‚African Queen‘ (1951)

‚African Queen‘ ist einer dieser Filme, die einen Ruf haben. Es ist aber auch einer der weit selteneren Filme, der diesem Ruf gleichzeitig gerecht wird und auch wieder nicht. Was der Film aber ohne jede Frage ist, ist unterhaltsam. Daran hat sich bis heute nichts geändert und es liegt vor allem an der brillanten Chemie zwischen Katharine Hepburn und Humphrey Bogart, die beide ziemliche Standardcharaktere nehmen und sie zu etwas Unvergesslichem machen.

1914 betreibt der britische Missionar und Pastor Samuel Sayer (Robert Morley) gemeinsam mit seiner unverheirateten Schwester Rose (Hepburn) eine Kirche in einem afrikanischen Dorf am Ufer des Ulangaflusses in Deutsch-Ostafrika. Post und Versorgungsgüter erhalten sie mit dem altersschwachen Dampfboot African Queen, dessen einzige offizielle Besatzung der verwahrloste Charlie Allnutt (Bogart) ist. Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges zieht eine deutsche Schutztruppe durch das Dorf, brennt es nieder und verprügelt Pastor Sayer. Der fällt daraufhin in ein Fieber und stirbt. Allnutt hilft Rose ihn zu bestatten und nimmt sie auf seinem Boot mit. Ab hier gehen die Pläne der beiden allerdings weit auseinander. Charlie will in einem Seitenarm des Flusses ankern und, mit genug Verpflegung und vor allem Gin, einfach das, sicher baldige, Ende des Krieges abwarten. Rose hingegen will den Ulanga hinab über den Tanganjikasee in freundlichere Gebiete. Charlies Sorge, dass man dafür durch kaum zu navigierende Stromschnellen muss, an einer deutschen Festung vorbei und schließlich auf dem See der Königin Luise, einem schwer bewaffneten Kanonenboot gegenübersteht will sie nicht nur nicht einsehen, sie entwickelt gar einen Irrsinnsplan, das Kriegsschiff zu versenken. Gut, denkt sich Charlie, die ersten Stromschnellen werden sie schon eines Besseren belehren. Er irrt sich.

‚African Queen‘ hat uns, trotz Dreharbeiten vor Ort, sehr wenig über Afrika zu erzählen. Noch weniger über Imperialismus und eigentlich gar nichts über den Krieg. John Huston fokussiert seine Erzählung messerscharf auf die beiden Charaktere in ihrem Zentrum. Und diese beiden Charaktere sind stark genug um sie problemlos zu tragen. Manches mag einem heute wie ein alter Hut vorkommen, nicht zuletzt deshalb, weil es hier erfunden oder perfektioniert wurde. Natürlich gibt es eine Szene in der Raubein Allnutt die sittenstrenge Pastorenschwester Rose in eine peinliche Situation bringt. Natürlich gibt es die Szene in der Rose den Gin des Säufers vom Boot kippt. All das zeigt aber, was für ein bedeutender Knotenpunkt im Nervensystem Hollywoods (oder Kinos allgemein) dieser Film ist. Von hier lassen sich direkte Linien zu Werner Herzogs Dschungelwahnsinn etwa in ‚Fitzcarraldo‘ ziehen. Genauso aber auch zu Spielbergs heroischem ‚Indiana Jones‘, sogar die Gegner sind hier schon deutsch, wenn auch keine Nazis. Der Film vermengt fröhlich die DNA von Abenteuer, romantischer Komödie und Buddy-Film zu einem sehr unterhaltsamen Hybriden und wird seinerseits zu einem Füllhorn für zukünftige Filme, um sich an Szenen zu bedienen.

Was aber vor allem anderen auffällt ist die Bodenständigkeit, mit der Huston hier erzählt. Rose und Charlie sind den gesamten Film über dreckig und verschwitzt. Bogart besiegt seinen wuchernden Dreitagebart höchstens einmal zeitweilig. Und während die afrikanische Landschaft durchaus in ihrer Schönheit gezeigt wird, wimmelt sich doch gleichzeitig von Moskitos, Blutegeln und Krokodilen. Der Film schafft es, auf wunderbar unromantische Weise romantisch zu sein.

Huston war an dem Film selbst bekanntlich deutlich weniger interessiert als daran, Elefanten totzuschießen, was der am Drehbuch beteiligte Peter Viertel später zum Roman „Mann im Dschungel“ verarbeitete, den Clint Eastwood wiederrum als ‚Weißer Jäger, schwarzes Herz‘ verfilmte. Hepburn ihrerseits schrieb 1987 das Buch mit dem sehr sprechenden Titel „African Queen oder Wie ich mit Bogart, Bacall und Huston nach Afrika fuhr und beinahe den Verstand verlor“. Das Erstaunliche ist, dass man dem Film dieses Desinteresse Hustons und das Chaos hinter den Kulissen (Hepburn und Bogart waren wohl mehrfach in Gefahr von wilden Tieren getötet zu werden) zu keiner Sekunde anmerkt.

Hepburn gibt ihre Rose als eine Frau, die durch den kriegerischen Zusammenbruch der starren Strukturen um sie herum geradezu befreit wird. Anfangs eine „alte Jungfer“, die ihren Bruder nicht ganz freiwillig auf seiner missionarischen Reise begleitet, äußert sie später auf dem Boot nicht ein einziges Mal auch nur eine christlich gefärbte Ansicht. Die Gefahren, denen sie gegenüberstehen stimulieren sie wenn überhaupt nur noch und in gewissen Momenten scheint sie sich fast unsterblich zu fühlen. Bogarts Charlie Allnutt ist ein durchaus cleverer Mann, der aber allen Problemen stets lieber aus dem Weg gegangen ist und so als besoffener Bootsführer auf einem abgelegenen, afrikanischen Fluss geendet ist. Durch Roses Antrieb erwacht sein alter Erfindungsreichtum in ihm auf ein Neues und dank ihr vermisst er nicht einmal seinen Gin besonders, auch wenn er das wohl nicht zugäbe. Dies ist die Rolle, für die Bogart einen Oscar erhalten kann. Man darf sicher darüber streiten, ob es diejenige ist, für die er den verdient hat (ich meine, er hätte für ‚Der Schatz der Sierra Madre‘ gewinnen dürfen), aber es überrascht mich nicht, dass er ihn hier gewonnen hat. Denn es ist diese schwer greifbare Chemie zwischen den beiden Darstellern, die ihrer beider Leistungen auf ein neues Niveau hebt.

Der Mittelteil des Films zieht sich aus heutiger Sicht ein wenig, allerdings wird man, wenigstens aus meiner Sicht, für die Geduld mit einem absoluten Knaller von einem Ende belohnt. Der Film gibt seine bisherige Bodenständigkeit hier zwar für einen geradezu absurden Moment auf, aber ich habe von Ohr zu Ohr gegrinst. Und ich glaube, das ist exakt das Gefühl, mit dem ‚African Queen‘ seine Zuschauer entlassen will.

In Deutschland wurde übrigens über lange Zeit und in Fernsehausstrahlungen teils bis heute, eine Szene ausgespart, in der Pastor Sayer von einem deutschen Soldaten mit dem Gewehrkolben ins Gesicht geschlagen wird, als er die Verbrennung seiner Kirche verhindern will. Diese Szene wurde bei Entstehung der deutschen Fassung in den 50ern als „deutschfeindlich“ empfunden. Ein wenig ironisch, ist doch das Niederbrennen des Dorfes und die Vertreibung seiner Bewohner eine weit schwerere Gewalttat der Deutschen, als ein einzelner Schlag gegen einen Geistlichen. Aber wie auch immer, auf der deutschen BluRay ist die Einstellung enthalten und ich empfinde keiner größeren Vorurteile gegen meine Mitdeutschen als vorher ohnehin schon.

Ich würde ‚African Queen‘ auf jeden Fall empfehlen. Sowohl als unterhaltsamen Film an und für sich, aber auch als historisches Artefakt von einiger Bedeutung in der Geschichte (nicht nur) des Abenteuerfilms.