Sex – und das wissen wir nicht erst seit ‚Scream‘ – im amerikanischen Horrorfilm ist gefährlich. Der durchschnittliche Slasher scheint ein konservativer Betonkopf zu sein, dessen Blut durch Teenager (vor allem weibliche), die vorehelichen Sex haben, zum Kochen gebracht wird. Gestoppt wird er dann von der abstinenten Jungfrau, dem ‚last girl‘.
Regisseur David Robert Mitchell ist sich all dessen bewusst und spielt mit den Klischees und unterwandert sie. Das undefinierte ‚It‘ in seinem Film ist ein sexuell übertragbarer Killer, der die Form jedes beliebigen Menschen annehmen kann und sein Opfer unaufhörlich verfolgt. Das kann metaphorisch natürlich in einer großen Bandbreite gedeutet werden: allgemeine Angst vor Intimität, Vergewaltigung/Date Rape oder auch sexuell übertragbare Krankheiten.
Der Film begleitet die 19jährige Jay, sehr sympathisch gespielt von Maika Monroe (The Guest), die nach einem eher traumatischen Date mit ihrem Freund ‚Hugh‘, mit dem obigen Fluch infiziert wurde und erfährt, dass ihre einzige Überlebenschance ist den Fluch weiterzugeben. Zitat Hugh „Sollte für dich doch kein Problem sein, du bist doch heiß!“. Die Idee, dass Jay moralische Bedenken haben könnte kommt ihm nicht. Zum Glück hat Jay einen solidarischen Freundeskreis, der bereit ist ihr zu helfen. Und hier liegt eine große Stärke des Films: die Teenager wirken wie echte Menschen, nicht wie die üblichen Mini-Hedonisten in Horrorfilmen, die dem Zuschauer nur auf die Nerven gehen sollen. Doch, da nur Jay ihren gnadenlosen Stalker sehen kann ist fraglich wie viel sie ausrichten können. Erwachsene sind in der Welt des Films übrigens quasi nicht anwesend (der Regisseur zieht hier Vergleiche zu den ‚Peanuts‘).
Mitchell versucht nicht seine Vorbilder zu verbergen: ganz vorne John Carpenter, was Bildästhetik und Musik angeht, es finden sich aber auch Spuren von George Romero, die Traumlogik Dario Argentos und thematisch wildert er in den Randgebieten von David Cronenberg. Doch schafft er es eine eigene nervenaufreibende, bedrückende Note zu entwickeln. Dank ausgeklügeltem Produktiondesign – es werden Requisiten aus den 50ern bis hin zu aktuellen verwendet und teilweise zweckentfremdet – wirkt der Film völlig zeitlos.
Der Film wird sicher Diskussionen hervorrufen: ist er sexpositiv oder negativ? Bestraft er Frauen für Sex, wie die oben erwähnten Slasher oder untersucht er Themen wie Angst vor Intimität und Mortalität auf deutlich feinfühligere Art und Weise? Ich neige zu zweiten Antwort, kann aber die erste Interpretation nachvollziehen.
FAZIT: Bedrückender, alptraumhafter Film, der quasi ohne Gewaltspitzen (von einer heftigen am Anfang abgesehen) auskommt und daher auch für nicht Horrorfans geeignet ist.
8/10