Newslichter Ausgabe 232: die große Newslichter KI Schau!

Willkommen bei Ausgabe 232 des Newslichters. Alsdann. Manche Themen möchte ich nicht wirklich anpacken, muss aber irgendwann einsehen, dass sie nun unausweichlich geworden sind. Und eines von diesen Themen ist KI. Künstliche Intelligenz, so liest und hört man derzeit aller Orten, wird unser ganzes Leben auf den Kopf stellen, wie das zuletzt der Anbruch des Internet-Zeitalters getan hat. Und selbst ich, als ziemlicher Technik-Zweifler, muss zugeben, dass tatsächlich vieles danach aussieht.
In den letzten Jahren waren es Kryptowährungen und zuletzt NFTs, die uns Technikbegeisterte als den absolut heißesten Scheiß seit der Erfindung von Toast verkaufen wollten. Das ging reichlich schief, nicht zuletzt deshalb, weil NFTs eine Lösung auf der dringlichen Suche nach einem Problem waren und es, ehrlich gesagt, nie gefunden haben. Aber KIs sind etwas anderes als diese etwas hilflos produzierten Hypes. Nicht nur weil sie für jeden nachvollziehbare Anwendungen haben, sondern auch weil die Leute, an entscheidenden Positionen bereits überzeugt scheinen.

Ich nehme mir hier nun nicht heraus, umfassend über KIs schreiben zu wollen. Dazu verstehe ich viel zu wenig davon. Und Probleme wie das, ob Hausaufgaben in Zeiten von ChatGPT eigentlich noch irgendeinen Wert haben, überlasse ich gerne Lehrern. Nein hier soll es um KI im Bereich des Films gehen. Ein Gebiet, von dem ich marginal mehr Ahnung habe als von KIs. Alles Folgende sollte daher als die Meinung eines Idioten verstanden werden, der versucht seine Gedanken zu sortieren. Vermutlich habe ich mit allem Unrecht, wäre bei Weitem nicht das erste Mal!

Film und KI

KIs, wie wir sie heute erleben, und das sollte vielleicht als erstes geklärt werden, haben wenig mit der SciFi-Vorstellung eines HAL 9000 oder Skynet zu tun. Es handelt sich „nur“ um lernende Algorithmen, die das in sie eingefütterte Datenmaterial – mehr oder weniger – passend auf eine Frage oder Aufgabenstellung, einen „prompt“ wieder ausgeben. Es handelt sich nicht um „Intelligenzen“ in irgendeinem selbstständigen Sinne.

Diese KIs sind im Film lange angekommen. In der Einleitung zu meiner Rezension zu Scott Manns ‚Fall‘ habe ich beschrieben, wie Mann aus Geldnot mittels KI-gestützter „deep fake“ Technologie die Lippenbewegungen seiner Darstellerinnen verändert hat, um Schimpfworte aus seinem Film zu entfernen. Was ich nicht erwähnt habe ist, dass Mann diese Gelegenheit zur (Mit-)Gründung der Firma Flawless genutzt hat, die dies nun im großen Stil anbietet. Es kann also bald soweit sein, dass synchronisierte Filme ihren Schauspielern die Lippenbewegungen in der jeweiligen Landessprache anpassen. Das große Problem der Synchronisation, dass die Übersetzung auf die Lippenbewegung passen muss, wäre folglich gelöst.

Gängiger sind bereits „wiederbelebte“ Darsteller, wie Peter Cushing in ‚Rogue One‘, oder verjüngte Darsteller. Beides geschieht mit KI-gestützten Systemen, die sämtliches verfügbare Bildmaterial der Darsteller auswerten. Und der kommende ‚Indiana Jones‘ Film verspricht eine erhebliche Weiterentwicklung dieser Technologie. Auch im Ton geschieht Ähnliches. Der lange verstorbene Andy Warhol ist, dank KI, Erzähler der ‚Andy Warhol Diaries‘ auf Netflix. James Earl Jones hat seine Darth Vader-Stimme an Lucas Arts verkauft, die nun, mittels KI, Vader auf ewig mit Jones‘ Stimme in neuen Star Warsen auftreten lassen können.

Das ist inzwischen alles schon ein derart „alter Hut“, dass es lange auf Konsumentenebene angekommen ist und „deepfake Tom Cruise“ zu einem Star auf der Plattform Tiktok geworden ist. In den letzten Jahren haben KIs, wie stable diffusion, sehr schnell ihre Fähigkeiten verbessert, Bilder nach den Textanforderungen eines Users zu erstellen. War das Anfang letzten Jahres noch weitgehend ein Witz, hat das zum Ende des Jahres schon eine erschreckende Qualität angenommen. Wie oben erwähnt arbeiten diese KIs allerdings allesamt mit eingespeistem Bildmaterial. Dies geschieht mit allem im Netz verfügbaren Material und ohne die Erlaubnis der Künstler, weswegen allerlei Künstler und die Bild-Agentur Getty Images nun Klage eingereicht haben. Die Technik hingegen ist derweil schon wieder einen Schritt weiter. Programme wie GEN-1 wollen aus Standbildern nun Animationen erstellen. Erneut steckt das Momentan noch arg in den Kinderschuhen, aber die extreme Geschwindigkeit, mit der sich die KI Bilder letztes Jahr verbessert haben, gibt wohl eine ungefähre Marschrichtung vor.

Zahlreiche Menschen in kreativen Berufen haben daher, wenig überraschend, Angst um ihre Zukunft. Und nicht zu Unrecht, muss man fürchten. Denn die eiserne Regel des Kapitalismus seit der Industrialisierung lautet, wenn ein Berufsstand durch Maschinen ersetzt werden kann, dann wird genau das passieren. Im Filmbereich werden hier zwei Dinge auf sehr unangenehme Weise zusammenkommen. Da ist zum einen die allgemeine Verachtung, die Filmschaffende, Schauspielerinnen und Produzenten (und – seien wir ehrlich – nicht zuletzt auch das Publikum) für VFX Künstlerinnen hegen. Darüber habe ich an dieser Stelle mehr als oft genug berichtet. Warum also sollte man Leute, die man ohnehin kaum als Leute wahrnimmt, nicht durch eine KI ersetzen? Die Antwort darauf lautet natürlich, weil deren Arbeit besser ist als die einer KI. Und hier kommt der zweite Punkt ins Spiel. Nein, die Arbeit einer KI wird vermutlich noch lange nicht die handwerkliche Qualität eines menschlichen Künstlers erreichen, vor allem aber kann sie niemals originell sein können. Aber sie wird „gut genug“ sein.

Und „gut genug“ ist eine Phrase, die wir in den letzten Jahren wieder und wieder und wieder vorgesetzt bekommen haben, die wir akzeptiert haben. Hm, die Effekte im neuen Superheldenfilm sind aber nicht so toll… Aber sie sind gut genug! Die Handlung des neuen Blockbusters ist unoriginell? Aber sie ist gut genug! Puh, die neue Netflixserie war ja furchtbar! Nö, sie war gut genug, dass ne halbe Stunde schnell rum war. Der kreative Inhalt eines Films wurde zu „Content“ reduziert. Und „Content“ schaffen, das kann auch eine KI.

Ich bin sicher in den nächsten Jahren wird sich der KI-Einsatz im Effektbereich sich mehr und mehr ausweiten, bis nur noch eine Handvoll menschliche Überwacher und Nachbesserer nötig sind und der Berufsstand des VFX Künstlers quasi verschwunden. Und beklagen die sich darüber, dann werden sie nicht nur arbeitslos, sie werden auch noch als ewiggestrige Technophoben bezeichnet, die ja auch „was Vernünftiges“ hätten lernen können.

In anderen kreativen Bereichen, etwa dem Drehbuch habe ich dafür andere Sorgen. Ja, man kann ein ChatGPT bereits jetzt um ein Drehbuch bitten und man bekommt einen entsprechend formatierten Text mitsamt Handlung und Charakteren. Aber das ist meist völlig unorigineller Quatsch, der zudem kaum eine halbe Stunde füllen würde. Auf Twitch läuft eine endlose KI-erstellte ‚Seinfeld‘ Episode unter dem Titel „Nothing, Forever“. Die überzeugt vor allem durch die oftmals bizarren Dialoge ihrer Charaktere, aber die Zukunft des Fernsehens ist das eher nicht. Hoffe ich.

Nein, im Film wie in jedem anderen künstlerischen Gebiet, wird KI stattdessen zur Homogenisierung beitragen. Die großen Verlage lassen längst Algorithmen über Bücher mit Blockbusterpotential laufen, um sicherzustellen, dass die dort verwendete Sprache bestimmte Lesefähigkeiten nirgendwo überschreitet, um sich kein Publikum zu verbauen. Und das KI gestützte Programm der Firma Cinelytic bietet nun die Möglichkeit den Erfolg eines Filmprojektes relativ genau vorauszusagen. Dabei werden Stars und Themen und ähnlichem ein bestimmte Werte zugeordnet und verrechnet und so schließlich der potentielle Erfolg eines Films vorhergesagt. Und das funktioniert erschreckend gut. Im Januar diesen Jahres, lag die Trefferquote, für die Kinokassen der USA und nach eigener Aussage der Firma, bei über 90%. Auch wenn das vielleicht zu hoch gegriffen sein mag, wird eine solche KI-basierte Datenanalyse, wie Streaminganbieter sie ohnehin schon lange nutzen, über kurz oder lang zum Usus werden. Für ungewöhnliche Projekte kann das ein frühes Aus bedeuten, für den Einheitsbrei mit dicker Datenlage hingegen sieht es gut aus.

Es ist wenig Positives, was ich der KI Technologie im Filmbereich abgewinnen kann. Klar, Nachbesserungen, etwa unvollständige Filmszenen auffüllen, alte Filme auf heutige Framezahlen bringen, oder das oben erwähnte Anpassen der Lippenbewegungen bereiten mir nun keine schlaflosen Nächte. Aber das Absägen menschlicher Kreativer, sicherlich im Effektbereich aber auch anderswo und das gleichzeitige Absägen von Kreativität an sich, mittels stets zur Mittelmäßigkeit strebender Analyse-Tools stoßen mir dann doch durchaus sauer auf.

Die Tech-Riesen Meta und Google wurden vom KI Erfolg ein wenig kalt erwischt. Nun wollen sie eilig nachziehen und werden das Thema und seine zahllosen Anwendungen sicher noch weiter in den Blick der Öffentlichkeit holen. In fünf Jahren werden wir vermutlich alle KIs für alltägliche Aufgaben benutzen. In zehn Jahren womöglich mit derselben Selbstverständlichkeit mit der wir heute aufs Internet zugreifen. Vielleicht hat sich meine Sichtweise bis dahin grundlegend verschoben, im Moment grusele ich mich doch eher, als ich mich freue.

2 Gedanken zu “Newslichter Ausgabe 232: die große Newslichter KI Schau!

  1. Wieder einmal toll analysiert und zusammengefasst. Ich kann all dem nur zustimmen. Auch in meinem Job (grob Content Marketing) wird Chat GPT und Co. gerade wild diskutiert. Auf jeden Fall eine disruptive Technologie und ich bin sehr gespannt (und skeptisch), was die nächsten Jahre bringen.

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