Es ist eine dieser Eigenschaften, die vornehmlich gewissen Filmen nachgesagt wird. Dass sie so schlecht seien, dass sie schon wieder gut werden. Das ist natürlich eine höchst persönliche Einschätzung, die vermutliche jede Person anderen Werken zukommen lassen oder absprechen wird. Aber bei einigen Filmen herrscht hier schon durchaus Konsens. Und da ich mir gerne die furchtbar wichtigen Fragen des Lebens stelle, will ich heute einmal untersuchen, was diese Bezeichnung ausmacht. Wie oben erwähnt wird es dennoch meine persönliche Meinung bleiben müssen, weil ihr vermutlich ganz andere Filme als ich „so schlecht, dass sie gut sind“ findet.
Nähern wir uns dem Thema erst einmal nicht von der qualitativen Seite, sondern vom Medium her. Warum ist es gerade der Film, der so beliebt ist für die qualitative Einschätzung „so schlecht, dass er gut ist“? Vermutlich weil er ein passives Medium mit relativ geringem Zeitaufwand ist. Kaum jemand wird sich hinsetzen und Stunden um Stunden einer schlechten TV Serie zu sichten, nur weil man sich hier und da unterhalten fühlt. Aber auf 90 Minuten eines Films destilliert kann das funktionieren. In einem Roman können handwerkliche Fehler die Rezeption auf eine Weise stören, die entweder erhebliche Anstrengung oder ziemlichen Ärger auslösen wird. Gerade wenn wir nicht nur über miserable Prosa, sondern Grammatik-, Rechtschreib oder Setzungsfehler sprechen. Auch ein Videospiel, in dem etwa die Sprungtaste nur jedes dritte Mal funktioniert erfordert weit mehr Geduld als ein Film, von dem man sich eben auch mit einem Bier in der Hand berieseln lassen kann. Es gibt sicherlich Beispiele für „so schlecht, dass sie gut sind“ in sämtlichen Medien (Musik wäre das nächst-wahrscheinliche), aber der Film ist für viele das offensichtlichste.
Also, was muss ein Film tun, um so schlecht zu sein, dass er gut ist? Zunächst einmal offensichtlich „schlecht“ sein. Mindestens ein Aspekt des Films muss vom Rezipienten als so unterirdisch wahrgenommen werden, dass er den gesamten Film versaut. Das können „objektive“ Kriterien sein, etwa schlechte Ausleuchtung, Anschlussfehler, Schnittfehler, sichtbare Crew, oder Versprecher der Schauspieler, die im Film verbleiben. Ich setze objektiv hier in Anführungsstriche, weil das letztlich auch alles künstlerische Konventionen sind, die man nicht wirklich objektiv bewerten kann. Zumeist geht es eh eher um subjektive Empfindungen, wie mangelhaftes Drehbuch, schlechte darstellerische Leistungen, billige Kulissen, unglaubwürdiges Setting, miese Effekte und so weiter.
Der Zuschauende muss den Film also als „schlecht“ empfinden. Entscheidend für „so schlecht, dass er gut ist“ ist in meinen Augen nun, dass das Vergnügen, welches man als Zuschauer aus dem Film zieht, nicht den Ideen des Films folgen darf. Ein „schlechter“ Actionfilm, in dem ich die Action dennoch als aufregend empfinde ist nicht „so schlecht, dass er gut ist“. Das wäre eher ein „guilty pleasure“. Wobei ich den Begriff hasse. Ein Film muss sich schon sehr viel sehr Übles leisten, damit ich mich schuldig dafür fühle, ihn zu mögen. So viel, dass ich ihn vermutlich eh nicht mehr mag. Nein, ein Actionfilm ist dann „so schlecht, dass er gut ist“, wenn ich über die Ungeschicklichkeit des Gezeigten lachen muss. Und das ist meiner Meinung nach wesentlich. Das Vergnügen, dass ich aus dem Film ziehe darf nicht den Ideen der Macher folgen, damit der Film „so schlecht, dass er gut ist“ wird!
Das Vergnügen, dass man aus einem solchen Film zieht ist denn auch meist das Lachen. Was einer der Gründe dafür ist, dass Komödien selten als Beispiele für „so schlecht, dass sie gut sind“ genannt werden. Ein schlechter Horrorfilm kann komisch sein. Ein schlechtes Drama kann komisch sein. Ein schlechter SciFi Film kann komisch sein. Und so weiter. Aber eine schlechte Komödie ist, per Definition, ja gerade eben nicht komisch. Sicher kann auch ein Witz so schlecht sein, dass er auf ganz neue Weise komisch wird, aber das ist schwieriger als versuchten Ernst auf komische Weise zu versemmeln.
Womit wir zu einem wichtigen Kriterium der „Qualität“ des „so schlecht, dass er gut ist“ Films kommen: der Fallhöhe. Je höher die Ansprüche, die die Filmemacher an sich selbst stellen und die sie komplett verfehlen, umso höher ist das Vergnügen, dass man auf die ironische „so schlecht, dass er gut ist“ Weise aus dem Werk ziehen kann. Je höher der Anspruch, umso mehr wird die letztliche Absurdität der ganzen Unternehmung offenbar. Der zynische Cashgrab einer Uwe Boll Videospielverfilmung ist sicherlich schlecht, vielleicht sogar „so schlecht, dass er gut ist“, aber er wird nie zu einem der berühmtesten Vertreter dieses Genres werden. Dazu braucht es höheren Selbstanspruch. Vielleicht den eines Ed Wood, der in ‚Plan 9 from outer Space‘ moralische Science Fiction schaffen wollte. Einen tiefen Blick werfen, auf die selbstzerstörerischen Impulse der Menschheit. Am Ende aber nur billigte Sets, UFOs an der Schnur, statt Bela Lugosi einen Chiropraktiker mit Umhang vor dem Gesicht und desinteressierte oder talentfreie Darsteller zur Verfügung hatte. Oder den eines James Nguyen, der mit ‚Birdemic‘ nicht nur eine Hitchcock Hommage schaffen, sondern nebenbei auch noch auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam machen wollte. Und grandios scheiterte, an ewigen Autofahrszenen, einem Hauptdarsteller, der nicht überzeugend eine Straße heruntergehen kann und Clipart-„Spezial“effekten. Oder natürlich ‚The Room‘, Tommy Wiseaus grandiose Selbstüberschätzung, die Geschichte eines Mannes, der von seinem gesamten Umfeld verraten wird. Ein Film, in dem schlicht nichts so funktioniert wie es soll.
Diese Fallhöhe ist auch der Grund, warum absichtliche „so schlecht, dass sie gut sind“-Filme für mich fast nie funktionieren. Wie etwa dieser ‚Sharknado‘ Scheiß. Seht her, wir haben Schrott gemacht, aber absichtlich! Toll oder? Diese Art von Film benötigt ein tiefes Wissen um die Art von Film, die man machen möchte und eine große Liebe für das Genre. Ein ‚Black Dynamite‘ etwa versteht und liebt das „blaxploitation“ Genre und zeigt seine Unzulänglichkeiten perfekt auf. Ins Bild hängende Mikrofone oder ein Stuntman, der nach einer verbockten Szene plötzlich ausgetauscht wird, etwa. Aber beide Beispiele sind, zumindest nach meiner Definition, ja gar keine „so schlecht, dass sie gut sind“ Filme. Denn aus dem einen ziehe ich überhaupt kein Vergnügen und im anderen folgt mein Vergnügen exakt den Ideen der Filmemacher.
Natürlich ist diese Definition alles andere als wasserdicht. Es gibt sicherlich Filme, die mag man genau so wie sie gewollt sind, aber es gibt einzelne Szenen darin, die sind „so schlecht, dass sie gut sind“. Oder umgekehrt. Mal ganz davon abgesehen, dass die Grenzen zwischen bewusstem „camp“, also augenzwinkernder Albernheit und „schlechtem Film“ wohl ziemlich fließend sind. Anders ist es für mich nicht zu erklären, dass etwa ein Film, wie ‚Killer Klowns From Outer Space‘ auf „so schlecht, dass sie gut sind“ Listen landen kann. Wenn jemand mit dem Film Spaß hat, dann sind die Ansprüche der Macher voll erfüllt. Das bedeutet natürlich nicht, dass man ‚Killer Klowns From Outer Space‘ nicht schlecht finden darf (das bedeutet nur, dass wir keine Freunde sein können). Aber wer ihn „so schlecht, dass er gut ist“ findet, hat ihn nicht verstanden.
Und damit sind wir wieder beim extrem Subjektiven der gesamten Einschätzung. Ich habe Leute gesehen, die diese Einschätzung jedem Film zukommen lassen, der erkennbar nicht die Finanzen eines Hollywoodblockbusters zur Verfügung hat, den sie aber dennoch mögen. Oder jedem Film, der willentlich darauf aufmerksam macht, dass er nicht „realistisch“ ist. Es ist eben kein fest gefasstes Genre (soweit es die überhaupt gibt), sondern eine zutiefst persönliche Einschätzung. Darüber was schlecht ist und darüber, was dennoch unterhält.