Wie viel Cinematic Universe ist zu viel Cinematic Universe?

Ich habe das gesamte letzte Jahr und einen guten Teil der Jahre zuvor keinen MCU Film mehr geschaut. Das war gar keine bewusste Entscheidung, das hat sich einfach so ergeben. Das hat sich erst vor Kurzem geändert, als ich ‚Spider-Man: No Way Home‘ nachgeholt habe. Als alter Spidey Fan war ich da durchaus neugierig drauf. Wie ich den Film an sich fand, lest Ihr hier demnächst in der Besprechung. Heute aber soll es mir um etwas ganz anderes gehen. Ich habe mich als Zuschauer vom neuen ‚Spider-Man‘ wieder gefühlt wie früher als Leser von Superheldencomics. Und das meine ich nicht unbedingt positiv.

Wenn man, wie ich, in den frühen 90ern zum ersten Mal ein Spider-Man Heft aufschlägt (das gilt aber vermutlich zu jeder Zeit und bei jedem Helden, der auf genug Historie zurückblicken kann), dann kann man sich zunächst einmal ein wenig erschlagen fühlen. Da ist also Peter Parker, verheiratet mit Mary Jane Watson, ein gigantischer Freundeskreis, der sich teilweise mit den Comicschurken überschneidet. Harry Osborn etwa ist Peters bester Freund, wenn er nicht gerade eine psychotische Phase als neuer, Grüner Goblin durchlebt, eine Rolle, die er von seinem Vater geerbt hat. Und Ned Leeds war womöglich einmal der Hobgoblin (nicht zu verwechseln mit dem grünen, aber er nutzt dieselbe Technik), oder aber er wurde mit falschen Erinnerungen ausgestattet, die ihn glauben lassen, er wäre mal der Hobgoblin gewesen. Fangen wir gar nicht erst vom Halbbruder von Liz Allen an, der der Molten Man ist. Dann sind da die vielen anderen Schurken, die einfach bloß Schurken sind, J.Jonah Jameson und die ganze Bugle Crew und ein ganzes Universum anderer Helden. Allerlei Fußnoten versuchen Ordnung ins Chaos zu bringen, aber stets indem auf andere Publikationen verwiesen wird, wo man die Infos finden kann.

Mit zwölf Jahren fand ich das ganz super. Dieses Gefühl, dass da ein ganzes Universum ist, das man sich selber langsam erschließt. Wo man nach einigen Jahren sagen kann, „ah ja, Silver Sable, die kenn ich natürlich“ und nicht mehr wie der Ochs vorm symkarischen Berg steht (Silvia Sablinova stammt, natürlich, aus dem osteuropäischen Staat Symkarien). Fast als wäre man Mitglied bei den Freimaurern und kennt endlich den geheimen Handschlag. Mit 30 Jahren mehr auf der Uhr, hatte ich dieses Gefühl jetzt wieder bei Spider-Man. Habe dann aber hinterher mal drüber nachgedacht, wo der überall seine kleinen Hinweisfußnoten gebraucht hätte.

Man sollte natürlich ‚The First Avenger: Civil War‘ kennen, wo Tom Hollands Spider-Man eingeführt wurde. Dann die zwei bisherigen MCU Spider-Man Filme. Alles klar soweit. Aber für deren Verständnis müsste man eigentlich auch ‚Infinity War‘ und ‚Endgame‘ kennen. Und für deren Verständnis sind eigentlich mindestens die vorherigen beiden Avengers Filme  notwendig. Auf die ganzen Origins verzichten wir mal großzügig. Das wär‘s aus dem MCU.

Pflicht sind auch die ersten beiden Raimi Spider-Mans, den dritten darf man sich sparen. Für dieses Gedankenexperiment und allgemein. Die beiden ‚Amazing Spider-Man‘ Filme sollte man ebenfalls geschaut haben, womit wird dann bei den echt schweren Hausaufgaben angekommen wären. Will man jede Anspielung mitnehmen sollte man aber auch ‚Spider-Man: A New Universe‘ und wenigstens den ersten ‚Venom‘ Film kennen. Und die ‚Daredevil‘ TV Serie. Aber die letzten drei sind eher Kür als Pflicht.

Macht elf Filme, die man kennen sollte, will man das Meiste aus ‚No Way Home‘ herausholen. Fast 24 Stunden „Hausaufgaben“. Das ist eine Hyperverknüpfung, die mir wahnwitzig erscheint. Stellt Euch mal vor, in 40 Jahren fragt Euch Euer Enkel, wie das damals mit diesen Superheldenfilmen war und welchen Ihr empfehlen würdet. Egal wie sehr Ihr ‚No Way Home‘ schätzt, es wäre unmöglich den zu empfehlen, weil da ein absurder Spinnenfaden an Zeugs dranhängt.

Ich verstehe selbstverständlich, warum das so ist. Es war ja genau diese comichafte Verknüpfung des Cinematic Universe, die den Charme von Marvelfilmen ausmachte.  Es wirkte wie ein Zaubertrick, dass der erste ‚Avengers‘ nicht platt aufs Gesicht fiel. Den meisten anderen, die versucht haben das zu emulieren, ist denn auch genau das passiert. Aber hier und jetzt sehe ich die Verknüpfung zum Problem werden. Vor allem, wenn jetzt, Disney+ sei Dank, auch noch TV Serien zum wichtigen Kanon werden. Ich beende meine Besprechung von ‚No Way Home‘ mit der vorsichtigen Frage, ob ich den neuen Doctor Strange einfach so schauen „darf“, oder ob ‚WandaVision‘ hier „Pflicht“ ist.

Wir sind nun langsam aber sicher an der Schwelle an der auch Superheldencomics immer mehr scheitern. Die Schwelle für den Einstieg wird höher und höher. Wie gesagt, mit 12 hatte ich Lust mir das zu erarbeiten. Aber ich hatte auch ein weit geringeres Medienangebot, als das heute der Fall ist. Die Verknüpfungen könnten alsbald zum echten Ballast werden. Und im schlimmsten Fall dafür sorgen, das nicht nur eine Reihe die Gunst des Publikums verliert, sondern, eben weil alles so verschachtelt ist, gleich das MCU an sich. Klar, die Hardcorefans lieben es, aber die sind kaum genug, um die Comics am Leben zu halten, für die Filme werden sie nie reichen.

Die Comics reagieren auf den Geschichtenwust mit Rücksetz-Events, die die Kontinuität für Einsteiger quasi auf null zurücksetzen. DC waren die ersten, Mitte der 80er mit ihrer ‚Crisis on Infinite Earths‘, was sich wie ein erstaunlich aktueller Superheldenfilm-Titel liest. Werden solche Rücksetz-Events nun bald auch für die Filme notwendig? Ich vermute, solange das Geschäft noch läuft, wird man das als überflüssig ansehen. Andererseits ist Kevin Feige Comicfan genug, dass er das Problem wohl kaum übersehen kann. Anderer-Andererseits stellt sich das Problem natürlich nie, wenn man brav alles schaut. Aber selbst wenn es sie gäbe, verprellt man damit natürlich auch direkt wieder alte Fans und ein paar Jahre später ist, zumindest in den Comics, alles wieder verwirrender als je zu vor.

Ich will hier aber auch gar keine Zukunft vorhersagen, ich wollte einfach nur eine Beobachtung teilen, die den Rahmen der ‚No Way Home‘ Besprechung komplett gesprengt hätte.

Justin Benson und Aaron Moorhead

In den nächsten paar Wochen werde ich hier die Filme des Regie-Duos Benson und Moorhead besprechen. Als kleine Einleitung sei hier eine kurze Übersicht über ihre bisherige Karriere geliefert.

Regisseur-Duos sind nicht so selten. Die Coen-Brüder, die Wachowski-Schwestern, die Russo-Brüder, die Safdie-Brüder, die Soska-Schwestern. Und das sind nur die, die mir spontan einfallen. Es wird auch direkt deutlich, was die alle gemeinsam haben, sie sind Geschwisterpaare. Justin Benson und Aaron Moorhead sind keine Brüder. Sie sind nicht einmal lebenslange Freunde. Sie lernten sich mit Mitte 20 als Praktikanten in Ridley Scotts Produktionsfirma kennen. Und verstanden sich offenbar auf Anhieb so gut, dass Benson Moorhead einlud, an einem Film mitzuarbeiten, auf den er schon eine ganze Weile hinarbeitete und vor allem hin sparte. Denn finanzieren würde den beiden niemand einen Film. Also taten sie, was motivierte Filmemacher mit begrenzten Ressourcen seit Jahrzehnten tun. Sie drehten einen Horrorfilm in einer Hütte im nirgendwo. Beide übernahmen dabei so viele Aufgaben wie möglich. Benson schrieb das Skript, sie teilten sich die Regiearbeit, Moorhead machte den Kameramann und erstellte die paar benötigten visuellen Effekte am eigenen PC. Den Schnitt teilten sie sich wieder. Eine Arbeitsteilung, die sie weitgehend für ihre nächsten Filme so beibehalten würden. Nur die visuellen Effekte würde Moorhead dann nicht mehr allein machen.

‚Resolution‘ (2012) wurde dank guter Planung in kürzester Zeit abgedreht. Der Film spielt mit den Klischees des „Hütte-im-Wald“ Films. Arbeitet sich an den typischen Bildern der ländlichen Vereinigten Staaten des „Backwoods Horrors“ ab, kommentiert jedoch gleichzeitig den (Horror-)Film als Medium an sich. Es war ein sehr eigener Erstlingsfilm, der durchaus positiv besprochen wurde, aber sicherlich nicht zu einem dieser Überraschungshits a la ‚Blair Witch Project‘ oder ‚Paranormal Activity‘ wurde. Und so mussten die beiden  auch ihren nächsten Film selbst finanzieren. Mittels Kredit.

‚Spring‘ (2014) ist ein „romantischer Bodyhorror“. Und er ist auch das exakte Gegenteil ihres Erstlingsfilms. Während der die ländlichen USA in rohen, Found Footage-artigen Bildern zeigte, präsentiert ‚Spring‘ eine elegant romantisierte Sicht auf ein italienisches Küstenstädtchen. Hierhin hat sich der Protagonist aus den USA geflohen, nach dem traumatischen Tod seiner Mutter. Und hier lernt er die charismatische Louise kennen, mit der er bald ein ‚Before Sunrise‘-eskes Abenteuer eingeht. Allerdings hat sie so einige Geheimnisse. Hauptdarsteller Lou Taylor Pucci erinnert hier eher an einen jungen Eminem als einen typischen „romantic Hollywood lead“. Und vor allem die Deutsche Nadia Hilker trägt den Film mit großer Eleganz. Diese Umkehr des typischen ‚Die Schöne und das Biest‘-Stoffes ist vermutlich immer noch mein Favorit der beiden Filmemacher.

2017 folgte der erste „klassisch“ finanzierte Film des Duos. ‚The Endless‘ schließt in mehrfacher Hinsicht an ihren Erstling an. In gewisser Weise ist er eine direkte Fortsetzung von ‚Resolution‘, die zwei Nebencharaktere des Films in den Mittelpunkt stellt. Zwei Anhänger einer UFO Sekte. Und weil Benson und Moorhead wohl alles anders machen müssen als es sich gehört, spielen sie in ihrem ersten „richtig“ finanzierten Film auf einmal auch noch die Hauptrollen selbst. Der Film eröffnet eine größere Mythologie eines fast kosmischen Horrors und faltet den Erstlingsfilm elegant in diese ein. Tatsächlich machen die beiden hier ein „Cinematic Universe“ auf, in das sich auch ihr nächster Film einfügen wird. In ‚Spring‘ gibt es mMn. keine direkte Verbindung, aber auch keinen Grund, warum er nicht im selben Universum spielen sollte. Dieses gemeinsame Universum ist allerdings eher ein thematisches als eine reine Marketingmaßnahme. Das Duo springt zwischen allerlei Genres hin und her, bleibt sich im Stil jedoch stets treu.

Der nächste Film, ‚Synchronic‘ (2019) stellt Budget-technisch noch einmal einen erkennbaren Sprung dar. Auch wenn man vom Blockbuster noch meilenweit entfernt ist. Aber immerhin gewinnt man Anthony Mackie als Hauptdarsteller. Und der war als Falcon ja nun im einen oder anderen Blockbuster zu sehen. Und natürlich müssen Benson und Moorhead wieder alles anders als gewöhnlich machen. Und so ist ihr teuerster Film bislang der mit der B-Movie-haftesten Handlung bislang.

Und wo sind sie heute? Heute sind sie dort, wo viele junge Filmemacher landen. Im Disney MCU-Orbit. Sie sind an der ersten Staffel von ‚Moon Knight‘ beteiligt und werden auch an der zweiten Staffel ‚Loki‘ mitarbeiten. Vermutlich auf die Chance schielend einen der MCU Filme umsetzen zu können. Denn wenn man dort einen richtigen Blockbuster abliefert, kann man sich seine nächsten Projekte vermutlich aussuchen, ohne über Finanzierung nachdenken zu müssen. Vielleicht ist die MCU-Connection auch der Grund für Mackie in ‚Synchronic‘. Wer weiß.

Besprechen werde ich hier in den nächsten Wochen ‚Resolution‘, ‚The Endless‘ und ‚Synchronic‘. ‚Spring‘ habe ich schon vor Jahren besprochen. Würd ich heute zwar anders machen, aber ihn nochmal zu besprechen erscheint mir reichlich albern. Auslassen werde ich ihre Fernseharbeiten, neben dem MCU auch noch eine Folge ‚Twilight Zone‘, und ihren Beitrag zu ‚V/H/S: Viral‘. Letzterer ist bestimmt interessant, aber ich kann mit den V/H/S-Filmen einfach nix anfangen.

Horror-(Bilder-)Bücher für Halloween

Eine Woche noch bis Halloween. Das Fest selber könnte mir zwar kaum egaler sein, aber die gute Ausrede (als ob ich sie bräuchte) um Horrorfilme zu schauen, nehme ich gerne mit. Heute soll es aber nicht um Filme gehen, sondern um Bücher. Allerdings um Bücher, die durchaus visuell ansprechen. Eines zumindest hat auch direkte Verbindung zu Film.

„The Art of the Horror Film Press Advert: Alraune to Alien, 1918-1979“ von Paul Sutton

Dieses Buch hat die Art von unhandlichem Titel, der sonst der Ermordung von Jesse James vorbehalten ist. Was es mitbringt ist aber doch recht interessant. Ich erinnere mich noch, als Kind gab es diese Doppelseite in der Zeitung, auf der das Programm aller umliegenden Kinos verzeichnet war. Dazu war sie gefüllt mit kleineren und größeren Anzeigen, die Filminteressierte auf laufende Filme aufmerksam machen wollten. In den letzten Jahrzehnten des Internets hat natürlich sowohl diese Seite (sofern es sie überhaupt noch gibt, was ich für die meisten Zeitungen bezweifle) als auch die Printwerbung für Filme den Großteil ihrer Bedeutung verloren. Über Filmplakate, ihre Bedeutung und den durchschnittlichen Rückschritt ihrer Qualität, wenn sie immer mehr nur noch zu Icons für Streamingdienste werden, ist viel geschrieben worden. Die Printwerbung für den Film hingegen ist einfach einen stillen, kaum beachteten Tod gestorben. Das fand Paul Sutton ganz zu Recht schade und hat daher hochqualitative Scans aus seiner umfangreichen Filmmagazinsammlung und allerlei Archiven zusammengestellt. Der vorliegende Band bildet die Zeit von 1918 bis 1979 ab. Britische Anzeigen bilden dabei, eben aufgrund von Suttons Herkunft, den Löwenanteil. Aber es kommen auch allerlei europäische Anzeigen vor, darunter erfreulich viele deutsche.

Sutton fasst dabei die Idee von „Horror“ sehr weit. So räumte er den deutschen Edgar Wallace Filmen (die er als „german krimi“ vergenret) etwa viel Raum ein. Das schöne dabei ist, dass er nicht nach „deutsche Anzeigen für deutsche Filme“ aufteilt, sondern gerne zeigt wie Filme international vermarktet werden. Gerne auch mit welchen Fehlinformationen. Gleich eine der ersten Anzeigen bewirbt ein expressionistisches Crossover zwischen ‚Alraune und der Golem‘. Einem Film, den es nie gab. Auch ansonsten führt er Interessantes zu Tage. Etwa, dass es ein paar Monate vor ‚Der Weiße Hai‘ einen Hai-Film gab, der in seiner Anzeige mit einem sehr ähnlichen Motiv des aufstrebenden Hais mit aufgerissenem Maul warb. Weist aber auch darauf hin, dass der Film einfach das Cover von Peter Benchleys Romanvorlage kopiert haben könnte.

Das gesamte Buch ist schwarz-weiß gedruckt. Für das meiste funktioniert das natürlich wunderbar, denn so sah es immer aus. Gelegentlich ist es aber schade. Für eine verschwenderische 5-seitige(!) Anzeige für ‚Frankensteins Braut‘ aus einem US-Filmmagazin oder das Cover eines deutschen Programmheftes zu ‚Die Vögel‘ hätte ich mich über eine Handvoll Farbtafeln gefreut. Dennoch ist es spannend die Bandbreit zu sehen, mit der Filme beworben wurden. Mal ist es nur das Plakat, das abgedruckt wird, mal ist es eine gezeichnete Version des Covers, die in schwarz-weiß besser funktioniert. Doch gibt es auch Texte, kleine Bildchen oder sogar kurze Comicstrips, die Interesse für einen Film wecken sollen. Mit kommentierenden Texten hält sich Sutton weitgehend zurück, wenn er etwas anmerkt ist es oft genug interessant, auch wenn ich nicht in allem übereinstimme.

Das Buch scheint exklusiv bei Amazon erhältlich zu sein. Jedenfalls steht in meiner Ausgabe „Printed in Poland by Amazon Fulfillment“. Als Verlag ist „Camera Journal Cambridge“ vermerkt, was ich nur als den Namen eines 2009 gelöschten Blogs von Sutton ausmachen konnte. Der Druck ist allerdings sehr gut. Jedoch wellte sich das Papier, als das Buch hier eintraf. Nach ein paar Wochen im Bücherschrank eingezwängt, scheint sich das aber gegeben zu haben. Im Oktober sollte eigentlich ein weiterer Band mit Anzeigen aus den 80ern erscheinen, allerdings ist von dem bislang nichts zu sehen. Ich würd ihn kaufen…

„Paperbacks From Hell“ von Grady Hendrix

Mit dem Erfolg von Ira Levins „Rosemarys Baby“ begann nicht nur auf dem amerikanischen Buchmarkt eine extreme Nachfrage nach Horrorliteratur. Durch weitere gigantische Erfolge wie William Peter Blattys „Der Exorzist“ (1973) zunächst ein rein „satanisches“ Phänomen, zeigte Benchleys ‚Der Weiße Hai‘ (1974), dass auch anderer Horror funktionierte. Es folgte eine wahre Flut von schnell auf den Markt geworfenen Horror-Paperbacks immer in der Hoffnung den nächsten Hai oder Exorzisten im Angebot zu haben. Die Flut endete in den frühen 90ern, als der Thriller Horror als „genre du jour“ ablöste und von den vielen Paperback-Autoren nur Superstars wie Stephen King übrigblieben. Aber wie fällt man in einer solchen Horrorflut auf? Natürlich durch möglichst grelle Cover. Blut ist gut. Gruselhäuser. Federmäuse. Und Skelette, Skelette gehen immer.

Hier kommt unser Autor, Mr. Hendrix, ins Spiel. Seine Sammelleidenschaft für 70/80er-Horror wurde von einem ungewöhnlich bizarren Cover geweckt. John Christophers „The Little People“ zeigt einen typischen, grüngewandeten Leprechaun. Allerdings mit Nazi-Armbinde, Peitsche und reichlich fiesem Gesichtsausdruck. Dieser Fund sorgte dafür, dass Hendrix jahrelang Dollarkisten und Flohmärkte durchforstete und eine gigantische Sammlung anhäufte. Ein Buch, das die wunderbar übertrieben reißerischen Cover dieser Zeit illustriert wäre schon sehr gut. Aber Hendrix hat all diese Bücher auch noch gelesen.

Und natürlich finden sich bei so viel vergessenem Material einige Schätze an. An dieser Stelle wurde Hendrix‘ Buch zweischneidig. So effektiv macht er Lust auf einige der Geschichten, dass die Zweithand-Preise plötzlich von ein paar Dollar in die hunderte schossen. Doch zum Glück bemerkten sowohl Autoren als auch Verlage die neue Nachfrage und legten zahlreiche Bücher wenigstens als ebook neu auf. Ich lese etwa gerade Michael McDowells wunderbare „Blackwater“-Saga, die ich ohne dieses Buch niemals entdeckt hätte (nicht zuletzt weil sie seit Mitte der 80er vergriffen war).

Hendrix teilt die Bücher thematisch in Kapitel ein. „Creepy Kids“, „Real Estate Horror“, oder „When Animals Attack“ etwa. Diese Überschriften geben einen guten Eindruck des lockeren Tonfalls des Buchs. Hendrix ist sehr gut darin gleichzeitig ein Schmunzeln über besonders absurde Themen oder Cover (siehe eben die SM-Gestapochauns) zu transportieren, gleichzeitig aber auch seine Begeisterung für gelungene Bücher herüberzubringen. Ich jedenfalls habe bald angefangen mir Titel aufzuschreiben.

Wenn ich meckern sollte, dann höchstens, dass das Buch auf den amerikanischen Markt beschränkt ist. Aber das kann ich dem Amerikaner Hendrix nun echt nicht vorwerfen. Ansonsten halte ich das Buch von vorne bis hinten für gelungen.

Grady Hendrix selbst hat übrigens selbst einen Roman namens „Horrorstör“ verfasst. Ein Horrorroman im Stil eines Kataloges einer bekannten skandinavischen Möbelfirma gehalten. Den habe ich zwar noch nicht gelesen, der liegt, anders als „Paperbacks“, aber auch auf Deutsch vor und scheint gut anzukommen. Ich übernehme aber keine Verantwortung, wenn Ihr Angst vor Eurem Billy bekommt!

Ich helfe Ben Affleck dem DC Universum zu entkommen!

https://theplaylist.net/ben-affleck-segue-dceu-20171113/

„You don’t do it forever, so I want to find a graceful and cool way to segue out of it“
– Ben Affleck im obigen Artikel über seine Rolle als Batman

Ben Affleck möchte „einen coolen Weg sich aus dem DCEU zu verabschieden“? Na da kann ich helfen! Hier mein Kurzfilm-Skript namens ‚The Dark Flight of Stairs of the Dark Soul of the Dark Protector of Dark Gotham City‘, speziell für Herrn Affleck:

Ein düsteres Treppenhaus, irgendwo im großen, finsteren, ökonomisch benachteiligten Bereich Gothams. Batman eilt Treppen nach oben, er scheint ein wenig außer Atem, die Aufschrift an der Wand verrät, dass wir uns im 23. Stock befinden. Von oben sind Geräusche eines Kampfes zu hören. Nach mehreren Minuten hat Batman endlich das oberste Stockwerk erreicht. Er tritt auf einen Rollschuh und fällt rückwärts die Treppen herunter. Cartoon-Geräusche sind zu hören, *Sproings*, *Doings*, *Klirren* und *Tröten*. Dazwischen Batmans Schmerzenschreie: „Aua, mein Schlüsselbein!“, „Argh, meine Bauchspeicheldrüse!“, „Oh Gott, mein allgemeiner Rumpfbereich!“ Dann Stille. Der Sturz scheint vorbei. Doch nach 10 Sekunden beginnt der Krach von Neuem. *Plumps*, *Watsch*, *Zack* und „Urks, meine Achillessehne!“, „Oh, voll auf die Hirnhaut!“, „Iaaaah, meine Seele!“

Endlich kullert Batman aus der Vordertür des Gebäudes. Drei Personen warten hier und halten Preisrichterschilder hoch. Commissioner Gordon gibt ihm 8.5. Alfred gibt ihm 10.0 (er weiß wer sein Gehalt bezahlt). Und Martha Wayne gibt ihm 0.0! Moment, Martha Wayne?? Da nimmt sie die Maske ab! Es ist der Joker! Er verprügelt den am Boden liegenden Batman mit dem Preisschild. Mühevoll kämpft sich Batman auf die Füße. Er packt den Joker am Kragen und knurrt „Wer hat Dir verra…“ In dem Moment fällt ihm ein großer Tresor auf den Kopf. Die Tür öffnet sich und heraus tanzen in einer langen (laaaaaangen) Polonaise alle Schurken mit denen es Batman je zu tun hatte. Ein schockierter Gordon gibt 2.4 Punkte. Alfred bleibt bei 10.0 (er weiß wer im Testament begünstigt ist). Der Joker lacht. Zur Überraschung aller kriecht Batman unter dem Safe hervor. Die Schurken haben sich inzwischen zu zwei langen Revueballet-Linien aufgestellt und treten den angeschlagenen Helden mit elegant geschwungenen Tanzbeinen hin- und her. Gordon gibt eine wohlwollende 7.8. Alfred eine 4.3 (er hatte die Erbschaft jetzt eigentlich schon fest eingeplant). Der Joker schickt dem Regieassistenten eine tote Ratte in einer Tupperdose.

Nach etwa 10 Minuten gelingt es Batman den fliegenden Tritten zu entgehen. Er nimmt die Maske ab und wirft sie auf den Boden. „Der ganze Scheiß hier ist mir echt zu blöd! Ich verschwinde!“ (Meta: wir wissen nicht, ob hier Bruce Wayne oder Ben Affleck spricht! #genial #Oscar) Als er ohne nach links und rechts zu Schauen auf die Straße geht überfährt ihn ein Bus.

*Schwarzblende*

‚Fin‘

(begleitet von trauriger Akkordeon-Musik und gelegentlichen Maultrommeln)

Nach-Credits-Szene: jemand versucht mühsam einem von Weinkrämpfen geschüttelten Matt Damon klarzumachen, dass nicht wirklich Ben Affleck überfahren wurde.

zweite Nach-Credits-Szene: der Joker nimmt nochmal eine Maske ab und entpuppt sich als… Martha Wayne! Gordon nimmt die Maske ab und ist… Thomas Wayne. Beide grinsen, zeigen auf Bruce und sagen „April, April! Reingelegt! Du hättest Dein Gesicht sehen sollen, als Du dachtest wir wären erschossen aber selbst wir hatten nicht erwartet, dass Du dich als Fledermaus verkleidest!“ und alle lachen und lachen und lachen bis selbst Alfred sich nicht mehr zusammenreißen kann.

Cooler geht nicht.

Pierce „Kaiju“ Brosnan?

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„VORSICHT JACKIE! HINTER DIR! PIERCE BROSNAN! UND ER HAT EINE WAFFE! DIE IST ÜBRIGENS GIGANTISCH!! GENAU WIE PIERCE BROSNAN SELBER!!! DAS HÄTTE ICH VIELLEICHT ZUERST BRÜLLEN SOLLEN!!!! ABER MEINE KERNAUSSAGE BLEIBT BESTEHEN: VORSICHT JACKIE!!!!!“

Vielleicht wird es auch nur ein Crossover. ‚Ant-Man vs. Ex-Bond‘, oder so…

Hacker, Kidnapper und Piraten: Der ‚Fluch der Karibik – Salazars Rache‘ Hoax

Yo-Ho-Ho, analoges Kidnapping könnte sich überholt haben. Mitte Mai konnte man der Presse entnehmen, dass fiese Digital-Kidnapper sich den Johnny-Depp-braucht-dringend-Geld-Film ‚Fluch der Karibik – Salazars Rache‘ von Disneys-Servern erhackt haben sollen1. Nun drohten sie den Film zunächst in 5-minütigen, später 20-minütigen Schnipseln auf Youtube zu laden. Angesichts der durchschnittlichen Länge heutiger Blockbuster fällt diese Drohgebärde gegenüber der „klassischen“ Eskalationsfolge bei Entführungen, von „Foto mit aktueller Tageszeitung“ zu „abgeschnittenem Finger“ zu „abgeschnittenem Ohr“ erst einmal recht lasch aus.

Disney-Konzernboss Bob Igner gab sich daher auch kämpferisch. Wollte keinesfalls mit den Entführern verhandeln, sondern es Netflix gleichtun und mit dem FBI zusammenarbeiten, um die Ganoven zu stellen. Netflix war nämlich kurz vorher einige Folgen der neuen Staffel von ‚Orange is the New Black‘ gemopst worden2. Bei Netflix dachte man aber gar nicht daran die Hacker, die sich selbst „thedarkoverlord“ nennen zu bezahlen. Obwohl bereits ganze Folgen im Netz als Torrents zu finden sind, verlässt sich Netflix darauf, dass ihre Kunden die Einfachheit des Streaming-Dienstes schätzen und der Großteil sich nicht mit Fileshare-Programmen herumschlagen wollen werde. Ob diese Idee aufgeht wird sich zeigen müssen. „thedarkoverlord“ haben jedenfalls angekündigt, dass sie weiter machen wollen mit ihren Erpressungen.

Doch zurück zur Disney-Piraterie. Die erschien nämlich zunehmend seltsamer. Der Konzern veröffentlichte anfangs nur, dass ein Film entführt wurde und machte keine Angaben welcher. Die Seite Deadline gab später bekannt ein Informant habe bestätigt, dass es sich bei dem Opfer um das neue depperte Piratenspektakel handele3. Disney bestätigte das zunächst, wollte dann jedoch nichts mehr zu der Sache sagen. Das erschien merkwürdig. Warum erst die Entführung öffentlich machen, dann noch bestätigen, dass es um die Piraten geht, nur um dann plötzlich jeden Kommentar zu verweigern? Dann trat die Filesharing und Copyright Experten-Seite TorrentFreak auf den Plan. Die bauten Kontakt zum angeblichen Entführer auf, es stellte sich aber heraus, dass der behauptet er habe ‚Die Letzten Jedi‘ entführt und Deadline habe den Piraten-Titel schlicht geraten4. Allerdings konnte TorrentFreak auch große Zweifel an der Authentizität der Behauptung, der Hacker sei im Besitz von ‚Die Letzten Jedi‘ aufwerfen. TorrentFreak konfrontierte Disney sodann mit diesen Erkenntissen. In einem Interview mit Yahoo Finances änderte Iger dann seine Aussage5. Disney wurde nicht gehackt, es habe allerdings eine Drohung in diese Richtung gegeben. Also alles nur jede Menge heiße Luft.

Was bleibt ist die Frage nach dem „warum“. Was wollte Disney mit diesem sehr merkwürdigen Spektakel erreichen? Traute man seinem eigenen Piraten-Franchise nicht und wollte Interesse und Mitleid durch Berufung auf andere Piraten erwecken? Oder handelt es sich schlicht um Unerfahrenheit, gepaart mit Angst nach dem Netflix Fall, dem Sony-Hack und den kürzlichen Ransomware Attacken? Einen Film vor Veröffentlichung zu stehlen ist heute so einfach wie nie. Man muss keine Filmrollen mehr aus einem Lager schleppen, man braucht nur Zugriff auf eine mangelhaft geschützte Datei. Und für die Lösegeldübergabe braucht es keine dagobertschen Konstruktionen mehr, das geht via Bitcoin. War es echte Angst, war es ein Wunsch nach Publicity oder hat sich Iger anfangs einfach falsch ausgedrückt und wollte daraufhin keinen Fehler eingestehen (das scheint ja so eine Art CEO Krankheit zu sein)? TorrentFreak vermutet das Ziel des Konzern sei es den Kampf gegen die Daten-Piraterie mit allen Mitteln voran zu treiben6. Was auch immer stimmen mag, ein gewisser, unangenehm schaler Beigeschmack lässt sich nicht verleugnen.

Eine andere Frage wäre, wieviel Schaden eine entführte, früher veröffentlichte Version eines Films wirklich anrichten kann. Wie viele Leute laden sich mehrere Gigabyte als Torrent herunter und verzichten dafür auf den Besuch im Kino? Netflix war sich der Attraktivität seines Angebots im Angesicht der illegalen Gratis-Fileshare-Konkurrenz sehr sicher, das klassische Hollywood erscheint deutlicher weniger überzeugt. Das „Neuland“ Internet scheint für sie immer noch Feindesland.

1 http://www.stern.de/digital/online/fluch-der-karibik-5–hacker-stehlen-disney-hit—und-fordern-loesegeld-7455166.html

2 https://www.musikexpress.de/hollywood-wird-weiter-attackiert-hackergruppe-kuendigt-weitere-filmdiebstaehle-an-814311/

3 http://deadline.com/2017/05/pirates-of-the-caribbean-dead-men-tell-no-tales-hackers-ransom-1202094203/

4 https://torrentfreak.com/was-the-disney-movie-hacking-ransom-a-giant-hoax-170524/

5 https://finance.yahoo.com/news/disney-ceo-not-hacked-183725507.html

6 https://torrentfreak.com/even-fake-leaks-can-help-in-hollywoods-anti-piracy-wars-170527/