Gestern Gesehen: It Follows (2014)

Sex – und das wissen wir nicht erst seit ‚Scream‘ – im amerikanischen Horrorfilm ist gefährlich. Der durchschnittliche Slasher scheint ein konservativer Betonkopf zu sein, dessen Blut durch Teenager (vor allem weibliche), die vorehelichen Sex haben, zum Kochen gebracht wird. Gestoppt wird er dann von der abstinenten Jungfrau, dem ‚last girl‘.

Regisseur David Robert Mitchell ist sich all dessen bewusst und spielt mit den Klischees und unterwandert sie. Das undefinierte ‚It‘ in seinem Film ist ein sexuell übertragbarer Killer, der die Form jedes beliebigen Menschen annehmen kann und sein Opfer unaufhörlich verfolgt. Das kann metaphorisch natürlich in einer großen Bandbreite gedeutet werden: allgemeine Angst vor Intimität, Vergewaltigung/Date Rape oder auch sexuell übertragbare Krankheiten.

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Passant oder Killer? Jay (und der Zuschauer) können sich nie sicher fühlen

Der Film begleitet die 19jährige Jay, sehr sympathisch gespielt von Maika Monroe (The Guest), die nach einem eher traumatischen Date mit ihrem Freund ‚Hugh‘, mit dem obigen Fluch infiziert wurde und erfährt, dass ihre einzige Überlebenschance ist den Fluch weiterzugeben. Zitat Hugh „Sollte für dich doch kein Problem sein, du bist doch heiß!“. Die Idee, dass Jay moralische Bedenken haben könnte kommt ihm nicht. Zum Glück hat Jay einen solidarischen Freundeskreis, der bereit ist ihr zu helfen. Und hier liegt eine große Stärke des Films: die Teenager wirken wie echte Menschen, nicht wie die üblichen Mini-Hedonisten in Horrorfilmen, die dem Zuschauer nur auf die Nerven gehen sollen. Doch, da nur Jay ihren gnadenlosen Stalker sehen kann ist fraglich wie viel sie ausrichten können. Erwachsene sind in der Welt des Films übrigens quasi nicht anwesend (der Regisseur zieht hier Vergleiche zu den ‚Peanuts‘).

Wüsste ich mehr über

Wüsste ich mehr über ‚Scooby-Doo‘ stünde hier eine sehr lustige Anspielung

Mitchell versucht nicht seine Vorbilder zu verbergen: ganz vorne John Carpenter, was Bildästhetik und Musik angeht, es finden sich aber auch Spuren von George Romero, die Traumlogik Dario Argentos und thematisch wildert er in den Randgebieten von David Cronenberg. Doch schafft er es eine eigene nervenaufreibende, bedrückende Note zu entwickeln. Dank ausgeklügeltem Produktiondesign – es werden Requisiten aus den 50ern bis hin zu aktuellen verwendet und teilweise zweckentfremdet – wirkt der Film völlig zeitlos.

„Jay? Ich glaub‘ wir sind falsch abgebogen und in ‚Halloween‘ gelandet“

Der Film wird sicher Diskussionen hervorrufen: ist er sexpositiv oder negativ? Bestraft er Frauen für Sex, wie die oben erwähnten Slasher oder untersucht er Themen wie Angst vor Intimität und Mortalität auf deutlich feinfühligere Art und Weise? Ich neige zu zweiten Antwort, kann aber die erste Interpretation nachvollziehen.

Eine 60er Jahre Schminkdose als Smartphone/E-Reader (und ein Teenager liest Dostojewskis 'Idiot')

Eine 60er Jahre Schminkdose als Smartphone/E-Reader (und ein Teenager liest Dostojewskis ‚Idiot‘)

FAZIT: Bedrückender, alptraumhafter Film, der quasi ohne Gewaltspitzen (von einer heftigen am Anfang abgesehen) auskommt und daher auch für nicht Horrorfans geeignet ist.

8/10

„Hey-hey-hey, beep-beep! Wem soll ich folgen? Bin ich zu spät? Wo sind denn alle? Hey, nicht das Licht ausmachen! Och. . .“

Gestern Gesehen: Electric Boogaloo (2014)

1979 beschlossen die israelischen Cousins Menahem Golan und Yoram Globus nach Los Angeles zu gehen und den amerikanischen Traum zu leben. Also von reichen Männer zu noch reicheren Männern zu werden. Denn die beiden waren in Israel Produzenten des ersten „Eis am Stiel“ Films, einer Erotikkomödie, die ein internationaler Erfolg wurde (in (West-)Deutschland z.B. Platz 11 der Charts). Das so verdiente Geld investierten sie um die Hollywood-Klitsche „Cannon Group“ zu kaufen, die zu dieser Zeit auf die Herstellung kostengünstiger Slasher und Erotikfilme spezialisiert war.

Franco Nero - Texas Ninja. . . wait,what?

Franco Nero – Texas Ninja. . . wait,what?

Golan und Globus verschoben den Fokus mehr in Richtung billige Actionfilme (wer jemals einen 80er Chuck Norris oder amerikanischen Ninja Film gesehen hat kennt zumindest einen Cannon Film).

Michael Dudikoff - möchte bitte von den 'Expendables' angerufen werden. . . bitte? halloho!

Michael Dudikoff – möchte bitte von den ‚Expendables‘ angerufen werden. . . bitte? halloho!

Electric Boogaloo blickt zurück auf die Schaffenszeit von Golan und Globus bei Cannon Films in Interviews mit Mitarbeitern, ehemaligen Stars und Regisseuren. Diese gehen manchmal über einen amüsierten Rückblick hinaus und bei manchem Interviewpartner kommen alte Empörung, Enttäuschung oder gar blanker Hass zum Vorschein. Auch die oftmals „kreative“ Finanzierung der teilweise über 40 Filme pro Jahr bleibt nicht außen vor. Aufgelockert wird das ganze durch Ausschnitte aus den besprochenen Filmen und Archivmaterial aus Nachrichtensendungen und Cannon Werbematerial. Der Schnitt ist hierbei manchmal etwas frenetisch und man wünscht sich die eine oder andere Information etwas länger verdauen zu können.

Später Protest für unbezahlte Filmcrews

Später Protest für unbezahlte Filmcrews: Laurene Landon verbrennt eine ‚America 3000‘ VHS

Zum Glück werden auch die – wenigen aber durchaus vorhandenen – guten bis großartigen Filme nicht übergangen. Tobe Hoopers „Lifeforce“, Franco Zeffirellis „Otello“ (der die Zusammenarbeit mit Golan und Globus gar als die Beste seiner Karriere bezeichnet) und mein persönlicher Favorit „Runaway Train“.

Rufen vermutlich gerade die 'Expendables' an Yoram Globus (sitzend) und Menahem Golan

Rufen vermutlich gerade die ‚Expendables‘ an Yoram Globus (sitzend) und Menahem Golan

Das Ende der großen Cannon Zeit kam dann 1987 aufgrund drei großer Flops: „Over The Top“(der Armdrückfilm mit Sylvester Stallone unter Regie von Menahem Golan), Superman 4 (ein Film, den eigentlich keiner der Beteiligten machen wollte – man merkt’s) und „Masters of the Universe“ (hey, Frank Langella hatte Gerüchteweise Spaß als Skeletor – gut für ihn). Diese kommen natürlich auch nicht zu kurz.

"Mein Sohn liebt Skeletor" Frank Langella in einer seiner liebsten Rollen

„Mein Sohn liebt Skeletor“ Frank Langella in einer seiner liebsten Rollen

FAZIT: Portrait zweier Rebellen, die Hollywood für einige Jahre aufgemischt haben. Es werden die guten wie auch die wirklich schlechten Seiten beleuchtet, ohne, dass der Film selbst Urteile fällen würde. Der rasante Schnitt mag den einen oder anderen nerven.

8/10 nicht zu Ende gedachten Filmideen

PS: weil ich vermutlich nie mehr ’ne Ausrede finde sie zu posten, hier zwei Ausschnitte aus Golans 1980er Musical „The Apple“ die man gesehen haben muss, um sie zu glauben:

Life is noTHING but showBUSiness – man beachte den Segway, 20 Jahre bevor es das Gerät gab

How to be a Masteur – man beachte irgendwie alles