Der folgende Artikel enthält Besprechungen später Teile des Buches und des Lynch Films. Diese können natürlich als Spoiler für den kommenden zweiten Teil der Villeneuve Version verstanden werden. Ihr seid gewarnt!
Wer bereits meinen Artikel „Wenn eine Neuverfilmung den alten Film besser macht“ gelesen hat, kennt meine Antwort hier ja bereits. Nö, der ist bei weitem nicht so schlecht, wie ich und viele andere ihn lange eingeschätzt haben. Ich denke, ich werde mein übliches Rezensionsformat hier ein wenig abändern. Ich werde mich auf die Teile konzentrieren, die ich für gut gelungen befinde und die meiner Meinung nach den Film sehenswert machen. Am Ende werde ich auch die fraglosen Probleme des Films noch kurz ansprechen.
Also dann, es waren einmal die frühen 80er. Jeder wollte noch unbedingt seinen eigenen Star Wars haben. Einen Blockbuster, der dank Merchandise ein ungeahntes und womöglich nie endendes Geld einspielen würde. Der italienische Produzent Dino De Laurentiis, seit Mitte der 70er in Hollywood, wollte das auch gerne. Und da traf es sich gut, dass er die Rechte an einer Verfilmung von Frank Herberts Roman ‚Dune – Der Wüstenplanet‘ gekauft hatte, nachdem Alejandros Jodorowskis Version grandios in der frühen Produktion scheiterte und eine von Ridley Scott nie zustande kam. Star Wars hatte sich fraglos von ‚Dune‘ inspirieren lassen, was hätte also bessere Chancen der Star Wars Killer zu werden? Und für die Regie wollte De Laurentiis David Lynch. Ob das an dessen früheren Filmen, ‚Eraserhead‘ und ‚Elephant Man‘ lag, ist unklar. Es ist nicht einmal sicher, ob De Laurentiis die gesehen hatte. Aber Lynch hatte die Regie an ‚Die Rückkehr der Jediritter‘ abgelehnt. Damit wäre man Star Wars also noch einen Schritt näher!
Das Problem war, dass Lynch sich nicht für SciFi interessierte. Er behauptete später, er habe ‚Dune‘ nie gelesen, was ich aufgrund der Tatsache, dass er das Drehbuch geschrieben hat und es in vielen Dingen nicht so weit ab von der Vorlage ist (und sogar auf andere Dinge anspielt), für unwahrscheinlich halte. De Laurentiis lockte ihn wohl mit dem Versprechen, ihm danach sein Herzensprojekt ‚Blue Velvet‘ zu finanzieren. Etwas wofür Lynch so dankbar war, dass er sich bis heute weigert schlecht über De Laurentiis zu sprechen. Obwohl ihre professionelle Beziehung während der Arbeit an ‚Der Wüstenplanet‘ wohl mindestens angespannt war. Lynch jedenfalls legte ein Drehbuch vor, das auf gut vier Stunden Drehzeit gekommen wäre (erstaunlich nahe an dem, wo Villeneuves Zweiteiler landen könnte…). Heute wäre ein vierstündiger Blockbuster nicht mehr unvorstellbar, aber in den 80ern? Unmöglich. So entwickelte Lynch einen zweiten Entwurf, der auf etwa drei Stunden kam. Mit dem begann er auch zu drehen. Am Ende würde man ihm den Endschnitt nehmen und einen 2 ¼ Stunden Film schneiden. Der für Zuschauer ohne Kenntnis des Buches, trotz ewiger Exposition und geflüsterten, inneren Monologen der Charaktere, kaum nachzuvollziehen sein dürfte.
Die Handlung in aller Kürze: im 11ten Jahrtausend baut das mächtige Adelshaus Atreides im geheimen eine Armee auf, die es mit revolutionären Schallwaffen ausstatten will. Das gefällt dem mächtigen Imperator (José Ferrer) überhaupt nicht. Daher verleiht er ihnen das wertvollste Lehen, den Planeten Arrakis, auf dem das Spice geerntet wird, dass für die Raumfahrt und somit das Imperium unabdingbar ist. Der Planet gehörte bislang den Erzfeinden der Atreides, den Harkonnen. Der Imperator und die Harkonnen planen die Übergabe nur als reine Falle, in der sie ihre Feinde vernichten können. Doch Jessica (Francesca Annis), die Konkubine des Herzogs Atreides (Jürgen Prochnow) und mächtige Bene Gesserit, ihr gemeinsamer Sohn Paul (Kyle MacLachlan) entkommen dem Gemetzel und fliehen zu den Ureinwohnern des Planeten, den Fremen, in die Wüste. Der Kult der Bene Gesserit hat auf sämtlichen Welten Religionen gestreut, die in einer Bene Gesserit und ihren Nachkommen Messias-Figuren erkennen, für den Fall, dass eine der ihren in Not geraten sollte. Und so übernimmt Paul, als Paul Muad’dib alsbald die Führung der Fremen, die er mit den Schallwaffen ausstattet. So bringen sie die Spice Ernte zum Erliegen, was den Imperator zum Eingreifen zwingt und er in einer letzten Schlacht geschlagen wird.
Was ist gut an dem Film? Ich finde eine frühe Szene sehr beschreibend. Wir sehen den Imperator und seinen Hofstaat im typischen SciFi Feudalismus mit viel Gold und aufwändigen Kostümen. Herein kommt eine Abgesandtschaft der Navigatorengilde, deren Navigatoren durch ständige Spice Einnahme die Fähigkeit erlangen den Raum zu beugen und so Reisen durch das All zu ermöglichen. In schwarzes Leder gekleidet, kahl und merkwürdig, übernehmen sie direkt die Kontrolle. Der Imperator ist abhängig von ihnen und gibt sich unterwürfig. Dann sehen wir den Navigator selbst (etwas was im Buch noch niemals jemand hat) und was für ein Anblick er ist. Irgendwo zwischen Fötus und der Frau in der Heizung aus ‚Eraserhead‘ beginnt das Wesen aus einer Art Anus-Mund zu sprechen. Als die Gesandtschaft geht, versuchen einige Gildenmitglieder halbherzig den Schleim des Navigators wieder aufzufeudeln, doch der marmorne Fußboden ist unwiederbringlich verschmutzt.
Das ist ein David Lynch-Film, der in einen klassischen SciFi Film einmarschiert und direkt die Kontrolle übernimmt. An dieser Stelle wäre ich nicht mehr überrascht, wenn der Navigator „In heaven, everything is fine“ zu singen begänne. Ich liebe jede Sekunde dieser Szene und immerhin das tat ich schon immer.
Weiterhin positiv zu erwähnen ist die Musik von Toto. Nicht unbedingt die Leute an die man für einen SciFi Film denken würde, aber die leicht rockigen Melodien funktionieren wunderbar. Und wenn Paul und Stilgar (Everett McGill) später einen Sandwurm reiten und vor rotem Sonnenuntergang die E-Gitarren einsetzen, dann ist das einfach verdammt cool. Hans Zimmers Klangteppich für die neue Version ist viel gelobt worden, aber Totos Fassung muss sich echt nicht verstecken. Besser im Ohr bleibt sie auch. Besonders hervorheben möchte ich allerdings Brian Enos wunderbar ätherisches „Prophecy Theme“:
Weiterer Höhepunkt sind die Harkonnen. Angefangen bei ihrem Planeten Giedi Prime. Offiziell hatte H.R. Giger mit dem Film nichts mehr zu tun, aber möglicherweise hat man einige Entwürfe der Jodorowski Version mit eingekauft. Denn Giedi Prime sieht zutiefst nach Giger aus. Von einem Fabrikschlot der schwarzen Qualm aus aufgeblähten Backen zu pusten scheint, über irrwitzige industrielle Labyrinthe hin zu den Alptraum-Kerkern, in denen die Harkonnen selbst hausen. Kenneth McMillen ist ein widerwärtiges Highlight des Films. Im Englischen spricht man von „chewing the scenery“, wenn ein Darsteller übertrieben agiert. Nun, McMillen zerkaut das Bühnenbild, schluckt es runter, würgt es wieder hoch und kaut es gleich noch einmal. Das ist ein Charakter derart übertrieben, dass nur Lynch ihn funktionieren lassen kann. Herberts Homophobie, die sich im Buch an Harkonnen abarbeitet, überzieht er ebenfalls ins Absurde, wenn der Baron einem verängstigten Untergebenen einen Herzstecker aus der Brust zieht und sich (weitgehend off camera) über ihn hermacht, während sein Blut spritzt. Paul L. Smith (Fun Fact über Smith: der hat in den 70ern mit dichtem Vollbart an italienischen Bud Spencer Plagiatsfilmen mitgearbeitet) gibt seinen stumpfen Neffen Rabban, ähnlich grausam aber weniger raffiniert. Der zerquetscht kleine Insekten, um sie wie eine Capri-Sonne auszutrinken und reißt die Zunge aus einem Kuhkadaver, um sie aufzuessen. Brad Dourif ist Mentat Piter De Vries, ähnlich psychopatisch wie das Haus dem er dient. Ein Sadist, der sich bis zu seinem eigenen Tod durch Herzog Atreides Zahngas, an der eigenen Bösartigkeit weidet. Stings Feyd Rautha wirkt zunächst wie ein Fremdkörper zwischen den grotesken Gestalten und doch sehen wir Andeutungen, dass er der Schlimmste von allen ist.
Die Atreides bleiben weitgehend blass, mit einer Ausnahme. Alia, gespielt von einer sehr jungen Alicia Witt, ist der Stoff aus dem Alpträume sind. Lady Jessica war schwanger mit ihr, als sie als Ehrwürdige Mutter der Fremen eine Überdosis Spice zu sich nehmen musste. Dadurch wurde Alia mit dem gesamten Wissen einer Ehrwürdigen Mutter der Bene Gesserit geboren. Im Film sehen wir sie, als sie zwei oder drei Jahre alt ist und im Schiff des Imperators auftaucht, um Baron Harkonnen zu bedrohen und zu ermorden. Sie spricht mit der Stimme eines Kleinkinds aber in seltsam reifen Sätzen. Einmal sehen wir kurz ihr flammend rotes Haar, was ein Hinweis auf viel spätere Entwicklungen der Buchreihe sein könnte (oder schlicht der Tatsache geschuldet ist, dass Witt rote Haare hat…).
Ansonsten hat der Film eine Reihe brillanter Miniatureffekte, insbesondere, wie reale Darsteller mit Miniaturen interagieren, also etwa aus gigantischen Raumschiffen aussteigen. Die Wurmeffekte funktionieren bis heute sehr gut. Sei es der Moment, wenn ein Wurm den Ernter frisst, oder Paul den Reithaken zwischen die Segmente drückt. Man hat sich weiterhin ein Beispiel an Star Wars genommen und lässt Dinge gebraucht aussehen. Besonders sichtbar in der Szene, wenn Liet Kynes (Max von Sydow) den Atreides die Spice Ernte zeigt. Sein Stillsuit ist sonnengebleicht, abgenutzt und verschmutzt, die der anderen sind brandneu.
Was funktioniert nicht? Nun, die übergreifende Geschichte. Trotz jeder Menge Exposition, oder gerade deswegen, folgt man dem Film kaum. Charaktere treten auf, nur um zu verschwinden (wofür genau war Duncan Idaho (Richard Jordan) im Film? Um in den Kopf geschossen zu werden?), oder tauchen spät wieder auf, nur um doch keine Rolle zu spielen (siehe Patrick Stewarts Gurney Halleck). Oder ihr Bogen bleibt schlicht unerfüllt, siehe Thufir Hawat, den die Harkonnen in ihre Dienste zwingen. Sein Selbstmord, als er herausfindet, wer der Fremenführer Muad’dib wirklich ist, wurde gefilmt, schaffte es aber nicht in die Endfassung. Hier hätte man vermutlich ordentlich Personal eindampfen können. Die Schallmodule um die Kampfart des „weirding way“ zu ersetzen sind… okay, denke ich. Habe ich lange gehasst, heute sehe ich, warum das visuell, gerade damals, vermutlich besser funktioniert. Außerdem hat Lynch ja sowieso so ein Faible für die zerstöreische Kraft der Sprache.
Apropos visuell, für einen Lynch Film, gerade einen mit so viel mehr Action als gewöhnlich, ist der Film erstaunlich statisch. Nicht nur die einzelnen Bilder, es ist insgesamt wenig Zug drin und in der zweiten Hälfte fällt die Handlung dann ziemlich auseinander mit etwas Training, einer „zerstören wir Spice-Ernter“ Montage und dann plötzlich schon dem Endkampf.
Aber dennoch, der Film enthält mehr als genug, was ihn sehenswert macht. Gerade als Begleitstück zur modernen Verfilmung würde ich ihn unbedingt empfehlen. Schon damit man mal vergleichen kann, wo sich Villeneuve (und Hans Zimmer!) eindeutig hat inspirieren lassen.