Hollywood ist eine unfassbar selbstverliebte Blase. Oft genug besoffen an der eigenen Bedeutung und angepriesenem künstlerischen Wert. Und nirgendwo zeigt sich dieser glitzernde Narzissmus deutlicher, als bei der Oscar-Verleihung. Wo ein Haufen Millionäre den eigenen Status abfeiern und gelegentlich Backpfeifen austeilen. Das einfache Volk, die Crew, hat natürlich auf dieser edlen Gala nix verloren, die bekommen ihre Preise anderswo und gewiss nicht im Fernsehen, will ja auch keiner sehen.
Es fällt schwer, die Oscars zu schauen und sich nicht zu wünschen, irgendwer würde sich groß und laut und fies darüber lustig machen. Den Korken aus der Blase ziehen und wenigstens mal ein bisschen der Luft volle Fürze, die nicht stinken dürfen, ablassen. Nun, seit 1980 gibt es das, wenigstens nominell. Film-Marketing Macher und Trailer-Cutter John J.B. Wilson bemerkte, wie viele Filme, für die er Trailer machte, er eigentlich ganz furchtbar fand. Und so fand auf einer privaten Party, während der Oscar Verleihung, die erste Verleihung der „Golden Raspberry“ statt. Heute gibt es eine „Golden Raspberry Award Organization“, der man für eine Gebühr beitritt und dann über Nominierte und letztlich Gewinner abstimmen darf. Sie zählt über 1000 Mitglieder aus 19 Ländern. Die Himbeeren sind nach dem englischen Ausdruck „to blow a raspberry“, also ein Furzgeräusch mit der Zunge zu machen, benannt.
Und von Anfang an waren sie umstritten. Ob das nun daran liegt, dass sie von Anfang an schlecht waren, oder doch daran, dass getroffene Hunde bellen, darüber darf man trefflich streiten. So gab es Artikel, die den „Razzies“ vorwarfen, sich nur auf bekannte Filme einzuschießen und auf die richtig schlechten gar nicht einzugehen. Ich glaube, das heißt den satirischen Anspruch des Preises komplett zu missverstehen. Es geht doch nicht darum, sich über eine 2000 Dollar billigst-Produktion, die kein Mensch gesehen hat, lustig zu machen, weil deren Ausleuchtung furchtbar ist. Natürlich ist sie das! Interessiert aber niemanden. Es geht darum, der absoluten Selbstverliebtheit einen Spiegel vorzuhalten. Auf die Absurditäten des Filmbusiness hinzuweisen. Und Spaß auf die Kosten von Stars zu haben. Alles völlig hehre Ansprüche.
Eine andere Kritik trifft da dann schon eher ins Mark. Nämlich die, dass sich die Razzies allzu oft die ohnehin schon leichten Ziele herauspicken. Die Filme, über die sich ohnehin schon alle lustig gemacht haben. So sind dieses Jahr selbstverständlich ‚Morbius‘ und Disneys ‚Pinocchio‘-Remake in mehreren Kategorien nominiert. Aber ich vermute, das lässt sich einfach nicht vermeiden. Genauso wie es „Oscar-bait“ Filme gibt, also solche, die maßgeschneidert wurden, um Oscarnominierungen zu erhalten, gibt es auch „Razzie-bait“ Filme. Also solche, die so absurd, oder albern sind, dass die Razzie Organization (deren Mitglieder die Filme genauso wenig gesehen haben müssen, wie die der Academy) sie quasi nominieren muss. Aber das sind natürlich genau die Filme, die schon während ihrer Laufzeit auf Sozialen Medien durchgewalkt werden, bis nichts mehr von ihnen übrig ist, außer eine Handvoll rapide alternder Memes. Was die Razzies dann gerne müde und altmodisch und der Zeit hinterher wirken lässt.
Und daher, so scheint es wenigstens, hat man bei den Razzies nun einen Plan gefasst wieder mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Richtig schlechte Presse. Was für die Oscars die Smith Ohrfeige war, sind für die Razzies fragwürdige Nominierungen. Im letzten Jahr etwa, haben die Razzies eine eigene Kategorie für die schlechteste Bruce Willis Performance eingerichtet. Willis erschien zuletzt in zahlreichen, kleinen Rollen in Billigproduktionen. Die Razzies haben diese Nominierung schnell zurückgezogen, nachdem Willis Familie bekanntgegeben hat, dass der Darsteller an Aphasie leide und noch möglichst viele Rollen vor seinem Karriere-Ende absolvieren wollte. Ich würde behaupten, es reicht einen 2 Minuten Ausschnitt aus irgendeinem der Filme zu sehen, um zu ahnen, dass mit Willis irgendwas so gar nicht stimmt. Aber wie dem auch sei, die Razzies haben es offenbar nicht bemerkt, wollten aber, als sie es erfuhren, niemandem mit einer kognitiven Erkrankung einen Hohnpreis verleihen und zogen die Kategorie und Nominierungen zurück. Richtig so.
Dann müssen sie sich aber fragen lassen, warum sie in diesem Jahr einen Kopfsprung in eine noch weit größere Fettwanne probieren. Mit Willis hat man immerhin einen Schauspieler mit langjähriger Erfahrung aufs Korn genommen. Einen Star, der es, unter üblichen Umständen, absolut vertragen könnte, hier ein wenig verarscht zu werden und in der Lage wäre darauf zu reagieren. Aber dieses Jahr meinte man nun, die 12jährige Ryan Kiera Armstrong für ihre Rolle im ‚Firestarter‘ Remake (während der Dreharbeiten war sie 11) nominieren zu müssen. Darüber ist viel geschrieben worden und ich mag gar nicht viel dazu sagen. Erwachsene, die meinen sich über Kinder lustig machen zu müssen, kann ich eigentlich bloß als erbärmlich beschreiben. Zuletzt war es übrigens der damals ebenfalls 11jährige Jake Lloyd, der 1999 für ‚Star Wars Episode I‘ nominiert war. Das war erbärmlich und diese Nominierung ist es auch. Teil des Spaßes ist doch die Reaktion der Nominierten/Gewinner. Sei es ein Paul Verhoeven oder Halle Berry, die lachend ihre Preise entgegennehmen, oder ein Sylvester Stallone, der mit fußstampfendem Zorn reagiert. Wie viel Humor kann man aus der Reaktion eines traurigen Kindes ziehen, wenn man nicht gerade ein sadistischer Schulhof-Bully ist?
Und dabei deuten die Razzies ja durchaus an, dass sie es besser können. In der Kategorie „Worst Screen Combo“ sind dieses Jahr einige lustige Kombo-Nominierungen zu finden. ‚Blonde‘ Regisseur Andrew Dominik und „seine Probleme mit Frauen“ etwa. Oder Tom Hanks und „sein Latex verklebtes Gesicht (und fragwürdiger Akzent)“ aus ‚Elvis‘. Siehste, ich fand Hanks‘ Darstellung in ‚Elvis‘ gut, finde aber diese Nominierung ebenso gut, denn bei Lichte betrachtet ist seine Darstellung selbstverständlich absurd. So absurd wie das ganze Business. Und das Schöne ist, sollte Hanks gewinnen kann man sogar von einer humorvollen Reaktion ausgehen.
Ich wünschte, genau hier würden sich die Razzies mehr trauen. Wilder sein, absurder. Denkt Euch halt jedes Jahr neue Kategorien aus, um Stars und Filme zu nominieren. Hollywood braucht eine Art anti-Oscars, aber es wäre halt schön, wenn diese anti-Oscars besser wären als die reichlich lahmen Razzies, die mit provokativen Nominierungen um genervte Aufmerksamkeit haschen müssen. Prrrrrrrrrrrrtttt!!!
Update: die Nominierung von Armstrong wurde zurückgezogen und ein Mindestalter von 18 Jahren für die Nominierung eingeführt. Man darf gespannt sein, welchen Fettnapf das nächste Jahr für die Razzies bereithält.
PPS: aber mal ernsthaft, Himbeeren sind schon unter den nicht so tollen Beeren, oder? Erd-, Heidel-, Brom- sind allesamt bessere Beeren. Himbeeren sind in etwa auf Stachelbeerenniveau! Einer muss es ja mal sagen!
Es fällt schwer, die Oscars zu schauen und sich nicht zu wünschen, irgendwer würde sich groß und laut und fies darüber lustig machen. Den Korken aus der Blase ziehen und wenigstens mal ein bisschen der Luft volle Fürze, die nicht stinken dürfen, ablassen.
Zum Oscar vor 75 Jahren, im März 1948, hat Raymond Chandler einen ziemlich deutlichen Text über die Oscars geschrieben. Chandler hat ja auch Drehbücher geschrieben und dabei u.a. mit Wilder und Hitchcock gearbeitet, und er war Mitglied der Academy. Er war also kein Möchtegern-Adabei, sondern er wusste, wovon er schrieb. Hier mal zwei kurze Auszüge:
„Sofern die Schauspieler und Schauspielerinnen die alberne Schau lieben – und ich bin mir gar nicht so sicher, daß die besten von ihnen das tun -, wissen sie wenigstens, wie man in starkem Licht elegant aussieht und die kleinen, ach so bescheidenen Ansprachen mit so treuherzig großen Augen vorbringt, als glaubte man selber an sie. Sofern die großen Produzenten sie lieben – und ich bin mir ganz sicher, daß sie das tun, denn sie enthält die einzigen Bestandteile, von denen sie wirklich etwas verstehen (Werbewirksamkeit und
folglich verstärktes Kassenklingeln) -, wissen sie wenigstens, wofür sie kämpfen.“
„Aber das ist der entscheidende Punkt, nicht wahr? – ob diese jährlichen Preise (abgesehen von dem grotesken Ritual, das mit ihnen einhergeht) tatsächlich etwas darstellen, was von künstlerischem Wert für das Medium Film ist; etwas Eindeutiges und Ehrliches, das bleibt, wenn die Lichter erloschen, die Nerze abgelegt und das Aspirin geschluckt ist? Ich glaube nicht, daß sie das tun. Ich glaube, sie sind bloß Theater, und nicht einmal gutes Theater.“
Oscar Night in Hollywood, auf Deutsch Oscar-Abend in Hollywood, ca. 14 Seiten, in Raymond Chandler: „Englischer Sommer“ (Diogenes 1980, anscheinend nur noch antiquarisch erhältlich).
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Ich habe den Eindruck, du bist von dem Bug betroffen, dass du im WP-Reader nicht mehr angezeigt wirst.
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Keine Ahnung. Ich lese Blogs nur im Browser. Wie wird denn dieser Bug getriggert?
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Ich meinte Filmlichter, er wird im WP-Reader schon seit Wochen nicht mehr angezeigt.
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Echt? Na toll. Bei mir geht es dieses Mal (noch). Aber das wechselte ja letztes Mal auch beständig. Kannst Du bei Gelegenheit mal runterscrollen, wann mein letzter Beitrag bei Dir angezeigt wurde? Danke!
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Das ist schon Wochen her, wahrscheinlich November / Dezember. So weit kann ich nicht zurückscrollen.
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Das ist schon Wochen her, wahrscheinlich November / Dezember. So weit kann ich nicht zurückscrollen.
Heute warst du wieder drin.
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Also ich habe heute die Anzeige für den 25.1. bekommen.
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Ach nein, das war die Seite mit den Likes -.-.
Also Wochen und Monate her.
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Okay, danke! Habe gerade mal die Zugriffzahlen pro Woche vom wordpress reader verglichen und ich kann da keine Abnahme zum Oktober/November/Dezember erkennen. Aber kann natürlich sein, dass es diesmal weniger Leute betrifft (mich zB offenbar nicht). Werde da die nächsten Tage mal etwas rumfragen. Sag gern Bescheid, ob/wann sich das wieder ändert!
(Ich weiß aber nicht, ob ich derzeit die Energie habe, mich mit dem „Kundenservice“ von wordpress rumzuärgern, vor allem weil es letztes Mal nix gebracht hat…)
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Ich glaube, ich hatte dich aus Versehen deabonniert – das erklärt einiges.
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