Ich weiß es jetzt schon, nur etwa acht Leute werden diese Rezension lesen. Und ich verstehe durchaus warum. Ein deutscher Genrefilm mit dem Titel ‚Ach Du Scheiße!‘ weckt halt gewisse negative Erwartungen. Erwartungen an miefigsten Pipi-Kacka-Humor, ausgespielt in der Hoffnung handwerkliches Unvermögen und nicht vorhandenes Budget zu überspielen. Daher falle ich hier ausnahmsweise mal mit der Tür ins (Scheiß-)Haus: der Erstling von Autor und Regisseur Lukas Rinkner ist zwar durchaus Pipi-Kacka-eklig und hat sicherlich nicht viel Budget zur Verfügung gehabt, doch handwerkliches Können kann man ihm absolut nicht absprechen. Und das Budget Problem umgeht Rinkner geschickt mit einer Inszenierung als Escape-Klo-Film. So, in der Hoffnung, dass Ihr jetzt nicht direkt wegklickt, nochmal ausführlicher.
Es beginnt mit dem Striptease einer jungen, blonden Frau auf einer Trockeneis-vernebelten Bühne, während im Hintergrund „Ohne dich“, der 80er Hit der Münchner Freiheit erklingt. Doch dann erwacht Architekt Frank Lamm (Thomas Niehaus) mit einer Platzwunde am Kopf und muss feststellen, dass die schöne Blonde nur ein Pinup auf der Innentür eines Dixiklos war. Eines Dixiklos, das offenbar auf der Seite liegt. Und, dass von einer rostigen Stahlstrebe durchbohrt ist, die Franks rechten Arm an die Außenwand nagelt. Und dessen Tür in offensichtlich böswilliger Absicht mit einem Vorhängeschloss verschlossen wurde. Aber das geht noch schlimmer. In aus der Ferne herüberwehenden Geräuschen eines Volksfestes, kann Frank die Worte seines Freundes, des Bürgermeisterkandidaten Horst Wolff (Gedeon Burkhard) hören, der eine Sprengung in 30 Minuten ankündigt. Da wird Frank klar, in welch fataler Position er sich befindet. Er ist auf der Baustelle des alten Gutshauses, das er und Horst sprengen wollten, um Platz für ihr großes Projekt, ein neues Ressort-Hotel zu machen. Gewisse Fragen drängen sich auf. Etwa wie Frank in diese missliche Lage gelangt ist, denn erinnern kann er sich nicht. Oder, vielleicht derzeit wichtiger, wie er ihr wieder entrinnen kann. Denn bei sich hat Frank nur einen Zollstock und einen Hammer. Sein Mobiltelefon steckt, scheinbar unerreichbar, in der semiviskosen Fäkalmatsche, die, in normalen Zeiten, einmal „unten“ im Klo gewesen wäre. Es beginnt ein, aufs stille Örtchen begrenzter, Wettlauf gegen den Tod.
Und Rinkner nimmt seine örtliche Begrenzung hier absolut ernst. Wir sehen nur, was Frank im Klo und durch kleine gehämmerte Löcher sehen kann. Selbst Rückblenden werden nur gezeigt, wenn sie im Dixi stattfinden, ansonsten hören wir sie nur akustisch. Wir erfahren Einiges über unseren zentralen Charakter. Etwa, dass er privat ein unzuverlässiger Workaholic ist, der seine Freundin Marie (Olga von Luckwald) äußerst nachlässig behandelt. Aber wir bekommen auch Hinweise, wie er in diese Situation geraten sein könnte. Denn außerhalb des Klos erspäht er den reglosen Körper von Frau Grün (Friederike Kempter) vom Umweltamt, die den Abriss und Neubau verhindern wollte, ist hier doch Brutgebiet des Gamsbartkauzes.
Rinkner erzählt sein extremes Kammerspiel durchaus mit schwarzhumorigem Augenzwinkern, der Klodeckel mit Smiley-Gesicht drauf erweist sich als eine Art Anti-Wilson, der Frank mit „Bernd-das-Brot“-iger Negativität auf die Aussichtslosigkeit seiner Situation hinweist, aber er nimmt Franks Schmerz, Leid, Ekel und Angst dabei durchaus ernst. Sein angenagelter Arm, in deftigen, praktischen Effekten präsentiert, tut tatsächlich schon beim Hinschauen weh und der Inhalt des kloeigenen Verbandskastens hilft erkennbar wenig. Aber das ist ein Hinweis auf das was einen guten Teil der Story ausmacht. Frank ist Architekt, ein intelligenter Charakter, der durchaus zu planen weiß. Und so erleben wir, quasi in Echtzeit, wie er Plan um Plan fasst, der frustrierend fehlschlägt, bis seine Versuche später verzweifelter und absurder werden. Einer betrifft gar ein zufällig vorbeihoppelndes Häschen und eine Möhre aus einer vergessenen Brotzeitdose.
Thomas Niehaus bestreitet dementsprechend einen sehr großen Teil des Films quasi als One-Man-Show mit der Kamera oft in Großaufnahme auf seinem Gesicht. Er tut das mit sehr lesbaren Emotionen von Verzweiflung bis Entschlossenheit während seine großen Augen im steig dreckiger werdenden Gesicht immer ausdrucksstärker werden. Ihm gegenüber Gedeon Burkhard, der erkennbaren Riesenspaß an seiner Rolle als Provinzpolitik-Psychopath hat, der seinen Irrsinn hinter einer Bierseligen Fassade falscher Jovialität versteckt (und nein, das betrachte ich jetzt nicht als großen Spoiler). Bajuwarische Politik und Polizei kommen hier übrigens gleichermaßen schlecht weg.
Ist das also ein rundum gelungener Film? Nein, natürlich nicht, aber ein grandioser Erstling, ohne jede Frage. Mit 90 Minuten befindet sich die Prämisse bereits am äußersten Punkt ihrer Dehnbarkeit und der Film hat mich, ausgerechnet, in seinem Finale ein wenig enttäuscht. Ohne hier zu viel zu verraten, hatte ich den Eindruck, dass das auch eher eine Notlösung war. Auf mich wirkte das, als hätte man hier eigentlich eine wilde Funsplatter-Eskalation geplant, wurde dann aber eben doch vom Budget gekniffen und musste allzu viel Offscreen stattfinden lassen. Dabei hätte hier etwas mehr Remmidemmi nach der würgend klaustrophobischen Handlung sehr kathartisch gewirkt.
Und dennoch es bleibt ein doller Genrebeitrag aus Deutschland. Etwas, von dem man immer wieder hört, das sei gar nicht möglich. Dabei kommt vermutlich alle paar Monate ein gelungener, deutscher Genrefilm heraus. Das eigentliche Problem scheint mir eher, dass das keiner mitbekommt. Denn die Filme haben kaum das Budget ihre Vision umzusetzen, geschweige denn für Werbung. Und das hat auch mit der deutschen Filmförderung zu tun, die ihre Gelder am liebsten in die üblichen Romcoms und ewig gleichen Historienfilme steckt, die mundgerechtes Abendprogramm für die öffentlich rechtlichen Sender liefern. Oder kann mir irgendwer erklären, warum ein ‚Manta, Manta – zwoter Teil‘ der Förderung bedarf?
Aber gut, ein Fördergeld-Rant meinerseits wird Lukas Rinkners Film wirklich alles andere als gerecht. Ob er sich mit seinem, zweifelsohne passenden Titel einen großen Gefallen getan hat, weiß ich nicht, aber das ist die Art Film, die sicherlich demnächst als Kultfilm entdeckt werden dürfte.