Zur Einstimmung auf Denis Villeneuves Fortsetzung des Science Fiction Klassikers wurde jetzt eine weitere kleine Vignette (die erste siehe hier) von Luke Scott veröffentlicht. Diesmal mit Dave Bautista in der Hauptrolle. Die Handlung spielt hier im Jahr 2048, also kurz bevor der neue Film einsetzt.
Denis Villeneuve
Kurz und schmerzlos Folge 11: ‚Blade Runner 20149‘ Kurzfilm Prequel
Während wir noch auf die Fortsetzung von Ridley Scotts ‚Blade Runner‘ von Denis Villeneuve warten (oder auch nicht), liefert uns dieser Kurzfilm ein kurzes Streiflicht, was im Jahr 2036, zwischen dem Original (2019) und der Fortsetzung (2049) passiert ist. Jared Leto und Benedicht Wong in den „Hauptrollen“. Viel mehr will ich gar nicht dazu sagen. Für eilige Naturen: der eigentliche Film fängt bei 55 Sekunden an.
Gestern Gesehen: ‚Prisoners‘ (2013)
Und weiter geht es in meinem inoffiziellen Projekt „ich möchte alle Filme von Denis Villeneuve sehen“. Heute (okay, gestern): ‚Prisoners‘, seine erste Zusammenarbeit mit Kameragenie und Coen-Veteran Roger Deakins, mit dem er letztes Jahr den hervorragenden ‚Sicario‘ gedreht hat. ‚Prisoners‘ darf wohl als Villeneuves Durchbruch in Hollywood betrachtet werden und fährt ein ordentliches Starensemble auf. Dem Film wäre mit einer genaueren Umschreibung der Handlung sicher kein Gefallen getan, von daher halte ich mich vage.
Im ländlichen Pennsylvania wird am Thanksgiving-Tag die kleine Tochter von Grace (Maria Bello) und Keller Dover (Hugh Jackman) zusammen mit der Tochter eines befreundeten Ehepaars (Viola Davis, Terrence Howard) entführt. Polizei-Detective Loki (Jake Gyllenhaal) wird auf den Fall angesetzt und hat schnell einen Verdächtigen gefunden. Einen Mann (Paul Dano), mit den geistigen Fähigkeiten eines 10jährigen. Als er dem jedoch nichts nachweisen kann muss er ihn laufen lassen. Sehr zum Unmut von Keller, der sich gezwungen sieht selbst zu handeln.
Wenn es Euch so geht wie mir, als ich die Handlung das erste Mal las, dann habt ihr jetzt vermutlich eine Vision von Liam Neeson, dessen Tochter (mal wieder) entführt wurde, während er dem unglücklichen Entführer am Telefon klar macht, welche Haushaltsgegenstände er ihm in welche Körperöffnungen einzuführen gedenkt. Und das ist sicherlich gewollt so. ‚Prisoners‘ nimmt diese Idee des Mannes, der das Gesetz in die eigenen Hände nimmt, schaut, welche Art von Mensch am ehesten Bereit wäre das zu tun und führt es von dort konsequent weiter. Keller Dover ist eine Art Mensch, die man, wenn man den Medien glauben darf, im ländlichen Amerika nicht selten findet. Den Keller des Hauses zum Bunker ausgebaut, erwartet er das Ende der Zivilisation. Fast möchte man meinen er sehnt es herbei. Tief religiös und hypermaskulin gibt es nur einen Menschen, dem er den Schutz seiner Familie, die Lösung ihrer Probleme anvertrauen würde: ihn selbst. Das Gefühl der Hilflosigkeit, das mit der Entführung seiner Tochter einhergeht ist für ihn noch unerträglicher, als es für Menschen wäre, die eher bereit sind der Staatsmacht zu vertrauen. Hugh Jackman stellt dies hier mit einer rohen Emotionalität dar, die aus rotgeränderten Augen zornerfüllt in die Welt stiert und verzweifelt irgendetwas sucht, was sie tun kann. Allerdings wirkt die Staatsmacht hier tatsächlich nicht sehr vertrauenswürdig. Repräsentiert wird sie von Detective Loki, von dem wir anfangs lernen, dass er all seine Fälle bislang stets lösen konnte. Warum das so ist wird nicht sofort klar. Wie ein geprügelter Hund schlurft Gyllenhaal hier durch die Szenen, den Kopf gesenkt, um eine stetig schwelende Aggression zu verbergen. Er ist der einzige Charakter, den wir praktisch niemals „privat“ erleben, nur in seiner Rolle als Polizist. An seinem Hals die Tätowierung einer Windrose, am Finger einen dicken Freimaurerring, auf seine Knöchel etwas tätowiert, dass ich nicht entziffern konnte. „Liebe“ und „Hass“ wird es wohl nicht sein, doch hat man das Gefühl, dass es in ihm ringt, wie in Robert Mitchums Charakter in ‚Night of the Hunter‘. Er ist ein Mann der eine Richtung sucht und nicht nur was den Entführungsfall angeht. Unausweichlich, dass die beiden aneinandergeraten, obwohl sie letztlich das exakt selbe wollen.
Dem Leid der Familien lässt der Film viel Raum und doch hätte ich mir gewünscht von Bello, Davis und Howard noch ein wenig mehr zu sehen. Aber die Aufklärung der Entführung nimmt doch den Hauptteil der Handlung ein und so bietet sich ein Vergleich zu ‚Sieben‘ an. Gelegentlich wirkt ‚Prisoners‘ fast wie eine ländliche Variante von Finchers sehr urbanem Film. Die religiösen Beiklänge und den fast ständigen Regen findet man hier jedenfalls wieder. Einen weiterenDNA-Anteil bezieht ‚Prisoners‘ sicherlich aus Eastwoods ‚Mystic River‘. Hier wie dort wird es im Laufe des Films immer deutlicher, dass jeder Charakter etwas zu verbergen hat, dass niemand moralisch unfehlbar ist. Jeder der Charaktere hier ist ein Gefangener seiner Triebe, seiner Persönlichkeit, die ihn zu teils furchtbaren Handlungen zwingen. Und auch der Zuschauer wird gefangen gesetzt, da es unmöglich ist sich der Handlung, so unangenehm und abstoßend sie auch scheinen mag, zu entziehen.
Dieses moralische grau in grau setzen Villeneuve und Deakins in zutiefst beeindruckende Bilder um und alle Darsteller geben sich in absoluter Höchstform. Das Drehbuch allerdings kommt gelegentlich etwas vom Wege ab und schrammt, gerade in der letzten halben Stunde des zweieinhalbstündigen Films, doch recht scharf am Peinlichen entlang. Teilweise genug für ein paar Kratzer im Lack, doch über die Klippe geht es zum Glück nie. Die Puzzleteile, denen Detective Loki bei der Suche nach den Mädchen folgt wirken aber oft genug genau wie das: Puzzleteile. Inmitten der absolut organisch wirkenden Darstellungen und Bilder wirken sie dann umso mehr wie Kunstgriffe. Das mag vielleicht als Hinweis dafür dienen, was ein schwächerer Regisseur aus dem Stoff gemacht hätte.
‚Enemy‘ und ‚Sicario‘ bleiben in meiner Wertschätzung zwar zunächst höher als ‚Prisoners‘, allerdings sind Villeneuves Filme auch nicht perfekt dazu geeignet, sie direkt nach dem Ansehen umfänglich zu bewerten. ‚Prisoners‘ wird sicher noch für einige Tage in meinem Hirnkasten herumklappern und danach kann die Bewertung ganz anders aussehen. Empfehlenswert ist er auf jeden Fall. Und die Tatsache, dass Villeneuve und Deakins für die ‚Blade Runner‘ Fortsetzung wieder zusammenarbeiten lässt mich beinahe vermuten die könnte auch was werden. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde.
Erster Trailer zu ‚Arrival‘
Okay, das sieht interessant aus. Wirklich interessant. Die Kommunikation mit einer komplett fremden Intelligenz ist ein Aspekt der Science Fiction, der mich immer sehr fasziniert hat, der im Film aber nie richtig Fuß gefasst. Da sprechen die Aliens entweder von Anfang an verständlich (mit dem ein oder anderen eingestreuten Alien-Wort) oder aber, wenn eine Kommunikation nicht möglich ist, wird direkt effektreich das Feuer aufeinander eröffnet (obwohl das hier auch zu passieren scheint).
Die Kommunikation aber zum zentralen Punkt der Handlung zu machen, wie es hier zumindest der Fall scheint, ist rar genug, um mein Interesse zu wecken. Und selbst, wenn es das nicht wäre, würde mich der Name des Regisseurs, Denis Villeneuve, neugierig machen. Sein ‚Enemy‘, sowie der letztjährige ‚Sicario‘ sind beide hervorragend (und ‚Prisoners‘ sollte ich wohl endlich mal nachholen). Amy Adams und Forrest Whitaker sind auch zumeist sehenswert und vielleicht wird mich sogar Jeremy Renner mal überzeugen können.
Ich freu‘ mich drauf!
Gestern Gesehen: Enemy (2013)
Wer sich auf dem Weg ins Kino beeilt schafft es vielleicht noch Denis Villeneuves aktuellen Film den „War on Drugs“-Thriller ‚Sicario‘ zu sehen. Ich werfe hier einen Blick auf den ersten englischsprachigen Film des Kanadiers (nach ‚Prisoners‘ erschienen aber vorher gedreht).
Adam Bell (Jake Gyllenhaal) ist ein introvertierter Geschichtsprofessor an der Universität von Toronto. Er führt ein gleichförmiges Leben: am Tage hält er Vorlesungen über totalitäre Systeme, den Abend verbringt er desinteressiert mit Freundin Mary (Mélanie Laurent). Auf Hinweis eines Kollegen, schaut er einen lokalen Film und bemerkt in einer Szene einen Nebendarsteller, der exakt wie er selbst aussieht. Er beginnt über den Schauspieler Anthony Claire (Jake Gyllenhaal) zu recherchieren, stellt ihm und seiner schwangeren Ehefrau Helen (Sarah Gadon) nach und nimmt schließlich Kontakt auf. Als die beiden feststellen, dass sie sogar dieselben Narben haben, scheint es keine einfachen Antworten zu geben.
Diese Inhaltsangabe ist nicht direkt falsch aber sie ist vollkommen inadäquat, um auch nur im Ansatz wiedergeben zu können worum es in dem Film geht. Der Film untersucht Ideen zu Identität ähnlich, wie David Lynch in ‚Mulholland Drive‘ oder ‚Lost Highway‘. Aber anstatt lynchesk, würde ich ihn eher kafkaesk umschreiben. Wir haben eine klare Handlung, die (bis auf die Letzte Minute) nachvollziehbar ist und „Sinn ergibt“, doch daneben haben wir ein ganzes hermetisches System aus Andeutungen und Bildern, die wir entschlüsseln können, so wir denn wollen. Die ganze Zeit besteht das Gefühl einer diffusen Bedrohung, die weit über das persönliche Schicksal des Gyllenhaal-Doppels hinausgeht. Jede Aufnahme ist in kränkliches orange-braunes Licht getaucht und Kanadas Stahlbeton und Glastürme (und vor allem seine Plattenbauten) haben seit David Cronenbergs Frühwerken, wie ‚Shivers‘ oder ‚Rabid‘, nicht so hässlich brutalistisch ausgesehen. Untermalt wird das Ganze von einem Soundtrack aus diskordanten Streichern. Ich habe mich während des Films mehrfach körperlich unwohl gefühlt. Weil ich eine neblige Skyline gezeigt bekomme. Das muss man erst mal schaffen.
Der Film wiederholt gewisse Bilder und Szenen in anderen Zusammenhängen (passenderweise zitiert Adam bell in seiner Vorlesung das Hegel/Marx-Zitat, dass sich in der Geschichte alles wiederholt, das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce). Besonders auffällig hier das implizite Bild eines Spinnennetzes (anhand von Stromleitungen, Splittern etc.) und ganz explizit das Bild einer Spinne (die in einer Szene sehr an diese Skulptur erinnert (der Name der Skulptur mag einen interpretatorischen Ansatz bieten)). Vieles kann man aus den Bildern ablesen: sexuelle Obsession, Angst vor Verantwortung, Intimität und Bindung und immer wieder Kontrolle (das große Thema von Bells Vorlesungen). Gyllenhaals Doppelperformance ist sehenswert und nicht überzogen. Die Nebendarsteller durch die Bank sehr gut
Wer bereit ist sich hierauf einzulassen findet einen hervorragenden Film, der mehrere Sichtungen nicht nur belohnt, sondern fast notwendig macht. Dabei handelt es sich aber nicht um den lysergsäuregetriebenen Surrealismus eines Alejandro Jodorowsky, sondern ist deutlich bodenständiger. Also bitte nicht direkt „Iiih Kunstfilm“ rufen und die Flucht ergreifen.
FAZIT: Wow, genau mein Film und er kam für mich komplett aus dem Nichts. Wer sich von dem obigen Text nicht völlig abgeschreckt fühlt sollte den Film schauen (wer sich abgeschreckt fühlt auch, denn das liegt wohl eher an meinen „Schreibkünsten“ als dem Film). Arachnophobiker sollten vor dem Ansehen ihren Arzt oder Apotheker aufsuchen (einfach mal „Hallo“ sagen).
9/10 dunklen Apartment-Komplexen