Hervorragender Artikel zu Hollywoods VFX Krise

Normalerweise fasse ich aktuelle Neuigkeiten der Filmbranche ja gerne als Newslichter zusammen und gebe meinen ganz persönlichen Senf dazu ab. Aber das würde Drew Magarys Artikel zur VFX Krise in Hollywood auf der Seite defector.com in keiner Weise gerecht werden. Also sage ich einfach, lest ihn selbst. Ja, er ist lang, ja, er ist auf Englisch, aber er ist fraglos sämtliche hineingesteckte Mühe des Lesens wert (Forderungen der Seite nach Emailadressen solltet Ihr einfach wegklicken können).

https://defector.com/inside-hollywoods-visual-effects-crisis/

Magary führt hier gekonnt aus, wie VFX, im Sinne von CGI Effekten, zur Panacea, zum magischen Allheilmittel des Hollywoodblockbusters geworden sind. Die Perücke der Darstellerin ist zu offensichtlich? Egal, das richten die VFX Leute! Der praktische Effekt sieht nicht gut genug aus? Egal, das richten die VFX Leute! Ich hätte die Szene lieber vor einem anderen Hintergrund gedreht. Egal, das richten die VFX Leute! Ich bin ein arroganter Dödel, der sich weigert, seine Darsteller Motion Capture Suits tragen zu lassen! Egal, die VFX Leute werden ja wohl ein bisschen Katzenfell auftragen können!

Und das Schöne ist, sie richten es ja tatsächlich meistens. Unter reichlich üblen Bedingungen, wie schon oft genug berichtet. Das Lob dafür streichen die Filmemacher gern ein. Und klappt es mal nicht, weil die Zeit nicht reicht, oder aus dem Material schlicht nix herauszuholen ist? Tja, dann erzählen uns millionenschwere Regisseure und Darsteller in augenzwinkernden Interviews, dass wir doch eh alle wüssten, dass Computereffekte ja eigentlich total Scheiße seien. Aber was will man halt heutzutage machen?

VFX Künstler sind eine Unterklasse in Hollywood, die man misshandeln und wenn nötig vor den Bus schubsen kann. So weit, so ärgerlich bekannt. Doch Magary führt hier nach intensiven Gesprächen aus, welche Ausmaße das manchmal annimmt. Von Studios ist die Rede, die Effekte nach langer Arbeitszeit plötzlich in 60 Frames statt 24 wollen. Von unfassbarem Datensalat, der mehrere Petabyte(!) umfasst, wie schön, das Filmmaterial selbst kein (Kosten-)Faktor mehr ist! Regisseure, die plötzlich die Entscheidungen ihrer eigenen VFX Supervisor überstimmen und gemachte Arbeit wegschmeißen. Bis hinunter zur böswillig-kleinlichen Schikane, wenn Filmstudios VFX Künstlern verbieten ihre eigene Arbeit für ihre Showreel zu verwenden, um sich andernorts zu bewerben.

Seit CGI und Film vor bald 30 Jahren mit großer Wucht aufeinandergetroffen sind, hat sich die Filmindustrie, gerade im Blockbusterbereich, stark gewandelt. CGI ist zu einem absolut zentralen Werkzeug des Filmemachens geworden. Etwas, das wir als Zuschauer nur noch dann wahrnehmen, wenn es misslingt. Aber die zum damaligen Zeitpunkt schon fast hundertjährige Filmindustrie hat es nie für nötig gehalten, für diese neue Art der VFX einen gesicherten Platz in ihrer Mitte einzuräumen. Egal wie wichtig sie wird. Es bleibt eine harte, undankbare und prekäre Arbeit. Und das, wo die nächste Evolutionsstufe nicht nur ansteht, sondern quasi schon da ist. Das Ende des Greenscreens. Die Ära des rein virtuellen Sets. CGVFX gehen nicht mehr weg. Sie sind für Blockbuster so zentral wie ein Soundtrack.

In der Branche, so Magary, herrsche eine Mischung aus gesunder Perspektive und Resignation. Gesunde Perspektive, insofern, dass ein VFX Künstler sagte, es sei nicht verkehrt, wenn das Publikum Fehler in den Effekten sehen könne. Nur so kann man nachvollziehen, dass Menschen und nicht magische Computer dafür verantwortlich seien.

Ein anderer bringt auch meine Meinung zum Ausdruck: „Diese Industrie braucht eine Gewerkschaft, Punkt.“ Exakt, Punkt. Und die Filmindustrie braucht mehr Journalismus dieser Qualität! Ausrufezeichen.

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2 Gedanken zu “Hervorragender Artikel zu Hollywoods VFX Krise

  1. Danke für den Artikel! Wäre sonst nicht auf meinem Radar aufgetaucht. Auch danke für die Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte. Gerade das vielfältige Schimpfen auf CGI (auch von den ach so kreativen Filmemachern) finde ich unmöglich. Dann ist mir jemand, wie James Cameron noch lieber, der sich hinter die neuen Technologien stellt. Vor ein paar Jahren hätte ich mir noch gewünscht, karrieretechnisch in die VFX-Richtung abgebogen zu sein, inzwischen sieht das anders aus.

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    • Ich muss zugeben, ich weiß gar nicht wie die Situation der CGI-VFX Branche in Deutschland ist. Oder inwieweit sie existiert (ich hab neulich noch die VFX des Känguru aus den Känguru Chroniken gelobt, aber meinste ich hätte drauf geachtet, was für ein Studio dahintersteckt…). Mein Bauchgefühl/Vorurteil sagt jedenfalls, besser als in den USA muss es ja sein… 😉

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