‚M3gan‘ (2022)

Wenn ein Film allein durch seinen Trailer schon zu einem Meme wird, dann ist das oftmals ein zweischneidiger Papierschneider. Es kann ein Zeichen für einen sehr unterhaltsamen Film sein, es kann aber auch ein mittelprächtiges Machwerk sein, dass seine wenigen absurd-unterhaltsamen Momente bereits in der Vorschau verschwendet hat und im fertigen Film nurmehr eine aufgebähte Variante des eingangs unterhaltsamen Konzepts liefert. ‚M3gan‘ sah für mich im Trailer nach einem Killerpuppenfilm aus und natürlich ist sie auch genau das. Aber immerhin ist das ein sehr unterhaltsamer Vertreter seines Genres, der, wenigsten in meinen Augen, mehr ist als bloß ein spaßiger Trailer.

Die neunjährige Cady (Violet McGraw) verliert bei einem Unfall beide Eltern. Sie wird in die Obhut ihrer Tante Gemma (Allison Williams), einer erfolgreichen Ingenieurin und Spiezeugentwicklerin, gegeben. Doch trotz ihres Bezuges zu Spielzeug taugt Gemma, als Elternersatz überhaupt nicht, wie sie selbst schnell eingesehen muss. Da kommt ihr eine sicher nicht ganz ethische Idee: sie hat, gegen den Willen ihrer Chefs, eine wahnsinnig teure, KI-kontrollierte, voll bewegliche Roboterpuppe namens M3gan entwickelt. Falls die positiven Einfluss auf die traumatisierte Cady hätte, könnte das ihren Arbeitgeber von der Wirtschaftlichkeit der Puppe überzeugen. Und so wird Cady zu M3gans primärer Nutzerin, die sie fortan vor jeglichem körperlichen und seelischen Schaden schützen wird…

Wir wissen natürlich alle ganz genau was geschehen wird. Weil wir den Trailer kennen. Oder weil wir wissen, dass wir einen Killerpuppenfilm schauen. Und selbst wenn nicht, Gerard Johnstones Film ist so subtil wie eine volle Ladung chemischer Reiniger ins Gesicht. Natürlich ist es eine ganz üble Idee einem traumatisierten Mädchen eine künstliche Person als wichtigste Bezugsperson vorzusetzen. Ob die nun mörderisch veranlagt ist, oder nicht. Da stecken selbstverständlich gewollte Parallelen zu aktuellen Themen drin. Erziehung in der modernen Welt, in der Verhandlungen über „Bildschirmzeiten“ eben nicht mehr nur den ollen Fernseher betreffen, sondern eine ganze Batterie an Geräten. Wo die Verführung für Eltern riesig sein dürfte, die Kinder mal kurz Youtube zu überlassen, um sich selbst einen Moment der Ruhe zu gönnen, mit all den Gefahren, die das mit sich bringt.

All das ist hier durchaus vorhanden, steckt aber nicht wirklich im Kern des Ganzen. Der Film interessiert sich nur insoweit dafür, als dass sich hier Absurdität oder Grusel herausziehen lassen. ‚M3gan‘ ist kein ‚Robot & Frank‘, oder ‚Her‘, oder ‚Ex Machina‘. Sie ist eindeutig eine Nachfahrin von Chucky. Cadys Trauma und ihre schwierige Beziehung zu ihrer entnervend distanzierten Tante ist für den Film nur die Grundlage, auf der die absurde Puppe floriert. Gemma ist eine derart hyperrationale Technikerin, die stets nur nach dem wie und nicht dem warum fragt, dass sie wohl, hieße sie Frankenstein, von der Idee eine Braut für ihr Monster zu schaffen wahnsinnig angetan wäre. Und selbstverständlich werden die familiären Probleme am Ende dadurch gelöst, dass Nichte und Tante die maschinelle Widersacherin gemeinsam zu Altmetall zerlegen. Wenn mir das jetzt jemand als Spoiler auslegen will, weiß ich auch nicht, was ich sagen soll…

Aber Cady, Gemma und M3gan existieren in einer ohnehin überzeichneten Cartoonwelt, in der sich all das völlig richtig anfühlt. Gemmas Chef David (Ronny Chieng) ist ausdrücklicher Kinderhasser und CEO eines Spielzeugkonzerns. Vor allem darum, um Hasbro in den Hintern zu treten. Gemmas Nachbarin ist ein aufdringlicher, grenzüberschreitender Messie, mit einem Hund, der eine erhebliche Gefahr für Kinder darstellt. Eine andere Mutter, an der Schule, an der Gemma Cady unterbringen will, schwärmt von ihrem hochbegabten Sohn, während der sie öffentlich eine „Schlampe“ nennt (später ist er auch noch fies zu Cady… großer Fehler).

Das einzige, was mir in dieser Cartoonwelt fehlt, sind ein paar mehr Kills. Und bei den Toden, die wir zu sehen bekommen ist mir der Film allzu zurückhaltend. Und ich habe offenbar bereits die erweiterte Version geschaut. Diese stilvolle Zurückhaltung will so gar nicht zum Rest des Films passen, der durchaus mit dem Trash flirtet. Ich für meinen Teil habe etwa den großen Fehler gemacht, gerade einen Schluck von meinem Getränk zu nehmen, als M3gan zu ihrem ersten Song ansetzt. Trotz der daraus entstehenden Sauerei habe ich sehr gelacht. Und ähnlich over-the-top hätten die Kills eben auch sein müssen, damit ich voll zufrieden bin. Aber womöglich war diese Zurückhaltung gerade eines der Geheimnisse zum Erfolg des Films.

Man darf hier halt auch nicht den Fehler machen, einen Horrorfilm zu erwarten. Ja, der uncanny valley Effekt M3gans (die oft genug tatsächlich von einer Puppe dargestellt wurde, gelegentlich von der etwa 10jährigen Tänzerin Amie Donald mit Maske und CGI Nachhilfe) ist gelegentlich verstörend, aber das daraus resultierende Gefühl ist eben eher Absurdität als echter Horror. Will der Film aber halt auch nicht sein.

Was ich wohl sagen will ist, dass ‚M3gan‘ gut aber eben auch arg seichte Unterhaltung ist. Ich werde den Film in Zukunft sicherlich noch öfter schauen und jetzt bin ich immerhin gewarnt, wann ich lieber nix trinken sollte. Ein zweiter Teil mit einem auf drölf gedrehten Bodycount würde mich allerdings auch sehr freuen!

‚The Guest‘ (2014)

Adam Wingard war ein Regisseur, der aus seinen Darstellern stets das Beste herauszuholen vermochte. Oder sie motivierte ihr Bestes zu geben. Jedenfalls in seinen kleinen Produktionen, wie ‚You’re Next‘ oder eben diesem Film hier. Sein grausiges ‚Blair Witch‘ Sequel ignorieren wir mal sorgfältig (immerhin scheint es quasi vollständig vergessen…). Und ob in seinem ‚Godzilla vs. Kong‘ Film zwischen all dem Spektakel Raum für interessante Darstellungen bleibt, muss ich irgendwann noch einmal herausfinden. Aber sowohl ‚You’re Next‘ als auch ‚The Guest‘ sind heimliche Favoriten von mir und ich war etwas überrascht, dass ich den hier noch nicht besprochen hatte. Dringend an der Zeit das nachzuholen.

Die Petersons, Vater Spencer (Leland Orser), Mutter Laura (Sheila Kelley) und Kinder Anna (Maika Monroe) und Luke (Brendan Meyer), gehen alle auf ihre Weise mit dem Verlust von Sohn/Bruder Caleb um, der aus dem Afghanistan Krieg nicht heimgekehrt ist. Eines Tages steht David (Dan Stevens) vor der Tür, ein Kamerad Calebs, der behauptet im Moment seines Todes bei ihm gewesen zu sein und ihm das Versprechen gegeben habe, seiner Familie mitzuteilen, dass er sie liebe. Die dankbaren Petersons bieten dem frisch aus der Armee entlassenen, jungen Mann für ein paar Tage das Zimmer Calebs an. Da häufen sich in ihrem kleinen Heimatörtchen in New Mexico plötzlich gewalttätige Verbrechen und weit entfernt beginnen Alarmglocken zu schrillen.

Simon Barrets Buch und Wingards Regie sind sehr gut darin, eine bestehende Dynamik aufzubauen, eben die der Familie Peterson, in die dann ein neues Element geworfen wird, nämlich David, der diese Dynamik komplett über den Haufen wirft. Uns als Zuschauer ist eigentlich sofort klar, dass mit David etwas nicht stimmt, schließlich wissen wir, welche Art Film wir schauen. Jedem der Petersons ist das eigentlich auch sofort klar. Aber der charismatische Fremde hat jedem von ihnen etwas zu bieten, dass sie sich wünschen. Der mit seinem Job unzufriedene Alkoholiker Spencer bekommt einen Saufkumpan und Zuhörer. Laura bekommt einen Ersatzsohn. Anna jemanden, der ihre Rebellion gegen die Familie unterstützt (und dabei reichlich attraktiv ist). Und der einsame, in der Schule misshandelte Luke, einen Freund.

Selbst wenn wir als Zuschauer nicht ahnten, in welche Richtung es geht, macht es der Film selbst schnell deutlich. Kaum das Laura David Calebs Zimmer zugewiesen hat und ihn allein lässt, „fährt er runter“. Wird vollständig regungs- und emotionslos. Und wir sehen, dass wir es mit Michael Myers zu tun haben. Nur eben nicht in der geweißelten Shatner-Maske, sondern in der Maske eines höflichen, hilfsbereiten jungen Mannes. Wo Myers quasi kein Charakter ist, ist David die effektive Fassade eines Charakters.

Was er auch ist, ist eine bizarro-Version von Captain America. Ein Supersoldat, geschaffen vom Rüstungskonzern KPG (für den auch der Patriarch aus ‚You’re Next‘ arbeitet). Der schickt ihm seinen eigenen Dr. Loomis, in Gestalt von Major Carver (Lance Reddick) hinterher. Der optisch, sicher nicht ganz zufällig, doch sehr an Col. Nick Fury erinnert. Überhaupt steckt der Film voller cineastischer Anspielungen. Neben den erwähnten auch ‚Fremder ohne Namen‘, ‚Halloween III‘, ‚Terminator‘, und ein wenig ‚Leon der Profi‘. Die Anspielungen sind dabei allerdings nie plump, oder direkt. Sie sind thematisch oder visuell in den Hintergrund integriert.

Der eigentliche erzählerische Clou, der den Film funktionieren lässt ist aber das Folgende: Der Film bleibt seiner anfänglichen, zurückhaltenden, bodenständigen Inszenierung den ganzen Film über absolut treu, während die Handlung immer mehr eskaliert. Dadurch öffnet sich zwischen dem Gezeigten und dem Ton des Films eine gewollte Schere, die immer gewaltiger auseinanderklafft, bis schließlich, bei der finalen Hatz durch ein gigantisches Halloween-Labyrinth eine derartige Absurdität erreicht ist, dass man tatsächlich nur noch lachen kann.

Im Mittelteil droht der Film allerdings, eben aufgrund dieser unaufgeregten Inszenierung gelegentlich zu langweilen. Für mich verhindern das die, durch die Bank hervorragenden Darsteller und das Wissen, dass es dafür am Ende eine dicke Pointe geben wird. Was aber vermutlich nicht jeder so sehen wird. Dan Stevens hat erkennbaren Spaß an seiner Rolle als Psychopath, der mit Gewalt, Dreistigkeit, Charisma und einem dicken Bündel Geldscheine erschreckend weit kommt. Erwähnen möchte ich hier auch noch einmal Lance Reddick als Carver. Eine recht kleine Rolle, die zu einem abrupten Ende kommt. Natürlich ist er hier das Loomis-Äquivalent, der uns und den Charakteren Hintergründe zu David vermitteln muss. Doch er tut das mit dem ihm eigenen Charisma, welches die Rolle absolut leuchten lässt. Und vermittelt so einige der subtileren Ideen des Films. Warum man gerade einen Psychopathen für dieses Supersoldatenprogramm ausgesucht habe, will Anna von ihm wissen. „Er schien wie der ideale Soldat“, antwortet Carver. Und sagt damit nicht nur einiges über das US-Militär und Rüstungskonzerne aus, sondern eben auch über jenen nie gesehenen Bruder Caleb, der für dasselbe Projekt ausgewählt wurde. Aus ähnlichen Gründen, darf man wohl annehmen.

‚The Guest‘ ist ein Film, der sicherlich nicht für jeden geeignet ist, wenn er aber den eigenen Sinn für Humor anspricht und man sich auf die interessante Inszenierung einlässt, zu einem zutiefst unterhaltsamen Erlebnis werden kann.

‚The Black Phone‘ (2022)

Regisseur Scott Derrickson kam ursprünglich aus dem Horror-Genre, bevor er für Marvel ‚Doctor Strange‘ inszenierte. Doch für den zweiten Teil kam es zu den berühmt-berüchtigten „kreativen Differenzen“ mit Disney und Derrickson war raus. So kehrte er prompt zum Horrorgenre zurück und inszenierte mit seinem ‚Sinister‘ Hauptdarsteller Ethan Hawke, in einer seltenen Schurkenrolle, gleich einen der erfolgreichsten Horrorfilme des an erfolgreichen Horrorfilmen nicht armen 2022. ‚The Black Phone‘, nach der gleichnamigen Geschichte von Stephen Kings Sohn Joe Hill, verbindet den derzeit so beliebten Nostalgie Ansatz mit einem durchaus grausigen Szenario, geleichzeitig aber wenig expliziter Gewaltdarstellung und scheint so einen Nerv getroffen zu haben. Meine größte Frage war, ob der Film besser als Derricksons reichlich durchwachsener ‚Sinister‘ ist.

Im Jahr 1978 lebt der etwa 12jährige Finney (Mason Thames) mit seiner etwas jüngeren Schwester Gwen (Madeleine McGraw) und ihrem gewalttätigen, alkoholkranken Vater (Jeremy Davies) in einem Vorort von Denver. Einem Vorort, in dem ein Kinderentführer und Mörder (Ethan Hawke) umgeht, dem die Öffentlichkeit den Namen „der Greifer“ gegeben hat. In der Schule wird Finney gemobbt, zuhause muss er auf Eierschalen laufen, um den Vater nicht zu provozieren. Wobei sich dessen Zorn meist auf Gwen konzentriert, die behauptet Wahrträume der Entführungen zu erleben. Als Finneys Kumpel und Beschützer Robin (Miguel Cazarez Mora) vom Greifer entführt wird, wird Finneys Schulzeit zur Hölle. Doch es kommt noch schlimmer, als er selbst zum nächsten Opfer wird. Der merkwürdige, stets Maske tragende Greifer sperrt Finney in einen schalldichten Kellerraum, in dem sich außer einer Matratze und einer Toilette nur ein schwarzes, nicht angeschlossenes Telefon befindet. Doch bald klingelt dieses und Finney erhält Anrufe der früheren, toten Opfer des Greifers, die ihm bei seiner Flucht helfen wollen.  

Derrickson ist sehr darauf bedacht, sein 70er Jahre Setting glaubwürdig wirken zu lassen. Von der Ausstattung bis hin zu zeitgemäßen Linsen, die Kameramann Brett Jutkiewicz verwendet. Dies gelingt ihm äußerst gut und Gwens Traumsequenzen knüpfen nahtlos an die hervorragend inszenierten 16mm Amateurfilme aus ‚Sinister‘ an.

Ansonsten muss man mal sagen, wenn man nicht wüsste, dass Joe Hill Kings Sohn ist, würde man hier wohl einen absolut dreisten Abklatsch vermuten. Der Film birst schier unter typischen King-Klischees. Manche sicherlich absichtlich, nostalgische Bilder von Kindern in einem Vorort, auf Fahrrädern und in gelben Regenjacken, kontrastiert mit einem Schrecken, vor dem die Erwachsenen sie nicht schützen können, schreit ja geradezu ‚ES‘. Aber auch sonst, psychotische Schulhof-Bullies, ein gewalttätiger Vater, ein Mädchen mit Shining Verzeihung, einer völlig anderen, vage definierten hellseherischen Fähigkeit, BASEBALL und ein seltsam fluchendes Kind sind King wie sonstwas.

Die größte Stärke des Films sind seine Darsteller und der Raum, den Derrickson ihnen gibt, um ihre Charaktere zu entwickeln. Debüt-Darsteller Mason Thames darf seinen Finney als krisenfähig, tapfer und kreativ zeigen. Anstatt den düsteren Kellerraum zu einem reinen Ort der Verzweiflung werden zu lassen, wird es ein Ort des Widerstands, und dank der Geister der verstorbenen Jungen, die wir als Zuschauer während der Anrufe, anders als Finney, auch sehen, zu einem Ort der Gemeinsamkeit unterschiedlichster Kinder. Das ist auch einer der Bereiche, in dem die Geschichte am Ende ihre Fäden befriedigend zusammenführt, was nicht überall der Fall ist, wie etwa bei Gwen. Das ist schade, denn gerade Madeleine McGraw liefer wohl die beste darstellerische Leistung ab. In einer frühen, sehr unangenehmen Szene, in der Gwen vom betrunkenen Vater verprügelt wird, werden anhand ihres Schauspiels die großen Themen des Films, Gewalt von Erwachsenen gegen Kinder und deren Resilienz, eingeführt. Allerdings ist sie in diesen Szenen so glaubhaft, dass mancher vielleicht gleich hier den Film lieber wieder ausschalten würde. Das Problem ihres Charakters ist auch das große Problem des Films: das erstaunlich schwache Buch.

Ob es nun an Hills Vorlage liegt, oder an Derricksons Adaption, ohne zu viel zu verraten, am Ende ist Gwens Geschichte erstaunlich sinnfrei und trägt gar nichts zum großen Ganzen bei. Am meisten unter dem schwachen Buch leidet aber Hawkes Greifer. Es ist grundsätzlich eine gute Sache, einen Serienkiller-Film zu haben, der sich auf die Opfer, nicht auf den Täter konzentriert. Von Serienkiller-Faszination hatte ich in den 90ern schon mehr als genug. So ist mein Problem auch nicht, dass vieles was den Greifer angeht im Impliziten bleibt, sondern schlicht, dass Hawke hier teilweise Dialoge geschrieben bekommt, die wohl niemand glaubhaft vortragen könnte. Das zusammen mit der modularen Maske des Mörders, die je nach Stimmung einen anderen Gesichtsausdruck bekommt ist mir hier einfach zu viel. Dazu kommt ein, zumindest für mich, äußerst seltsamer Epilog, der mit dem hier erlebten Trauma auf seltsame, fast schon unangenehme Weise umgeht.

Ich bin über jeden Horrorfilm froh, der ein Erfolg wird, keine Frage, aber ich muss zugeben, hier habe ich nicht gesehen, was andere Leute an diesem Film so elektrisiert hat. Ja, er ist durchaus spannend und stimmungsvoll, ja, er ist besser als ‚Sinister‘, insoweit er seine gerade aufgebaute Stimmung nicht sofort mit absoluter Albernheit wieder einreißt, ja, die Kinderdarsteller sind sehr, sehr gut. Und nein, nicht jeder Film muss das Rad neu erfinden, aber das hier fühlte sich für mich allzu sehr wie eine Stephen King Wundertüte an und wir alle wissen, dass man in Wundertüten selten tolle Sachen findet.

Wer aber einen Horrorfilm ohne derbe Gewaltdarstellung (das Brutalste hier ist vermutlich die Gewalt gegen die Schulhofschläger…) und ohne die berüchtigten Jumpscares sucht, der findet hier einen absolut kompetent gemachten Film, der seine Vorbilder nicht zu verbergen versucht. Wenn man denn mit der zugrunde liegenden Thematik, der Gewalt gegen Kinder klarkommt.  

‚Hatching‘ (2022)

Ich mag Horror, dem der Spagat zwischen psychologischem Horror und einem guten, alten „creature feature“ gelingt, ohne dass es sich allzu gewollt anfühlt. ‚Hatching‘, einem Film der finnischen Regisseurin Hanna Bergholm gelingt dieser Spagat ganz ausgezeichnet. Vielleicht kein Wunder, steht doch eine Turnerin im Mittelpunkt der Handlung. Und während Ihr jetzt aus purer Begeisterung, über derart viel Textkunst meinerseits, ganz wild mit den Augen rollt, würge ich schonmal die Handlung wieder hoch.

Die 12Jährige Turnerin Tinja (Siiri Solalinna) bereitet sich auf einen Wettkampf vor. Weniger aus echter Begeisterung und mehr um ihrer perfektionistischen Mutter (Sophia Heikkilä) gerecht zu werden. Diese ehemalige Eiskunstläuferin ist nun Youtube Influencerin, wo sie ihr scheinbar perfektes Familienleben mit Tochter Tinja, ihrem Ehemann (Jani Volanen) und Tinjas Bruder Matias (Oiva Ollila) präsentiert. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine tief zerrüttete Familie. Als eines Tages eine Krähe durchs Fenster fliegt und Chaos anrichtet, bricht die Mutter dem Vogel ohne Not das Genick. In der Nacht wird Tinja von den Schreien des sterbenden Tiers aus dem nahen Wald geweckt. Sie erlöst den Vogel von seinen Qualen, findet aber auch ein Ei, das sie in einem Teddybär versteckt. Das Ei zeigt ein erstaunliches Wachstum, bis ihm ein groteskes, riesiges Vogelwesen entschlüpft. Tinja ist angewidert, fühlt sich aber auch verantwortlich für das recht hilflose Geschöpf – schließlich hat sie es ausgebrütet.

Zunächst erschien mir das Bild des Monsters ein wenig zu offensichtlich. Alli, wie Tinja das Vogelwesen nach einem Kinderlied tauft, so schien es, verkörpert schlicht die unterdrückte Rebellion Tinjas gegen die vorgespielte Perfektion der Mutter. Die hat ein komplett künstliches Bild ihrer Selbst und ihrer Familie erschaffen, in einem Horrorhaus aus Pastelltönen, rosa Blümchenmustern und Glasnippes. Dahinter verbirgt sich aber eine recht lieblose Mutter, die ihre Kinder (und deren Erfolge) als Statussymbole versteht und ihren Mann wie selbstverständlich betrügt. Kein Wunder also, dass eine Pubertät in solchem Umfeld monströse Ausmaße annehmen muss.

Alli nämlich ist nun alles was die Mutter hassen würde. Sie ist hässlich, schleimig, stinkt und ernährt sich, wie Vogelbabys das ja nun einmal tun, einzig vom Erbrochenen ihrer „Mutter“ Tinja. Einem nervigen Nachbarshund beißt sie einfach den Kopf ab, anstatt ihm, mit freundlichem Lächeln im Gesicht, insgeheim das Schlimmste zu wünschen. Doch dann macht Alli eine unerwartete Entwicklung durch, die ich hier nicht vorweg nehmen möchte, und es wird sehr deutlich, dass Bergholm mehr als gedacht über die komplexe Dynamik zwischen Müttern und Töchtern zu sagen hat. Und dabei eben, wie eingangs erwähnt, einen, gerade für eine recht kleine, finnische Produktion, einen recht eindrucksvollen Monsterfilm abliefert.

Küken Alli ist sowohl im Design wie in der Umsetzung gelungen. Die animatronische Puppe stammt vom Niederländer Gustav Hoegen, der für die Pinewood Studios arbeitet und das spätere Special Effects Makeup von Conor O’Sullivan, der etwa an Nolans Dark Knight Trilogie mitgearbeitet hat. Es lohnt sich sichtbar auch für kleinere Genre-Produktionen an diesen entscheidenden Stellen nicht zu sparen.

Was den Film aber vor allem anderen funktionieren lässt ist Hauptdarstellerin Siiri Solalinna. Gecastet wurden für die Hauptrolle ausschließlich tatsächliche Turnerinnen, nicht nur für die Turnszenen an sich, sondern weil der Darstellerin, ohne zu viel zu verraten, auch sonst körperlich einiges abverlangt wird. Was für ein Glück, das mit Siiri hier eine 12jährige Laiendarstellerin gefunden wurde, der es mühelos gelingt in einer Szene ihren Turnerkolleginnen mit Mäuschenstimme zu sagen, sie würde ja gerne etwas mit ihnen unternehmen, aber sie müsse noch joggen gehen und in der nächsten die Kamera mit einer schon fast unangenehmen, magnetischen Intensität fesselt.

Man darf hier, trotz Monsters, keinen blutigen Schocker erwarten (obwohl der Film mit einigen durchaus blutigen Szenen aufzuwarten weiß!), sondern bekommt einen atmosphärischen Film mit einer sehr, sehr deutlichen Metapher serviert. Die mag für den einen oder die andere allzu offensichtlich sein, aber die Umsetzung war für mich kreativ, interessant und vor allem elegant genug, dass mich fehlende Subtilität hier eher wenig gestört hat.

Nein die Adoleszenz, und gerade die weibliche Adoleszenz, als monströse Kreatur ist nun wahrhaft kein neues Bild im Film und nicht einmal mehr auf den Horrorfilm beschränkt (ist das ein großer, roter Panda, der da durchs Fenster schaut?!), wenn sie das überhaupt je war. Doch Bergholm präsentiert hier keine reale Welt. Ihre Horrorvision ist genauso überhöht und fast cartoonhaft wie die entnervende social media Perfektion, die die Mutter hier ihrer Familie aufzwingt. Aber anders als diese hat sie eine Botschaft die über „schaut uns an, wir sind perfekt“ hinausgeht. Tatsächlich würde ich sagen, macht sich ‚Hatching‘ sogar als gutes double feature mit Pixars ‚Rot‘. Aber man sollte die Kinder nach ‚Rot‘ und vor ‚Hatching‘ vielleicht doch lieber ins Bett bringen. Und vielleicht, falls vorhanden, auch schon mal den Vogelkäfig zudecken. Sonst kommen die Wellensittiche noch auf Ideen.

‚X‘ (2022) – „It’s possible to make a good dirty picture!“

Ich ahne, was sich die eine oder der andere jetzt fragt: es ist Weihnachten, warum bespricht der Typ heute einen Slasher im 70er Jahre Pornofilm Milieu, dessen deutlich erkennbares Vorbild ‚Texas Chainsaw Massacre‘ ist? Die Antwort ist so einfach wie offensichtlich. Seid Ihr bereit? Ähem: Merry ‚X‘-mas!
So, jetzt liest hier wenigstens keiner mehr weiter und ich kann schreiben, was ich will.
Die Wahrheit ist, dass ich schlicht wirklich froh bin, dass Ti West zu seinen Horrorwurzeln zurückgekehrt ist. Und das mit einem wirklich gelungenen Film. Aber fangen wir am Anfang an.

1979. Eine Gruppe junger Leute aus Houston rund um den leicht schmierigen Produzenten Wayne (Martin Henderson) will in einem abgelegenen, texanischen Farmhaus einen Porno drehen. Waynes Freundin Maxine (Mia Goth) hofft auf Ruhm, Bobby-Lynne (Brittany Snow) und Jackson Hole (Scott Mescudi) haben einfach Spaß am Sex und Filmschulnerd RJ (Owen Campbell) plant als Regisseur einen experimentellen, anspruchsvollen Film abzuliefern. Dafür hat er sogar seine Freundin Lorraine (Jenna Ortega), die von der ganzen Porno-Sache wenig begeistert ist, als technische Unterstützung überredet. Vor Ort stellen sich die Bewohner der Farm Pearl (ebenfalls Goth) und Howard (Stephen Ure) als ebenso alte, wie merkwürdige Typen heraus. Und zumindest Howard ist von seinen Gästen alles andere als angetan. Der Film lässt von der ersten Minute an keinen Zweifel daran, dass die Situation in einem Blutbad enden wird.

Eine Sache, die zum Verständnis des Films vielleicht ganz wichtig ist, ist, dass wir uns Ende der 70er am Ende der Zeit des amerikanischen „Porno-Chic“ befinden. Beginnend 1969 mit Warhols ‚Blue Movie‘, genossen pornografische Filme wie ‚Debbie Does Dallas‘ oder ‚Deep Throat‘ in den 70ern erstaunlichen Mainstreamerfolg, in den ansonsten prüden USA und wurden neben Hollywoodfilmen in gewöhnlichen Kinos gezeigt. Gleichzeitig näherten sich die Pornos, wenn schon nicht vom Budget her, so doch handwerklich und erzählerisch, dem Mainstreamfilm an und nicht wenige Beobachter erwarteten, dass daraus ein weiteres Hollywoodgenre werden würde. All das endete mit der Wahl Reagans und dem extrem konservativen Schwenk des Landes. Was uns das verrät ist zum einen, dass Maxines amerikanischer Traum von Ruhm und Geld hier nicht so naiv ist, wie er bei einem heutigen Porno wäre, aber auch, dass es ein Traum ist, der sich 1979 sehr bald ausgeträumt haben wird.

Womit wir beim vielleicht zentralen erzählerischen Element des Films wären. Der Idee der verlorenen Jugend. In keiner Szene wird das deutlicher als in der, in der sich Maxine und Pearl das erste Mal sehen. Maxine im Sonnenschein, hinter einer geöffneten Seitenscheibe eines Autos und Pearl im finsteren Inneren des Farmhauses hinter einer verschlossenen, fast vergittert wirkenden Fensterscheibe. Die eine im Licht der Jugend, der alle Möglichkeiten offen stehen, die andere im Alter, der nun alle Möglichkeiten verschlossen sind. Die eine sexpositiv und offen, die andere mit einer, wie wir später lernen, gefährlich unterdrückten Sexualität.

Es ist eine elegante Aufnahme, eine von vielen die West und seinem Kamermann Elliot Rocket (mit dem er schon Filme wie ‚House of the Devil‘ oder ‚The Innkeepers‚ gedreht hat) gelingen. Der Film hat eine poetisch, träumerisch anmutende Atmosphäre. So wird eine Szene, in der ein Charakter unbemerkt beim Schwimmen von einem Alligator verfolgt wird, aus einer totalen Draufsicht gefilmt, die einerseits große Ruhe ausstrahlt, gleichzeitig aber die Spannung des Moments sehr gut transportiert. Die Traumhaftigkeit der texanischen Umgebung (gefilmt in Neuseeland…) erinnerte mich hierbei sehr an Philip Ridleys ‚Schrei in der Stille‘, wobei andere visuelle Anspielungen weitaus deutlicher und ausdrücklicher sind. Vor allem natürlich ‚Texas Chainsaw Massacre‘. Die Aufnahme aus dem dunklen Haus heraus durch die Vordertür in die gleißende Sonne kommt sogar wiederholt vor. Aber auch auf andere Filme wird angespielt. ‚Psycho‘ etwa. Auf den aber nicht bloß visuell, sondern der wird direkt angesprochen. Regisseur RJ ärgert sich in einer Szene (aus privaten Gründen) man könne die Handlung eines Films doch nicht mittendrin verändern. Als Gegenbeispiel wird ihm eben ‚Psycho‘ angeführt. Und natürlich erlebt auch ‚X‘ selbst einen solchen Genreshift, wenn aus der „Pornocrew im Bible Country“ Handlung, ein reichlich brutaler Slasher wird.

Bis dahin hat sich West aber sehr viel Zeit genommen, seine Charaktere zu etablieren. Sie sind zumindest mir allesamt ans Herz gewachsen, was es ernsthaft unangenehm macht, ihre Tode zu sehen, so over the top und grotesk die auch teilweise sein mögen. Sogar Pearl und Howard werden von West ein Stück weit humanisiert, was sie umso gruseliger macht. Vor allem wird deutlich, dass sie nicht von allein so geworden sind, wie sie sind, was man nicht zuletzt am, auf jedem Fernseher des Films erscheinenden, fundamentalistisch eifernden Televangelisten erkennen kann.

Was mich allerdings selbst ein wenig erstaunt ist, dass mir der Film vor dem Shift zum Slasher fast besser gefallen hat. Das ist weniger Kritik an der zweiten Hälfte, die durchaus gelungen ist, aber ich fand die Beziehungen der Charaktere fast zu interessant, um sie durch Hauen, Stechen und Schrotgeflinte zu beenden.

Womit wir bei den Darstellern wären, die ihre Sache durch die Bank sehr gut machen, aber  es ist unmöglich über den Film zu sprechen und nicht Mia Goth hervorzustellen. Ihre Doppelrolle ist wesentlich für das Gelingen des Films. An ihren Figuren untersucht der Film die Zusammenhänge zwischen Schönheit, Erfolg und Altern und zieht dabei seine Inspiration aus schundigsten Abgründen, um etwas annähernd Profundes daraus zu machen. Und Goth trägt das in beiden Rollen scheinbar mühelos mit. Maxines Verträumtheit aber auch exakte Professionalität und Pearls Enttäuschung und daraus erwachsender Hass gelingen ihr, trotz fraglos kiloweise Maske als Pearl, absolut glaubwürdig.

Ti West ist zurück im Horror und so sehr mir seine Ausflüge weg vom Genre (etwa der Western ‚In A Valley of Violence‘) gefallen haben, so liefert er hier doch seine beste Arbeit seit Jahren ab. Man kann deutlich seine Liebe zu seinen Vorbildern hier erkennen, aber auch seinen Wunsch etwas Eigenes zu schaffen, eben nicht alle typischen Tropen des Slashers unhinterfragt zu übernehmen. Ich bin gespannt auf das Prequel ‚Pearl‘ und hoffe Goth und West können ihren gewünschten dritten Teil verwirklichen. Sollte dies Euer erster Film von Ti West sein und er gefällt Euch, tut Euch selbst einen Gefallen und schaut ‚The House oft he Devil‘.

‚Benny Loves You‘ (2019)

Manchmal kommen ja Fragen auf, wann man einen Film tatsächlich „Indie“ nennen kann. Nun, viel mehr Independent als ‚Benny Loves You‘ geht vermutlich nicht mehr. Der Film wurde geschrieben und gedreht vom Briten Karl Holt. Karl Holt hat den Film ebenfalls produziert. Der hat auch die Hauptrolle gespielt, dem Antagonisten seine Stimme geliehen, zeichnet für Schnitt, Spezialeffekte, Musik und, wenigstens teilweise, die Kameraarbeit verantwortlich. Sprich, Karl Holt hatte so viele Hüte auf, wie zuletzt vielleicht Anna Biller bei der Produktion von ‚The Love Witch‘. Viel mehr Unabhängigkeit geht kaum noch. Holt hat hier exakt den Film gedreht, den er wollte. Jedenfalls innerhalb seiner finanziellen Möglichkeiten. Ich muss zugeben nicht der größte Fan von Spielzeug-Horror zu sein. Konnte mich Herr Holt hier vom Gegenteil überzeugen? Finden wir es raus.

Jack (Holt) ist nie erwachsen geworden. Musste er auch nicht, lebte er doch ein gutes Leben im riesigen, abgelegenen Haus seiner Eltern. Doch als die beide an seinem 35sten Geburtstag bei bizarren Unfällen ums Leben kommen, sieht sich Jack mit der Erwachsenenwelt konfrontiert. 10 Monate später fressen ihn, trotz eines Jobs als Spielzeugdesigners, die Rechnungen auf. Als dann eine erhoffte Beförderung auch noch an einen Kollegen geht, bleibt Jack nur noch, das Haus zu verkaufen und seine kindischen Dinge hinter sich zu lassen. Darunter auch den Beschützer seiner Kindheit, Stoffbär Benny (der Film behauptet, Benny sei ein Bär, dabei ist er OFFENSICHTLICH ein Hund!). Doch kehrt der aus dem Müll zurück und verteilt zunächst Jacks andere Stofftiere grotesk verstümmelt über das Haus, bevor er den Bankangestellten, der für den Hausverkauf verantwortlich ist, ähnlich brutal ermordet und über Wände und Boden des Hauses verteilt. Jeder, der Jack im Weg steht, wird zum Ziel für Benny. Aber auch jeder, der ihm zu nahe steht. Und das wird ein Problem, hat Jack auf der Arbeit doch gerade Dawn (Claire Cartwright) kennengelernt.

Rein filmhandwerklich ist der Film durchaus gelungen. Holt versteht stimmungsvolle Bilder einzufangen und die Schauspieler machen ihre Sache ebenfalls nicht schlecht, auch wenn der eine oder andere gelegentlich ins allzu absurde Overacting verfällt. Aber das ist dem Material vermutlich angemessen. Wo der Film leider komplett versagt ist bei Story und Charakteren. Die Geschichte ist, durchaus gewollt, grotesker Blödsinn. Leider ist der einzige Weg, den Holt findet, um seine absurden Szenen aneinanderzukitten über ausufernde Montagen. Vermutlich hat er deren Häufung selbst bemerkt und versucht hier gelegentlich allzu kreativ zu werden. So zeigt eine Montage immer wieder, was in den nächsten paar Minuten geschehen wird, bevor sie zur derzeitigen Handlung zurückspringt. Eine Szene, in der sich der Film völlig verstolpert. Besonders platt ist aber leider immer wieder der Humor. So schafft Jack eine eigentlich ganz gelungene Toyline, aber er nennt sie in seiner grenzenlosen Naivität „A.I.D.S.“. Hahaha ha?

Und dann sind da die Charaktere. Am rundesten ist vielleicht noch Jack, aber die Idee von Benny „Bärsonifikation“ (siehste Film, ich kann auch platt!) seiner Entwicklungshemmung verwässert sich bis zum Ende des Films so stark, dass wenig davon übrig bleibt. Sein Chef (James Parsons) ist jedes Chefklischee in einer beschnauzbarteten Person vereinigt und sein Kollege Richard (George Collie) ein selbstverliebter Prince-Fan. Was umso seltsamer wirkt, da Prince in der Zeit zwischen den Dreharbeiten 2014/15 und der Veröffentlichung des Films 2019 (zur Erinnerung, Holt hat die gesamte Post-Production allein bestritten) verstorben ist. Und wenn mir irgendwer erklären kann, warum Dawn auf Jack steht, außer „weil das Drehbuch es halt so will, dann wäre ich wenigstens erstaunt.

Okay, soll also heißen, dieser Film, von dem Du, liebe lesende Person, vielleicht gerade in diesem Moment zum ersten Mal hörst, ist nicht besonders gut. Warum also halte ich mich damit auf, über diesen Film zu schreiben? Weil er mich, und das mag jetzt seltsam klingen, sehr gut unterhalten hat. Das hat exakt einen Grund und der heißt Benny.

„Toy-Horror“ funktioniert für mich sehr selten. Wenn Chucky plötzlich seine kindlich-harmlose Fassade aufgibt und in Charles Lee Rays Stimme wüste Beschimpfungen ausstößt, dann kann ich das nicht mehr wirklich ernst nehmen. Soll ich vielleicht auch gar nicht, aber diese Filme sind so oft mit der Idee beschäftigt ihre Mordspielzeuge „realistisch“ wirken zu lassen, dass die Absurdität darunter leidet. Und genau hier punktet ‚Benny Loves You‘. Nichts an Benny Erscheinen gibt sich den leisesten Anflug von Realismus. Er bewegt sich völlig schwerelos, wie von einer unsichtbaren Kinderhand bespielt, mit wild floppenden Ohren und schlackernden Armen und Beinen. Der Film gibt nicht für einen Moment vor, dass es irgendeinen Weg gibt, dass Benny mit seiner fingerlosen Pfote ein Messer oder sonstige Mordwerkzeuge halten könnte. Das Messer, oder die Eingeweide seiner Opfer, kleben halt einfach irgendwie ans einer Pfote. Und wenn er Jack ein Bier holt, dann verteilt er das vollständig auf dem Boden, weil eben sein gesamter Köper schlackert, sobald er sich bewegt.

Dazu kommt seine Stimme. Die verändert sich eben nicht vom kindlichen zum plötzlichen bösen, sondern bleibt bei den mit glockenheller Stimme vorgetragenen Phrasen wie „OH WOW!“ oder „Press my belly, to make me laugh!“ und natürlich „Benny loves you!“, die nur eben im neuen furchtbaren Kontext zusammen mit seinem ständigen glucksenden Lachen, völlig neue Bedeutung erhalten. Ich habe, ungelogen, bei jedem Auftritt von Benny gelacht, wie ein absoluter Idiot. Ich war nahe daran vom Sofa zu fallen. Selbst der nicht immer gelungene Humor war mir hier wurscht. Holt findet etwa einen getöteten Mops weitaus komischer als ich. Aber wenn Benny Jack seine blutige Arbeit mit einem nach Anerkennung heischenden „TA DAAA!“ präsentiert, konnte ich nicht mehr an mich halten. Es ist diese Absurdität, die den Film nicht einfach bloß rettet, sondern für mich sehenswert macht.

Das wird sicherlich nicht jeder von Euch so sehen. Und so fällt es mir nicht ganz leicht eine Empfehlung auszusprechen. Karl Holts Stärke liegt jedenfalls klar auf dem Gebiet der CGI Effekte. Wenn er gegen Ende einen Kampf zwischen einem Spielzeugroboter und Benny inszeniert, ist das großes Kino. Umso mehr, wenn man sich erinnert, dass er all das auf seinem heimischen PC gemacht hat, der teilweise ganze Wochenenden rendern musste. Wenn er das Buch nächstes Mal jemand anderem überlässt, oder sich wenigstens helfen lässt, dann muss ich sagen, bin ich gespannt was noch von ihm kommt. „OH WOW!“