Na schön, das ist mal wieder einer dieser Filme, bei denen ich das Gefühl habe, ich muss mich rechtfertigen, warum ich ihn bespreche. Schaffen wir dieses persönliche Bedürfnis also erst einmal aus dem Weg. Warum schaue ich einen Film für Kinder, über die Friedliche Revolution in der DDR und die Öffnung der Innerdeutschen Grenze? Genau deswegen. Weil es mich neugierig gemacht hat, wie man Kindern ein geschichtlich noch so neues, für die Hauptrezipienten aber schon sagenhaft weit zurückliegendes Ereignis greifbar machen kann. Ist Animation da der richtige Weg? Um eine Antwort darauf zu finden, musste ich den Film schauen. Und jetzt verrate ich sie Euch, in der Hoffnung, dass Ihr ihn vielleicht mit Euren Kindern schaut. Denn ich finde, das lohnt sich tatsächlich.
Es sind die Sommerferien 1989. Die zwölfjährige Fritzi hat nicht viele Freunde, doch Sophie ist ihre beste Freundin. So verspricht sie gerne, auf Sputnik, Sophies Hund, aufzupassen. Denn Sophie macht mit ihrer Mutter Urlaub in Ungarn. Doch als die Schule wieder beginnt ist Sophie immer noch nicht zurück. Bald geht das Gerücht um, sie und ihre Mutter wären unter denen, die über Ungarn in den Westen „rübergemacht“ hätten. Fritzi kann es kaum glauben, doch ein Anruf Sophies bestätigt es letztlich. Damit steht für Fritzi fest, was zu tun ist. Sie muss in die Bundesrepublik Deutschland, um Sophie ihren Sputnik zurückzubringen. Möglicherweise kann Bela, der Neue in der Klasse ihr sogar dabei helfen. Eine Klassenfahrt zu einer grenznahen Jugendherberge ist jedenfalls die beste Chance. Das Unternehmen geht so schief wie es gehen muss und droht katastrophale Konsequenzen für Fritzi und ihre Familie zu haben. Doch dann nehmen Ereignisse, nicht nur in Leipzig, ihren Lauf, die Fritzis Leben und das Land in dem sie lebt entscheidend verändern sollen.
Der Film basiert auf einem mir nicht bekannten Kinderbuch, ‚Fritzi war dabei‘ von Hannah Schott. Wie nah man hier der Vorlage bleibt kann ich also nicht einschätzen. Es hat mich allerdings durchaus beeindruckt wie ehrlich der Film in seiner kindlichen Perspektive bleibt. Fritzi möchte Sputnik zu Sophie zurückbringen und natürlich auch ihre beste Freundin wiedersehen. Mit diesem, an sich furchtbar simplen, Anliegen stößt sie jedoch plötzlich an die recht engen Grenzen des Staates, in dem sie bislang unbedarft und somit auch unbeschwert gelebt hat. Mit naiven Fragen wie „ich dachte die Grenze schützt UNS vor den Imperialisten, warum darf ICH dann nicht rüber?“ zieht sie sich den Zorn ihrer Klassenlehrerin und den Hohn der Thälmann Pioniere unter ihren Mitschülern zu, die sie schnell als „Hippie“ ausgemacht haben. Mit dem Versuch Reisetickets zu kaufen, gerät sie gar ins Visier der Stasi. Da wirkt es wie eine Mischung aus Zufall und Unausweichlichkeit, dass sie in der Nikolai-Kirche und dann auf den Montagsdemos landet.
Das bleibt alles für die jungen Zuschauer verständlich und verzichtet dankenswert auf einen großartigen Wandel Fritzis zur Freiheitskämpferin. Auch die anderen Charaktere, allen voran Fritzis Eltern sind nachvollziehbar ausgearbeitet. Gelegentlich bricht sowohl der didaktische Anspruch als auch die Notwendigkeit Bahn, dem jungen Publikum die nötigen Informationen zu vermittel, was sich in etwas ungelenken „was ist das eigentlich, die Stasi?“ Dialogen äußert.
Der Film bemüht sich eine Brücke in der Zeit herzustellen. So wurde bei den Hintergründen ganz offensichtlich eine große Mühe betrieben das Leipzig des Jahres 1989 nachzubilden. Von den Kinderzimmern über Klassenräume, Amtsstuben und schlichte Straßenansichten. Für mich als jemanden, der allerdings nicht in der DDR aufgewachsen ist, wirkte das sehr authentisch. In den Montagsdemo-Szenen wird O-Ton verwendet. Natürlich darf bei keinem Film über die Öffnung der innerdeutschen Grenzen Günter Schabowskis verstammeltes „nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich“ fehlen. Und sogar in Sachen Gewalt ist der Film ehrlicher als ich erwartet hätte. Er beginnt gar mit einem gehörten, nicht gesehenen Schuss an der Innerdeutschen Grenze. Und Volkspolizei und Stasi langen bei den Montagsdemos durchaus hin. Natürlich nicht übertrieben und immer noch kindgerecht, aber es ist da und das ist wichtig.
Anderes funktioniert weniger gut. Gelegentlich wird für historische Nachrichtenaufnahmen Originalmaterial mit einem Filter drübergelegt benutzt. Das soll wohl den didaktischen Anspruch unterstreichen, wirkt aber vor allem reichlich billig und wie ein Fremdkörper. Und was mir als jemandem, der 1989 ein paar Jahre jünger war als Fritzi sofort auffällt: da raucht ja gar keiner. Nicht verqualmte Innenräume sind wohl die größte Ahistorizität des Films. Aber ich verstehe natürlich, dass das eine bewusste Entscheidung war. Und keine ganz ernste Kritik von mir!
Die Hintergründe habe ich ja schon gelobt. Figurendesgin und Animation dieser deutsch-luxemburgisch-belgisch-tschechischen Koproduktion sind okay. Nichts was lange im Gedächtnis bleiben würde, aber es funktioniert einwandfrei. Mit den recht vereinfachten Figuren vor komplexen Hintergründen erinnert es mich an die Ligne Claire eines ‚Tim & Struppi‘ (der Comic, nicht der CGI Animationsfilm). Es ist erkennbar über typischem Fernsehanimationsniveau. Für Fahrzeuge kommt CGI zum Einsatz, was Trabbis gelegentlich eleganter wirken lässt, als sie es in der Realität je waren. Wenn Ihr Kinder habt und ihnen von dieser Zeit erzählen wollt, dann kann ich diesen Film vollumfänglich empfehlen. Bereitet Euch aber auf einige Fragen hinterher vor. Denn in seiner einfach-naiven Kindersicht gelingt es ihm Ansätze für durchaus recht komplexe Fragen zu schaffen. Und das meine ich absolut als Kompliment. Und wenn Ihr keine Kinder habt und, wie ich, einfach selbst neugierig seid, wie „der erste Animationsfilm über die Wende“ seine Zeit darstellt, dann verschwendet Ihr Eure Zeit hier sicherlich auch nicht.