Neues Jahr, neue Probleme. Da überlege ich doch ernsthaft, ob ich diesen Artikel nun mit humorigen Vergleichen zum Suzanne Vega Song „Luka“, oder doch lieber zum, thematisch erstaunlich passenden, ‚Der Pate‘- Zitat, „Luca Brasi schläft bei den Fischen“, eröffnen soll. Aber dann ist da wieder diese leise Stimme im Hinterkopf, die sich selbst „guter Geschmack“ oder so ähnlich nennt, die mich belehrt, dass bei einem Pixarfilm Vergleiche zu einem Song über häusliche Gewalt oder einem brutal ermordeten Mafioso unpassend sein könnten. Ich werde mit der Stimme ein ernsthaftes Gespräch führen müssen. Aber erst einmal reden wir jetzt über ‚Luca‘.
Im italienischen Küstendörfchen Portorosso fürchtet man sich vor den Seeungeheuern, die um eine vorgelagerte Insel leben sollen. Das tun sie tatsächlich sind aber eigentlich völlig harmlos und fürchten sich ihrerseits vor den Oberflächenbewohnern. Einer von ihnen, der junge Fischhirte Luca, ist extrem neugierig auf die Oberwelt. Und tatsächlich wagt er eines Tages den Schritt dorthin, bzw. wird von Draufgänger Alberto, der schon länger dort lebt, einfach mitgenommen. An der Oberfläche verändert sich ihr fischiges Aussehen zum menschlichen. Schnell entdecken die Jungen die Vespa als Symbol für die Freiheit. Doch um an das Geld für eine solche zu kommen, müssten sie schon das Rennen von Portorosso. Dafür tun sie sich mit der resoluten Giulia zusammen. Doch deren Vater, ein einarmiger Fischer, ist berühmt dafür Jagd auf alles was unter Wasser lebt zu machen. Und wann immer die Jungs nass werden, treten ihre Schuppen wieder zum Vorschein…
Wenn Ihr nicht gerade Kinder seid und schon ein paar Filme gesehen habt, dann wusstet Ihr nach den ersten paar Worten meiner Zusammenfassung vermutlich exakt in welche Richtung der Film geht. Zwei Gruppen von Wesen, die einander hassen und sich in Furcht aus dem Weg gehen, wie kann das hier wohl enden? Und exakt so wie Ihr denkt endet der Film auch. Und wisst Ihr was? Das ist völlig okay. Dies mag nun nicht gerade eine von Pixars größten Pionierleistungen sein, der Film versucht gar nicht, seine Vorbilder zu verbergen. Sei es Disneys eigene ‚Arielle, die Meerjungfrau‘ oder allerlei Hayao Miyazaki Einflüsse, von ‚Ponyo‘ bis hin zu Miyazakis typischer Liebe für das Mediterrane (Portorosso ist ja auch exakt einen Buchstaben von ‚Porco Rosso‘ entfernt).
Aber die Macher um Regisseur Enrico Casarosa fangen hier die Atmosphäre und den Charakter eines ligurischen Küstenstädtchens so wunderbar, so überzeugend und zeitlos ein, dass man kaum anders kann, als sich an eigene Kindheitsurlaube und Urlaubsfreundschaften zu erinnern. Und wo der Film bei seinen überspannenden Themen von Akzeptanz und Toleranz ein wenig zu vorhersehbar ist (was in einem Film mit der Hauptzielgruppe Kinder aber absolut zu verschmerzen ist), so überzeugt er doch bei seinen Charakteren und deren interpersonellen Beziehungen umso mehr. Abgesehen vielleicht vom Antagonisten, dem örtlichen Bully und Rennchampion Ercole, sind alle Charaktere vielschichtig, ihre Handlungen nachvollziehbar, wenn auch nicht immer gutzuheißen. Insbesondere Alberto, der laute Draufgänger, der Luca aus seiner Komfortzone holt und von allerlei Klippen stößt, gleichzeitig aber von extremen Verlustängsten getrieben wird, weiß hier zu überzeugen.
Es sind Charaktere, in deren Gesellschaft man gern 90 Minuten verbringt, eingebettet in eine wunderschöne, glaubwürdige Umgebung, die einen dringend benötigten Sommerurlaub hier, mitten im Winter darstellt.
Würde ich den Film zu Pixars Besten zählen? Vermutlich nicht, aber er ist weit von ihren schwächsten entfernt. Ich würde den Film als ‚Spring‘ für Kinder bezeichnen. Und das meine ich absolut als ein großes Lob!
Den Film mag ich auch sehr. War eine meiner größten, positiven Pixar-Überraschungen, nachdem er schnell irgendwie in der Versenkung verschwunden ist. „Spring“ dagegen kenne ich noch nicht.
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Allein die Tatsache, dass ein Pixar Film „überraschen“ kann zeigt, dass deren Enttäuschung über Disneys mangelnde Werbung/Aufmerksamkeit durchaus berechtigt ist. Früher waren neue Pixars immer ein Riesending. Wobei Disney ja auch ihren eigenen ‚Strange World‘ kaum besser behandeln. Ich hoffe da setzt sich nicht eine neue Animationsmüdigkeit bei der Maus durch!
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Das erinnert mich daran, dass ich „Strange World“ auch noch sehen wollte, vielleicht mach ich das direkt heute Abend mit den Kids.
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