Jetzt wo sie geschlossen ist, kann ich es ja zugeben: es klaffte eine Lücke in meiner 80er Jahre Arnie… ährm „Bildung“. Eine Lücke genau zwischen den Schlüsselwerken ‚Phantom Kommando‘, in dem Arnie endgültig seine Rolle als Ein-Mann-Armee definierte, und ‚Predator‘, wo sich herausstellte, dass diese Ein-Mann-Armee höchstens ein Außerirdischer mit fortschrittlicher Technologie aufhalten könnte. Es war eine Lücke, über die allgemein nicht viel gesprochen wird. Selbst der deutsche Titel von ‚Raw Deal‘ ist ein Derivat des Stallone-Films ‚Die City-Cobra‘. Das weckt keine allzu hohen Erwartungen. Nun habe ich ihn gesehen und kann sagen, er ist interessant vor allem insofern, weil er bizarr ist. Es war ein Film, der ursprünglich nicht für Arnie geschrieben war und das merkt man in quasi jeder Sekunde. Gleichzeitig unterstreicht aber genau das die typischen Elemente von Arnie Filmen. Lasst mich zur besseren Erklärung kurz die Handlung anreißen.
Mark Kaminsky (Schwarzenegger) musste aus dem FBI ausscheiden, nachdem er den Mörder eines kleinen Mädchens misshandelt hatte. Nun ist er Sheriff in einer Kleinstadt, sehr zum Missmut seiner Frau. Da kommt ein Anruf seines ehemaligen Vorgesetzten Harry Shannon (Darren McGavin) nicht ganz unrecht. Der bittet Kaminsky sich undercover in den Mob des Chicagoer Mafia-Dons Patrovita (Sam Wanamaker) einzuschleichen. Denn dessen Handlanger haben Shannons Sohn, ebenfalls FBI Agent, auf dem Gewissen. Sollte Kaminsky ihm helfen erfolgreich einen Fall gegen Patrovita aufzubauen, würde der ihm helfen, seine alte Position zurück zu bekommen. Die Mission wäre jedoch inoffiziell und ohne Unterstützung des FBI. Kaminsky übernimmt die Rolle des Kleinkriminellen Joey P. Brenner. Nachdem er eine Spielhölle von Patrovitas Konkurrenten in Schutt und Asche gelegt hat, bekommt er eine Chance sich der Mafia zu beweisen. Doch traut ihm Patrovitas Mann fürs Grobe, Keller (Robert Davi), nicht über den Weg.
Das größte „Problem“ der Handlung sollte vermutlich direkt augenfällig sein. Ich kann mir tatsächlich keine schlechtere Person für Undercover-Ermittlungen vorstellen als Arnold Schwarzenegger. Jedem aber wirklich jedem fällt ein gigantischer Bodybuilder, huh dohks dschast leik dis, geradezu zwangsläufig auf. Na immerhin kämmt er sich die Haare anders. Der Film selbst kommentiert das aber nie. In anderer Hinsicht nimmt er hingegen schon zur Kenntnis, dass er ein Arnie-Film ist. So muss Kaminsky seinen Tod vortäuschen, bevor die Aktion beginnt. Wie tut er das? Er parkt seinen Sheriff-Cruiser neben einer Ölraffinerie und jagt diese in einer gigantischen, praktischen Filmexplosion in die Luft. Vollkommen sinnloser, aber glorreicher Exzess. Arnies typische Oneliner fehlen fast vollständig, so etwas wie „Dis mast bieh wot dey miehn bei… poeddig dschastiss“ zählt nicht wirklich, allerdings zitiert der Film fast direkt die beinahe fetischistische „Waffenvorbereitungsszene“ aus ‚Phantom Kommando‘. Dazu spart der Film nicht an bizarrer Action, Arnold wirft etwa einen Gegner auf den Deckenbalken eines Hauses bevor er einen Lastwagen hindurchfährt, und wahrlich jeder Menge Blut-Squibs bei Schießereien.
Doch wie ist Arnie überhaupt in diesem Film gelandet? Er stand zu diesem Zeitpunkt noch für mehrere ‚Conan der Barbar‘ Sequels bei Produzent Dino De Laurentiis unter Vertrag, wollte jedoch nach der ersten mäßig erfolgreichen Fortsetzung (und ‚Red Sonya‘) raus aus dem Vertrag. Da De Laurentiis dringend Geld brauchte, ließ er sich darauf ein, Schwarzenegger stattdessen die Hauptrolle in ‚Raw Deal‘ zu geben. Schwarzenegger wäre ‚Total Recall‘ lieber gewesen, doch für den hielt ihn De Laurentiis für völlig ungeeignet. Natürlich würde De Laurentiis später trotzdem pleitegehen und die Rechte für ‚Total Recall‘ an Carolco fallen, die dann Arnie besetzten, doch das ist eine andere Geschichte. Aber nun stand Regisseur John Irvin, bekannt vor allem für britische TV-Arbeiten und den Vietnam Film ‚Hamburger Hill‘, vor dem Problem einen typischen Mafia-Gangsterfilm in einen Arnie-Actionreißer umzufunktionieren.
Und das ist teilweise gelungen. Der schwungvolle Anfang lässt es ordentlich krachen und wenn Arnie am Ende durch einen Steinbruch fährt und Mafiosi in die stählernen Fänge eines Felsbrechers ballert, während „(I can’t get no) Satisfaction“ von den Stones aus seinem Autoradio tönt, dann ist das nicht mehr weit von der blödsinnigen Großartigkeit eines ‚Phantom Kommandos‘ entfernt. Es ist der Mittelteil des Films mit seiner Mafiahandlung, der ein wenig durchsackt. Dabei ist die nicht einmal schlecht, sie ist nur etwas arg verworren für etwas in einem Arnie Film. Und der Mann selbst wirkt eben dort wie ein absoluter Fremdkörper.
Aber genau das tut er eigentlich immer, oder? Sei es Conan oder der Terminator, Arnold ist jemand, der aus einer anderen Welt zu stammen scheint. Sogar in seinem viel verlachten Erstling ‚Herkules in New York‘. Einige Filme betonen diese Fremdartigkeit mehr, wie ‚Red Heat‘, andere weniger, wie eben ‚Phantom Kommando‘, der nur kurz zur Kenntnis nimmt, dass sein Charakter aus der DDR geflohen ist. Aber nie fällt diese Fremdartigkeit mehr auf, als wenn er den All American Guy spielen soll, wie hier. Und das verdoppelt sich noch, wenn der All American Guy den Undercover Mann bei der italienischen Mafia gibt. Es ist bizarr und daher nicht ganz freiwillig komisch. Aber es funktioniert, vor allem wegen der Schwarzenegger Persona. Er hat, anders als etwa Stallone, immer deutlich gemacht, dass er den Witz versteht. Er weiß, dass er im Film ein Cartoon ist, er weiß, dass das alles völlig überzeichnet ist. Und so trägt er auch diesen Film weitgehend überzeugen auf seinen breiten Schultern.
Aber nicht völlig und das liegt vor allem am Ende. Ich werde hier nicht zu viel verraten nur so viel, zum Ende hin kommt nicht nur eine Szene, die direkt ‚Casablanca‘ zitiert, nein, danach folgt noch eine Szene, die wohl anrührend sein soll, aber so vollkommen danebengeht, dass es beeindruckend ist. Sie fühlt sich vollständig aufgesetzt an und Arnie ist, zumindest zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere, vollkommen unfähig eine solche Szene zu spielen. Wenn das Ganze dann noch in einem typischen 80er-Freeze-Frame-Lacher endet, dann falle ich tatsächlich fast vom Sofa vor Lachen, wenn vielleicht auch nicht aus den gewollten Gründen. Ich habe zurückgespult, weil ich diese Szene nicht fassen konnte.
Also, lohnt sich der Film? Für 80er-Arnold Komplettisten natürlich. Hier darf er seit Conan mal wieder besoffen spielen, sein Charakter wird von seiner ebenso entfremdeten wie betrunkenen Frau mit einer Torte beworfen, auf die sie in Zuckerguss „Shit“ geschrieben hat (was Arnie zur lustigsten Dialogzeile des Films bringt), sein Charakter kann Lichter an(!)schießen, aber Leute, die er seit 20 Jahren kennt und am Vortag gesehen hat, nicht von hinten erkennen. Er ist also mit absolut glaubhaften Stärken und Schwächen ausgestattet. Für nicht-Komplettisten gilt, in den 80ern gibt es so viel Arnie-Material, das besser funktioniert, dass ich Schwierigkeiten hätte den hier besonders laut zu empfehlen. Also, ein Arnie Äkschnfuim für Fortgeschrittene, was immer das bedeutet.
PS: beachtet im Trailer mal, wie sehr Schwarzenegger damals schon sein eigenes Franchise war. Der Trailer hält sich gar nicht erst mit seinem Charakternamen auf, einfach „Schwarzenegger“.