Wenn der Franchise-Wahn seltsame Blüten treibt

Ein gut laufendes Franchise ist – so hat es zumindest den Anschein – für ein Hollywoodstudio so eine Art Gelddruckmaschine. Und da es grundsätzlich nicht weh tut davon eine oder zwei im Keller zu haben, ist man in Hollywood immer auf der Suche nach „neuen“ Franchises. Okay, neu müssen sie nicht unbedingt sein, solange der Name noch bekannt ist darf es auch durchaus alt sein. Filmserien wie ‚Star Wars‘, ‚Alien‘ oder ‚Terminator‘ werden mehr oder weniger erfolgreich am Leben gehalten, während in Frieden geendete Franchises früher oder später ein Remake, ein Reboot oder schlicht eine direkte Fortsetzung bekommen.

Für den Nachschub an tatsächlich neuen (Film-)Franchises sorgt, neben den allgegenwärtigen Superheldencomics, vor allem das Genre der Jugendliteratur, oder Young Adult (kurz YA) im Englischen. ‚Harry Potter‘ zum Beispiel. Oder auch ‚Die Tribute von Panem‘ oder ‚Twilight‘. Wobei die beiden letzten ihrerseits, laut Studio Lionsgate, wiederum Fortsetzungen erhalten sollen, es wäre ja schade die Maschinen still stehen zu lassen, wenn noch Geld darin ist. Verzeihung, ich meine natürlich wenn „noch Geschichten zu erzählen sind“, wie Studio Boss Jon Feltheimer der Branchenseite Variety erzählt[1]. Daher dürfte inzwischen die Verfilmbarkeit auch für die Autoren von YA Büchern ein Faktor sein, den es zu bedenken gilt. Um verfilmt zu werden, sollte das Buch aber besser erst einmal ein Bestseller werden. Und was ein solcher ist, das bestimmt in den USA vor allem die Bestseller-Liste der New York Times. Wie ein gerade geschehener Fall zeigt, kann das manchmal nicht ganz saubere Begehrlichkeiten wecken.

Lani Sarem ist Schauspielerin. Sie ist in ein paar Kleinstrollen in Filmen zu sehen (z.B. ‚Der Kaufhauscop 2‘), die es meist nicht einmal in die Credits schaffen. Nebenbei ist sie auch Managerin für einige Bands. Und nun hat sie ein YA Buch mit dem Titel ‚Handbook for Mortals‘ geschrieben, das einige autobiografische Züge aufweisen soll. Ende Juli veröffentlicht die Seite Hollywood Reporter einen Artikel, der erklärt, dass es das erste Buch des Verlags „GeekNation“ sei, der aus einer Website gleichen Namens hervorgegangen ist. Auch weist der Artikel darauf hin, dass eine Verfilmung so gut wie beschlossene Sache ist. Der aus der ‚American Pie‘ Reihe bekannte Thomas Ian Nicholas würde produzieren und die männliche Hauptrolle übernehmen, Lani Sarem selbst die weibliche. Beide kennen sich, weil sie einmal seine Band gemanagt hat. Und somit besteht natürlich direkt Aussicht auf ein Franchise.[2] Soweit so unspektakulär.

Merkwürdig wird es eine Woche nachdem das Buch als Hardcover erschienen ist. Da taucht es nämlich völlig überraschend an Platz 1 der New York Times YA Bestseller Liste auf. Aber nicht mit den branchenüblichen 5000 verkauften Büchern, sondern mit mehr als 18000. Und das obwohl die einzigen Beiträge die man in Sozialen Medien dazu finden kann verwirrte Variationen von „kennst Du das Buch?“ sind. Das brachte einige Leute dazu Untersuchungen anzustellen. Wer die recht lange Internet-Detektivgeschichte, die sich nun entspann nachlesen möchte kann (und sollte) das auf der Seite pajiba.com tun. Ich werde hier nur die Ergebnisse wiedergeben.

Es ist nicht gänzlich unüblich, das Bücher von ihrem eigenen Autor/Verlag zu allen möglichen Zwecken aufgekauft werden. Gerade bei Büchern politischer Kommentatoren z.B. passiert das in den USA häufig. Daher geben Buchhandlungen Einkäufe größerer Mengen als geschäftliche Käufe weiter, was von der NY Times in ihren Bestseller Listen mit einer entsprechenden editorischen Notiz versehen wird. Die Mengen dafür liegen bei großen Händlern wie Amazon bei 30 Stück pro Bestellung, bei kleineren, unabhängigen Händlern aber bei 80. Nun sieht es so aus als wären vom ‚Handbook for Mortals‘ gezielt bei unabhängigen Händlern, die an die NY Times melden große Mengen an Büchern (aber jeweils unter den benötigten 80) bestellt worden, mit dem Hinweis es sei egal, wann sie geliefert würden. Das addierte sich auf zu den über 18000 Büchern. Da der Verlag aber anscheinend gar nicht vor hat große Mengen von dem Buch zu drucken (es ist derzeit nirgendwo erhältlich) können die Händler keine Ware liefern, der Verkauf gilt aber als getätigt. Die Idee ist wohl das Buch auf diese Weise in die Bestsellerliste zu katapultieren und zu einem späteren Zeitpunkt den Kauf rückgängig zu machen (problemlos, es ist ja keine Ware übergeben worden). Jedenfalls hat die NY Times, als sie auf diese Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht worden ist, das Buch aus ihrer Liste gestrichen.

Welchem Zweck diese Aktion nun dienen sollte, darüber kann man im Moment nur spekulieren. Will Frau Sarem ihre Schauspielkarriere pushen? Ist der Filmdeal an Platz 1 der Bestsellerliste gebunden? Will GeekNation auf ihr erstes verlegtes Buch aufmerksam machen? Vielleicht wird die Zukunft hier Antworten bringen. Sicher ist nur, dass YA Literatur und damit verbundene Filmdeals inzwischen ein Millionengeschäft sind. Ein Millionengeschäft, das an offenbar sehr leicht manipulierbare Zahlen gebunden ist. Hätten die Täter sich hier nur etwas geschickter angestellt und es mit den Zahlen nicht ganz so übertrieben, wer weiß, es hätte funktionieren können.

 

[1] http://variety.com/2017/film/news/lionsgate-ceo-more-hunger-games-twilight-1202520074/

[2] http://www.hollywoodreporter.com/news/geeknation-launches-book-publishing-arm-partners-lani-sarem-ya-series-handbook-mortals-1024909

Sind Prequels eigentlich immer Mist?

Oha, was für eine provokative Überschrift! Die Antwort lautet natürlich „nein“ aber sie sind die Art von Erweiterung eines „Franchises“, die ich am wenigsten mag und ich glaube, dass das ganz bestimmte Gründe hat. Die Mühlen der Unterhaltungsindustrie mahlen nach bestimmten Mustern. Macht ein Film, eine Serie, ein Buch, ein Comic oder was auch immer genug Geld, dann muss mehr davon her. Das Offensichtlichste ist zumeist eine Fortsetzung. Was aber, wenn eine Fortsetzung, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich oder wünschenswert ist? Dann muss ein Prequel her. Das Publikum mag schließlich die Charaktere in dem Werk, also will es doch bestimmt auch wissen, wie sie an den Ausgangspunkt des Originals gekommen sind.

Und genau hier liegt der Hund begraben. „Das Publikum mag die Charaktere“ bedeutet, es hat uns gefallen dabei zuzusehen, wie die Charaktere sich von A nach B bewegt haben, wie sie gelitten haben, wie sie triumphiert haben und wie sie gewachsen sind. Jetzt dabei zuzusehen, wie sie von Z nach A kommen erscheint wie ein Rückschritt, wie ein völlig sinnloser Kunstgriff im besten Falle, wie zynische Geldschneiderei im Schlimmsten. Was wir aus ihrer Vergangenheit über die Charaktere wissen müssen hat uns das Original ohnehin in ausreichendem Maße mitgeteilt, alles Andere erscheint doch redundant oder sogar schädlich bei Charakteren, die sich besser ein gewisses Unbekanntes bewahrt hätten.

Wollte wirklich irgendjemand wissen, was Darth Vader so als Kind getrieben hat? Hätte man 1997 Star Wars Fans befragt, was sie gerne sehen möchten, wären dabei die Teenager-Abenteuer von Anakin Skywalker rausgekommen? Und jetzt, wo wir sie haben, haben sie seinen Charakterbogen in der alten Trilogie in irgendeiner Form bereichert? Wollte wirklich jemand wissen, wie Hannibal Lecter zum Kannibalen geworden ist (‚Hannibal Rising‘)? Gewinnt der Charakter irgendetwas dadurch, dass es natürlich fiese Nazis waren, die dahinterstecken? Wollte wirklich jemand wissen, wie der Wizard nach Oz gekommen ist (‚Die fantastische Welt von Oz‘)? War das ernsthaft eine Frage die im Raum stand? Erinnert sich jemand an ‚Pan‘, Joe Wrights Megaspektakel, dass uns erklären wollte, wie Captain Hook und Peter Pan zu Feinden geworden sind, letztlich aber nur dadurch halbwegs im Gedächtnis blieb, dass Hugh Jackman als Blackbeard mit einem Haufen Kindersklaven Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ singt (ja, wirklich)?! Und niemand, wirklich niemand braucht mehr Hintergrundinformationen über die Aliens aus ‚Alien‘. Die gewinnen ihre Faszination doch gerade daraus, dass sie völlig fremdartig sind (das steht sogar schon im Namen!), eine Biowaffe oder was-auch-immer hingegen kann ich durchaus verstehen!

Selbst wenn zum größten Teil neue Charaktere eingeführt werden kann der Erfolg des Originals für das Prequel schädlich sein. Ich hätte sehr gerne eine vernünftige Verfilmung des ‚Hobbit‘ gesehen, ist es doch meiner Meinung nach das beste Buch von Herrn Tolkien. Da die Verfilmung, die wir bekommen haben aber mit dem Spektakel des Herrn der Ringe konkurrieren musste wurde sie in einer Art aufgebläht, die allen Charme des Buches zunichtemachte und durch eine mechanistische Achterbahnfahrt aus Trickaufnahmen ersetzte. Okay, ich habe mich genug in Rage geschrieben, schließen wir mit etwas Positivem.

Wann also ist ein Prequel nicht schlecht? Da sind zum einen diejenigen, bei denen man sehr genau hinsehen muss, um zu merken, dass es überhaupt Prequels sind. Beispiele wären ‚Indiana Jones und der Tempel des Todes‘ oder ‚Zwei glorreiche Halunken‘. Prequels zu Filmen deren Handlungstränge ohnehin nicht sonderlich eng verknüpft sind, die einfach zeitlich früher spielen. ‚Star Wars – Roque One‘ andererseits ging den eleganten Weg uns nichts neues über bestehende Charaktere erzählen zu wollen, sondern eine Frage des Originals (oder eigentlich zwei) zu beantworten, die nicht unbedingt einer Antwort bedurfte, dadurch aber auch keinen Schaden nimmt. Die X-Men Prequels gehen es auch recht klug an, insofern, dass bekannte Charaktere erst nach und nach eingeführt wurden und sie einen der interessantesten Aspekte der originalen X-Filme zum zentralen Element machen, die Beziehung zwischen Charles Xavier und Erik Lensherr.

Stimmt Ihr mir zu? Seht Ihr das völlig anders? Habt Ihr positive oder negative Beispiele für Prequels, auch über Film hinaus?

Und ja, das hier sollte mal ein „Lasst uns über Filme klönen“ werden, brachte aber nicht genug Material…