Remakes haben, nicht unbedingt zu Unrecht, einen miserablen Ruf bei Filmfans. Das gilt vermutlich doppelt für Horrorfans. Dabei sind einige Filme, die heute als absolute Klassiker gelten, ihrerseits Remakes. John Carpenters ‚Das Ding aus einer anderen Welt‘ etwa. Oder eben David Cronenbergs ‚Die Fliege‘. Der beruht auf dem Film ‚Die Fliege‘ mit Vincent Price von 1958. Der wiederrum eine exakte Verfilmung der gleichnamigen Geschichte von George Langelaan war. Tatsächlich kam Cronenberg eher zufällig zu dem Projekt. Der ursprüngliche Regisseur sprang in Folge einer persönlichen Tragödie ab und Produzent Mel Brooks (ja, der), wandte sich an Cronenberg. Der hatte den originalen Film als Kind gesehen und albern gefunden. Auch das neue Drehbuch fand er nicht besonders. Einzig die Idee des stetigen körperlichen Verfalls des Hauptcharakters sprach etwas im Meister des „body horrors“ an. Er ließ sich vertraglich zusichern das Drehbuch komplett umschreiben zu dürfen und stieg ein. Er strich die Figuren auf ein absolutes Mindestmaß zusammen, änderte Figurenkonstellationen und alle Dialoge. Das Ergebnis wurde der erste große Kassenerfolg für Cronenberg, inklusive jeder Menge positiver und negativer Aufmerksamkeit.
Journalistin Veronica Quaife (Geena Davis) trifft den exzentrischen Wissenschaftler Seth Brundle (Jeff Goldblum), der ihr begeistert sein Geheimprojekt, ein Teleportationsgerät zeigt. Da bislang nur nichtorganische Materie transportiert werden kann, bittet er sie mit einer Veröffentlichung zu warten, bis das Gerät bereit ist Menschen zu teleportieren. Sie willigt ein, solange sie seine Arbeit dokumentieren darf. Bald beginnen beide auch eine romantische Beziehung, sehr zum Missmut von Veronicas Redakteur und Exfreund Stathis (John Getz). Eines Nachts beschließt Seth, betrunken und eifersüchtig, einen Selbstversuch zu unternehmen. Doch außer ihm ist unbemerkt noch eine Fliege in der Teleportationskammer. Fühlt er sich anfangs besser als je zuvor, mit erhöhter Stärke und Geschicklichkeit, beginnen die mit seinen vermischten Gene der Fliege bald immer dominanter ausgeprägt zu werden. Sein Körper und Geist werden immer weniger menschlich. Noch dazu erhält Veronica eine schockierende Mitteilung.
Nein, Cronenberg scheint sie nicht besonders zu schätzen, die Körper. Jene Fleischsäcke, in denen wir unsere Existenz verbringen, die wir hegen und pflegen können so viel wir wollen und die uns am Ende doch immer im Stich lassen werden. Damit ist der Kanadier in Hollywood, das dem Ideal des perfekten Körpers verschrieben ist, natürlich automatisch ein Fremdkörper. Hat er zum Zeitpunkt dieses Films schon einen hässlichen Sorgerechtsstreit filmisch in ‚Die Brut‘ verarbeitet, einen Kopf in ‚Scanners‘ explodieren lassen und James Woods in ‚Videodrome‘ eine pulsierende VHS in eine Loch in seiner Brust schieben lassen, waren das doch Filme, die man suchen musste. Dieser hier wurde von FOX vertrieben und war so in quasi jedem Lichtspielhaus zu finden. Plötzlich sah sich ein argloses Publikum damit konfrontiert, wie Jeff Goldblum das Ohr abfiel und er sich die Fingernägel herauszieht. Haufenweise soll zorniges Publikum den Film verlassen haben und auch die Kritik war eher gespalten. In der deutschen, kontemporären Kritik kann man etwa noch einen Text des selbsternannten „Dr. Horror“ Rolf Giesen finden, der nachdem ihm „speiübel“ wurde, den Film am liebsten verboten gesehen hätte und für das „kranke Muttersöhnchen“ Cronenberg nur kalten Zorn übrig hatte.
Krankheit ist denn auch ein gutes Stichwort. Denn Krankheit ist offensichtlich das zentrale Thema des Films. Krankheit und was sie mit dem Betroffenen selbst und seiner Umgebung macht. Cronenberg selbst sagt, der Film war eine Reaktion auf die oftmals romantisierte Form von Krankheit, wie man sie in Film oder Seifenoper sieht, als ein stilles, edles Leid, nachwievor wunderschöner Leute. Was Cronenberg widerwärtig fand. Womit wir wieder beim „körperlichen“ Konflikt zwischen Hollywood und Cronenberg wären. Zum Erscheinen des Films sahen viele Kritiker einen Kommentar auf die AIDS-Epidemie, den Cronenberg zwar nicht geplant hatte, aber als Interpretation nachvollziehbar findet. Bei ihm jedenfalls ist Krankheit schrecklicher, grotesker Verfall. Und der wird umso schlimmer, da wir unter all dem grotesken Make-up und dem schmierigen Gummianzug immer noch Goldblums große, traurige Augen sehen. Irgendwo im unmenschlicher werdenden Handeln der „brundlefly“ noch den Menschen erahnen.
Und hier werden die Darsteller eben ganz wichtig. Goldblum bekam die Rolle nur, weil jeder vor ihm dankend abgelehnt hatte. Er konnte zwar schon auf eine recht lange Filmkarriere zurückblicken, ein echter Star war er aber eher nicht. Schreckte aber eben auch nicht vor täglichen, mehrstündigen Make-up Sitzungen zurück. Aus heutiger Sicht ist es sehr schwer sich irgendjemand anderen in der Rolle vorzustellen. Goldblum darf sein nerdiges Charisma hier voll ausleben, als Wissenschaftler mit 5 exakt gleichen Kleidungssets im Kleiderschrank, der zum ersten Date in den Burgerschuppen lädt. Doch genau wie Veronica können wir uns als Zuschauer seinem Charme nicht entziehen und so ist es nicht nur purer Ekel, den wir empfinden, wenn er beginnt Verdauungsenzyme auf seine Nahrung zu kotzen, es ist auch Empathie. Die empfinden wir auch für Davis‘ Veronica. Anfangs weil ihr ihr Chef, der übergriffige Widerling Stathis (war ein Vollbart eigentlich in den 80ern ein typisches Merkmal für Schmierlappen im Film?) nachstellt, später aufgrund ihrer… komplizierten Beziehung zu Seth. Die Chemie zwischen Goldblum und Davis, die zu diesem Zeitpunkt auch noch eher unbekannt war, ist ebenso wichtig für das Gelingen des Films, wie Chris Wallas schmodderige Kreatureneffekte.
Es heißt immer Cronenberg würde keine Sequels drehen. An der Fliege wird deutlich, dass das nicht immer an ihm liegt. Er schlug Mel Brooks ein Sequel vor, das der aber als „zu anders“ ablehnte und stattdessen Effektmann Wallas selbst eine Fortsetzung drehen ließ, der leider die meisten Qualitäten des Originals außer den Schmoddereien fehlten. Als er 2009 hörte, dass FOX nach einem Regisseur für ein Remake suchte, schlug er stattdessen vor selbst ein Sidequel, einen weiteren Film im selben Universum zu inszenieren. FOX lehnte ab, verzichtete aber auch auf das Remake.
Ihr braucht vermutlich nicht meine Rezension, die Euch sagt, dass ‚Die Fliege‘ einer der großen Horrorklassiker ist. So sehr, dass man ihn heute lieber „Reimagining“ als Remake nennt. Dabei tut er nur das, was ein wirklich gutes Remake tun sollte: setzt dem bekannten Stoff unübersehbar den Stempel seines Machers auf. Und wenn ‚Die Fliege‘ nicht essentieller Cronenbergscher body horror ist, dann weiß ich auch nicht.