‚Alita: Battle Angel‘ (2019)

James Cameron, soviel ist inzwischen definitiv mehr als deutlich, hat den Code für einen immensen Kassenerfolg geknackt. Zumindest solange er selbst im Regiestuhl sitzt. Als Produzent und Autor ist sein Händchen nicht gar so golden, wie sich bei ‚Alita: Battle Angel‘ gezeigt hat. Der war zwar alles andere als ein Flop und für den seit den 2000ern recht glücklosen Robert Rodriguez, gar der größte finanzielle Erfolg seiner Karriere. Aber für ein schnelles Sequel reichte es dann eben doch nicht. Aber Cameron und Rodriguez wollen dennoch eines machen. So sehr, dass sie Ende letzten Jahre einen „Blutpakt“ geschlossen haben. Wie das genau funktioniert und ob man dafür nicht eigentlich einen Dämon braucht, sind Fragen, die weit außerhalb meines Erfahrungshorizontes liegen. Beschäftigen wir uns also lieber mit dem Film.

Wir schreiben das Jahr 2563. 300 Jahre nach einem verheerenden Krieg. Die ärmliche Stadt Iron Town versorgt die letzte verbliebende schwebende Stadt Zalem. Der Traum aller ihrer Bewohner ist es, die stets sichtbare aber unerreichbare Utopie betreten zu dürfen. Der Cyborg Doktor Dyson Ido (Christoph Waltz) findet eines Tages den intakten Kern eines fortschrittlichen weiblichen Cyborg im von Zalem herabgeworfenen Müll. Er baut ihr einen neuen Körper und gibt der an Amnesie leidenden jungen Frau (Rosa Salazar) den Namen Alita, nach seiner verstorbenen Tochter. Es stellt sich bald heraus, dass Alitas, trotz aller wohlmeinenden Verbote ihres Ziehvaters, vor allem den Kampf sucht. Etwas wonach sie in Iron Town nicht lange suchen muss. Doch weckt sie so schnell das Interesse von Motorball Manager Vektor (Mahershala Ali) und damit von Zalem.

Originelle IPs haben es in der derzeitigen Blockbuster-Filmwelt nicht einfach. Sicherlich, ‚Alita‘ ist keine ganz originelle IP, der Film basiert auf dem 90er Jahre Manga von Yukito Kishiro, allerdings hat der vorher nie die Bekanntheit erreicht, die dieser Film ihm gebracht hat. Cameron war an der Thematik schon lange interessiert. Wollte selbst lange eine Verfilmung drehen, bevor er sich ganz auf seine Avatare verlegt hat. Seine Serie um die Jahrtausendwende ‚Dark Angel‘ war ebenfalls fraglos stark von dem Manga inspiriert. Auch sind nicht eben sämtliche Ideen in dem Manga/Film selbst wahnsinnig originell. Von der Protagonistin mit Amnesie will ich gar nicht erst anfangen. Aber die Cyborg Söldner, die als Polizei fungieren, fühlen sich wie eine Mischung aus Robocop und Blade Runner an. Motorball ist so eindeutig Rollerball, dass tatsächlich nur der Name den Unterschied macht und so weiter.

Da überrascht es wohl nicht nur mich, dass es gerade die größte Stärke des Films ist, dass er sich so frisch anfühlt. Und er tut dies, indem er bekannte Ideen einfach ein klein wenig justiert. Iron Town ist ein futuristischer Slum, keine Frage, aber ist eben nicht der seit Blade Runner allgegenwärtige verregnete Moloch mit Leuchtreklamen, sondern ein sonnendurchfluteter, bunter Neubau in den Ruinen der alten Welt. Allein der südamerikanische Einfluss auf sämtliche Designs (Vorlage für Iron Town war Panama City) macht hier wahnsinnig viel Frische aus.

Das Charakterdesign ist wild! Auf die beste Weise wild. Bei den Cyborgs ist man nicht an realistische Vorlagen gebunden und so kommen irre Designs mit zahllosen Klingen und Sägeblättern heraus, die sich in tatsächlich gewichtig anfühlenden Kämpfen effektreich gegenseitig zerlegen. Und da es sich meist um Maschinenteile handelt, werden hier ständig Arme und Beine abgeschnitten und ganze Körper zerrissen, ohne das die Altersfreigabe merklisch steigt. Gerade beim Design der Protagonistin hat man sich, äußerst ungewöhnliche Entscheidung, entschlossen sich voll und absichtlich ins „Uncanny Valley“ zu lehnen. Man hat ihr übergroße Augen verpasst, fraglos in Anlehnung an die Manga-Vorlage, aber eben auch um Alita ein unschuldig-naives Kindchenschema-Gesicht zu verpassen. Ich sage mal, man hat mit Rosa Salazar hier einen extremen Glücksgriff gelandet, der es gut gelingt darüber hinwegzuspielen. Mit einer auch nur etwas schwächeren Darstellerin hätte das ganz schnell zur Katastrophe werden können. Salazar hingegen bringt die freundliche Aufgeschlossenheit der Figur, ihre programmierte Konfliktbereitschaft und die Neugier nach ihrer eigenen Herkunft hingegen wunderbar unter einen CGI-Haarschopf. Es hilft sicherlich auch, dass die Antwort auf die Frage nach Alitas Herkunft tatsächlich interessant ist.

Camerons übliche Stärken und Schwächen als Autor sind hier voll erkennbar. Seit ‚Terminator 2‘ ist deutlich geworden, dass es ihm vor allem darum geht starke und mitreißende Setpieces zu schreiben, auf Kosten der großen Geschichte und vor allem der Charaktere. Daneben hat ‚Alita‘ noch das Problem, dass er allzu viel sein will. Zukunftsvision, Mysterium, Actionkracher und Teenie Romanze. Dabei ist es vor allem letzterer Aspekt der unter die metallenen Räder gerät. Alitas Love Interest Hugo (Keean Johnson) ist zum einen nicht sonderlich interessant und hat dazu einen der schwächeren Darsteller. Und so kommt dann im dritten Akt mein Problem mit dem Film deutlich zum Vorschein: ich bin nicht im Geringsten emotional involviert.

Ich kann bei Vielem anerkennen, dass es cool aussieht, kann mich an grandiosen Actionsequenzen erfreuen, aber am Ende sind mir die Charaktere reichlich wurscht. Da hilft es nicht, dass der dritte Akt gleich zweimal mit derselben hoch melodramatischen Szene aufwartet, die sich beide Male vollkommen unverdient anfühlt. Es hilft auch wenig Leute wie Jennifer Connelly oder Mahershala Ali zu reinen Expositions-Stichwortgebern zu degradieren. Christoph Waltz wirkt hier eher routiniert als sonderlich interessiert, aber wer kann es ihm verübeln, wenn er von „the Panzer-Kunst“ fabulieren muss? Das alles läuft dann auf ein Ende zu, dass mir allzu sehr Cliffhanger für ein ‚Alita 2: Electric Boogaloo‘ sein will. Das soll nicht heißen, dass ich keinen Spaß an ‚Alita‘ hatte, den hatte ich nämlich durchaus. Aber es ist erkennbar einer dieser Filme, von dem nichts bei mir hängenbleiben wird. In einem Monat werde ich Schwierigkeiten haben zusammenzufassen, worum es überhaupt ging. Eben weil der Film mich stets auf Armeslänge gehalten hat, während er zu erwarten schien, dass ich ihn eng umschlinge.

Sonderarchiv: ‚Die Akte Springfield‘

In meiner „Archivarbeit“ schaue ich mich derzeit ja durch die ersten fünf Staffeln und den ersten Film der Serie ‚Akte X‘. Im „Sonderarchiv“ will ich dabei nun Dinge betrachten, die nicht direkt zur Serie gehören, aber vielleicht die kulturelle Bedeutung und Einfluss der Serie zeigen. Und dafür ist wohl wenig geeigneter als unser heutiges Beispiel, das „Crossover“ der FOX-Superhits der 90er, ‚Akte X‘ und ‚Die Simpsons‘.

Die Idee hat eine Weile bei den Simpsons Autoren herumgelegen. Das lag wohl vor allem daran, dass die meisten keine besonders großen Fans der X-Akten waren. Nachdem die Produzenten Al Jean und Mike Reiss, Showrunner der Staffeln drei und vier, inzwischen unter Vertrag bei Disney, für ein paar Folgen von Staffel acht an FOX ausgeliehen wurden, beschlossen sie das Crossover endlich umzusetzen. Herausgekommen ist eine vor kulturellen Anspielungen fast platzende, aber sehr unterhaltsame Folge der späten Hochphase der Simpsons.

Leonard Nimoy erscheint im Rahmenprogramm und moderiert eine Show über UFO Phänomene (eine Anspielung auf die Show ‚In Search Of…‘, die Nimoy von 1977 bis 82 moderierte, die es aber erst in späteren Versionen (ohne Nimoy) nach Deutschland geschafft hat). Homer, Lenny und Carl schleichen sich an einem Freitag früher von ihren Jobs im Kernkraftwerk Springfields davon. Homer schließt dazu einen Videorecorder mit alten Aufnahmen an das Überwachungskamerasystem an. Ein Trick, den er im Film „der Bus, der nicht langsamer werden durfte“ gesehen hat. Später (nach umfänglichem Genuss von Düff (aus Schweden!) und Red Tick Beer) macht sich Homer durch den Wald auf den Heimweg. Dort begegnet er gruseligen Plakaten, dem Springfield Philharmonic Orchestra, das im Bus die Psycho Melodie spielt und einem dürren, leuchtenden, fistelstimmigen Alien, dass Frieden und Liebe verspricht.
Doch weder seine Familie noch Chief Wiggum glauben Homer die Geschichte. Dennoch tauchen zwei uns bekannte FBI Agenten in Springfield auf. Mulder und Scully machen eine Reihe Test mit Homer, zeigen ihm ein Line-Up mit Marvin, dem Marsmenschen, Gort, Chewbacca, ALF und einem der Aliens aus den Halloween Folgen. Letztlich ist Homer aber derart unglaubwürdig, dass nicht einmal Mulder mit dem Fall zu tun haben will. Nur Bart stellt sich auf seine Seite und so lauern sie eine Woche später dem Alien erneut auf. Trotz Homers Ungeschick gelingt ihnen eine Videoaufnahme und alsbald ist ganz Springfield im Alien Fieber.
In der nächsten Woche wartet folglich die gesamte Bevölkerung auf das Alien. Kaum taucht es auf und verspricht Liebe, rottet sich, in typischer Springfield Manier, ein Mob zusammen, um es zu töten. Doch da stellt sich heraus, dass das „Alien“ Mr. Burns war. Nach seiner allwöchentlichen Verjüngungskur aus Drogen, Augentropen und Stimmbandreinigung, ist er desorientiert, glubschäugig und erstaunlich friedfertig. Das Leuchten hingegen entsteht aus seiner lebenslangen Karriere im Atomkraftwerk. Die Drogen lassen nach, Burns droht zu seinem bösartigen Selbst zu werden, da verpasst ihm Dr. Nick eine weitere Dröhnung und alle Anwesenden, inklusive der X-Aktler, Chewbacca und Leonard Nimoy singen „Good Morning Starshine“. Entsprechend muss Nimoys jugendlicher Praktikant die Abmoderation der Rahmenhandlung vornehmen. Ende.

Es fällt durchaus auf, dass die Autoren keine Riesenfans der ‚Akte X‘ sind. Alle Verweise auf die Serie bleiben reichlich oberflächlich. Die geschriebenen Orts- und Zeitangaben (die immerhin für einen ‚Shining‘ Gag genutzt werden) und der Cigarette Smoking Man im Hintergrund einiger Szenen. Die einzige etwas tiefere Anspielung ist das Foto von Mulder in Speedo-Badehose, das er hier neben seiner Marke vorzeigt. In einer Folge der zweiten Staffel ‚Akte X‘ sehen wir Mulder länger in Badehose. Und gerade in den 90er war es wohl noch auffällig genug, dass man den männlichen Hauptdarsteller spärlich bekleidet zeigt und nicht die Hauptdarstellerin, dass das eine Parodie wert war. Wobei die Idee, dass Mulder so ein Foto neben seiner Marke mit sich rumträgt sehr, sehr lustig ist! Nicht zuletzt, weil es wohl Duchovny war, der die Badehosen-Szene unbedingt wollte.

Aber fast alle anderen Gags beziehen sich auf ältere UFO Medien. Die Nimoy Moderation, deren Herkunft ich heute zum ersten Mal nachgeschaut habe, etwa. Ansonsten werden ‚E.T.‘‚Unheimliche Begegnung der dritten Art‘, ‚Der Tag an dem die Erde stillstand‘, ‚Plan 9 aus dem Weltall‘ oder die FOX Alien Autopsie erwähnt. Und Milhouse spielt an einem ‚Waterworld‘ Arcade Automaten, der sich als wahres Groschengrab erweist. Wobei das nix mit UFOs zu tun hat.

Aber die wirklich guten Gags liegen ohnehin zumeist abseits der Anspielungen. Wiggums „unsichtbare Schreibmaschine“ zum Beispiel. Oder Moes Killerwal Schmuggel. Oder die Geheimzutat von Red Tick Beer. Oder Homer, der so doof ist, dass er Scullys Lügendetektor mit nur einer Antwort in die Luft jagt.

Durch die reine ‚Akte X‘ Brille betrachtet ist die Folge ein wenig enttäuschend. Hinterlässt einem mit dem Gefühl, dass man aus dem Auftritt der Figuren mehr hätte machen können. Ich hätte gerne Burns mit dem Cigarette Smoking Man interagieren sehen, denn natürlich wäre der in die große Verschwörung verwickelt. Oder Anspielungen auf die Springfield-internen Verschwörungen (die genaue Lage der Stadt, trägt Krusty Makeup, oder nicht?, wo ist Herb Simpsons Baby Übersetzer?, wer hat Mr. Burns WIRKLICH angeschossen?, Hans Sprungfeld, Armin Tamzarian taucht ja erste ne Staffel später auf). Der Eindruck bleibt aber nicht lange bestehen, denn es ist einfach eine sehr gute Simpsons Folge. Damit steht sie, zugegeben, nicht allein da. Das gilt für quasi alle Folgen der Staffeln 3 bis 8. Und viele davor und einige danach.

Ich weiß übrigens noch nicht, ob dieses „Sonderarchiv“ einmalig bleibt. Sollte mir noch mehr berichtenswertes Akte X Material der Zeit über den Weg laufen, werde ich sicher weitere Einträge erwägen. Ich hätte z.B. durchaus Interesse an dem damaligen FMV Spiel. Weil ich für diese Art Spiel mehr Sympathie habe, als die meisten Leute. Aber das gibt es weder bei Steam noch gog.com. Und ich mag mir den Alptraum selbst zu versuchen das auf einem modernen System zum Laufen zu bringen gar nicht vorstellen. Falls Ihr Euch an das Auftauchen der X-Aktler an ungewöhnlicher (aber heute möglichst ohne die Spende einer Niere erschwinglicher) Stelle erinnert, schreibt es gern in die Kommentare.

Die 5 Besten am Donnerstag: die 5 besten schwarzen Komödien

Willkommen bei den 5 Besten am Donnerstag! Heute fragt uns Gina nach den 5 besten schwarzen Komödien. Keine einleitenden Worte diesmal, einfach bloß meine Antworten!

5. ‚The Death of Stalin‘ (2017)

Nicht immer ganz historisch korrekt und teilweise (aber doch weniger als man meinen sollte) satirisch überhöht, zeigt Amando Iannucci hier die bizarren Machtkämpfe des Politbüros, in der, auch nach dem Tode Stalins, immer noch von Todesangst gelähmten Sowjetunion. Die Wechsel zwischen humorigen Machtgeplänkel und finsterer Gewalt können dabei schon mal Schleudertrauma-würdig wirken, werden hier aber zielführend eingesetzt.

4. ‚Adel verpflichtet‘ (1949)

Der Spross einer Herzogenfamilie wächst bei seiner verstoßenen Mutter in ärmlichen Verhältnissen auf. Als seine Mutter stirbt, beschließt er die Herzogenwürde für sich zu erringen. Indem er die gesamte Familie D’Ascoigne auslöscht. Die werden, allesamt, gespielt von Alec Guinnes in einem ebenso bizarren wie cleveren Film, der bis heute wenig von seinem Humor verloren hat.

3. ‚Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben‘ (1964)

„You cannot fight in here! This is the War Room!“ ist eines der vielen Zitate dieses Films, das unauslöschlich in mein Hirn eingebrannt ist. Stanley Kubricks Komödie um die Absurdität des Kalten Krieges im Allgemeinen und die „mutual assured destruction“ im Besonderen wirkt derzeit mal wieder erstaunlich aktuell.

2. ‚Parasite‘ (2019)

Bong Joon Hos rabenschwarze Sozialkomödie ist für mich immer noch einer der besten Filme der neuesten Zeit. Erfinderisch, überraschend, trotz des reißerischen Titels weit weniger urteilend als man erwarten würde, zeigt Regisseur Bong hier die Neurosen, die zwangsläufig aus einem gesellschaftlichen Schichtensystem entstehen müssen.

1. ‚Fargo‘ (1996)

Einer meiner absoluten Lieblingsfilme bis zum heutigen Tag, ist dieser Film der Coens gleichzeitig einer ihrer komischsten und sicher auch ihrer finstersten und hat damit den Platz 1 dieser Liste allemal verdient!

Newslichter Ausgabe 234: Lance Reddick, mehr Remakes, Fortsetzungen und schicksalshafte Titel

Willkommen bei Ausgabe 234 des Newslichters. Heute gibt es eine Themenmischung, mit der ich nicht ganz zufrieden bin. Der tragisch frühe Tod von Lance Reddick verträgt sich nicht so gut mit einigen der anderen Themen. Aber ich wollte ihn auch nicht einfach auslassen. Ich möchte hier nur betonen, dass das in keiner Weise respektlos gemeint sein will! Legen wir los!

Zum Tode Lance Reddicks

Ich weiß nicht genau, wann mir Lance Reddick zum ersten Mal aufgefallen ist. Ich vermute es war als Cedric Daniels in ‚The Wire‘. Und war er einem erst einmal aufgefallen, dann fand man ihn überall wieder. In Serien und in Filmen. Dabei war er nie auf einen Typ festgelegt, konnte sowohl den autoritären Obrigkeitsdiener als auch einen komplett albernen Charaktere geben. Und es gelang ihm, jeden seiner Charaktere mit einer ganz eigenen Menschlichkeit auszustatten. Einer Menschlichkeit, die voll und ganz Reddick war. Zuletzt war er vermutlich den meisten als Concierge des Auftragskiller-Hotels Continental aus den ‚John Wick‘ Filmen bekannt. Eine kleine Rolle (außer im dritten Film), aber eine die in Erinnerung bleibt. Am meisten im Gedächtnis ist er mir aber vielleicht aus ‚The Guest‘. In Adam Wingards wunderbar eskalierendem Film gibt Dan Stevens eine Art Mischung aus Captain America und Michael Myers. Reddick gibt die dazugehörige Mischung aus Nick Fury und Dr. Loomis. So wie die Rolle geschrieben ist, könnte sie vermutlich jeder Darsteller ausfüllen, der eine halbwegs militärische Haltung hinbekommt. Reddick aber macht sich diesen Charakter komplett zu Eigen. Füllt ihn mit Eigenschaften, die so auf dem Papier sicherlich nicht vorhanden waren. Er wird sicherlich fehlen.
Reddick wurde am siebten Juni 1962 geboren. Er starb am 17. März 2023 in seinem Zuhause in Los Angeles. Er war 60 Jahre alt.

Die Wählscheibe des Schicksals

Ich sag es mal ganz ehrlich: ich finde den Originaltitel des fünften ‚Indiana Jones‘ Filme ‚The Dial of Destiny‘ nicht sonderlich gut. Eben weil Dial für mich Assoziationen zu 80er Jahre Telefonie weckt. Oder zu Dial up Internet in den späten 90ern. Ihr wisst schon KRIIIIIIIEEEEEEE dröng dröng dröng prsssssscht etc.. Da fand ich den deutschen Titel ‚Der Ruf des Schicksals‘ eben gerade wegen seiner freien Übersetzung deutlich gelungener. Aber das war Disney wohl etwas zu viel der künstlerischen Freiheit und so lautet der neue, offizielle Titel ‚Das Rad des Schicksals‘. Ob das nun irgendein Artefakt im Film sein wird, muss sich wohl noch zeigen, ist aber anzunehmen. Denn sprachlich runder (hehe) fand ich allemal den ersten deutschen Titel. Vielleicht ist dieses Dial aber auch diese Drehscheibe, die Lucas Adventures früher immer als Kopierschutz beilag. Würde ja immerhin passen. Ich verkaufe übrigens diese feinen Lederjacken…

‚Fall‘ Sequel

Nachdem der gelungene Höhenthriller ‚Fall‘ schon im Kino ein kleiner Überraschungserfolg geworden ist, hat er sich wohl im Stream noch einmal als erfolgreicher erwiesen. Dazu kommt noch, dass es eine der idealeren Covid-Produktionen war, mit zumeist nur zwei Schauspielerinnen gleichzeitig im Bild. Die britischen Tea Shop Productions und Regisseur Scott Mann denken nun jedenfalls sehr laut über ein Sequel nach. Ich schlage eine Trilogie vor. ‚Fall‘, ‚Oh shiiiii-‚ und ‚Splat‘. Ernsthaft, ich sehe nicht, wie man den Stunt hier noch einmal wiederholen kann. Andere Leute, die auf etwas anderes klettern? Naja. Vielleicht muss man auch bei einem Erfolg mal einsehen, dass man den Blitz kein zweites Mal abbekommt. Hmmmm, Blitzschlag…

‚Gesichter des Todes‘ Remake

Letzte Woche wunderte ich mich über das ‚Der Rausch‘ Remake, aber die Verwunderung darüber kann nicht im Geringsten mit der über ein ‚Gesichter des Todes‘ Remake mithalten. Wer in den 80ern oder 90ern Schüler war, wird den Namen vermutlich manchmal auf dem Schulhof gehört haben. Wenn dieser eine Mitschüler, Ihr wisst wen ich meine, von diesem Film erzählt hat, der „voll krass“ ist und dabei „total echt“, wo man „echt Menschen sterben sieht“. Das nämlich war der Einmaligkeitsanspruch des Films: echte, ungestellte Tötungsszenen zu zeigen. In einem wirren Sammelsurium aus Schlachthausszenen, Kriegsaufnahmen, Hinrichtungen und Morden, präsentiert vom angeblichen Pathlogen Dr. Gröss. Bis 1990 brachte er es auf drei Nachfolger (der Film, nicht Herr Dr. Gröss). Ein guter Teil der Szenen war natürlich gestellt, wie auch der Film selbst im Abspann leise zugibt. Dennoch war er auf seine Art perfekt positioniert um eine rebellische Pubertät anzusprechen. Ein unsäglicher Tabubruch, mit dem man wohl sämtliche Erwachsene gegen sich aufbringen konnte und dabei nicht mal vom Sofa aufstehen musste. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass der Film in Deutschland indiziert war. Bis letztes Jahr sogar. Ich selbst habe ihn nie gesehen und, ehrlich gesagt, nie auch nur gesteigertes Interesse daran gehabt. Nun also soll es ein Remake geben. Wie das aussehen wird, weiß ich nicht. Es wird wohl kaum wieder eine pure Aneinanderreihung mehr oder weniger echter, blutiger Sterbeszenen sein. Denn das braucht heute tatsächlich keiner mehr, wenn man das im Internet auf einschlägigen Portalen jederzeit anschauen kann. Und ob der Name selbst nun noch genug Zugkraft besitzt, um einen anders gelagerten Film zu tragen, ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Bezweifle es aber recht stark.

PS: offenbar soll es um zwei junge Leute gehen, die auf immer mehr schockierendes, offenbar echtes Filmmaterial stoßen. Ein bisschen wie ‚Sinister‘ vor ein paar Jahren. Na denn…

‚Hatching‘ (2022)

Ich mag Horror, dem der Spagat zwischen psychologischem Horror und einem guten, alten „creature feature“ gelingt, ohne dass es sich allzu gewollt anfühlt. ‚Hatching‘, einem Film der finnischen Regisseurin Hanna Bergholm gelingt dieser Spagat ganz ausgezeichnet. Vielleicht kein Wunder, steht doch eine Turnerin im Mittelpunkt der Handlung. Und während Ihr jetzt aus purer Begeisterung, über derart viel Textkunst meinerseits, ganz wild mit den Augen rollt, würge ich schonmal die Handlung wieder hoch.

Die 12Jährige Turnerin Tinja (Siiri Solalinna) bereitet sich auf einen Wettkampf vor. Weniger aus echter Begeisterung und mehr um ihrer perfektionistischen Mutter (Sophia Heikkilä) gerecht zu werden. Diese ehemalige Eiskunstläuferin ist nun Youtube Influencerin, wo sie ihr scheinbar perfektes Familienleben mit Tochter Tinja, ihrem Ehemann (Jani Volanen) und Tinjas Bruder Matias (Oiva Ollila) präsentiert. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine tief zerrüttete Familie. Als eines Tages eine Krähe durchs Fenster fliegt und Chaos anrichtet, bricht die Mutter dem Vogel ohne Not das Genick. In der Nacht wird Tinja von den Schreien des sterbenden Tiers aus dem nahen Wald geweckt. Sie erlöst den Vogel von seinen Qualen, findet aber auch ein Ei, das sie in einem Teddybär versteckt. Das Ei zeigt ein erstaunliches Wachstum, bis ihm ein groteskes, riesiges Vogelwesen entschlüpft. Tinja ist angewidert, fühlt sich aber auch verantwortlich für das recht hilflose Geschöpf – schließlich hat sie es ausgebrütet.

Zunächst erschien mir das Bild des Monsters ein wenig zu offensichtlich. Alli, wie Tinja das Vogelwesen nach einem Kinderlied tauft, so schien es, verkörpert schlicht die unterdrückte Rebellion Tinjas gegen die vorgespielte Perfektion der Mutter. Die hat ein komplett künstliches Bild ihrer Selbst und ihrer Familie erschaffen, in einem Horrorhaus aus Pastelltönen, rosa Blümchenmustern und Glasnippes. Dahinter verbirgt sich aber eine recht lieblose Mutter, die ihre Kinder (und deren Erfolge) als Statussymbole versteht und ihren Mann wie selbstverständlich betrügt. Kein Wunder also, dass eine Pubertät in solchem Umfeld monströse Ausmaße annehmen muss.

Alli nämlich ist nun alles was die Mutter hassen würde. Sie ist hässlich, schleimig, stinkt und ernährt sich, wie Vogelbabys das ja nun einmal tun, einzig vom Erbrochenen ihrer „Mutter“ Tinja. Einem nervigen Nachbarshund beißt sie einfach den Kopf ab, anstatt ihm, mit freundlichem Lächeln im Gesicht, insgeheim das Schlimmste zu wünschen. Doch dann macht Alli eine unerwartete Entwicklung durch, die ich hier nicht vorweg nehmen möchte, und es wird sehr deutlich, dass Bergholm mehr als gedacht über die komplexe Dynamik zwischen Müttern und Töchtern zu sagen hat. Und dabei eben, wie eingangs erwähnt, einen, gerade für eine recht kleine, finnische Produktion, einen recht eindrucksvollen Monsterfilm abliefert.

Küken Alli ist sowohl im Design wie in der Umsetzung gelungen. Die animatronische Puppe stammt vom Niederländer Gustav Hoegen, der für die Pinewood Studios arbeitet und das spätere Special Effects Makeup von Conor O’Sullivan, der etwa an Nolans Dark Knight Trilogie mitgearbeitet hat. Es lohnt sich sichtbar auch für kleinere Genre-Produktionen an diesen entscheidenden Stellen nicht zu sparen.

Was den Film aber vor allem anderen funktionieren lässt ist Hauptdarstellerin Siiri Solalinna. Gecastet wurden für die Hauptrolle ausschließlich tatsächliche Turnerinnen, nicht nur für die Turnszenen an sich, sondern weil der Darstellerin, ohne zu viel zu verraten, auch sonst körperlich einiges abverlangt wird. Was für ein Glück, das mit Siiri hier eine 12jährige Laiendarstellerin gefunden wurde, der es mühelos gelingt in einer Szene ihren Turnerkolleginnen mit Mäuschenstimme zu sagen, sie würde ja gerne etwas mit ihnen unternehmen, aber sie müsse noch joggen gehen und in der nächsten die Kamera mit einer schon fast unangenehmen, magnetischen Intensität fesselt.

Man darf hier, trotz Monsters, keinen blutigen Schocker erwarten (obwohl der Film mit einigen durchaus blutigen Szenen aufzuwarten weiß!), sondern bekommt einen atmosphärischen Film mit einer sehr, sehr deutlichen Metapher serviert. Die mag für den einen oder die andere allzu offensichtlich sein, aber die Umsetzung war für mich kreativ, interessant und vor allem elegant genug, dass mich fehlende Subtilität hier eher wenig gestört hat.

Nein die Adoleszenz, und gerade die weibliche Adoleszenz, als monströse Kreatur ist nun wahrhaft kein neues Bild im Film und nicht einmal mehr auf den Horrorfilm beschränkt (ist das ein großer, roter Panda, der da durchs Fenster schaut?!), wenn sie das überhaupt je war. Doch Bergholm präsentiert hier keine reale Welt. Ihre Horrorvision ist genauso überhöht und fast cartoonhaft wie die entnervende social media Perfektion, die die Mutter hier ihrer Familie aufzwingt. Aber anders als diese hat sie eine Botschaft die über „schaut uns an, wir sind perfekt“ hinausgeht. Tatsächlich würde ich sagen, macht sich ‚Hatching‘ sogar als gutes double feature mit Pixars ‚Rot‘. Aber man sollte die Kinder nach ‚Rot‘ und vor ‚Hatching‘ vielleicht doch lieber ins Bett bringen. Und vielleicht, falls vorhanden, auch schon mal den Vogelkäfig zudecken. Sonst kommen die Wellensittiche noch auf Ideen.

Archivarbeit: ‚Akte X‘ Staffel 3 Rückblick

Nach diesmal etwas kürzerer, aber immer noch erstaunlich langer Zeit, geht es hier weiter mit meinem Projekt, das „Vancouver Material“ von ‚Akte X‘, also die ersten fünf Staffeln und den ersten Film zu schauen und hier kurz meine Erfahrungen zu berichten. Nun bin ich mit der dritten Staffel durch. Es folgt mein kurzer Überblick und meine 3 Top- und Flop-Folgen.

Staffel 3 macht eines sehr deutlich. Die Serie hat sich eingegroovt. Die dritte Staffel ist von erstaunlich gleichbleibender und erfreulich hoher Qualität. Das hat mir anfangs etwas Sorge bereitet, waren es doch gerade die experimentelleren Folgen, die bei mir in den ersten Staffeln hoch im Kurs standen. Die gibt es aber zum Glück immer noch. Gerade Autor Darin Morgan bekommt hier viele Möglichkeiten und ich musste mich sehr bemühen nicht einfach seine drei Folgen in meine Top 3 aufzunehmen (2 sind es aber doch geworden).

Aber nicht nur wird die grundsätzliche Struktur hier zementiert, es gibt auch gewisse, vorsichtige Veränderungen. Nach allem was Scully erlebt hat, wird ihre Rolle als ewige Skeptikerin langsam aber sicher unglaubwürdig. Das löst die Serie auf eine erstaunlich clevere Weise, indem die im Hintergrund wirkenden Mächte eine andere Verschwörung als die Aliens vorschieben. Und dabei berührt die Serie auf intelligente Art und Weise eine realweltliche Verschwörung. Es gibt nämlich direkte Erwähnungen der „Operation Paper Clip“, mit der Nazi-Wissenschaftler (und hier auch Wissenschaftler der berüchtigten Einheit 731 der japanischen Armee) von der US Armee geschützt und schließlich in die USA verbracht wurden. In der Serie nun, so wird zumindest Scully vorgemacht, forschen die an biologischen Kampfstoffen und testen sie an unwilligen Opfern. Die Serie war vermutlich noch nie so finster, wie in der Folge ‚731‘/‚Der Zug‘, in der wir eine Massenhinrichtung der Opfer der Forscher (eigentlich wohl Mensch-Alien-Hybriden) durch eine Todesschwadron des US-Militärs sehen.

Gleichzeitig verschiebt die Serie den Fokus der Beziehung der beiden Hauptdarsteller weg von der Idee der Skeptikerin und des Allgläubigen, hin zur Idee der Pragmatikerin und des Besessenen. Mulder ist ebenso wenig bereit Dinge zu glauben, die außerhalb seines Weltbildes liegen, wie Scully. In einer Folge ‚Revelations‘/‚Offenbahrung‘ sehen wir sogar eine direkte Umkehr des üblichen Verhältnisses, wo die Katholikin Scully bereit ist zu glauben und Mulder annähernd zynisch. Ich weiß, während der ersten Ausstrahlung  waren viele tief interessiert an möglichen romantischen Beziehungen zwischen Scully und Mulder. Ich würde es mal so ausdrücken: Bei all dem, wo sie bereit ist ihm zu folgen, muss Scully schon verdammt viel für Mulder empfinden. Aber immer wenn die Serie versucht tiefer darauf einzugehen, wird Scully plötzlich zur eifersüchtigen Schreckschraube, was nie funktioniert und des Charakters ehrlich gesagt nicht würdig ist. Von daher hoffe ich fast, dass das weniger thematisiert wird…

Was mich zur Erzählweise der Serie bringt, die eindeutig nicht modern ist. Wenig überraschend bei einer 25 Jahre alten Serie. Was ich meine ist, dass heute natürlich nicht nur Scully und Mulder Hauptcharaktere wären, auch Walther Skinner, X, Krycek, der Cigarette Smoking Man und andere wiederkehrende Charaktere hätten vermutlich in jeder Folge ihre Momente. Die Alien-Verschwörung würde sich auch durch die „Monster oft he Week“ Folgen ziehen. Hier in Staffel 3 gibt es erstmals Anzeichen zumindest einer Erweiterung der „erzählwürdigen“ Charaktere, wenn Skinner eine „eigene“ Episode bekommt (Scully und Mulder sind natürlich immer noch die Stars). Aber in dieser einen Episode erfahren wir mehr über den Mann als das heute wohl in einer ganzen Staffel der Fall wäre. Serielle Erzählweise hat sich vollständig verändert, aber ob das immer zum besseren ist, da bin ich mir nicht mehr so sicher.

Skinner jedenfalls darf jetzt auch eine coole Sau sein, wird, zumindest teilweise, zum Verbündeten der der X-Aktler und muss dafür meterweise Dreck fressen. Wird im Lauf der Staffel in den Bauch geschossen, mehrfach vermöbelt und fälschlich des Mordes bezichtigt. Aber immerhin, seine Ehe kann er retten. Der Cigarette Smoking Man ist in der größeren Verschwörung bloß ein kleines Licht, den keiner wirklich leiden kann. X ist einerseits ein verzweifelter Feigling, anderseits ebenfalls eine ziemlich coole Socke. Ich würde aber darauf wetten, dass er es nicht mehr lang macht. Der kleine Mistkerl Krycek erfährt hier möglicherweise ein arg finsteres Schicksal, aufgrund des, reichlich plötzlich in die Mythologie eingeführten Öl-Virus(?). Überhaupt die Mythologie. Gegen Ende dieser Staffel kann man langsam ein Wanken ausmachen. Bemerkt, dass die Mythologiefolgen eher auf Überraschungen setzen, als auf durchdachte Narration. Der Cigarette Smoking Man kennt Mulders Mama! Und mir graut jetzt schon vor einem „I AM your father Fox!“ (paff paff) Moment. Doch für den Moment steht das alles erzählerisch noch auf recht sicheren Füßen. Und die Fähigkeit der Autoren megafiese Staffel-Cliffhanger zu schreiben, bleibt ungebrochen.

Kommen wir zu meinen Flop 3 der Staffel. Das war diesmal gar nicht so leicht. Denn es gab nur eine Folge, die ich richtig schlecht fand. Allen anderen konnte ich wenigstens positive Aspekte abgewinnen.

3. ‚Revelations‘/‚Offenbahrung‘

Das ist die Folge, die ich oben erwähnt habe, in der Scully glaubt und Mulder nicht. Diese ungewöhnliche Idee ist denn aber auch das Beste an der Folge, denn die Umsetzung hakt gewaltig. Ein Mörder geht um, der Leute erwürgt, die Stigmata, also die Wunden Jesu‘ aufweisen (oder das auch nur vorgeben). Der 12jährige Kevin zeigt diese Male auch, aber Scully und Mulder können ihn vor dem Mörder erreichen. Der erste Verdächtige (Michael Berryman – von Mulder als „Homer Simpsons böser Zwilling“ beschrieben…) stellt sich ebenfalls als Beschützer heraus. Dann taucht der echte Mörder (Kenneth Welsh) auf und Kevin erweist sich als christlicher Heiliger? Okay, ich frage jetzt gar nicht erst, wie sich der christliche Gott wohl in die Mythologie der Serie einfügt, Satan ist schließlich auch schon da. Aber wenn man schon einen Heiligen in der Serie hat, wär es nett gewesen, ihm irgendeine Persönlichkeit zu verleihen. Selbst auf den Tod seiner Mutter reagiert Kevin mit reichlich Desinteresse. Und so ähnlich reagiere ich auf diese Folge.

2. ‚Energie‘/‚Syzygy‘

Chris Carter hat gesehen, was Darin Morgan in der Serie mit Humor anstellen kann und wollte offenbar beweisen, dass er das auch kann. Kann er nicht, stellt sich raus. Jedenfalls hier nicht. Zwei Teenie-Mädels bekommen durch eine besondere Sternenkonstellation vage definierte, telekinetische Fähigkeiten und, weil sie eben Teenies sind, richten sie damit reichlich Schaden in ihrer Kleinstadt an. Die Bevölkerung, angeführt vom Schulrektor, glaubt hinter dem Chaos Satanisten ausgemacht zu haben. Scully schmollt, weil Mulder die örtliche Polizistin anschmachtet und sich ein Horoskop erstellen lässt. Die Folge deutet in jedem Moment an „hier darf jetzt gelacht werden“, während Morgans Humor immer organisch aus dem absurden Setting der Serie selbst entsteht. Auch schien Carter hier nicht wirklich bemüht was Neues zu schaffen. Teenager mit gefährlichen Superkräften hatten wir in dieser Staffel bereits in ‚Blitzschlag‘/‚D.P.O.‘ und humorige Kleinstadt-Satanisten-Panik in der grandiosen ‚Die Hand, die verletzt‘ Folge aus Staffel 2. Und überhaupt, hat Her Carter schon mal Teenager reden hören? Seine beiden Mädels hier wirken mehr wie Aliens als seine Aliens. Aber die finale Szene in der Polizeiwache, wo die Antagonistinnen sämtliche Waffen auslösen, zwischengeschnitten mit Szenen aus einem Stummfilm ist brillant!   

1. ‚Der Fluch‘/‚Teso dos Bichos‘

Hand hoch, wer ein ganz ähnliches Setup schon ein gutes Dutzend Mal gesehen hat: eine archäologische Ausgrabung in Ecuador bringt die Urne einer mächtigen Schamanin zum Vorschein. Die örtliche Bevölkerung bittet, deren Ruhe nicht zu stören, aber die arroganten Wissenschaftler hören natürlich nicht auf sie. Prompt wurde hier direkt ein mächtiger Jaguar-Geist freigesetzt und in Boston, wo die Urne im Museum landet, werden grausig zugerichtete Leichen gefunden. Wie geht er vor der Jaguar-Geist? Manifestiert er sich, als ein gruseliger, geisterhafter Jaguar? Haben wir es gar mit einem Werjaguar Fluch zu tun? Verdächtige dafür gäbe es. Irgendwas muss die Folge schließlich liefern, um aus der absoluten Klischee-Ausgangshandlung was Cooles zu machen. Und, immerhin, die Antwort überrascht tatsächlich. Wenn auch nicht im guten Sinne. Die Morde werden begangen von… Katzen. Jepp, kleinen Miau-Hauskatzen. Die sich in der Kanalisation verbergen, denn wenn Katzen eines lieben, dann ist es schließlich fließendes Abwasser. In 24 Folgen muss wohl immer mindestens ein echter Aussetzer dabei sein und dies war eine grausig langweilige Folge. Die Macher haben versucht die Ödnis mit einigen Gore-Effekten, etwa einem im Baum hängenden Stück Dickdarm, interessanter zu machen, aber spätestens wenn die felinen Verbrecher am Ende überführt werden, wirkt auch das nur noch albern. Es gibt eine coole Szene, in der auf einer öffentlichen Toilette aus allen Schüsseln hunderte von Ratten quellen (die vor den Katzen flüchten, nehm ich mal an). Das ist verstörend eklig und der einzig interessante Moment dieser Folge. Katzeklo, wenn man so will.

So, genug der Negativität, jetzt kommen wir zu meinen Top 3. Die waren auch nicht leicht, eben weil es so viele gute Folgen gibt.

3. ‚Andere Wahrheiten‘/‚Jose Chung’s „From Outer Space“‘

Die Wahrheit, aufmerksame Akte X Zuschauer wissen es längst, ist da draußen. Aber was ist das eigentlich, die Wahrheit? Und wie kann man sie „da draußen“, oder sonst irgendwo finden? Darin Morgan klebt hier humoristischen Plastiksprengstoff direkt an die Fundamente der Serie. Lässt unzuverlässige Erzähler die Geschichten anderer unzuverlässiger Erzähler unzuverlässig erzählen. Und so bekommen wir ein Cigarette Smoking Alien, Aliens, die von einem Harryhausen Stop-Motion Monster (namens Lord Kibote) verfolgt werden, eine Alien Autopsie, die ein Spinner auf Video veröffentlicht hat, und die auch noch echt ist! Zu Scullys Frustration aber nicht den entscheidenden Teil zeigt, als sich das Alien als Kostüm herausstellt, in dem ein Air Force Pilot steckte. Scully ist es auch, die von Autor Jose Chung (Charles Nelson Reilly) für ein Buch über UFO-Phänomene interviewt wird. Mulder weigert sich mit ihm zu sprechen, da er sich sicher ist, dass Chung ihn negativ darstellen würde. Chung beschreibt ihn später als „eine tickende Zeitbombe des Wahnsinns“, dessen einziges Vergnügen es sei Bigfoot Videos zu schauen. Ja, das hier ist eine ebenso wilde, wie teilweise bösartige Selbstparodie, ja, beinahe schon eine Sabotage des eigenen Konzepts. Das sollte nicht funktionieren, die eigene Absurdität mit breitem Grinsen schamlos vorzuführen. Ja, scheint die Folge zu rufen, wir wissen wie doof das hier eigentlich alles ist. Aber am Ende ist es doch ein irgendwo liebevoller Blick. Morgan reißt das Kartenhaus nicht ein, aber er simuliert heftige Windstöße. Das wird eine dieser Folgen, die mir immer im Gedächtnis bleiben wird.  

2. ‚Mein Wille sei Dein Wille‘/‚Pusher‘

Wer sehen möchte wie sehr Staffel 3 das Konzept des „Monster of the Week“ perfektioniert hat, der schaue sich Pusher an. Die Geschichte eines Mannes (Robert Wisden), der aufgrund eines Hirntumors anderen seinen Willen aufzwingen kann. Der mit einem Zettel mit dem Wort „Pass“ drauf am Revers ins Hauptquartier des FBI marschieren kann. Der seine Fähigkeiten nutzt, um als Auftragsmörder zu arbeiten. Es entspinnt sich ein absolut gelungenes Katz und Maus Spiel zwischen den Agenten und dem „Pusher“ (bei dem Skinner eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht bekommt, hab ich erwähnt, wie viel Dreck der diese Staffel frisst?), das in einem der spannendsten Finale der Serie endet. Und, zumindest nach Eigenauskunft der Serie, der ersten Darstellung eines „russisch Roulette“ Spiels im US Fernsehen. Das nämlich der sterbende Pusher dem hilflosen Mulder aufzwingt. Wenn mein Platz 3 eine der ungewöhnlichsten Folgen überhaupt war, ist dies das Beispiel einer der besten „gewöhnlichen“ Folgen.  

1. ‚Der Seher‘/‚Clyde Bruckmans Final Repose‘

Was würde die Fähigkeit Hellsehen zu können mit dem eigenen Leben machen. Würde sie die Idee des freien Willens endgültig zunichtemachen? Clyde Bruckman (Peter Boyle) kann Hellsehen. Aber er kann nur eines sehen: wie Menschen sterben werden. Man sollte meinen, das wäre nützlich in seinem Beruf als Verkäufer von Lebensversicherungen. Ist es aber nicht wirklich. Denn wer denkt schon gern über den eigenen Tod, erst recht erschreckend präzise vorausgesagt, nach? Und so ist Bruckman eher genervt von seiner eigenen Fähigkeit, wenn nicht sogar deprimiert. Und doch muss er sie anwenden, als ein Serienmörder umgeht und Bruckmans Weg den der Agenten Mulder und Scully kreuzt. Der in sich gekehrte wahre Hellseher Bruckman wird hier kontrastiert mit „the stupendous Yappi“, einem Uri Geller-esken überzogen chargierendem Aufschneider, mit einigem Gusto gespielt von David Duchovnys Stand-In (Jaap Broeker). Aber Herz, Seele und größte Stärke der Folge ist Peter Boyle als Bruckman. Frisch von einem Schlaganfall erholt, gibt Boyle hier eine meisterhafte Darstellung, die völlig verdient mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Er ist hier eine derart titanische Präsenz, dass er selbst Anderson und Duchovny blass wirken lässt. Aber Autor Morgan ist eh kein großer Fan des Charakters Mulder. Das wird in all seinen Folgen deutlich. Und so ist es zwischen Scully und Bruckman, Scully, die in ihm eben nicht nur einen Hellseher, ein Phänomen, sondern einen Menschen sieht, wo sich eine der interessanteren Beziehungen der Serie entspinnt. Es ist bittersüß, was Morgan hier auftischt, mit einigem Humor, aber auch der Finsternis des Todes. Oh, und Scully erbt einen Spitz namens „Queequeg“. Queequeg wird das Ende der Staffel nicht erleben… Armer Queequeg!

Und nun zu meiner neuen Kategorie „überraschende Gastauftritte“. Hier erwähne ich überraschende Gastauftritte (…ach?).

Giovanni Ribisi und Jack Black. Ribisi mordet mit der Macht vom Blitzschlag und Black ist sein todgeweihter Kumpel.

Ken Foree und Bokeem Woodbine als Insassen eines Todestraktes, in dem ein frisch Hingerichteter scheinbar rachsüchtig zurückgekehrt ist.

Jewel Staite in einer undankbaren Rolle als entführte Teenagerin.

Ryan Reynolds als Jock mit kurzer Lebenserwartung.

Kurtwood Smith als ehemaliger Mentor von Mulder.

Lucy Liu, B.D. Wong und – natürlich – James Hong in einer Folge, die in San Franciscos Chinatown spielt.

Das war’s. Wir sehen uns, nach bisherigen Erfahrungen, in etwa sechs Monaten wieder.