Price Is Right: ‚Theater des Grauens’/’Theatre Of Blood‘ (1973)

Manche Leser mögen es schon wissen, andere kann es überraschen, aber ich bin ein großer Fan von Vincent Price. Darum möchte ich hier in vollkommen unregelmäßigen Abständen über Filme mit Vincent Price sprechen. Und weil mich Niemand davon abgehalten hat, habe ich dafür eine neue Kategorie eingerichtet, die ich, nach ausführlicher, 15sekündiger Überlegung, „Price Is Right“ nennen werde („Der Price ist heiß“ könnte vermutlich falsch verstanden werden, oder?). Nun bietet die mehr als 5 Jahrzehnte umfassende Karriere des Mannes natürlich mehr als genug Möglichkeiten für Besprechungen. Wo also anfangen? Vielleicht bei einem relativ unbekannten Film, den Price selbst aber als seinen Liebsten beschrieben hat (und hoffentlich nicht nur weil er seine dritte Ehefrau Coral Browne bei den Dreharbeiten getroffen hat…). Aber auch für Price „Anfänger“ ist ‚Theater des Grauens‘ perfekt geeignet, denn wer mit Prices affektiert-ironischer Darstellung hier so gar nichts anfangen kann, für den fällt ein Großteil seiner Karriere schon mal weg.

Der Theaterkritiker George Maxwell (Michael Hordern) wird an den Iden (dem 15.) des März von einer großen Gruppe Angreifern brutal erstochen. Wie Julius Cäsar im Shakespeare Stück „Julius Cäsar“. Bei seiner Beerdigung galoppiert plötzlich ein Pferd über den Friedhof, das den Leichnam von Kritiker Hector Snipes hinter sich her schleift, wie es dessen Namensvetter, dem Hektor in Shakespeares „Troilus & Cressida“, ergangen ist. Für die übrigen Mitglieder des einflussreichen Critic’s Circle ist klar was los ist: der selbsternannte beste Schauspieler der Welt Edward Lionheart (Price), den der Circle bei einer Preisverleihung vor zwei Jahren derart erniedrigt hatte, dass er Selbstmord beging, ist gar nicht tot. Und nun nimmt er Rache! Und tatsächlich steckt Lionheart, zusammen mit einer Gruppe von Herumtreibern und seiner Tochter Edwina (Diana Rigg) dahinter. Auch dem übrigen Circle hat er einige der kreativsten Tode des Dramatikers aus Stratford-upon-Avon zugedacht.

Und viel tiefer wird die Handlung auch nicht. Ein bisschen ‚Phantom der Oper‘ und ganz viel Prices eigener ‚Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes‘ werden hier zu einem Quasi-Slasher mit Shakespeare Zitaten vermischt. Und tatsächlich macht genau das den größten Reiz des Films aus: Price schlüpft in bekannte Shakespeare-Rollen, wie Richard III., Titus Andronicus oder Shylock, rezitiert berühmte Reden und bringt dann einen der Kritiker auf durchaus makabre Weise ums Leben. Sei es, dass er die Shakespeare Klassiker unverändert übernimmt und einen der Kritiker in einem Weinfass ertränkt, wie es dem Herzog von Clarence in „Richard III.“ passiert, oder er adaptiert die Klassiker in die Moderne, wenn die Verbrennung der Johanna von Orleans in „Henry VI.“ an einer Kritikerin mittels präparierter Trockenhaube beim Friseur nachvollzogen wird. Der Film lebt aber nicht nur von Prices Darstellung des Schauspielers der keinerlei Kritik akzeptieren kann, sondern auch der der Kritiker (darunter Größen wie Robert Morley und Jack Hawkins), die alle auf ihre Art wunderbar pompöse Unsympathen sind.

Man könnte den Film wohl als Horrorkomödie klassifizieren, wobei klar sein sollte, dass der Komödie-Teil hier weitaus größer geschrieben wird als der Horror-Teil. Die Morde sind zwar zum Teil durchaus fies inszeniert, aber immer mit einem makabren, schwarzhumorigen Augenzwinkern. Die Bluteffekte wirken aus heutiger Sicht reichlich zahm und ich glaube nicht, dass das 1973 großartig anders war oder sein sollte. Die Vermischung der klassischen Handlung der Opfer, die nach und nach getötet werden, mit Shakespeare Motiven und satirischen Elementen um den Umgang von Künstlern und Kritikern miteinander, lässt ‚Theater des Grauens‘ zu einem relativ einzigartigen Film werden.

Regisseur Douglas Hickox inszeniert ihn gekonnt aber sehr unauffällig. Er lässt den Darstellern, allen voran Price, den Raum den sie brauchen, um Szenen strahlen zu lassen, behält aber das notwendige Moment bei, um den Film nicht zu einer reinen Nummernrevue werden zu lassen, die gegen Ende hin vermutlich langweilig würde. Dass die meisten Szenen vor Ort, anstatt im Studio gedreht wurden, lässt den Film gelegentlich größer wirken als er ist. Man bekommt jedenfalls einen interessanten Blick auf das London der 70er, wenn auch mit einem starken Übergewicht auf verfallenen Theatern.

Price mochte den Film, weil er ihm die Möglichkeit gab innerhalb seines Feldes einmal etwas anderes machen zu können. Seit Ende der 60er, vor allem wegen Roger Cormans Poe-Zyklus, war er quasi vollständig auf Horror-Rollen festgelegt. In ‚Theater des Grauens‘ konnte er sich aber immerhin an Shakespeare Vignetten versuchen, woran er dem Vernehmen nach sehr großes Vergnügen hat. Und dieses Vergnügen überträgt sich vollends auf den Film und letztlich den Zuschauer. Wer Price, Makabres und Shakespeare mag (oder vielleicht ein Problem mit Kritikern hat) hat den Film vermutlich ohnehin schon gesehen, aber auch wenn nur ein oder zwei Dinge zutreffen lohnt er sich durchaus.

Ein Wort zur deutschen DVD: die ist leider ziemlicher Mist. Keine Extras und das Hauptproblem: der Film liegt nicht anamorph vor. Wer interessiert ist sollte die Augen nach Alternativen offenhalten.

Und nun entlasse ich Euch aus der ersten Folge von „Price Is Right“ mit dem vermutlich besten Interview, das Price je gegeben hat, in dem er Kermit dem Frosch die Geheimnisse seines Erfolges ein wenig zu genau verrät:

‚Schloß des Schreckens‘ OT: ‚The Innocents‘ (1961) – generischer Titel, großartiger Film

Manchmal sind die Wege, die einen zu einem Film führen durchaus verschlungen. Umso erfreulicher, wenn am Ende des wirren Pfades ein solches Juwel zu finden ist, wie dieses hier. Als ich vor ein paar Wochen meinen Artikel zu ‚Capote‘ geschrieben habe, habe ich kurz recherchiert, wie nahe an der Realität der Film war. Dabei stieß ich darauf, dass Capote während seiner Recherche, das Drehbuch für diesen Film wesentlich überarbeitet hat. Der Film basiert auf einem Bühnenstück gleichen Namens von William Archibald, das wiederum auf der Erzählung „The Turn Of The Screw“ von Henry James basiert. Capote brachte, auf Betreiben von Produzent/Regisseur Jack Clayton eine Doppel- bis Dreifachbödigkeit in die Handlung ein, womit die beiden etwas geschaffen haben, was für mich hochinteressant klingt. Ein paar Wochen später habe ich den Film gesehen und schreibe jetzt drüber, wie Ihr vermutlich bereits bemerkt habt.

Die Pastorentochter Miss Giddens (Deborah Kerr) erhält im England des späten 19. Jahrhunderts von einem Junggesellen und Lebemann (Michael Redgrave) das Angebot eine Stelle als Gouvernante für seine 10jährige Nichte und Neffen, Flora (Pamela Franklin) und Miles (Martin Stephens), die ihre Eltern verloren haben, anzutreten. Flora lebt auf seinem abgelegenen Landhaus Bly und Miles geht aufs Internat und kommt nur in den Ferien nach Bly. Die einzige Bedingung ist, dass Ms. Giddens volle Verantwortung für die Kinder übernimmt und den, an Kindern gänzlich desinteressierten Onkel mit keinerlei Problemen behelligt.
Bly stellt sich anfangs als eine Art Traumhaus heraus. Ein gigantisches Landhaus mit umliegenden Gartenanlagen und eigenem See, unter Leitung der liebenswerten Haushälterin Mrs. Grose (Mags Jenkins). Flora ist ein freundliches, gut erzogenes Mädchen, die höchstens mal ihre Schildkröte Rupert ins Haus schmuggelt. Dann kommt allerdings ein Brief von Miles Internat, das den Jungen mit vagen Anschuldigungen, er korrumpiere die anderen Schüler, nach Hause schickt. Miles stellt sich als hochcharmant und höchstens ein wenig frühreif für sein Alter heraus, will aber nicht erzählen was an der Schule geschehen ist. Bald aber glaubt Ms. Giddens merkwürdige Geräusche zu hören und finstere Gestalten im Garten und am Fenster zu sehen. Die Geschwister beginnen zu flüstern und Geheimnisse zu haben und auch Mrs. Grose scheint mehr zu wissen, als sie vorgibt. Auf Giddens Druck erzählt sie die Geschichte der letzten Gouvernante, Miss Jessel (Clytie Jessop), die dem ehemaligen Chauffeur Quint (Peter Wyngarde), einem Sadisten, sexuell hörig war und nach dessen plötzlichem Tod Selbstmord begangen habe. In Ms. Giddens keimt die Überzeugung die Geister der ehemaligen Angestellten gehen nicht nur auf dem Anwesen um, sie haben auch Macht über die Kinder erlangt.

Jack Clayton inszeniert seinen Film, wie es für einen guten Geisterfilm sein sollte: mit weit mehr offenen Fragen als beantworteten. Wie viel davon in der ursprünglichen Erzählung (die ich nicht kenne) angelegt ist und für wie viel Capotes Adaption verantwortlich zeichnet kann ich nicht sagen, doch das Endergebnis begeistert mich, kurz gesagt. Nicht nur gibt der Film wenige Antworten, viele Fragen stellt er nicht einmal direkt. Quint etwa wurde nach einer finsteren Winternacht mit zertrümmertem Schädel im Garten gefunden. Ist er im Dunkeln betrunken gestürzt, wie Mrs. Groses Version lautet, oder war womöglich Miss Jessel, bei aller Verehrung, ihre Erniedrigungen leid? War es also womöglich nicht nur Trauer, die sie im See Selbstmord begehen ließ? Der Film sagt es nicht, der Film fragt es nicht, aber ich frage mich. Das gilt auch für die zentrale Geistergeschichte, ob die Erscheinungen echt sind, oder Ms. Giddens Fantasie entspringen bleibt natürlich offen. Es gilt aber auch für das wohl verstörendste Element des Films, wenn sie glaubt in Miles eine sexuelle Fixierung auf sie zu erkennen. Ist es der Geist des lüsternen Quint, der durch den Jungen agiert, wie sie glaubt? Oder ist es eine unschuldige, kindliche Verliebtheit? Emuliert Miles Quint, die einzige Vaterfigur, die er je hatte und der seine Affären nicht unauffällig betrieb? Oder ist es eine Projektion von Miss Giddens eigener sexueller Repression? Die wird auch nicht direkt angesprochen, nur angedeutet. Dadurch wer sie ist, eine 40jährige, alleinstehende Pastorentochter im viktorianischen England und bildlich, wenn  sie etwa hinter der blühenden Vegetation des Gartens eine verfallene Statue des Gottes Amor findet, der ein riesiger, schwarzer Käfer aus dem Mund kriecht. Klar ist nur, dass sie zum Ende des Films, wenn sie beschließt die Kinder zu zwingen die Wahrheit zu sagen jede Opferolle verlässt und selbst zur Täterin wird.

Deborah Kerr ist großartig in dieser Rolle! Nimmt man alle Ereignisse so an, wie sie sie zu erleben glaubt, so wirkt ihr Handeln völlig folgerichtig. Wenn man sich aber nur für einen Moment in die Schuhe von z.B. Mrs. Grose begibt, wirkt sie vollkommen wahnsinnig. Dieser Balanceakt kann nicht einfach gewesen sein. Das Erstaunliche aber ist, dass er nicht nur der Veteranin Kerr gelingt, sondern auch den Kinderdarstellern, denen mindestens ebenso viel Lob gebührt. Ihr Handeln ist völlig normal für etwas altkluge Kinder, die ein wenig abseits der Gesellschaft leben und plötzlich eine neue Person in ihrem Haushalt finden und dann auch noch eine Autoritätsperson. Aus Ms. Giddens von Schrecken geprägter Sicht wirkt ihr Handeln jedoch plötzlich fremdartig und bedrohlich.

An der Kamera stand Freddie Francis, der damals vor allem für seine Arbeiten an den Horrorfilmen der Hammer Studios bekannt war. Im Gegensatz zu denen inszeniert er ‚The Innocents‘ aber nicht in Farbe, sondern in streng kontrastreichem Schwarz-Weiß. Das wirkt beinahe wie ein Rückgriff auf die deutschen Filme des Expressionismus, zumindest aber der Universal-Monster-Filme. Das lässt den Film wie eine Brücke zwischen dem klassischen Horror und moderneren, psychologischen Ansätzen an das Genre wirken, was, dank der für Interpretationen offenen Handlung, ideal funktioniert. Auch die Musik laviert zwischen Klassischem und Modernem. Mit einem orchestralen und vielleicht ein wenig aufdringlichen Score von George Auric einerseits und einem der frühesten Einsätze von synthetisierten, elektronischen Tönen, die von der Pionierin Daphne Oram stammen (die, wie bei so vielen ihrer frühen Filmprojekte, keinerlei Erwähnung findet).

Was bin ich froh, dass mich der verschlungene Pfad an ein so lohnendes Ziel geführt hat. Die Frage ist nur, warum mir der Film nicht früher aufgefallen ist. Womöglich liegt es am deutschen Titel. Während der Originaltitel, wie der Rest des Films, Fragen aufwirft – wer sind „die Unschuldigen“ hier – ist ‚Schloß des Schreckens‘ derart generisch, dass man den Film auch einfach hätte ‚Buh!‘ nennen können. Ich kann den Film nur wärmstens ans Herz legen und empfehle ein Double-Feature mit Robert Wises ‚The Haunting’/’Bis das Blut gefriert‘ von 1963. Das sind beides Filme, die einem noch Tage nach dem Ansehen im Hinterkopf herumpoltergeistern.