Newslichter Ausgabe 232: die große Newslichter KI Schau!

Willkommen bei Ausgabe 232 des Newslichters. Alsdann. Manche Themen möchte ich nicht wirklich anpacken, muss aber irgendwann einsehen, dass sie nun unausweichlich geworden sind. Und eines von diesen Themen ist KI. Künstliche Intelligenz, so liest und hört man derzeit aller Orten, wird unser ganzes Leben auf den Kopf stellen, wie das zuletzt der Anbruch des Internet-Zeitalters getan hat. Und selbst ich, als ziemlicher Technik-Zweifler, muss zugeben, dass tatsächlich vieles danach aussieht.
In den letzten Jahren waren es Kryptowährungen und zuletzt NFTs, die uns Technikbegeisterte als den absolut heißesten Scheiß seit der Erfindung von Toast verkaufen wollten. Das ging reichlich schief, nicht zuletzt deshalb, weil NFTs eine Lösung auf der dringlichen Suche nach einem Problem waren und es, ehrlich gesagt, nie gefunden haben. Aber KIs sind etwas anderes als diese etwas hilflos produzierten Hypes. Nicht nur weil sie für jeden nachvollziehbare Anwendungen haben, sondern auch weil die Leute, an entscheidenden Positionen bereits überzeugt scheinen.

Ich nehme mir hier nun nicht heraus, umfassend über KIs schreiben zu wollen. Dazu verstehe ich viel zu wenig davon. Und Probleme wie das, ob Hausaufgaben in Zeiten von ChatGPT eigentlich noch irgendeinen Wert haben, überlasse ich gerne Lehrern. Nein hier soll es um KI im Bereich des Films gehen. Ein Gebiet, von dem ich marginal mehr Ahnung habe als von KIs. Alles Folgende sollte daher als die Meinung eines Idioten verstanden werden, der versucht seine Gedanken zu sortieren. Vermutlich habe ich mit allem Unrecht, wäre bei Weitem nicht das erste Mal!

Film und KI

KIs, wie wir sie heute erleben, und das sollte vielleicht als erstes geklärt werden, haben wenig mit der SciFi-Vorstellung eines HAL 9000 oder Skynet zu tun. Es handelt sich „nur“ um lernende Algorithmen, die das in sie eingefütterte Datenmaterial – mehr oder weniger – passend auf eine Frage oder Aufgabenstellung, einen „prompt“ wieder ausgeben. Es handelt sich nicht um „Intelligenzen“ in irgendeinem selbstständigen Sinne.

Diese KIs sind im Film lange angekommen. In der Einleitung zu meiner Rezension zu Scott Manns ‚Fall‘ habe ich beschrieben, wie Mann aus Geldnot mittels KI-gestützter „deep fake“ Technologie die Lippenbewegungen seiner Darstellerinnen verändert hat, um Schimpfworte aus seinem Film zu entfernen. Was ich nicht erwähnt habe ist, dass Mann diese Gelegenheit zur (Mit-)Gründung der Firma Flawless genutzt hat, die dies nun im großen Stil anbietet. Es kann also bald soweit sein, dass synchronisierte Filme ihren Schauspielern die Lippenbewegungen in der jeweiligen Landessprache anpassen. Das große Problem der Synchronisation, dass die Übersetzung auf die Lippenbewegung passen muss, wäre folglich gelöst.

Gängiger sind bereits „wiederbelebte“ Darsteller, wie Peter Cushing in ‚Rogue One‘, oder verjüngte Darsteller. Beides geschieht mit KI-gestützten Systemen, die sämtliches verfügbare Bildmaterial der Darsteller auswerten. Und der kommende ‚Indiana Jones‘ Film verspricht eine erhebliche Weiterentwicklung dieser Technologie. Auch im Ton geschieht Ähnliches. Der lange verstorbene Andy Warhol ist, dank KI, Erzähler der ‚Andy Warhol Diaries‘ auf Netflix. James Earl Jones hat seine Darth Vader-Stimme an Lucas Arts verkauft, die nun, mittels KI, Vader auf ewig mit Jones‘ Stimme in neuen Star Warsen auftreten lassen können.

Das ist inzwischen alles schon ein derart „alter Hut“, dass es lange auf Konsumentenebene angekommen ist und „deepfake Tom Cruise“ zu einem Star auf der Plattform Tiktok geworden ist. In den letzten Jahren haben KIs, wie stable diffusion, sehr schnell ihre Fähigkeiten verbessert, Bilder nach den Textanforderungen eines Users zu erstellen. War das Anfang letzten Jahres noch weitgehend ein Witz, hat das zum Ende des Jahres schon eine erschreckende Qualität angenommen. Wie oben erwähnt arbeiten diese KIs allerdings allesamt mit eingespeistem Bildmaterial. Dies geschieht mit allem im Netz verfügbaren Material und ohne die Erlaubnis der Künstler, weswegen allerlei Künstler und die Bild-Agentur Getty Images nun Klage eingereicht haben. Die Technik hingegen ist derweil schon wieder einen Schritt weiter. Programme wie GEN-1 wollen aus Standbildern nun Animationen erstellen. Erneut steckt das Momentan noch arg in den Kinderschuhen, aber die extreme Geschwindigkeit, mit der sich die KI Bilder letztes Jahr verbessert haben, gibt wohl eine ungefähre Marschrichtung vor.

Zahlreiche Menschen in kreativen Berufen haben daher, wenig überraschend, Angst um ihre Zukunft. Und nicht zu Unrecht, muss man fürchten. Denn die eiserne Regel des Kapitalismus seit der Industrialisierung lautet, wenn ein Berufsstand durch Maschinen ersetzt werden kann, dann wird genau das passieren. Im Filmbereich werden hier zwei Dinge auf sehr unangenehme Weise zusammenkommen. Da ist zum einen die allgemeine Verachtung, die Filmschaffende, Schauspielerinnen und Produzenten (und – seien wir ehrlich – nicht zuletzt auch das Publikum) für VFX Künstlerinnen hegen. Darüber habe ich an dieser Stelle mehr als oft genug berichtet. Warum also sollte man Leute, die man ohnehin kaum als Leute wahrnimmt, nicht durch eine KI ersetzen? Die Antwort darauf lautet natürlich, weil deren Arbeit besser ist als die einer KI. Und hier kommt der zweite Punkt ins Spiel. Nein, die Arbeit einer KI wird vermutlich noch lange nicht die handwerkliche Qualität eines menschlichen Künstlers erreichen, vor allem aber kann sie niemals originell sein können. Aber sie wird „gut genug“ sein.

Und „gut genug“ ist eine Phrase, die wir in den letzten Jahren wieder und wieder und wieder vorgesetzt bekommen haben, die wir akzeptiert haben. Hm, die Effekte im neuen Superheldenfilm sind aber nicht so toll… Aber sie sind gut genug! Die Handlung des neuen Blockbusters ist unoriginell? Aber sie ist gut genug! Puh, die neue Netflixserie war ja furchtbar! Nö, sie war gut genug, dass ne halbe Stunde schnell rum war. Der kreative Inhalt eines Films wurde zu „Content“ reduziert. Und „Content“ schaffen, das kann auch eine KI.

Ich bin sicher in den nächsten Jahren wird sich der KI-Einsatz im Effektbereich sich mehr und mehr ausweiten, bis nur noch eine Handvoll menschliche Überwacher und Nachbesserer nötig sind und der Berufsstand des VFX Künstlers quasi verschwunden. Und beklagen die sich darüber, dann werden sie nicht nur arbeitslos, sie werden auch noch als ewiggestrige Technophoben bezeichnet, die ja auch „was Vernünftiges“ hätten lernen können.

In anderen kreativen Bereichen, etwa dem Drehbuch habe ich dafür andere Sorgen. Ja, man kann ein ChatGPT bereits jetzt um ein Drehbuch bitten und man bekommt einen entsprechend formatierten Text mitsamt Handlung und Charakteren. Aber das ist meist völlig unorigineller Quatsch, der zudem kaum eine halbe Stunde füllen würde. Auf Twitch läuft eine endlose KI-erstellte ‚Seinfeld‘ Episode unter dem Titel „Nothing, Forever“. Die überzeugt vor allem durch die oftmals bizarren Dialoge ihrer Charaktere, aber die Zukunft des Fernsehens ist das eher nicht. Hoffe ich.

Nein, im Film wie in jedem anderen künstlerischen Gebiet, wird KI stattdessen zur Homogenisierung beitragen. Die großen Verlage lassen längst Algorithmen über Bücher mit Blockbusterpotential laufen, um sicherzustellen, dass die dort verwendete Sprache bestimmte Lesefähigkeiten nirgendwo überschreitet, um sich kein Publikum zu verbauen. Und das KI gestützte Programm der Firma Cinelytic bietet nun die Möglichkeit den Erfolg eines Filmprojektes relativ genau vorauszusagen. Dabei werden Stars und Themen und ähnlichem ein bestimmte Werte zugeordnet und verrechnet und so schließlich der potentielle Erfolg eines Films vorhergesagt. Und das funktioniert erschreckend gut. Im Januar diesen Jahres, lag die Trefferquote, für die Kinokassen der USA und nach eigener Aussage der Firma, bei über 90%. Auch wenn das vielleicht zu hoch gegriffen sein mag, wird eine solche KI-basierte Datenanalyse, wie Streaminganbieter sie ohnehin schon lange nutzen, über kurz oder lang zum Usus werden. Für ungewöhnliche Projekte kann das ein frühes Aus bedeuten, für den Einheitsbrei mit dicker Datenlage hingegen sieht es gut aus.

Es ist wenig Positives, was ich der KI Technologie im Filmbereich abgewinnen kann. Klar, Nachbesserungen, etwa unvollständige Filmszenen auffüllen, alte Filme auf heutige Framezahlen bringen, oder das oben erwähnte Anpassen der Lippenbewegungen bereiten mir nun keine schlaflosen Nächte. Aber das Absägen menschlicher Kreativer, sicherlich im Effektbereich aber auch anderswo und das gleichzeitige Absägen von Kreativität an sich, mittels stets zur Mittelmäßigkeit strebender Analyse-Tools stoßen mir dann doch durchaus sauer auf.

Die Tech-Riesen Meta und Google wurden vom KI Erfolg ein wenig kalt erwischt. Nun wollen sie eilig nachziehen und werden das Thema und seine zahllosen Anwendungen sicher noch weiter in den Blick der Öffentlichkeit holen. In fünf Jahren werden wir vermutlich alle KIs für alltägliche Aufgaben benutzen. In zehn Jahren womöglich mit derselben Selbstverständlichkeit mit der wir heute aufs Internet zugreifen. Vielleicht hat sich meine Sichtweise bis dahin grundlegend verschoben, im Moment grusele ich mich doch eher, als ich mich freue.

‚Master & Commander – bis ans Ende der Welt‘ (2003)

‚Master & Commander‘ ist ein Film, über den ich gern scherzhaft sage, den mögen nur Russell Crowe und ich. Das stimmt natürlich nicht, wir ‚M&C‘ Fans sind Dutzende (Dutzende!). Aber ernsthaft, bei seinem Erscheinen war der Film ein ordentlicher Flop und stellte das Ende des australischen Regisseurs Peter Weir in Hollywood dar. Weir hatte in den 70ern Erfolge mit Filmen wie ‚Die Autos, die Paris auffraßen‘, oder ‚Picknick am Valentinstag‘. Mit seinen Hollywoodfilmen wie ‚Der einzige Zeuge‘, ‚Club der toten Dichter‘ oder ‚Die Truman Show‘ ermöglichte er etablierten Darstellern für sie ungewöhnliche (und meist erstmals „ernstzunehmende“) Rollen. ‚Master & Commander‘ hatte dann einfach richtig Pech.

Zum einen ist er recht schwer zu kategorisieren. Es ist ein Actionfilm, der realistisch das Leben auf einem Kriegsschiff des frühen 19ten Jahrhunderts zeigen will, psychologische Untertöne andeutet und versucht komplexe Charaktere zu zeichnen. Zum anderen war da die Konkurrenz des Jahres. Und die macht recht klar, was damals gewünscht war. ‚X-Men 2‘ oder ‚Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs‘ waren Fortsetzungen beliebter, eskapistischer Franchises. Was dem Film aber wirklich das Genick gebrochen haben dürfte, ist natürlich ‚Fluch der Karibik‘. Wenn schon ein Segelfilm, dann bitte mit Geisterpiraten, Fantasyelementen und Humor, schien das Publikum zu sagen (und dann nochmal und nochmal und…). Und mit all dem kann ‚M&C‘ nun nicht unbedingt aufwarten (Jacks „Dad Jokes“ mal außen vor gelassen).

Aber zu diesem Problem das allgemeine Publikum zu erreichen kam noch die Tatsache, dass es sich um eine Adaption von Patrick O’Briens „Aubrey und Maturin“ Romanreihe handelt. Die ist nicht nur in Deutschland nicht unbedingt Mainstream, was nicht zuletzt damit zu tun haben dürfte, dass sie den unbedarften Leser so gnadenlos mit nautischem Fachvokabular bombadiert, als wäre er ein napoleonisches Kanonenboot. Teile der Handlung stammen aus dem ersten Roman ‚Kurs auf Spaniens Küste‘ (OT: ‚Master & Commander‘). Der größte Teil aber bezieht sich auf ‚Manöver um Feuerland‘, den zehnten Roman. Das Setting vor der Küste Brasiliens ist dasselbe, wir erleben Jack Aubrey im Film als bereits erfahrenen Kapitän und er ist schon lange mit dem Forscher und Bordarzt Stephen Maturin befreundet. Allerdings wurde die Handlung vom Krieg von 1812 in die napoleonischen Kriege verlegt. Weil die Produzenten Sorge hatten, wenn die Gegner Amerikaner wären, kämen patriotische US-Bürger damit nicht so gut klar und würde den Kinos fernbleiben (was sie dann trotz französischem Gegner blieben). So ist das gegnerische Wunderschiff (baugleich mit der berühmten USS Constitution) immer noch in Amerika gebaut, aber dann eben an Napoleon verkauft. Kann man aber vielleicht fragwürdig finden, ob die jungen USA ihre neue Supertechnologie so einfach rausgeben würden. Lange Rede, kurzer Sinn, auch Fans der Reihe fühlten sich auf den Schlips getreten, weil hier zahlreiche Änderungen vorgenommen und Charaktere verwässert wurden. 2003 gehörte ich da übrigens auch dazu.

Doch seitdem habe ich den Film bestimmt ein gutes Dutzend Mal gesehen und meine Meinung lange und grundlegend geändert. Und ich bin recht froh zu sehen, dass der Film zu seinem 20sten Geburtstag (oh mein Gott, wie lange ist das her???) eine gewisse Neubewertung erfahren hat. So sehr, dass inzwischen sogar ein Reboot der Reihe, wenn auch ohne Weir, Crowe und Paul Bettany, angekündigt ist. Was macht den Film so gut?

1805 bekommt das britische Kriegsschiff HMS Surprise, unter Kapitän „Lucky“ Jack Aubrey (Crowe) den Befehl vor der Küste Brasiliens den französischen Kaperfahrer Acheron aufzubringen. Doch der erfahrene Seemann Aubrey wird vom überlegenen, feindlichen Schiff komplett überrumpelt, die Surprise schwer beschädigt. Die Verfolgung der Acheron wird für Aubrey so zu einer persönlichen Fixierung, für die er sein Schiff, seine Mannschaft und seine Freundschaft mit dem Schiffsarzt Maturin (Paul Bettany) aufs Spiel setzt.

Die knappe Zusammenfassung lässt einen typischen Abenteuerfilm erwarten und tatsächlich liefert ‚M&C‘ in dieser Hinsicht durchaus ab. Mit seinen Seeschlachten, weitgehendem Verzicht auf Computereffekte und der dramatischen Umsegelung von Kap Hoorn wirkt er so teilweise wie ein Film, der sich 2003 schon ein wenig alt angefühlt haben mag, aber auf gute Weise. Das war damals schon ein Film, wie er eigentlich nicht mehr gemacht wurde.

Weir erzählt hier auf eine ungewöhnliche Weise, die die langen Phasen der gleichförmigen, harten Arbeit an Bord eines Segelschiffs, wobei er aber auch ihre Komplexität und die Notwendigkeit von Teamarbeit zeigt und diese mit den wenigen Minuten absoluter Panik kontrastiert, wenn es zum Seegefecht kommt. Wenn schwere Stahlkugeln die Planken zerreißen, Flechette Geschosse die Matrosen und sich das gesamte Deck rot färbt, bis der Schiffsarzt nach Sand rufen muss, um nicht auszurutschen, während er komplexe Operationen mit Werkzeug vornimmt, das heute einem Schlachter zu primitiv für seine Arbeit erscheinen würde.

Und diese beiden Aspekte zeigt der Film dabei recht schonungslos. Aubrey ist ein Mann, der vom Instinkt gesteuert wird, an Bord aber Wert auf die exakte Einhaltung von Regeln legt und auch bereit ist, diese mit einiger Brutalität durchzusetzen. Aber gerade in den Gefechten ist der Film teilweise gewollt unangenehm in seiner Darstellung. Insbesondere, weil er immer wieder die jugendlichen Offiziersanwärter inmitten des Geschehens zeigt. Der jüngste, Blakeney (Max Pirkis), etwa 10 bis 12 Jahre alt, verliert nach dem ersten Gefecht seinen Arm. Weir romantisiert und beschönigt hier wenig.

Ein wenig nimmt er gar Robert Eggers filmischen Ansatz voraus. Insbesondere in einer eindrücklichen Sequenz, in der die Surprise in einer Flaute liegt und die abergläubische Mannschaft glaubt in einem der Offiziersanwärter einen Jona, einen Unglücksbringer ausfindig gemacht zu haben. Die folgende Ablehnung und Ausgrenzung geht so weit, dass der Mann in den Selbstmord getrieben wird. Wie Eggers (‚Der Leuchtturm‘) lässt Weir das weitgehend unkommentiert und überlässt dem Zuschauer die Einordnung. Einzig der Rationalist Maturin ist erschüttert, als er erkennen muss, dass auch Aubrey durchaus an den „Jona“ glaubt.

Die teilweise reichlich angespannte Freundschaft zwischen Aubrey und Maturin ist denn auch, wie in der Buchreihe, ein ganz zentrales Element. Maturin ist ein moderner Mann, ein Mann der Aufklärung, mit seinen eigenen Ansichten zu Autorität und dem britischen Empire. Davon ist im Film zwar nicht so viel übrig und doch hält er nicht hinter dem Berg, dass er seinen Forscherdrang für weit wichtiger als Aubreys militärische Mission hält. Aubrey hingegen ist von Instinkten und den idealen von Ehre und Treue gesteuert und dafür auch bereit ist, über seien Befehle hinaus zu handeln. Ein glühender Verfechter des Empire, der mit leuchtenden Augen von Lord Nelson erzählt. Im Film wird er, ‚Gladiator‘ Crowe sei Dank, vielleicht ein Stück zu weit zum typischen Actionhelden, doch darf Crowe hier durchaus auch sein Schauspieltalent präsentieren. Wenn Aubrey den jungen Blakeney am Krankenbett besucht und sich dabei vor Schuldgefühlen in seiner Uniformjacke geradezu windet, gleichzeitig aber väterliche Zuversicht und Autorität ausstrahlen will, ist das eine Erinnerung, dass Crowe durchaus kann, wenn er will.

Vor allem aber ist ‚M&C‘ ein Film, der sich Raum zum Atmen, zum Aufgehen nimmt. Der seine Galapagos Inseln als einen Traum für Forschungsreisende präsentiert, der in Ruhe sein wunderbares Schiff zeigt, auf Details, wie die Namen der verschiedenen Kanonen hinweist, dem interessierten Zuschauer immer noch etwas Neues präsentieren kann. In dem sich die beiden Hauptdarsteller mehrfach hinsetzen, um gemeinsam zu musizieren, der Leben an Bord vom Wachwechsel bis zur Seekrankheit und eben dem blutigen Gemetzel zeigt.

Er ist so auf seine Weise eine Art anti-‚Fluch der Karibik‘, in dem Segelschiffe nur eine Art sind, um von Punkt A der Handlung zu Punkt B der Handlung zu kommen. Hier ist die Surprise ein ganz zentraler Teil der Faszination. Weir präsentiert das Schiff und seinen Film beinahe mit dem Auge des Science Fiction Regisseurs, so tief ist seine Faszination mit der veralteten Hochtechnologie. Das muss man vielleicht ein Stück weit nachempfinden können, damit der Film wirklich funktioniert.

Für mich funktioniert dieser Mix aus Elementen jedenfalls ganz wunderbar und formt einen der besten Filme für einen faulen Sonntagnachmittag, den ich mir vorstellen kann.

Louis Le Prince, der verschwundene Filmpionier

Wenn man ein bestimmtes Alter überschritten hat, dann erfolgt so um den eigenen Geburtstag herum grundsätzlich eine Betrachtung zum Thema Zeit. Dieses Jahr hat die sich bei mir ausnahmsweise mal auf ein Thema konzentriert, das ich hier auf dem Blog verwerten kann: der Frage was ist eigentlich der älteste Film der Welt und was ist seine Geschichte? Und die Antwort darauf stellte sich auch noch als veritabler Thriller heraus!

Mit 100%er Sicherheit lässt sich die Frage nach dem ältesten Film vermutlich nicht beantworten, aber allgemein wird angenommen, dass es ‚Roundhay Garden Scene‘ des Franzosen Louis Le Prince aus dem Jahr 1888 ist. Es ist nicht der erste Filmversuch, den Le Prince startete, doch vorherige Aufnahmen waren verwackelt. Hier filmt er mit seiner Einlinsenkamera auf Eastman Papierfilm.

Mit etwa 2 Sekunden Länge bietet der Film heute kaum genug Content für ein Tiktok-Video, seine Geschichte ist dennoch faszinierend. Also die um den Film an sich. Sein Inhalt ist, wie Ihr gesehen habt, simpel. Anfangs ganz links im Bild sehen wir Adolphe Le Prince, den Sohn von Louis und Ehefrau Elizabeth Le Prince-Whitley. In der Mitte Miss Harriet Hartley, eine Bekannte Le Princes. Und rechts im Hintergrund das Ehepaar Sarah und Joseph Whitley, die Schwiegereltern Le Princes, im Garten deren Hauses in Roundhay, einem Vorort von Leeds, die Aufnahme entstand. Und wir sehen wie sie ein wenig durch die Gegend wandern, bevor die Aufnahme auch schon wieder vorbei ist.

Le Prince war inspiriert vom Zoopraxiskop von Eadweard Muybridge und dessen Versuchen mit Bewegtbildern. Er besaß bereits ein Patent für eine Kamera, die mit 16 Objektiven schnell aufeinanderfolgende Aufnahmen machen konnte und so Bewegung abbildete. Allerdings nahm die natürlich zwangsläufig jedes Bild einer Bewegungsabfolge aus leicht anderer Perspektive auf. Also werkelte Le Prince über Jahre an einer Kamera, die dieses Problem beheben würde. Die obige Aufnahme war das „proof of concept“ seiner Einlinsenkamera. Damit befand er sich natürlich in einem inoffiziellen Wettstreit mit einer ganzen Reihe von Filmpionieren und war ihnen voraus. Seinen Landsleuten, den Brüdern Lumiere, Edison und Dickson aus den USA oder Donisthorpe aus dem Vereinigten Königreich. Merken solltet Ihr Euch die beiden Thomase Dickson und Edison, die kommen noch einmal vor. Tatsächlich aber würde Le Princes Kamera letztlich keinerlei Einfluss auf die Entwicklung des Filmgewerbes haben.

Doch kommen wir zunächst einmal zur Datierung des Films. Adolphe Le Prince, einer der ersten Filmschauspieler und Louis‘ Sohn, gab später an, die Aufnahme sei am 14. Oktober 1888 entstanden. Natürlich wissen wir nicht, ob das exakt ist. Viel später aber kann es jedoch nicht gewesen sein, da Mrs. Sarah Whitley am 28. Oktober desselben Jahres verstarb. Die Whitleys wurden so zur ersten Familie der Welt, die Filmaufnahmen einer verstorbenen Verwandten besaß. Kurz darauf entstand die obige Aufnahme an einer Kreuzung in Leeds.

Die technische Funktion seiner Kamera hielt Le Prince streng geheim. Er wollte sie und seine Aufnahmen der Welt zum ersten Mal 1890 in New York präsentieren. Am 12. September des Jahres reiste er mit dem Zug von Bourges nach Dijon und besuchte dort seinen älteren Bruder Albert. Von dort wollte er über Paris und Liverpool weiter nach New York reisen. Ankommen würde er dort nie. Zuletzt gesehen wurde er offiziell von Albert, als er am 16. September den Zug in Richtung Paris bestieg. Louis Le Prince verschwand scheinbar spurlos und tauchte niemals wieder auf. Sieben Jahre später wurde er für tot erklärt.

Selbstverständlich zieht ein solch mysteriöses Verschwinden eines Pioniers des Films allerlei Theorien nach sich. Einige wilder als andere. Le Prince war, nicht zuletzt aufgrund seiner jahrelangen Erfinderarbeit, hoch verschuldet. Womöglich hat er diese Chance genutzt, um sich einer möglichen Haftstrafe zu entziehen. Vielleicht aber hat ihn auch seine Familie zum Verschwinden aufgefordert, wie manche vermuten. Oder aber er hat sich das Leben genommen. 2004 wurde die Fotografie einer männlichen Leiche entdeckt, die kurz nach Le Princes Verschwinden in Paris aus der Seine gefischt wurde und ihm zum Verwechseln ähnlich sehen soll. Ein Beweis ist das keinesfalls. Nicht zuletzt, weil die Leiche einige Zentimeter kleiner war, als Le Prince gewesen sein soll. Andere sagen, sein freiwilliges oder unfreiwilliges Verschwinden habe nichts mit den Schulden zu tun gehabt, sondern mit der Tatsache, dass er homosexuell gewesen sei.

Aus heutiger Sicht sensationalistischer ist da die Vermutung, Albert habe seinen Bruder ermordet. Ganz auszuschließen ist das nicht. Albert konnte wohl noch schlechter mit Geld umgehen als Louis und schuldete seinem jüngeren Bruder noch eine große Summe aus dem Erbe ihrer Eltern. Man darf durchaus annehmen, dass die Brüder bei diesem Besuch über Geld gestritten haben. Und anscheinend ist Albert der einzige, der Louis‘ Abfahrt bezeugt hat. Aber daraus kann man selbstverständlich keinen Mord schlussfolgern.

Die dramatischste Theorie schließlich lautet, dass Thomas Edison Le Prince hat ermorden lassen, um dessen Kamera-Demonstration in New York zu verhindern. Edison nahm später für sich in Anspruch erster und alleiniger Erfinder der Bewegtbildkamera zu sein. Edison war durchaus berüchtigt dafür, mit Konkurrenten rücksichtslos umzugehen, keine Geschichte über Nikola Tesla kommt ohne Edison als Schurken aus. Angeblich soll Le Princes Witwe kurz nach seinem Verschwinden einen entsprechenden Verdacht geäußert haben. Belegen konnte das aber weder sie, noch irgendjemand sonst, der diese Vermutung geäußert hat. Tatsächlich sollten sich Le Prince und Edison noch einmal indirekt und – vermutlich – posthum begegnen.

Adoplphe Le Prince, hier nicht als Zeuge, sondern als Akkordeonspieler. Die Aufnahme entstand womöglich am gleichen Tag wie die ‚Roundhay Garden Scene‘

Thomas Dickson, der für Edison an dessen Kamera gearbeitet hatte und mindestens Miterfinder, vermutlich aber alleiniger Entwickler war, gründete 1895 sein eigenes Filmstudio American Mutoscope Company. Mit seinem Mutoskop als direkt Konkurrenz zu Edisons Kinetoskop Guckkastenkino. Auch verwendete die Firma andere Filme als Edisons Kameras, um dessen Patente nicht zu verletzen. Thomas Edison verklagte sie selbstverständlich dennoch. Die Verteidiger beriefen Adolphe Le Prince als Zeugen, um Edisons Anspruch „erster und alleiniger Erfinder“ der Bewegtbildkamera zu sein, zu widerlegen. Geholfen hat es wenig, das Gericht entschied, wie so oft, im Sinne Edisons. Dennoch wurde Mutoscope, später Biograph Company, für kurze Zeit zum erfolgreichsten Filmstudio der USA, was aber spätestens mit dem Umzug der US-Filmindustrie von der Ost- an die Westküste, also als sie wirklich lukrativ wurde, endete.

Es entbehrt sicherlich nicht einer gewissen Ironie, dass Louis Le Prince selbst nie in seinen Filmen zu sehen ist und das so einer der ersten Menschen, die Bewegtbilder unsterblich machen konnten, ohne jede Spur aus der Geschichte verschwunden ist.

Newslichter Ausgabe 231: Alptraum Fortsetzungen, immer mehr Ringe und exklusive Mogelpackung?

Willkommen bei Ausgabe 231 des Newslichters. „The times, they are a-changin‘“ wusste schon Bob Dylan. Und in den USA kam an diesem Wochenende ein Bär auf Koks, der ‚Cocaine Bear‘ erstaunlich nahe daran, den aktuellen Marvelheldenfilm von der Nummer 1 der Kinocharts zu stürzen. Zugegeben, es ist mit ‚Ant-Man 3‘ der kleinste von ihnen. Daher glaube ich auch nicht den aufkommenden Spekulationen, dass wir hier nun (mal wieder) das bevorstehende Ende des MCU vor Augen haben. Nein, es ist etwas anderes, in meinen Augen weit Interessanteres, was wir aus dem Erfolg des Koksbären, aber auch aus Filmen wie ‚M3gan‘ lernen können. Es gibt ein erhebliches Publikum für Filme mit albernen Prämissen, solange die Umsetzung halbwegs gelungen ist. Nicht jeder Erfolg muss ein episches Weltenende-Abenteuer sein. Eine musikalische, mörderische Robo-Puppe und ein Bär auf Droge sind durchaus Dinge, die ein allzu sehr an Einheitsbrei gewöhntes Publikum mit einigem Hunger aufnimmt. Mal ganz abgesehen von Splatter, wie ‚Terrifier 2‘. Jetzt braucht es nur noch Studios, die verstehen, dass man keine Viertelmilliarde in die Hand nehmen muss, um einen erfolgreichen Film zu produzieren, und wir kommen womöglich zurück zu einem Mainstreamkino, das nicht droht auf zwei drei Riesen zusammenzuschrumpfen. Und vielleicht gibt es dann sogar wieder mehr Filme für „Erwachsene“ in dem Segment.
Wie auch immer, legen wir los!

‚Nightmare on Elmstreet‘ von Mike Flanagan

Im Script Apart Podcast hat Regisseur Mike Flanagan erzählt, er würde sehr gern einen Film im ‚Nightmare On Elmstreet‘ Franchise drehen. Er habe auch schon lange in Kontakt mit der Hauptdarstellerin des ersten Films, Heather Langenkamp, gestanden, aber letztlich habe ihm niemand sagen können, mit wem er nun über die Rechte verhandeln müsste. Und ich weiß nicht so recht, ob ich darüber traurig sein sollte. Ja, Flanagan ist ein kleines Husarenstück gelungen, indem er eine, in meinen Augen gelungene, Fortsetzung zu ‚The Shining‘ abgeliefert hat. Aber Kruegers Freddy ist doch echt durch. Wes Craven wurde gezwungen im ersten Film die Möglichkeit einer Fortsetzung offen zu lassen und alsbald haben allzu viele Fortsetzungen den Kinder-mordenden Hausmeister zum Sprüche- und Possenreißer degradiert. Craven hat sich dann 1994 zur Serie zurückgemeldet und einen ersten meta-Film-Versuchsballon gestartet, der sicherlich wertvolle Erfahrungen für ‚Scream‘ geliefert hat. Der Serie aber nicht geholfen hat. Ein Crossover mit Jason, bei dem keiner „verlieren“ sollte, ist so in den frühen 2000ern verhaftet, dass es wehtut und das scheußliche Remake erwähne ich gar nicht erst. Was also könnte ein Flanagan Projekt hier noch liefern? Back to the basics, vermutlich. Ich würde mir nur wünschen, jemand mit seinem Talent würde sich auf was cooles Neues konzentrieren und eben nicht alte Ringelpullis ausgraben.

Mehr ‚Herr der Ringe‘ Filme

Das Discovery Warner Studio New Line Cinema hat einen mehrjährigen Deal mit den Besitzern der ‚Herr der Ringe‘ und ‚Hobbit‘-Rechte, der Embracer Group, bekanntgegeben, aus dem mehrere neue Filme entstehen sollen. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich nicht um Remakes der Peter Jackson Filme handeln dürfte. Da aber das ‚Silmarillion‘ nicht im Gespräch war (und in dem Bereich ohnehin Amazons ‚Rings of Power‘ angesiedelt ist), wird es wohl entweder um komplett neues Material um bekannte Charaktere gehen, oder Umsetzungen dessen, was Tolkien in seinen Appendizes erzählt. Wir könnten also erfahren, was etwa die Zwerge während des Krieges gegen Sauron getrieben haben. Oder die Reisen von Gimli und Legolas nach den Geschehnissen aus ‚Herr der Ringe‘ verfolgen. Vielleicht auch eine Hobbit Kifferkomödie ‚Alter Toby auf Lunge‘. ‚War of the Rohirrim‘ als Animationsfilm ist ja bereits länger angekündigt. Und die Form der Hobbit-Umsetzungen lässt auch erwarten, dass man sich bei zukünftigen Filmen wohl auf das ganz episch Bombastische konzentrieren wird. Ob das die Qualität der alten Filme (also ‚HdR‘, nicht ‚Hobbit‘) erreichen wird, und ob das irgendwer wirklich braucht, das wird wohl die Zukunft zeigen müssen.

Discovery Warner verklagt Paramount auf 200 Millionen Dollar

‚South Park‘ ist eine erstaunlich langlebige Serie, der Kontroversen alles andere als fremd sind. Doch der neueste Ärger könnte tatsächlich zu einem handfesten Problem werden, für eine Show, die sich rühmt jeden zu verarschen. Stellt sich raus, beim Geld hört der Spaß auf. Warner suchten 2019 händeringend nach Content für ihren Streaming Dienst HBO Max. Dafür kauften sie Paramount die exklusiven Streaming Rechte am ‚South Park‘ Katalog für knapp 1,7 Millionen Dollar pro Folge(!!!) ab und bestellten gleich noch drei neue Staffeln. Dann aber passierte was Blödes. Paramount machten 2020 ihren eigenen Streamingservice mit dem kreativen Namen Paramount+. Und da wollten sie natürlich auch South Park Content anbieten. Der alte aber war gesperrt, weil Warner die Rechte hatte. An neuen Folgen hatten sie auch die Rechte, hatten sie ja drei neue Staffeln bestellt. Für „Specials“ hatte sich Warner ebenfalls ein Vorkaufsrecht gesichert. Und bei „Filmen“ ein Veto-Recht. Also brachte man bei Paramount+ kurzerhand South Park „Events“ heraus. Darüber stand schließlich in keinem Vertrag etwas. Nebenbei teilte man Warner denn auch mit, dass deren neue Staffeln deutlich kürzer ausfallen würden. Wegen der Pandemie, natürlich, und keinesfalls weil die Animatoren und Autoren an den „Events“ arbeiteten. Discovery Warner fühlen sich, wenig überraschend, reichlich hintergangen und haben eine sehr zornig formulierte Klage gegen Paramount, South Park Digital Studios und die Köpfe hinter der Serie, Parker und Stone, eingereicht. Sie fordern Schadensersatz von 200 Millionen Dollar, weil eben die versprochene Exklusivität des Streaming Angebots durch die „Events“ nicht mehr gegeben sei und die Beklagten die ausgehandelten 30 neuen Episoden nicht abgeliefert hätten. Ob nun die Verwendung eines anderen Wortes für den Inhalt ausreicht, um Paramount zu schützen, würde ich als Laie erst einmal bezweifeln. Aber ich bin sicher, Parker und Stone werden in einigen „Events“ etwas über diesen Vorgang zu sagen haben… 

‚TKKG‘ (2019) – fast Geburtstag, keine Nostalgie

Vor ziemlich genau fast einem Jahr, habe ich an dieser Stelle, anlässlich meines Geburtstages, über meine Nostalgie für den Film ‚Ein Fall für TKKG: Drachenauge‘ geschrieben. Morgen ist es wieder so weit, ich habe mich ein weiteres Jahr auf diesem wild rotierenden Wasserball gehalten. Was liegt da näher, als den neuesten TKKG Film zu besprechen? Okay, jede Menge Dinge, aber ich fürchte, das ist was hier jetzt passieren wird. Wie kann ein moderner Film, für den ich keinerlei Nostalgie hege, gegen die rosarote Kindheitsbrille bestehen? Wir werden es herausfinden!

Der Anfang des Films lässt mich als alten (sehr alten) TKKG Fan erst einmal verwirrt aus der Wäsche schauen. Die Verkörperung von Law & Order, Peter „Tim“ Carsten (Ilyes Moutaoukkil), sprayt Graffiti an Hochhauswände? Schwänzt die Schule? Wird von übermotivierten Polizisten in bester Parcour Manier über Häuserdächer gejagt? Was ist da denn los?! Na immerhin bekommt er dann, weil er halt doch echt schlau ist, ein Stipendium für die Internatsschule nahe der Millionenstadt (hier ist das übrigens ohne jedes Geheimnis Köln). Doch was ist das? Gaby Glockner (Emma-Louise Schimpf) mag weder Tim noch Hunde (spielt aber Lisa Simpsons-esk Saxonophon) und Karl Vierstein (Manuel Santos Gelke) ist ein Mega-Außenseiter mit einer Art Bathöhle unter dem Dach, der für die halbe Schule die Hausaufgaben erledigt? Immerhin Willie „Klösschen“ Sauerlich ist sein faules, Schokolade-mampfendes Selbst. Dabei allerdings auch ein schnöseliger Tunichtgut, der bereits von allerlei Schulen geflogen ist und seinen neuen Zimmerkameraden Tim herablassend als „Ghetto-Kid“ behandelt.

Wir haben es hier, natürlich, mit einer Origin-Story zu tun. TKKG müssen hier erst zueinander und zu sich selbst finden. Auslöser dafür ist ein Flugzeugabsturz. Ein Flugzeugabsturz der Privatmaschine der Sauerlichs. Und schnell entsteht der Verdacht, der Angestellte Georg (Samuel Schneider) habe sich mit der wertvollen Fracht, einer antiken, chinesischen Statue, abgesetzt. Willie ist von der Unschuld seines Freundes (von denen er nicht viele hat) überzeugt und spätestens als auch noch Herr Sauerlich (Antoine Monot, Jr.) selbst entführt wird, raufen sich die vier ungleichen Jugendlichen zusammen, um ihm zu helfen. Der Verdacht fällt schnell auf den „blinden“ „Seher“ Raimundo (Milan Peschel), der sich zusammen mit seinem „Medium“ Amanda (Mai Duong Kieu) an die Esoterik-begeisterte Frau Sauerlich (Laura Tonke) herangemacht hat. Gabys Vater, Kommissar Glockner (Trystan Pütter) und Schulleiterin Müller-Borello (Michou Friesz) sind von den Ermittlungen der frischgebackenen Bande allerdings alles andere als angetan.

Die Handlung ist eine Mischung aus den ersten drei Hörspielabenteuern von TKKG. ‚Die Jagd nach den Millionendieben‘, ‚Das Grab im Moor‘ und ‚Der blinde Hellseher‘, nur eben mit Willies Familie im Zentrum. Es gibt Anspielungen auf weitere Folgen, etwa die oben erwähnte Frau Müller-Borello, die mit ihrem Hörspielcharakter aber nix zu tun hat. Der Waiga See wird als naher Ort erwähnt (im Hörspiel ist er in Österreich), das ‚Phantom auf dem Feuerstuhl‘ geht im Hintergrund um und vermutlich allerlei Anspielungen auf neuere Folgen („neu“ heißt hier ab den frühen 90ern), die ich nicht mehr kenne. Der Film blendet dabei moderne Technologie nicht aus, Smartphones und auch Drohnen sind zentrale Teile der Handlung, aber der Film macht auch kein Geheimnis aus seiner Herkunft aus den 80ern. So spielt, sicher nicht ganz zufällig, eine Audio-Kassette eine ganz wesentliche Rolle. Gelegentlich verliert sich der Film aber, gerade bei seinen Nebencharakteren, im erstaunlich cartoonhaften. Wenn ausgerechnet der im Hörspiel stets korrekte Glockner an einem Tatort den Boden beschnüffelt fragt man sich doch, wo sich jetzt Leslie Nielsen versteckt. Auch beim fiktiven „Shao long“ Kung Fu (das sich Tim aus Abbildungen einer Schriftrolle, die er nicht lesen kann selbst beibringt) geht mir die Inszenierung etwa fünf Nummern zu over the top. Vielleicht ist das da drin, um ganz junge Kinder abzuholen, ich weiß es nicht.

Neben dem eigentlichen Fall stehen bei dieser Origin natürlich vor allem die Charaktere im Mittelpunkt. Das bekommt manchen sehr gut. So ist die Freundschaft zwischen Tim und Willie durchaus glaubhaft. In den Hörspielen bleiben die Klassenunterschiede zwischen beiden, dem Millionärssohn und dem Sohn aus, nach dem Tod des Vaters, recht prekären Verhältnissen, immer nur Andeutungen. Hier sind sie zentral. Und Karl bekommt etwas, was die Hörspiele ihm eigentlich nie zugestanden haben: so etwas wie eine Persönlichkeit. Er ist hier eben nicht nur der allwissende Schlauberger, sondern auch ein einsamer Aussenseiter, der sich von allen vieren vielleicht am meisten nach Freundschaft sehnt. Einzig Gaby zieht, wieder einmal, das kurze Streichholz. Sie mag keine Hunde, bis sie es eben doch tut. Die Tatsache, dass Raimundo einen Cockerspaniel namens Oscar hat, lässt früh ahnen, wohin es geht. Einzig die Beziehung zu ihrem Vater ist hier komplexer als im Original.

Das Schaupiel der jugendlichen Hauptdarsteller ist durch die Bank in Ordnung aber auch nicht viel mehr (seien wir ehrlich, es ist UM WELTEN besser als das der Darsteller aus Drachenauge, aber Nostalgie und so). Die anderen Darsteller hingegen scheinen sich nie ganz sicher zu sein, ob sie nun als übertriebene Abziehbildchen chargieren sollen, oder eben doch bodenständig normal spielen. Insbesondere Glockners Nummer 2, Bienert, dödelt vor sich hin, dass es wehtut. Aber das ist ein Vorwurf, der sich vermutlich eher an Regisseur Robert Thalheim richten sollte, denn an die einzelnen Darsteller.

TKKG ist ein Franchise, das es nicht ganz leicht hat. In den 80ern und frühen 90ern konnte es mit aktuellen Themen überzeugen, konfrontierte seine Helden mit Dingen, die auch Kindern im realen Leben begegnen können, Drogen an der Schule, Erpressung und Gewalt. Das war weit weg von den Spukhäusern und Leuchttürmen der ‚Fünf Freunde‘ oder ‚Drei ???‘. Daher waren die vier aus der Millionenstadt damals auch ganz oben. Aber weil das alles eben so „zeitgemäß“ war, alterte es auch arg schnell. Dabei meine ich gar nicht unbedingt das allgegenwärtige Fatshaming, oder den Umgang mit Obdachlosen und Roma (nicht die Bezeichnungen, die die Hörspiele wählen würden…), oder Tims (damals noch Tarzan) übliche Gewaltlösungen („Au, mein ARM!!!“) sondern die Themen an sich. Gute Krimis altern wunderbar, siehe Sherlock Holmes oder die Geschichten von Agatha Christie. Das gelingt auch vielen der ‚Drei ??? Folgen. Aber die frühen ‚TKKG‘ Folgen muss man heute schon fast mit einem ironischen Ohr hören. Und so wurde ‚TKKG‘ halt schon seit langem in der öffentlichen Wahrnehmung von den Jungs aus Rocky Beach überholt.

In meinen Augen war dieser Film ein guter und annähernd gelungener Versuch das Franchise ins heute zu holen. Aber eben auch einer der dabei die Kanten sehr abschleift und es ein wenig beliebig wirken lässt. Aber das fängt das angenehme und oft genug glaubhafte Spiel der vier jugendlichen Hauptdarsteller eigentlich ganz gut auf. Es ist dennoch der schwer greifbare Charme, der hier irgendwo fehlt. Das von Anfang an geplante Sequel dürfte wohl inzwischen nicht mehr kommen, vier Jahre sind im Alter der Hauptdarsteller eine Ewigkeit und man darf bezweifeln, dass sie sich überhaupt noch ähnlich sehen. Das ist schade, denn ich hätte von diesen TKKG gern einen Film gesehen, wo sie von Anfang an in ihren Rollen sind. Ob es gerade der Origin bedurft hätte ist eh eine Frage für sich. Aber gut, Tim ist ja schon so eine Art Superheld.

Wenn Ihr einen Film sucht, den Ihr mit Euren, durchaus auch jüngeren, Kindern schauen könnt, mach Ihr hier wenig falsch. Als TKKG Nostalgiker eigentlich auch nicht, es sei denn Ihr seht alles was anders ist, als Angriff auf die ursprüngliche Reihe an. Dann werdet Ihr hier gewiss nicht glücklich.

PS: für den nächsten Geburtstag nehme ich mir dann wohl den neuen drei ??? Film vor. Der wird ja gerade erstaunlich positiv besprochen.

Kurz & schmerzlos 54: ‚Eat Your Carrots‘ (2022)

Karotten stehen nicht eben im Ruf das aufregendste Gemüse zu sein. Aber es gibt bestimmt Dinge, die weiß man einfach über Karotten. Sie sind orange. Kaninchen essen sie gerne. Und sie sind „gut für die Augen“. Aber was genau bedeutet das Letztere? Mit dieser Frage beschäftigt sich die kanadische Regisseurin Laura Stewart in ihrem Kurzfilm ‚Eat Your Carrots‘. Entstanden während der Pandemie, mit Filzpuppen mit Drahtgestellgerippe, ist ihr hier ein unterhaltsamer und etwas creepiger stop-motion Film gelungen.