis geben. Schwieriger finde ich es immer, wenn es die Nachkommen sind. Gerade wenn die originalen Darsteller in einer Zeit verstorben sind, in der sie mit einer solchen zukünftigen Verwendung nie rechnen mussten.

Aber vielleicht sind es für mich auch gar keine „moralischen“ Bedenken. Da ist etwas Seltsames an Film. Wenn man einen Film aus den 30ern schaut und sich bewusst macht, dass die quicklebendigen Menschen, die man dort sieht inzwischen allesamt tot sind. Die digitale Verwendung eines verstorbenen Darstellers holt für mich diese gespenstische Empfindung auf unangenehme Weise in aktuelle Filme. Aber all das sind Fragen, die ohnehin die Zukunft klären muss. Heute sollte es nur darum gehen, dass all das mit einem angeklebten Kinn begonnen hat. Und das ist immerhin absurd genug, um unterhaltsam zu sein.

PS: hm, hätten Kennedys Nachkommen auch Zemeckis verklagen können, weil JFK niemals einem Mann namens ‚Forrest Gump‘ die Hand geschüttelt hat (sofern das ohne Absprachen geschehen ist)? Also mit Erfolgsaussichten, meine ich. Ernst gemeinte Frage, ich weiß es nicht!

Quellen:

Crispin Glover on ‚Back to The Future II‘

Crispin Glover Back To The Future Controversy

Crispin Glover: „Zemeckis got really mad at me“

https://www.theverge.com/2019/10/22/20927032/cgi-digital-actor-replacement-cinema-gemini-man-the-congress-rogue-one-legality

https://www.hollywoodreporter.com/business/business-news/back-future-ii-a-legal-833705/

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