Kurz & schmerzlos 48: ‚L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat‘ (1895 oder 96 oder 97)

Falls Ihr auch nur das geringste Interesse am Medium Film habt, ist Euch sicherlich dieser Film der Brüder Auguste und Louis Lumière wenigstens dem Namen nach geläufig. Wir sehen in knapp 50 Sekunden ein Zug Einfahrt in den Bahnhof der Hafenstadt La Ciotat nahe Marseilles hält und Reisende ein- und aussteigen. Der Film wurde von den Lumières vor Ort gedreht. Das ist dann allerdings auch schon alles, was wir sicher über den Film wissen. Erstaunlich bei seiner zugemessenen Bedeutung.

Ich zumindest dachte immer, der Film wäre bei der ersten öffentlichen (mehrere „industrieinterne“ Vorführungen fanden früher im Jahr statt) Präsentation des Kinematographen der Gebrüder Lumière am 28. Dezember 1985 im Grand Café am Boulevard des Capucines in Paris gezeigt worden. Wurde er aber offenbar nicht. Die Liste der 10 gezeigten Filme, angeführt von ‚Arbeiter verlassen die Lumière Werke‘ ist bekannt und die Zugeinfahrt taucht dort nicht auf. Der Film wurde vermutlich Mitte Januar 1896 zum ersten Mal in Paris gezeigt. Laut Filmhistoriker Martin Loiperdinger wurde er gar erst Anfang 1896 gedreht. Doch damit nicht genug, die üblicherweise gezeigt Version, die Ihr auch oben findet ist vermutlich ein Remake, das die Lumières 1897 erstellt haben!

Und auch für den bekannten Mythos, dass der Film bei seiner Erstaufführung für Panik und Flucht des Publikums gesorgt hat, gibt es keine Belege. Aus heutiger Sicht möchte man sagen, dass kann man ja kaum glauben, dass das Panik auslöst, schließlich fährt die Dampflok ja nicht einmal direkt auf den Betrachter zu. Möglicherweise vermischen sich diese Geschichten um eine Panik aber auch mit einer späteren Version. Louis Lumière drehte fast 40 Jahre später ein weiteres Remake des Films mit einer stereoskopischen Kamera und präsentierte diesen und weitere kurze Filme in anaglyphen 3D vor der Akademie der Wissenschaften von Frankreich. Wobei anaglyphes 3D in verschiedenen Ansätzen seit den 20er Jahren bekannt war, sich allerdings nie großer Beliebtheit erfreute.

Könnte diese 3D Version Angst ausgelöst haben? Man kann es sich kaum vorstellen, zu allgegenwärtig und bekannt war der Film in den 30er Jahren bereits. Also muss ich als Horror-Freund wohl mit dem Gedanken leben, dass Schrecken vielleicht nicht eine der ersten Emotionen war, die der Film ausgelöst hat.

Aber hey, falls sich jemand allzu laut über Remakes und 3D beschwert, könnt Ihr jetzt auf die Brüder Lumière zeigen und sagen, dass war im Film schon immer so. Oder wenigstens nach 2 Jahren.

Ein Gedanke zu “Kurz & schmerzlos 48: ‚L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat‘ (1895 oder 96 oder 97)

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