Willkommen bei Ausgabe 243 des Newslichters. Der Arbeitskampf in Hollywood wird in den nächsten Wochen vermutlich den Newslichter entscheidend mitgestalten. Insbesondere nun, da sich die Studios als nicht sonderlich verhandlungswillig erwiesen haben. Aber ich bin sicher, es finden sich dennoch immer noch genug absurde Themen abseits davon. Legen wir los!
Gewerkschaftsverhandlungen in Hollywood
Ich lag, wieder einmal, reichlich falsch. Als ich, vor fast einem Monat, über den Beginn des Streiks der US-Film- und Fernseh-Autoren-Gewerkschaft WGA geschrieben habe, fragte ich mich am Ende, ob es überhaupt im Interesse der Produzenten sei, wenn sich die Studios allzu aggressiv gäben, schließlich stünden auch Verhandlungen mit der Directors Guild und der Schauspieler Gewerkschaft an. Nun, die Verhandlungen mit der Directors Guild laufen derzeit und obwohl man nicht viel hört, sind sie wohl nicht sehr freundschaftlich. Und zumindest Discovery Warner haben diesen Moment ausgewählt, um sich extrem aggressiv zu geben. Im Zuge der Umbenennung ihres Streaming Services von HBO Max zu nur Max (tolle Idee, übrigens, ist ja nicht so als hätte HBO einen Namen der gewisse Qualität verspricht und außerdem ist „Max“ wahnsinnig einprägsam und bestimmt ganz prima zu googlen!) haben sie nun, in ihren Beschreibungen, Produzenten, Regisseure und Autoren von Filmen/Serien als „Creators“ zusammengefasst. Das verstößt nicht nur gegen die Regeln mehrerer Gewerkschaften, es ist auch einfach eine bewusste Respektlosigkeit gegenüber den Kreativen hinter den verkauften Produkten. In einem Moment, in dem Arbeitskämpfe nicht ausgeschlossen werden können.* Wie bereits beschrieben, einen Autorenstreik kann man eine Weile aussitzen, weil Material bereits vorliegt. Aber wenn man die Regisseurinnen in den Streik treibt? Das wäre fraglos katastrophal. Fran Drescher, Vorsitzende der Schauspieler-Gewerkschaft SAG-AFTRA, fordert die Mitglieder derweil auf, vor dem Beginn ihrer Verhandlungen am 7. Juni die Gewerkschaft zur Verkündung eines Streiks zu autorisieren. Dafür müssten sich 75% der Mitglieder für einen Streik aussprechen. Der für seine Uneinigkeit berüchtigte, nationale Rat der Gewerkschaft hat sich bereits, einheitlich, für die Autorisierung eines Streiks ausgesprochen. Wenn es nicht eine bekloppte Verschwörungstheorie wäre, könnte man fast annehmen, David Zaslav, neuer CEO von Discovery Warner, wolle seine Firma bewusst schädigen. Seit seiner Ernennung herrscht quasi unaufhörliches Chaos, das, sollte es tatsächlich zum Arbeitskampf der Regisseure und Darsteller (oder auch nur einer der Gruppen) kommen, einen schmerzhaften Höhepunkt erreichen dürfte. Oder glauben die Produzenten ernsthaft, nicht als alberne Drohung oder Werkzeug, um die Leistung der Kreativen herabzuwürdigen, sondern ernsthaft, dass ihnen ChatGPT ihre Serien und Filme liefern kann? Das wäre jedenfalls die irrsinnigste Antwort und wenn ich mir die Geschichte der letzten Jahre so anschaue, eine, die ich nicht mehr kategorisch ausschließen kann…
*Update: die Max „Creators“ Kategorisierung sei ein Fehler durch die Techniker bei der Umstellung gewesen, heißt es nun. Kein leitender Angestellter habe irgendeine Kenntnis davon gehabt. Der „Fehler“ würde allerdings wohl Wochen in der Behebung benötigen. Mein persönlicher Kommentar dazu lautet: LOL. Oder ausführlicher: klar, „Techniker“ tun nix lieber als, ohne Erlaubnis von oben, eine Datenbank in Stücke zu hauen, um sie dann ich wochenlanger Arbeit wiederherzustellen (vermutlich mit dem grausigen Gedanken im Hinterkopf, dass irgendein Anzugträger auf die Frage kommt: könnte das nicht ChatGPT machen?)!
‚Alien vs. Predator‘ Serie im Giftschrank
„Lost Media“ sind ein Thema, das derzeit erschreckend aktuell ist. Von Filmen und Serien, die sang und klanglos von Streaming-Plattformen verschwinden, ohne je auf physischen Medien vorgelegen zu haben, bis hin zu fertigen Filmen, die aus steuerlichen Gründen nie veröffentlicht werden. Und die Datensicherheit der Studios scheint inzwischen so solide, dass dieses Material nicht still und heimlich irgendwo ins Internet „leakt“. Ich habe Vergleiche gelesen, zur bewussten Zerstörung von Stummfilmen durch Studios in den 30ern (denn wer will den alten Scheiß noch sehen, wo es jetzt doch Ton gibt?!), oder dem Überspielen klassischer Serien, weil die Bänder gebraucht werden, bei TV Sendern. Das geht mir ein Stück zu weit, denn das Material liegt bei den Studios ja (hoffentlich, zumindest…) noch vor. Es ist nicht zerstört. Doch der Effekt könnte tatsächlich der gleiche sein: es ist für Interessierte nicht verfügbar. Nun stellt sich heraus, dass bei Disney eine fertige ‚Aliens vs. Predator‘ Animationsserie mit 10 Folgen in der Schublade liegt. Im Podcast „Perfect Organism“ erzählt Produzent Joshua Izzo, dass die Serie vor der Disney Übernahme bei FOX entstanden sei, mit dem Ziel sie „direct-to-DVD“ zu veröffentlichen. Aus der Formulierung „direct-to-DVD“ kann man wohl ablesen, dass die Serie auch bei FOX schon eine Weile auf Halde gelegen haben dürfte. Woraus man – vielleicht – gewisse Rückschlüsse über die Qualität ziehen kann. Oder aber sie war schlicht nicht kommerziell genug, wir werden es nie wissen, ohne sie sehen zu können. Disney jedenfalls werden vermutlich kein großes Interesse haben sie zu veröffentlichen. Zuletzt hatte man mit ‚Prey‘ einen gut besprochenen, neuen ‚Predator‘ Film im Angebot und derzeit dreht Fede Alvarez einen neuen Alien Film und eine ganze Serie ist in Arbeit. Da will man vielleicht nicht mit einem ‚Aliens vs. Predator‘ Produkt reingrätschen. Einer Reihe, die, nicht ganz zu Unrecht, einen eher trashigen Ruf genießt. Das macht es aber nicht besser, dass wir nun von einer weiteren Serie wissen, die zu „Lost Media“ werden könnte.
Ich weiß es jetzt schon, nur etwa acht Leute werden diese Rezension lesen. Und ich verstehe durchaus warum. Ein deutscher Genrefilm mit dem Titel ‚Ach Du Scheiße!‘ weckt halt gewisse negative Erwartungen. Erwartungen an miefigsten Pipi-Kacka-Humor, ausgespielt in der Hoffnung handwerkliches Unvermögen und nicht vorhandenes Budget zu überspielen. Daher falle ich hier ausnahmsweise mal mit der Tür ins (Scheiß-)Haus: der Erstling von Autor und Regisseur Lukas Rinkner ist zwar durchaus Pipi-Kacka-eklig und hat sicherlich nicht viel Budget zur Verfügung gehabt, doch handwerkliches Können kann man ihm absolut nicht absprechen. Und das Budget Problem umgeht Rinkner geschickt mit einer Inszenierung als Escape-Klo-Film. So, in der Hoffnung, dass Ihr jetzt nicht direkt wegklickt, nochmal ausführlicher.
Es beginnt mit dem Striptease einer jungen, blonden Frau auf einer Trockeneis-vernebelten Bühne, während im Hintergrund „Ohne dich“, der 80er Hit der Münchner Freiheit erklingt. Doch dann erwacht Architekt Frank Lamm (Thomas Niehaus) mit einer Platzwunde am Kopf und muss feststellen, dass die schöne Blonde nur ein Pinup auf der Innentür eines Dixiklos war. Eines Dixiklos, das offenbar auf der Seite liegt. Und, dass von einer rostigen Stahlstrebe durchbohrt ist, die Franks rechten Arm an die Außenwand nagelt. Und dessen Tür in offensichtlich böswilliger Absicht mit einem Vorhängeschloss verschlossen wurde. Aber das geht noch schlimmer. In aus der Ferne herüberwehenden Geräuschen eines Volksfestes, kann Frank die Worte seines Freundes, des Bürgermeisterkandidaten Horst Wolff (Gedeon Burkhard) hören, der eine Sprengung in 30 Minuten ankündigt. Da wird Frank klar, in welch fataler Position er sich befindet. Er ist auf der Baustelle des alten Gutshauses, das er und Horst sprengen wollten, um Platz für ihr großes Projekt, ein neues Ressort-Hotel zu machen. Gewisse Fragen drängen sich auf. Etwa wie Frank in diese missliche Lage gelangt ist, denn erinnern kann er sich nicht. Oder, vielleicht derzeit wichtiger, wie er ihr wieder entrinnen kann. Denn bei sich hat Frank nur einen Zollstock und einen Hammer. Sein Mobiltelefon steckt, scheinbar unerreichbar, in der semiviskosen Fäkalmatsche, die, in normalen Zeiten, einmal „unten“ im Klo gewesen wäre. Es beginnt ein, aufs stille Örtchen begrenzter, Wettlauf gegen den Tod.
Und Rinkner nimmt seine örtliche Begrenzung hier absolut ernst. Wir sehen nur, was Frank im Klo und durch kleine gehämmerte Löcher sehen kann. Selbst Rückblenden werden nur gezeigt, wenn sie im Dixi stattfinden, ansonsten hören wir sie nur akustisch. Wir erfahren Einiges über unseren zentralen Charakter. Etwa, dass er privat ein unzuverlässiger Workaholic ist, der seine Freundin Marie (Olga von Luckwald) äußerst nachlässig behandelt. Aber wir bekommen auch Hinweise, wie er in diese Situation geraten sein könnte. Denn außerhalb des Klos erspäht er den reglosen Körper von Frau Grün (Friederike Kempter) vom Umweltamt, die den Abriss und Neubau verhindern wollte, ist hier doch Brutgebiet des Gamsbartkauzes.
Rinkner erzählt sein extremes Kammerspiel durchaus mit schwarzhumorigem Augenzwinkern, der Klodeckel mit Smiley-Gesicht drauf erweist sich als eine Art Anti-Wilson, der Frank mit „Bernd-das-Brot“-iger Negativität auf die Aussichtslosigkeit seiner Situation hinweist, aber er nimmt Franks Schmerz, Leid, Ekel und Angst dabei durchaus ernst. Sein angenagelter Arm, in deftigen, praktischen Effekten präsentiert, tut tatsächlich schon beim Hinschauen weh und der Inhalt des kloeigenen Verbandskastens hilft erkennbar wenig. Aber das ist ein Hinweis auf das was einen guten Teil der Story ausmacht. Frank ist Architekt, ein intelligenter Charakter, der durchaus zu planen weiß. Und so erleben wir, quasi in Echtzeit, wie er Plan um Plan fasst, der frustrierend fehlschlägt, bis seine Versuche später verzweifelter und absurder werden. Einer betrifft gar ein zufällig vorbeihoppelndes Häschen und eine Möhre aus einer vergessenen Brotzeitdose.
Thomas Niehaus bestreitet dementsprechend einen sehr großen Teil des Films quasi als One-Man-Show mit der Kamera oft in Großaufnahme auf seinem Gesicht. Er tut das mit sehr lesbaren Emotionen von Verzweiflung bis Entschlossenheit während seine großen Augen im steig dreckiger werdenden Gesicht immer ausdrucksstärker werden. Ihm gegenüber Gedeon Burkhard, der erkennbaren Riesenspaß an seiner Rolle als Provinzpolitik-Psychopath hat, der seinen Irrsinn hinter einer Bierseligen Fassade falscher Jovialität versteckt (und nein, das betrachte ich jetzt nicht als großen Spoiler). Bajuwarische Politik und Polizei kommen hier übrigens gleichermaßen schlecht weg.
Ist das also ein rundum gelungener Film? Nein, natürlich nicht, aber ein grandioser Erstling, ohne jede Frage. Mit 90 Minuten befindet sich die Prämisse bereits am äußersten Punkt ihrer Dehnbarkeit und der Film hat mich, ausgerechnet, in seinem Finale ein wenig enttäuscht. Ohne hier zu viel zu verraten, hatte ich den Eindruck, dass das auch eher eine Notlösung war. Auf mich wirkte das, als hätte man hier eigentlich eine wilde Funsplatter-Eskalation geplant, wurde dann aber eben doch vom Budget gekniffen und musste allzu viel Offscreen stattfinden lassen. Dabei hätte hier etwas mehr Remmidemmi nach der würgend klaustrophobischen Handlung sehr kathartisch gewirkt.
Und dennoch es bleibt ein doller Genrebeitrag aus Deutschland. Etwas, von dem man immer wieder hört, das sei gar nicht möglich. Dabei kommt vermutlich alle paar Monate ein gelungener, deutscher Genrefilm heraus. Das eigentliche Problem scheint mir eher, dass das keiner mitbekommt. Denn die Filme haben kaum das Budget ihre Vision umzusetzen, geschweige denn für Werbung. Und das hat auch mit der deutschen Filmförderung zu tun, die ihre Gelder am liebsten in die üblichen Romcoms und ewig gleichen Historienfilme steckt, die mundgerechtes Abendprogramm für die öffentlich rechtlichen Sender liefern. Oder kann mir irgendwer erklären, warum ein ‚Manta, Manta – zwoter Teil‘ der Förderung bedarf?
Aber gut, ein Fördergeld-Rant meinerseits wird Lukas Rinkners Film wirklich alles andere als gerecht. Ob er sich mit seinem, zweifelsohne passenden Titel einen großen Gefallen getan hat, weiß ich nicht, aber das ist die Art Film, die sicherlich demnächst als Kultfilm entdeckt werden dürfte.
Ich schreibe hier ja gerne den Satz, dass heutzutage kein Franchise mehr sterben darf. Alles wird rebootet, remaket, resequelt, oder re-wasauchimmert. Da fällt eben doch auf, wenn ein potentielles Franchise einfach verschwindet. Vor allem eines, das in einem, für die heutige Großmacht der Popkultur, so wichtigen Moment kam. Die Rede ist von ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘, der 1988 ein dringend benötigter Erfolg für Disney Animation war. Ein großer Erfolg, eine neue Disneyfigur in einer Zeit, als die Firma drohte der Bedeutungslosigkeit anheimzufallen. Aber dann gab es nie ein Sequel, nur eine Handvoll Kurzfilme. Was war passiert? (im Folgenden werde ich mich nur auf die Filmaspekte von Roger Rabbit beschränken, die Bücher von Gary K. Wolf und das eine Fahrgeschäft in Disney Parks bleiben (weitgehend) außen vor)
Dafür müssen wir kurz die beteiligten an der Produktion von ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘ vorstellen. 1981 kaufte Disney die Filmrechte an dem Buch ‚Who Censored Roger Rabbit?‘ von Gary K. Wolf. Für die Produktion der Story, in der Toons real existierende Darsteller sind, wäre eine komplexe Mischung aus Real- und Zeichentrickfilm notwendig. Ein Regisseur namens Robert Zemeckis interessierte sich für das Projekt. Aber der hatte nicht viel Erfahrung und keine Erfolge vorzuweisen und so versandete das Projekt schnell.
1984 sah es finanziell sehr düster aus für Disney. Die Zeichentrickfilme zündeten nicht mehr und man hatte sehr viel Geld in allerlei Realfilmprojekte versenkt, im vergeblichen Versuch den Erfolg von ‚Star Wars‘ zu kopieren. Neues Blut musste her und das kam in Person von Michael Eisner, der von Paramount herüberwechselte und Disneys CEO wurde. Er brachte seinen Kollegen Jeffrey Katzenberg mit, dem er die Verantwortung für Film- und Zeichentrickproduktion übertrug. Und der dachte ernsthaft darüber nach, die Zeichentricksparte schlicht dichtzumachen.
Denn Disney hatte inzwischen schwere Konkurrenz in dem Feld. Ausgerechnet in Person von Ex-Disney-Animator Don Bluth. Der arbeitete gerade an seinem neuesten Film ‚Feivel, der Mauswanderer‘ und bekam dabei Unterstützung von Hollywoods Regie-Superstar Steven Spielberg. Seit der Mitte der 70er mit ‚Der Weiße Hai‘ den Sommerblockbuster etabliert hatte und danach mit einer ganzen Reihe von Superhits auftrumpfen konnte, besaß er in Hollywood quasi carte blanche. Das ist wohl auch der Grund, weswegen man bei Disney willens war, ihm, trotz seiner Arbeit mit „Nestbeschmutzer“ Bluth, zuzuhören, als er ‚Roger Rabbit‘ wieder ins Gespräch brachte. Das und die Tatsache, dass allgemein bekannt war, dass Spielberg ein Animationsnerd war und ist und durchaus wusste, wovon er spricht.
Katzenberg jedenfalls war Feuer und Flamme von der Idee. Eisner war verhaltener, aber da quasi alles, was Spielberg anfasste zu Gold wurde und Disney dringend einen Hit brauchte, ließ er sich ein. Spielberg sollte einen erheblichen Anteil an den Einnahmen des Films erhalten und bekam ein umfassendes kreatives Veto-Recht. Dafür würde er seinen Einfluss nutzen, um bei anderen Studios wie Warner oder MGM für die Verwendung der dortigen Cartoon-Charaktere zu werben. Disney behielte alleiniges Produktionsrecht, sämtliche Einnahmen aus Merchandise und abgesehen von Spielbergs Veto quasi sämtliche Rechte am Charakter. Die Regie ging an Robert Zemeckis, der sich inzwischen mit ‚Zurück in die Zukunft‘ (produziert von Spielbergs Amblin Entertainment) einen großen Namen gemacht hatte.
Über die schwierige Produktion will ich hier gar nicht viel schreiben, man darf aber annehmen, dass als 1986 ‚Feivel‘ Disneys hauseigenem ‚Basil, der große Mäusedetektiv‘ im Kino den Käse vom Brot nahm, Michael Eisner nur mäßig glücklich gewesen sein dürfte. Aber als ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘ 1988 der dringend benötigte Erfolg wurde, dürfte der Ärger schnell verraucht gewesen sein. Disney waren wieder da, mit einem Film, der klassische Animation und Toons feierte wie kein zweiter. Natürlich sollte schnell eine Fortsetzung her. Nein, nicht bloß eine Fortsetzung, Disney würde erstmals seit 1965 wieder animierte Kurzfilme als Vorfilme fürs Kino produzieren! Mit Roger Rabbit! Für durchaus heftige Millionenbudgets! Roger Rabbit, ein Charakter aus den fiktiven 40ern würde Disneys neuer Charakter für die ebenso realen, wie wilden 90er! Eisner, Katzenberg und Spielberg dürften sich in diesem Moment ein letztes Mal wirklich gut verstanden haben. Bloß Zemeckis wollte nix mehr damit zu tun haben, die Arbeit am Roger Rabbit Film bezeichnete er später als „die Hölle“.
1988 jedenfalls war der 60te Geburtstag von Micky Maus. Und in einem Fernsehspecial gehörte natürlich Roger zu seinen Gratulanten. Das sah schnell und billig hinproduziert aus und war es natürlich auch. Genau so sollte Roger aber nicht aussehen. Gespräche um ein vernünftiges Sequel begannen direkt. Amblin Mitbegründerin Kathleen Kennedy hörte einen Vorschlag von einem jungen Mann namens J.J. Abrams, der sie schwer begeisterte. Allerdings wohl niemanden sonst. Man darf sich durchaus fragen, ob hier die Grundlage für die Star Wars Sequels Jahrzehnte später gelegt wurde, aber das ist ein anderes Thema. Man entschied sich stattdessen für ein Skript namens ‚Toon Platoon‘, in dem eine Truppe aus Toons im Zeiten Weltkrieg gegen die Nazis kämpft und später Jessica Rabbit retten müssen, die von den Nazis entführt wurde und gezwungen wird, Propaganda zu drehen. Später verschob sich die Handlung auf die Bekämpfung von Nazi-Spionen in Hollywood, da man die anderen Studios wohl schwer hätte überzeugen könnte, ihre Toons in Kriegshandlungen zu zeigen (und Disney selbst wohl auch kalte Füße bekam). Für den Realfilm-Teil zeigte sich Tom Cruise sehr interessiert an einer Zusammenarbeit. Da es ein Prequel würde, wäre Bob Hoskins ohnehin raus.
1989 erschien der erste Roger Rabbit Kurzfilm, ‚Tummy Trouble‘ vor ‚Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft‘. 1989 verschoben sich aber auch die Verhältnisse bei Disney. Schon seit 1987 hatte man mit ‚Duck Tales‘ mit ganz klassischen, eigenen Charakteren Erfolg im Fernsehen. Und nun kehrte auch der Kinoerfolg mit ‚Arielle, die Meerjungfrau‘ lautstark zurück. Ein Erfolg, den man im nächsten Jahr mit ‚Die Schöne und das Biest‘ direkt wiederholen würde. Erfolge, an denen Disney die alleinigen Rechte besaß, die nicht mit einem Spielberg durchgesprochen werden mussten. Katzenberg war immer noch Rogers größter Fan, aber Eisner war nicht glücklich. Insbesondere da Spielberg, der sich inzwischen mit Bluth überworfen hatte, mit Amblimation nun auch noch ein eigenes Trickfilmstudio gründete und so in direkte Konkurrenz zu Disney trat.
Die Diskussionen zwischen den Roger Rabbit Verantwortlichen wurden wohl schärfer. Spielberg wollte 1990 den zweiten Kurzfilm vor dem von ihm produzierten ‚Arachnophobia‘ schalten. Eisner war strikt dagegen. Roger richtete sich vornehmlich an Kinder und die schauen keine Horrorkomödie um Mörderspinnen. Nein, der Kurzfilm sollte vor ‚Dick Tracy‘ geschaltet werden. Der spielte, wie Roger, in den 40ern und Eisner war sicher, das würde Disneys ‚Batman‘, also ein Riesenerfolg. Da Spielberg nur kreativ mitreden durfte, das Programmatische die Sache Disneys war, setzte Eisner sich durch. ‚Roller Coaster Rabbit‘ lief vor ‚Dick Tracy‘ (und so weh es mir auch tut, ich muss Eisner hier Recht geben! Also was die Wahl des Films betrifft, nicht so sehr bei der Idee ‚Dick Tracy‘ könnte ein ‚Batman‘-artiger Erfolg werden).
1991 sollte der dritte Kurzfilm erscheinen. Vermutlich vor ‚Rocketeer‘. Nun aber machte Spielberg von seinem Veto-Recht Gebrauch und stoppte die Produktion. Warum? Um Eisner die Sache mit ‚Arachnophobia‘ brühwarm heimzuzahlen? Durchaus möglich. Aber es gibt Leute, die dem Projekt nahestanden, die sagen ‚Hare in my Soup‘ war schlicht nicht besonders gut und Spielberg hätte die Produktion aus Qualitätsgründen gestoppt. Wie dem auch sei, dies sorgte dafür, dass auch die Produktion des ‚Roger Rabbit‘ Sequels pausiert wurde.
Spielberg hatte vermutlich inzwischen Roger Rabbit insgesamt satt, nicht zuletzt, weil die Gespräche mit Eisner vermutlich so lustig wie Zähne ziehen waren. In der Zeichentrickserie ‚Tiny Toon Abenteuer‘, die Amblimation für Warner produzierte, tauchte in Folge 61 ein Charakter auf, der Roger sehr ähnlich war, mit ähnlich lispelnder Stimme sprach und vom Publikum von einer Bühne ge-buht wurde. Es gab damals Gerüchte Spielberg selbst hätte den Dialog dieses Charakters eingesprochen. Das stimmt wohl nicht, aber als Zustandsaufnahme ist es doch deutlich.
Tom Cruise stieg alsbald aus dem Film-Sequel aus, 1992 endete das Projekt offiziell, die Animatoren wurde stattdessen zum ‚König der Löwen‘ beordert. Der Grund dafür könnte schlicht das Auseinanderdriften von Disney und Spielberg sein, allerdings gibt es noch eine andere Theorie. Spielberg befand sich damals in der Vorbereitung zu ‚Schindlers Liste‘. Und der Film veränderte seine Sicht auf Nazis komplett. Verwendete er sie zuvor als oftmals komisch/groteske Schurken, wollte er das nach dem Film nicht mehr tun. Und Roger Rabbit gegen Nazi Spione klingt eindeutig nach albernen Nazi Charakteren.
Spielberg jedenfalls setzte Ideen, die er sicherlich noch für Roger hatte vermutlich 1993 in ‚Animaniacs‘ um, einer weiteren Zeichentrickserie für Warner, die die Prämisse, dass Cartoonfiguren Darsteller sind, direkt übernimmt. Bei Disney wollte man wohl ebenfalls seinen eigenen Roger und schuf die Serie ‚Bonkers‘, um einen Cartoon Luchs, der vom Wacky Toon Studios gefeuert wird und der dann bei der Polizei anheuert. Im Gegensatz zu ‚Animaniacs‘ war ‚Bonkers‘ aber kein großer Erfolg beschert (und ich bin mir sicher, ihr lest hier zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert den Namen).
Und doch taute das Eis 1992 ein letztes Mal zumindest an. Ein vierter (bzw. neuer dritter) Roger Rabbit Kurzfilm wurde produziert, ‚Trail Mix-Up‘. Der lief 1993 vor ‚Die Spur des Windes‘. Und wenn Ihr Euch jetzt wundert, warum Ihr von dem Film noch nie gehört habt, keine Sorge, das hat sonst auch keiner. Nun kann man sich fragen, ob das eine letzte Boshaftigkeit von Michael Eisner war, um dem Hasen den Rest zu geben, oder ob Disneys Programm 1993 einfach nicht viel mehr hergab.
Danach jedenfalls kühlte die Beziehung zwischen Eisner und Katzenberg extrem ab. Als Disneys Vizepräsident Frank Wells 1994 bei einem Hubschrauberabsturz starb, erwartete Katzenberg auf dessen Position befördert zu werden. Als Eisner verkündete diese Position zunächst unbesetzt zu lassen und ihre Aufgaben kommissarisch selbst auszuführen, war das Tischtuch endgültig zerrissen. Katzenberg verließ Disney und gründete DreamWorks SKG, gemeinsam mit David Geffen und… Steven Spielberg. DreamWorks holte die Animatoren vom aufgelösten Amblimation an Bord und positionierte sich sofort als direkte, aggressive Konkurrenz zu Disney und Pixar. Nirgendwo war das deutlicher als bei Katzenbergs Herzensprojekt, an das niemand sonst bei DreamWorks glaubte. ‚Shrek‘, eine Parodie auf Disneys Märchenumsetzungen, deren Schurke, Lord Farquart, in einer Art Disneyland lebte und die Gesichtszüge von Michael Eisner trug. Wenn Katzenberg etwas konnte, dann einen ordentlichen Groll hegen.
Damit sollte die Geschichte Rogers eigentlich enden. Tut sie aber nicht. Wegen Michael Jordan, ausgerechnet. Michael Eisner sah 1997 mit einigem Ärger den gigantischen Erfolg, den Warner mit ‚Space Jam‘ einfuhr. Das hätte, seiner Meinung nach, verdammt nochmal Roger Rabbit sein sollen! Und so wurde ein Roger Rabbit Prequel erstaunlich schnell in Produktion gegeben. Und Spielberg legte überraschend kein Veto ein. Hier sollte Roger ein Helfer hinter der Bühne am Broadway sein, der in Star Jessica verknallt ist und durch Zufall selbst Karriere macht. Eisner gab Songs bei Stammkomponist Alan Menken in Auftrag, wollte Pixar Technologie nutzen, um die Produktion zu erleichtern. Doch da es keine Budget-Voraussagen unter 100 Millionen Dollar gab, verwarf Eisner die Idee alsbald wieder. Übrig von dem Projekt ist nur einer der Songs von Menken, der 2008 auf dem Debütalbum von Schauspielerin und Sängerin Kerry Butler verwendet wurde.
Damit sollte die Geschichte Rogers eigentlich enden. Tut sie auch. Weitgehend. In den 2000ern arbeitete Robert Zemeckis an der DVD-Umsetzung von ‚Falsches Spiel mit Roger Rabbit‘ und fand auf einmal wieder Interesse an einer Fortsetzung. 2010 zeigte sich auch Bob Hoskins interessiert, verabschiedete sich 2012 jedoch aufgrund seiner Parkinson Erkrankung von der Schauspielerei. Ebenfalls 2012 verkündete Zemeckis, man warte nur auf das „Okay“ der Disney-Chefetage (inzwischen Eisner Protegé Bob Iger). Seitdem gab es keine News mehr zu dem Thema. Das Okay kam offenbar nie.
Meine Einschätzung ist, dass Disney Roger Rabbit nicht wieder anfassen, solange sie nicht volle Kontrolle über den Charakter haben. Warum auch, wenn sie doch volle Kontrolle über einen Großteil der Popkultur haben? Die Frage ist also, ob Spielberg bereit wäre, seinen Anteil zu verkaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sehr daran hängt. Die nächste Frage wäre, ob Disney seinen Preis bezahlen wollen würde. Und dann ist da die Frage, ob sich heute überhaupt noch jemand für ein Sequel/Prequel interessieren würde. Roger selbst ist halb vergessen, klassische Cartoons finden kaum noch Interesse und haben wenig Platz in der heutigen Programmgestaltung. Immerhin, die Roger Rabbit-Kurzfilme kann man nun wohl als Extras auf Disney+ schauen.
Hier haben wir also ein Franchise, dass womöglich gestorben ist. Gescheitert an den gigantischen Egos hinter den Kulissen von Hollywood. Und an Disneys unaufhaltsamem Erfolg in den 90ern, der den albernen Hasen schlicht überflüssig machte.
Willkommen bei Ausgabe 242 des Newslichters. Zwar bin ich gesundheitlich noch nicht völlig wiederhergestellt, aber doch in der Lage wieder einen Newslichter zu verfassen. Genau den, den Ihr jetzt gerade lest! Irre, wa? Legen wir los!
Später Frühjahrsputz bei Disney+
Disney machen es der Konkurrenz von Discovery Warner nach und wollen im hauseigenen Streaming Service ordentlich Platz schaffen. Zahlreiche Serien und Filme werden aus dem Programm entfernt, mit dem Ziel etwa 2 Milliarden Dollar in den USA steuerlich abschreiben zu können. Der Schritt wurde in Folge von schwindenden Abonnenten und Wertverlust wohl als notwendig angesehen. Ziel der Aktion sind natürlich nicht die großen Marvel und Star Wars Projekte, sondern die kleineren, die nicht wirklich ein Publikum gefunden haben. Die Serienfortsetzung zum Film ‚Willow‘ dürfte des prominenteste „Opfer“ werden. Insgesamt um die 60 Produktionen werden wohl bereits zum kommenden Freitag verschwinden. Die Frage ist, was mit diesen Produktionen passiert. Bietet sie Disney anderen Anbietern in Lizenz an? Werden sie auf eine andere Weise irgendwo veröffentlicht? Man weiß es nicht. Und da diese Disney+ Produktionen ja bewusst nie auf Heimmedien veröffentlicht wurden, regt sich bei mir wieder etwas die Sorge darum, wie mit Medien umgegangen wird. Wir leben in einem Zeitalter, in dem „Lost Media“ eigentlich eine Idee sein sollte, die es nicht mehr gibt. Es gibt keine Lager mehr, die zu voll von Filmrollen wären, aber die Tatsache, dass man nun voll auf Disney vertrauen muss, um diese Serien und Filme irgendwo im Hintergrund zu erhalten, stimmt mich doch unsicher. Da kann man sicher fragen, warum eigentlich, sind es doch Serien und Filme, die offenbar nicht gut angekommen sind. Das mag sein, aber das macht sie, in meinen Augen, nicht weniger erhaltenswert. Mal ganz davon ab, wie oft die Qualität eines Werks erst lange im Nachhinein wirklich erkannt wurde. Nein, dieses Verschwinden von direct-to-stream Werken irgendwo im Limbo der Unsicherheit, ob bei Warner oder bei Disney oder wem auch immer, sitzt mir ernstlich quer im Hals.
Fast zu Teuer-ious
Im Februar diesen Jahres berichtete ich darüber, dass ‚Fast & Furious 10‘ und der fünfte ‚Indiana Jones‘ durch Verkettungen von inneren und äußeren Umständen zu extrem teuren Vertretern ihrer Franchises geworden sind. Hat sich das gelohnt? Während ‚Fast & Furious 10‘ in Deutschland mit rund 600.000 Besuchern einen sehr guten Start hingelegt hat (den zweitbesten des Jahres) und weltweit gar über 300 Millionen eingespielt hat und sich so nur dem hüpfenden Klempner ergeben muss, so will das Nitro aber im Heimatmarkt der USA nicht recht zünden. Auf gerade einmal 67,5 Millionen Dollar bringt der Film es dort und bleibt so sogar hinter seinem Vorgänger zurück, der noch während der Pandemie erscheinen ist! Der größte Erfolgsmarkt für den Film ist China mit 78,3 Millionen Dollar Umsatz. Die Besprechungen für den Film sind verhalten bis durchwachsen, es wird sich also zeigen müssen, ob die Mundpropaganda den Film trägt. Aber die Zahlen sollten vermutlich für die beiden angekündigten letzten Teile reichen. Es zeigt sich aber wieder einmal, dass China für den US Blockbustermarkt von erheblicher Bedeutung ist. Was bei den zuletzt recht unterkühlten Verhältnissen zwischen China und den USA wohl immer häufiger zu einem Problem werden dürfte. ‚Indiana Jones und das Rad des Schicksals‘ rollt in gut einem Monat in die Kinos. Auch hier sind nach der Premiere die Kritiken eher schwachbrüstig. Disney aber scheint großes vom alternden Archäologen zu erwarten. So hat CEO Bob Iger zuletzt gezielt vermieden, den Film als letztes Abenteuer von Dr. Jones zu bezeichnen, obwohl er lange genau damit beworben wurde. Aber wir wissen ja, wie das mit Franchises heute ist. Ich fresse auch einen ganzen Verbrennungsmotor, wenn mit F&F wirklich Schluss sein sollte, wenn die nächsten beiden Filme ordentlich Geld einspielen, sei es in China oder anderswo.
Ray Stevenson ist tot
Der nordirische Schauspieler Ray Stevenson ist tot. Er starb offenbar am letzten Sonntag auf der italienischen Insel Ischia. Es ist bislang unklar, ob sein Tod während Dreharbeiten eintrat, ebenso wie Ursache und nähere Umstände. Sicher scheint nur, dass sein Tod überraschend eintrat. Stevenson war 58 Jahre alt. Zum ersten Mal aufgefallen ist mir Stevenson in der HBO Serie ‚Rom‘. Seinen hünenhaften Legionär Titus Pullo gab er mit derartig viel Charisma und Präsenz, dass er mir mehr in Erinnerung blieb als viele der Darstellungen bekannterer Persönlichkeiten. Ebenfalls sehr gut gefiel er mir im, meiner Meinung nach zu Unrecht, viel gescholtenen ‚Punisher: Warzone‘, wo er Frank „Punisher“ Castle als reichlich abgeranzten, wenig sympathischen Psychopathen gab. Aber auch im Marvel Cinematic Universe fand er ein Zuhause, in der Rolle des Asen Volstagg. Zuletzt war er als fieser britischer Gouverneur im Tollywood-Kracher ‚RRR‘ zu sehen. Demnächst wird er den Bösewicht in der Star Wars Serie ‚Ahsoka‘ geben.
Noch kurz eine News in eigener Sache: die Twitter Verknüpfung scheint endgültig hinüber und wird wohl auch nicht mehr repariert. Wer den Blog also bislang aus Elons Bällebad besucht hat, wird das hier vermutlich gar nicht mehr lesen können, aber falls doch: Zeit einen neuen Weg zu finden!
Wenn man sich im US-Action-Kino der 80er auskennt und den Namen Cannon Films liest, dann verbindet man damit eine gewisse Erwartungshaltung. Nämlich blutige, billige Action, entweder mit Leuten in den Hauptrollen, die nie ganz den Durchbruch geschafft haben, wie Michael Dudikoff, oder solchen, die den Zenit ihrer Karriere bereits hinter sich hatten, wie Chuck Norris oder Charles Bronson. Das beschreibt einen guten Teil des Outputs des Studios, das die beiden israelischen Cousins Menahem Golan und Yoram Globus 1979, mit dem Geld aus ihren ‚Eis am Stiel‘ Filmen, übernommen haben recht gut. 1987 überhoben sie sich dann mit dem Versuch via ‚Superman IV‘ und ‚Masters of the Universe‘ ins große Franchise Geschäft einzusteigen so schwer, dass es dem Studio das Rückgrat brach.
Weniger bekannt ist, dass sie auch ganz andere Filme finanzierten. Zeffirellis ‚Otello‘, zum Beispiel. Oder John Cassvetes ‚Love Streams‘. Oder Norman Mailers einzigen Film ‚Tough Guys Don’t Dance‘. Und jeder einzelne dieser Regisseure hatte nichts als positive Worte übrig, für die beiden Produzenten. Solange der Film im Budget blieb genoss man als Regisseur sämtliche Freiheiten.
Neben diesen Filmen hat Cannon aber auch noch einen erstaunlich unbekannten Action-Thriller im Programm. „Erstaunlich unbekannt“ deshalb, weil er auf einem Drehbuch von Akira Kurosawa beruht und beide Hauptdarsteller und der Schnitt für den Oscar nominiert waren. Die anderen Cannon Filme, für die das gilt, kann man an keiner Hand abzählen. Kurosawa schrieb das Buch Mitte der 60er für eine geplante amerikanische Produktion. Er war inspiriert von Dostojewskis „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“, in dem der Autor semibiografisch das Leben in einem sibirischen Gefangenenlager beschreibt, und Nachrichten über einen außer Kontrolle geratenen Zug.
Der Film kam letztlich nie zustande und die Eigentümer des Drehbuchs, die Nippon Herald Company, trug Anfang der 80er, dem frisch aus der Sowjetunion emigrierten Andrei Konchalovsky den Stoff an. Der war begeistert suchte nach Geldgebern und fand sie in Golan und Globus.
Heute wird der Film gern als vergessenes Meisterwerk oder einer der unterbewertetsten Filme der 80er beschrieben. Während ich beiden Einschätzungen nicht direkt widersprechen würde, ist ‚Runaway Train‘ ein Film, dem man mit allzu superlativer Beschreibung vermutlich keinen ganz großen Gefallen tut. Denn in der Zeit, in der Action zumeist dicken Bizeps und noch fettere Explosionen erwarten ließ, ist ‚Runaway Train‘ ein düsterer, teilweise fieser Film, mit ausgefeilten Charakteren und – zugeben – einigen Szenen, die nicht wirklich funktionieren. Aber kommen wir erst einmal zur Geschichte.
Oscar „Manny“ Manheim (Jon Voight) ist ein brutaler Bankräuber, der zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt wurde. Nach mehreren Ausbruchsversuchen hat ihn der sadistische Gefängnisdirektor Ranken (John P. Ryan) in dauerhafte Isolation gesteckt. Dies wurde jedoch vom Gericht für unmenschlich erklärt und Manny kehrt zurück in eine normale Zelle. Er ist ein Held für die Insassen des Hochsicherheitsgefängnisses, insbesondere für den starken, aber etwas beschränkten Buck (Eric Roberts), der Manny alsbald bei einem Ausbruch unterstützt und dafür mitgenommen werden will. Manny lässt sich darauf ein, allerdings ist ihm das Überleben seines „Partners“ nicht sonderlich wichtig. Sie flüchten sich im tiefsten alaskanischen Winter in ein Zugdepot. Hier schleichen sie sich auf ein gerade abfahrendes Gespann aus vier gewaltigen Dieselloks ab, das vor einen riesigen Güterzug gesetzt werden soll. Bevor es dazu kommt erleidet der Zugführer einen Herzinfarkt und zerstört bei einem letzten Versuch der Notbremsung auch noch das Bremssystem. Die riesigen Loks sind außer Kontrolle und nehmen stetig mehr Fahrt auf. Außer den beiden Flüchtigen, die anfangs nichts von der Katastrophe ahnen, ist noch die Arbeiterin Sara (Rebecca De Mornay) auf den Loks. Sie hätte eine Idee, wie man den Zug stoppen könnte, allerdings würde sie dafür Hilfe benötigen. Leider weiß sie nichts von den Flüchtigen. Und im Kontrollzentrum glaubt man die Loks seien unbesetzt und will sie daher entgleisen lassen, bevor sie mehr Schaden anrichten können.
Das zentrale Element des Films funktioniert ganz wunderbar. Der stetig schneller werdende Zug symbolisiert die eskalierende Situation zwischen den Hauptcharakteren. Und wenn der Zug seine tödliche Endphase erreicht, umkreisen sich Buck und Manny, der eine mit einem Schraubenschlüssel bewaffnet, der andere mit einem Messer. „Zwing mich nicht, dich zu töten!“ schreit Buck. Manny antwortet nicht einmal, lacht nur abfällig, als würde er, trotz seiner schweren Verletzungen, den jüngeren, stärkeren Mann nicht einmal als Bedrohung empfinden. Und selbst die bislang so stille und zurückhaltende Sara brüllt Buck zu „Bring ihn um!“. Eine Situation, in der wir scheinbar völlig organisch gelandet sind. Das ist in der Tat purer Kurosawa, für den cinematische Bewegung immer emotionale Bewegung bedeutete. Wenn also der Zug rast, dann rasen auch die Emotionen.
In solchen Momenten, in denen Form und Inhalt perfekt aufeinander abgestimmt scheinen und sich gegenseitig wunderbar stützen, ist der Film ohne jede Frage genau das Meisterwerk, als das er oft beschrieben wird. Doch schneiden wir immer wieder auch zur Zugleitzentrale, wo man versucht die Situation unter Kontrolle zu bringen. Das dient natürlich vor allem der Exposition und dem Aufbau von Suspense. Wir wissen dann, dass der Zug in X Minuten eine alte Brücke erreicht, die bei dieser Geschwindigkeit nie halten wird und unsere Zuginsassen wissen das eben nicht.
Wirklich stolpern tut der Film aber immer dann, wenn Knastsadist Ranken Zeit bekommt. Spätestens, wenn er einen hochrangigen Bahnangestellten kopfüber in ein vollgepisstes Klo tunkt, um zu erfahren, wo der Zug mit seinen Flüchtigen ist, frage ich mich, ob ich versehentlich doch in einen Schwarzenegger-Film geraten bin. Es ist klar, was der Film zeigen will. Dass Manny und Ranken letztlich die gleiche Person sind, nur dass der eine innerhalb, der andere außerhalb der gesellschaftlichen Konventionen handelt. Nur funktioniert das kaum, weil Ranken zu wenig Raum bekommt und wenn er dann doch vorkommt eben derartig cartoonhaft handeln muss.
Es liegt aber auch daran, dass Jon Voight eine derart gruselig-magnetische Darstellung als sein rücksichtslos-charismatischer Manny abliefert, dass sie kaum Raum für anderes lässt. Eric Roberts gibt seinen Buck als loyal und treu-doof. Wird aber dadurch hintergründiger, wenn wir seinen erschreckenden Grund lernen, aus dem er im Gefängnis saß. De Mornay bleibt daneben unauffälliger. Anfangs als Stimme der Vernunft, später ebenfalls dem Wahnsinn der Situation verfallend.
Der Film besitzt natürlich eine gewisse Verwandtschaft zu ‚Speed‘. Tatsächlich kannte dessen Autor, Graham Yost, den Film wohl nur aus Erzählungen, die er aber durchaus als Inspiration für ‚Speed‘ anerkennt. Insgesamt würde ich behaupten, ‚Runaway Train‘ hat das bessere Drehbuch, aber ‚Speed‘ funktioniert besser als Actionfilm. Vielleicht gerade weil er insgesamt ein wenig simpler ist und die Grenzen zwischen gut und böse weitaus klarer verteilt.
Dennoch ist ‚Runaway Train‘ ein Film, den man gesehen haben sollte. Eben weil man kein allgemeines Urteil über Action der 80er oder auch nur Cannon Films fällen kann. Es ist ein Film, der in seiner Zeit als Fremdkörper wirkte und genau das lässt ihn, von einigen Greenscreen-Aufnahmen abgesehen, sehr, sehr gut altern.
Fun Fact, den ich nirgendwo anders unterbringen konnte: dies ist der erste Film mit Danny Trejo (hier noch als Daniel Trejo). Er war eigentlich als Roberts Boxtrainer engagiert, spielt aber letztlich auch einen Mithäftling, den Buck im Ring besiegt.
‚Red Eye‘ ist einer von Wes Cravens „neueren“ Filmen, den ich immer noch einmal nachholen wollte. Ich sage lieber nicht, wie ich mich gefühlt habe, als ich feststellen musste, dass der 18 Jahre alt ist, wählen darf und Alkohol kaufen. Aber gut, „zu spät“ gibt es bei Filmen schließlich nicht. Craven verlässt für diesen Film sein übliches Horror-Genre, auch wenn es durchaus noch Bezüge gibt. Vor allem aber ist ‚Red Eye‘ ein schlanker Thriller und das ist etwas, was mir eigentlich immer gefällt.
Hotelmanagerin Lisa Reisert (Rachel McAdams) hat die Beerdigung ihrer Großmutter besucht. Nun nimmt sie einen Nachtflug von Dallas zurück nach Miami. Während sie auf den verspäteten Abflug wartet, begegnet sie am Flughafen einem charmanten jungen Mann, Jackson Rippner (Cillian Murphy) und ja, der Film weist auf die Absurdität des Namens hin/deutet an, dass es ein Deckname ist. Obwohl sich ihre Wege bald wieder trennen, sitzen sie im Flugzeug scheinbar zufällig nebeneinander. Doch Rippner hat genau das geplant. Reisert managt das Hotel, in dem der stellvertretende Minister des Ministeriums für Innere Sicherheit, Charles Keefe (Jack Scalia) absteigen wird. Rippner will nun Reisert zwingen, ihr Hotel anzurufen, damit Keefe ein neues Zimmer zugewiesen wird, da er an einem Anschlagsplan beteiligt ist. Sollte Reisert das nicht tun, würde ihr Vater ermordet. Zum Glück verhindern Turbulenzen längere Zeit das Telefonieren und geben Reisert Gelegenheit nach einem Ausweg zu suchen. Rippner jedoch ist, trotz seines Namens, nicht doof.
Ich war durchaus überrascht, dass sich der Film, trotz seiner knappen Laufzeit von 85 Minuten, anfangs recht viel Zeit nimmt, um nicht nur unsere beiden Hauptcharaktere einzuführen, sondern auch eine Menge der anderen Passagiere. Die freundliche, aber aufdringliche ältere Dame, das allein reisende Kind, ein zeichnender Teenager, oder eine Dame mittleren Alters, die ganz offensichtlich auf Murphys Charakter steht. Das fühlt sich schon ein wenig wie diese Flugzeugkatastrophenfilme der 70er Jahre, bekommt aber durchaus Sinn, denn das Drehbuch ist peinlich darauf bedacht, dass jedes Setup, das hier gesetzt wird, später ein ordentliches Payoff erfährt.
Filmisch kann Craven seine Stärken ausleben, sobald wir das Flugzeug betreten. Nicht nur verortet er unsere Charaktere und das Verhältnis ihrer Sitzreihen zu den anderen Charakteren mit scheinbar spielerischer Einfachheit und trotz, oder wegen einer scheinbar durch die Kabine schwebenden Kamera, er vermittelt auch die scheußliche Klaustrophobie der Situation von Rachel McAdams Charakter. Ihre Lisa ist keine Actionheldin, sie ist aber auch nicht so hilflos, wie Rippner sich das vielleicht erhofft hätte. Das Vergnügen des Films ist es vor allem zu sehen, wie sie Plan um Plan um Plan schmiedet, um der Situation zu entgehen und Rippner jeden davon zunichtemacht.
Dabei müssen wir sicherlich gelegentlich auf allzu tiefes logisches Hinterfragen verzichten. Der Film inszeniert die Enge eines Flugzeugs meisterlich, doch kaum sitzen die Hauptfiguren in ihrer Sitzreihe, bekommt keiner der anderen Passagiere oder der Crew mehr mit was vor sich geht. Da kann Rippner sie bedrohen wie er lustig ist und ihr gar keine Kopfnuss versetzen, als wär er Arnie in ‚Phantom Kommando‘. Das tut dem Film wenig Abbruch, doch ist seine Schwäche sicherlich sein Buch, das nicht von Craven selbst stammt, sondern von Carl Ellsworth.
Sei es, dass McAdams Charakter ein ziemlich überflüssiges Erlebnis auf den Leib geschrieben wird, als Erklärung, warum sie sich derartig wehrt. Als ob dafür eine Erklärung notwendig wäre. Und nachdem das Flugzeug gelandet ist, wird die Handlung zu Bush-Ära Politik-Action ala ‚24‘ einerseits und typisches „Final Girl“-Gerenne andererseits. Aber Craven inszeniert auch das so luftig, dass man stets das Gefühl hat, er lache mit uns, so dass wir nie Gelegenheit bekommen über den Film zu lachen, selbst wenn die Story es wohl verdienen würde. Und Murphys schmierigen Terroristen wiederholt Dreck fressen zu sehen ist auch aus sich selbst heraus höchst befriedigend und unterhaltsam (Frage an medizinisch Versierte: wie weit kann man eigentlich mit einer punktierten Luftröhre rennen? Ungefährer Wert reicht!).
Murphy tut hier schauspielerisch dass, was er in den mittleren 2000ern meistens getan hat. Wechselt scheinbar übergangslos vom charmanten, jungen Mann zum wahrlich garstigen Fiesling. Er legt die Rolle mehr oder weniger exakt wie seinen Jonathan Crane an, den er kurz darauf, oder davor, vermutlich in einem Studio ein paar Türen weiter für ‚Batman Begins‘ gespielt hat. Aber was soll‘s? Das funktioniert für ihn ja ganz großartig. Rachel McAdams gibt ihre Lisa als scheinbares Reh im Scheinwerferlicht. Der Film macht aber bereits zuvor klar (wie gesagt, für Setup und Payoff könnte das Buch ein Lehrstück sein), dass sie als erfahrene Servicekraft ihre eigenen Emotionen selten direkt zeigt. Es dürfte wohl auch keine große Überraschung sein, dass gerade Wes Craven starke weibliche Charaktere zeigt.
Der Film hat mich über seine 85 Minuten wunderbar unterhalten. Craven war in sehr guter Form, das Buch hat mich mal positiv mal negativ überrascht, aber dabei immer unterhalten. Und Überraschungen sind in einem Thriller ja was ganz wunderbares. Das ist in Cravens Filmografie nun sicher keiner der ganz wichtigen Filme, aber einer dem es gelingt an einem öffentlichen Ort ein beklemmendes Gefühl der Klaustrophobie zu schaffen. Und das ist schwieriger als man denken sollte.
Unabhängig. Eigenständig. Cinephil. - “Film is a disease. When it infects your bloodstream, it takes over as the number one hormone; the antidote to film is more film.”