Ich weiß nicht, ob Ihr’s schon wusstet, aber Nostalgie ist derzeit in der Popkultur ein ganz großes Ding. Das hat auch DC Comics gemerkt, die mit ihrer Comicreihe ‚Batman 66‘, die in der Kontinuität der alten, popartigen Batman Serie mit Adam West angesiedelt war, vor einigen Jahren kritischen und Publikumserfolg verbuchen konnten. Bereits damals, im Jahr 2015 versuchte Zeichner Joe Quinones, gemeinsam mit Autorin Kate Leth DC von einer ‚Batman 89‘ Reihe zu überzeugen, die in der Kontinuität der Tim Burton Filme spielen sollte. DC war gab sich nicht interessiert und äußerte 2019 nur, dass es mehrere Vorschläge für einen Burton-Batman Comic gäbe und ein solcher nicht ausgeschlossen sei. Es sollte aber noch bis 2021 dauern, bis Quinones sich wirklich an die Arbeit machen sollte. Allerdings nicht mit Leth als Autorin, stattdessen hat man bei DC Sam Hamm als Autor gewinnen können.
Hamm war der Autor des ersten Burton ‚Batman‘ Films von 1989. Für ‚Batmans Rückkehr‘ hat Burton, gemeinsam mit Autor Daniel Waters, Hamms ursprüngliches Skript soweit geändert, dass nur noch das Grundgerüst blieb. Und da man sich bei Warner, nicht zuletzt aufgrund von Protesten von Spielzeugherstellern, nach Burtons allzu wildem zweiten Film für eine neue Richtung unter Joel Schumacher entschieden hat, blieben einige angedachte Storyfäden Hamms in der Luft hängen. Da ist ein solcher Comic eine gute Gelegenheit die zu einem Ende zu führen. Und tatsächlich sind für diesen Comic nur ‚Batman‘ und ‚Batmans Rückkehr‘ Kanon, die Schumacher Filme werden ignoriert.
Der offensichtlichste Storyfaden, der nach Fortsetzung schreit, ist natürlich Billy Dee Williams‘ Harvey Dent aus dem ersten Film. Der nie die Gelegenheit bekommen hat zu Two Face zu werden. Der zweite ist Marlon Wayans als Robin. Der war bereits gecastet und bezahlt, es gab ein Kostüm, doch weil ‚Rückkehr‘ eh schon reichlich überfrachtet war, hat er es letztlich nicht in den Film geschafft. Beide stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Comics.
Der beginnt einige Jahre nach ‚Batmans Rückkehr‘. Batman ist nachwievor in Gotham aktiv, doch die Kriminalität hat das nie wirklich gesenkt. Professionelle Gangster und gelangweilte Straßenschläger nutzen Joker-Makeup als Provokation oder Tarnung. Ihnen gegenüber stehen Vigilanten in Batman-Kostümen, die ihrerseits wenig besser sind. An Halloween kommt es zur Katastrophe. Eine Jokergang entführt mit Hilfe eines Lastenhelikopters zwei Geldtransporter. Der stürzt durch Eingreifen Batmans (des echten) ab, wodurch ein Wohnblock erheblich beschädigt wird und Menschen zu Schaden kommen. Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent hat genug: Batman muss weg! Zum Besten der Stadt. Und dazu muss zuerst einmal sein wichtigster Verbündeter, Polizeichef Jim Gordon, aus dem Weg. Mit seinen Beziehungen in Politik und Polizei, darunter seine Verlobte und Gordons Tochter Barbara Gordon, Sergeant der Polizei, gelingt es Dent, dass sich Gordon einem Misstrauensvotum stellen muss. Gleichzeitig stellt er Batman, zusammen mit der einberufenen Nationalgarde eine Falle, bei der weitere Menschen zu Schaden kommen. Bewohner des armen, afroamerikanischen Viertels Burnside. Geburtsort von Dent. Ein Viertel, das der junge Automechaniker Drake Winston als kostümierter Held beschützt. Denn Batman ist es offensichtlich egal.
Das obige Setup beschreibt vielleicht ein Fünftel der eigentlichen Story. Und damit sind wir vermutlich auch gleich bei einem der Probleme der Serie. Hamm will hier sehr viel und weiß offenbar nicht, ob er mehr als die hier im Sammelband veröffentlichten 6 Ausgaben Raum dafür bekommt. Wenn ‚Rückkehr‘ überladen war, platzt das hier quasi aus allen Nähten. Am meisten Raum bekommt Harvey Dent. Der ist von Anfang an ein zwiegespaltener Charakter, der einerseits seinen Einfluss nutzen möchte, um seiner Herkunft, Burnside, zu helfen, sich andererseits aber als zukünftigen Gouverneur sieht und bereit ist, einiges dafür zu tun. Das setzt sich natürlich perfekt fort im, von Quinones wunderbar Burton-esk designten, Twoface. Der nutzt seine Münze hier als eine Art Navigator durch ein Multiversum. Jede Entscheidung macht ein neues Universum auf. Zu Dents persönlichem Konflikt passt natürlich der soziale Konflikt zwischen dem armen Burnside und der stets korrupten Elite Gothams. Ein Konflikt, der in den 90ern aktuell gewirkt hätte und es heute immer noch tut. Batmans Schurkenverprügeln wird als das hilflose Heftpflaster entlarvt, das es ist. Und „Robin“, der nie direkt so genannt wird, hat erst Respekt für ihn übrig, als die Polizei ihn erneut jagt.
Daneben sollen aber auch noch die Charaktere von Bruce Wayne und James Gordon ein wenig ausgefüllt werden, Catwoman kommt zurück (Alfred hofft, dass sie ihre Katze wiederhaben möchte) und Barbara Gordon will eingeführt, als Charakter ausgefüllt und als möglicherweise zukünftiges Batgirl (aber nicht hier) positioniert werden. Dazwischen noch einige Actionszenen und wir haben einen Comic, der zeitweise arg hektisch von Geschehen zu Geschehen springt. Doch getragen wird das Ganze letztlich von der zentralen Figur Dents. Man könnte jetzt kritisieren, dass Batman von seinem Schurken hier völlig überschattet wird, aber das ist für die Burton-Ära letztlich nur folgerichtig.
Insgesamt fängt der Comic den Ton der Filme recht gut ein, einzig Burtons Schrägheit geht ihm weitgehend ab. Aber das ist vielleicht nicht überraschend, ist er doch in keiner Weise beteiligt. Ob Burton in den 90ern einen Film über Rassen/Klassen-Konflikt in Gotham gemacht hätte, darf man sich vermutlich zu Recht fragen, ist aber eher müßig, weil Warner da im Leben nicht mitgegangen wäre. Gelegentlich finden sich Anspielungen auf die größere Batman-Comic-Welt, einer der Joker Punks scheint etwa direkt ‚The Dark Knight Returns‘ entsprungen und beim gothamer Fernsehen arbeitet eine Psychotherapeutin, namens „Dr. Q“, die offenbar das Glück hatte, dem Joker hier nie begegnet zu sein.
Optisch habe ich am Comic wenig auszusetzen. Joe Quinones Gotham wirkt wie eine Mischung aus dem Burton-Gotham und dem der animierten Serie der 90er. Diese Mischung aus expressionistischen Gebäuden mit 80er Graffiti Patina. Aber gefiltert durch die grafische Reduktion der Serie. Er hat keine Angst davor sehr düster zu werden, scheut aber auch vor wilder Farbe nicht zurück. Es lassen sich immer wieder Anspielungen auf die alten Filme, aber auch auf Burton an sich ausmachen. So kann man an Halloween in den Kostümen der Passanten eine Menge seiner Charaktere entdecken. Wo Quinones aber wirklich glänzt, ist bei den Personen. Von Keatons Batman, Williams Dent, Pfeiffers Catwoman bis hin zu Pat Hingles Gordon (der hier allerdings jünger wirkt) oder Michel Goughs Alfred sind sie perfekt eingefangen, ohne wie allzu gewollte Karikaturen zu wirken. Drake ist natürlich einem jungen Marlon Wayans nachempfunden und Barbara Gordon hat erstaunliche Ähnlichkeit mit einer jungen Winona Ryder. Das Robin Kostüm gefällt mir sehr gut und Twofaces nicht allzu realistisches, sondern Burtonsches Design habe ich oben ja schon gelobt. Der einzige Fehlgriff für mich, ist die Veränderung von Catwomans Kostüm. Die ist dafür dann aber auch gleich mal ein richtiger Griff ins Klo.
Empfehle ich den Comic denn nun? Wenn Ihr ähnlich nostalgisch für die Burton Filme seid wie ich, dann vermutlich schon. Die Story ist reichlich überladen und will so viel, dass zwangsläufig das eine oder andere auf der Strecke bleibt. Das heißt aber auch, dass es ein ambitionierter Comic ist und kein ganz faules Nostalgie-Cash-In, das hier durchaus auch hätte herauskommen können. Ich hatte meinen Spaß, wurde nicht enttäuscht, bin aber auch von der Qualität nicht überwältigt. Wenn Ihr keine Fans der Burton Filme seid, wird Euch der Comic auch nicht bekehren. Und wenn ihr einfach bloß nostalgischen Batman wollt, greift zur ‚Batman 66‘ Reihe. Die fühlt sich insgesamt „entspannter“ an. Oder tanzt halt gleich den Batusi!
Wems gefällt…
Da schau ich lieber in meine Neuerwerbung rein: Alien – Blutlinien.
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