Es klingt eigentlich unwahrscheinlich, dass einer der ersten, wenn nicht gar der erste Film, eines Regisseurs wie John Carpenter verschwinden kann. Vor allem weil er sich schon mit studentischen Kurzfilmen einen Namen gemacht hat, so war er Cutter, Ko-Autor und Komponist für den Kurzfilm-Oscar-Gewinner ‚The Resurrection of Broncho Billy‘ von 1970. Aber offenbar ging das Gerücht an Carpenters Alma Mater, der University of Southern California, dass der Regisseur seine Kurzfilme aus dem Archiv gestohlen habe.
Wirklich nachgesehen hat aber offenbar niemand. Zumindest bis 2011, als Archivar Dino Everett die Gerüchte über Carpenters lange Finger – die Filme sind Eigentum der Universität – angezweifelt hat und tatsächlich ein hervorragend erhaltenes Master von ‚Captain Voyeur‘, wie passend, im Hugh M. Hefner Moving Image Archive fand.
In dem Film verkleidet sich der biedere Angestellte eines Computerlabors nachts als der titelgebende ‚Captain Voyeur‘ und macht sich auf die Suche nach der jungen Mitarbeiterin, auf die er sich fixiert hat. Und da sind wir direkt bei dem, was den Film interessant macht. Da ist viel, was Carpenter neun Jahre später bei ‚Halloween‘ erneut verwenden würde. Die hochmobile Kamera etwa. Oder eine Aufnahme aus Sicht des Spanners, in der nur sein Atmen zu hören ist. Oder wenn er sich die Brille über seine Maske zieht, wie Michael Myers das bei seiner Gespenster-Verkleidung tut. Auch wenn die aktuelle visuelle Assoziation hier vielleicht eher Paul Danos Riddler aus ‚The Batman‘ ist. Laut Everett sieht auch die Hauptdarstellerin Jamie Lee Curtis zum Verwechseln ähnlich. Das sehe ich selbst nun nicht so, dennoch ist sie hier zweifellos ein frühes „Final Girl“, auch wenn unklar ist, ob ‚Captain Voyeur‘ mörderische Absichten hatte.
Anders als bei ‚Halloween‘ behandelt Carpenter seinen Stalker hier allerdings als Witz. Sein Kostüm mit Maske und Umhang über Boxershorts, die Tatsache, dass er seine Brille tragen muss. Der Film eröffnet gar mit einem Zitat von der Wand einer öffentlichen Toilette. Nein, hier ist der Stalker noch nicht das Urböse, sondern eine recht erbärmliche Kreatur.
John Carpenter hat, von seinem Überraschungserfolg ‚Halloween‘ 1978 angefangen, die gesamten 80er Jahre hindurch eine absolut beeindruckende Filmografie ohne echte Fehltritte aufzuweisen. Zumindest in der Rückschau. Bei ihrem Erscheinen wurde nicht jeder der Filme wohlwollend aufgenommen und manche wurden ordentliche finanzielle Flops (‚The Thing‘, ‚Big Trouble in Little China‘). Doch im Rückblick wird eine sehr klare Vision deutlich. Eine die nicht immer mit dem Geschmack der Zeit übereinstimmte. In den 90ern erhielt diese Erfolgssträhne allerdings deutliche Knicke. ‚Flucht aus L.A.‘ ist jedenfalls schwer zu übersehen. Sein Werk in den 2000ern ist dann kaum noch der Erwähnung wert. Mit ‚Ghosts of Mars‘ wartet definitiv kein falsch verstandener Schatz auf seine Neuevaluation. Schauen wir uns heute den Film an, den ich als den letzten wirklich großen des Meisters des Horrors betrachte: ‚Die Mächte des Wahnsinns‘ von 1994.
In der Rahmenhandlung des Films erzählt Versicherungsermittler John Trent (Sam Neill), in seiner Zelle einer Nervenheilanstalt, Dr. Wren (David Warner) welche Umstände ihn dorthin geführt haben.
Trent wird von einer Versicherung, bei der der Verlag Arcane unter Vertrag ist, beauftragt das angebliche Verschwinden des Starautors des Verlags, Horrorlegende Sutter Cane (Jürgen Prochnow), zu untersuchen. Der Zyniker Trent geht von einer umfangreichen Werbeaktion aufgrund des Erscheinens von Canes neuem Roman „In The Mouth of Madness“ aus, der bereits vor Veröffentlichung eine Art Massenhysterie auszulösen scheint. Selbst die Tatsache, dass er von Canes Literaturagenten mit einer Axt attackiert wird, bringt ihn von dieser These nicht ab. Die Lektüre von Canes bisherigen Büchern hat zwar eine gewisse suggestive Wirkung auf Trent, allerdings entdeckt er auch eine Karte zum angeblich von Cane erfundenen Ort Hobb’s End. Gemeinsam mit Canes Lektorin Linda Styles (Julie Carmen), macht sich Trent auf den Weg nach Hobb’s End. Sie mit dem Ziel Cane zu finden, er mit dem Ziel eine gigantische Inszenierung aufzudecken. Sie werden beide etwas anderes finden als sie erwarten.
Der Film bezieht sich direkt auf zwei wichtige Säulen der amerikanischen Horrorliteratur. Der megaerfolgreiche Autor Sutter Cane, der weltweit gelesen wird, steht natürlich stellvertretend für Stephen King. Fast hat man den Eindruck, der Name sei in Absprache mit Anwälten so gewählt, dass er gerade eben weit genug entfernt ist, um eine Unterlassungsklage zu vermeiden. Auch die wunderbar reißerisch-blutigen Cover seiner Bücher sind voll in der Zeit der Entstehung des Films verhaftet. Die Tatsache, dass jenseitige Mächte Canes Literatur als Vektor benutzen wollen, um die Realität umzuschreiben und sich so selbst in die Welt zu gebären, ist eine, die genauso von Howard Phillips Lovecraft stammen könnte. Auch sehen wir im Film immer wieder direkte Anspielungen auf das Werk Lovecrafts. Die Unterkunft von Styles und Trent in Hobb’s End, das Pickman Hotel etwa, ist dabei sowohl Anspielung auf das Gilman Hotel aus „Schatten über Innsmouth“, einer Geschichte über eine mysteriöse Kleinstadt und „Pickmans Model“, wo es um einen Künstler geht der von unirdischen Wesen inspiriert wird. Und selbstverständlich sind der Originaltitel des Films ‚In The Mouth of Madness‘, sowie fast alle Cane Romantitel, Anspielungen auf Geschichtentitel Lovecrafts.
Carpenter vermeidet dabei einen Fehler, den viele direkte Adaptionen von Lovecraft begehen: er vermeidet zu viel von jenen unergründlichen Wesenheiten zu zeigen, hält sie damit geheimnisvoll und macht sie nicht zu billigen Schleimtentakeln. Vielmehr zeigt er ihre absolute Macht der Realitätsveränderung. Hierfür arbeitet er gerne mit Wiederholungen. Das beginnt schon bei Trents Lektüre der Cane Romane, wo eine Begegnung mit einem brutalen Polizisten, der einen Sprayer verprügelt, sich in immer schlimmerer und schließlich wortwörtlich alptraumhafter Weise wiederholt. Bei der Fahrt nach Hobb’s End überholt Styles wieder und wieder einen Radfahrer. Zunächst als Jungen, schließlich als uralten Mann (der immer noch die Stimme eines Kindes hat). Auch spielt der Film direkt mit der Idee der Wiederholung einer Geschichte, zunächst als Roman, dann als Film und schließlich als… Realität.
Carpenter zitiert sich filmisch hier durchaus gewollt auch selbst. Der Film beginnt mit dem Drucken eines Sutter Cane Romans, also der Herstellung des Werkzeugs des Bösen, was an den Anfang von ‚Christine‘ denken lässt, wenn der fiese Plymouth vom Band läuft. Das Erscheinen des axtschwingenden Literaturagenten im Hintergrund einer Szene, der sich dann langsam in den Vordergrund vorarbeitet, lässt an Michael Myers denken. Der Umgang mit dem Verlust von Identität und Realität gemahnt an ‚The Thing‘ nur auf einer größeren, globalen Ebene. Dabei erwecken diese Selbstreferenzen aber nicht ein Gefühl der Ideenlosigkeit, sondern es hat beinahe etwas von einer Ehrenrunde. Fast als hätte Carpenter geahnt, dass er hier zum letzten Mal eine wirklich große filmische Ambition angeht.
Und ein ambitionierter Film ist es ohne Frage. Der Film wird oft als der dritte Film von Carpenters „Apocalypse Trilogy“ geführt, zusammen mit ‚The Thing‘ und ‚Die Fürsten der Dunkelheit‘. Tatsächlich kommen wir dem Ende der Welt hier näher als in irgendeinem der anderen Filme und Carpenter inszeniert Canes gottgleiche Fähigkeiten, die ihm die „Mächte des Wahnsinns“ verliehen haben, mit erkennbarem, filmischen Vergnügen („meine liebste Farbe ist blau!“).
Ganz wichtig bei einem Carpenterfilm ist natürlich auch die Musik. Für den Titelsong wollte Carpenter eigentlich einen Metallica Song. Letztlich bekam er die Rechte nicht (ich vermute sie wollten mehr dafür haben, als er bereit war zu zahlen) und so bewies Carpenter selbst, dass er nicht nur Synthesizer beherrscht, sondern durchaus auch ordentliches Gitarrengeschraddel. Auch der Rest des Soundtracks (den Carpenter zusammen mit Jim Lang geschrieben hat) enthält Gitarren, wenn auch sanftere, aber auch menschliches Stöhnen oder tatsächlichen Gesang, aber natürlich auch finstere Synthie-Streicher und elektronische Töne. Von allen seinen Soundtracks dürfte dieser hier derjenige sein, der alleinstehend am unheimlichsten ist.
Schauspielerisch gehört der Film absolut Sam Neill. Sein Weg vom skeptischen Zyniker, der an seinem Weltbild und schließlich seiner Idee von sich selbst zweifeln muss, ist glaubhaft vollzogen. Außerdem beherrscht es kaum ein anderer wie Neill absolute Unsympathen zu verkörpern, denen man sich dennoch schwer entziehen kann. Julie Carmens Linda wird vom Film hingegen ein wenig stiefmütterlich behandelt. Sie hängt sich zwar sehr rein in die Rolle der, mehr oder weniger unauffällig, in Cane verknallten Lektorin, doch endet ihre Geschichte ein wenig früher als gut ist und bleibt ein wenig im Nichts hängen.
Was bleibt ist ein hochambitionierter Film über die Wirkmacht von medialen Ereignissen, der seinen apokalyptischen Ansatz mit recht bescheidenen Mitteln eindrucksvoll herüberbringt. Nicht ohne Fehler, vielleicht mit ein paar erzählerischen Ansätzen die in einer Sackgasse enden, aber im Großen und Ganzen wunderbar gelungen.
Fun Fact: wer genau hinschaut, kann ein paar ehemalige und zukünftige Filmschurken ausmachen. Einer der Bewohner von Hobb’s End wird unverkennbar vom deutschen Boxer Wilhelm von Homburg gespielt, besser bekannt als „Vigo von Homburg Deutschendorf, die Geißel der Karpaten, das Leiden von Moldawien“ aus ‚Ghostbusters II‘. Und nach seiner Rückkehr aus Hobb’s End trifft Trent auf einen Zeitungsjungen. Dargestellt von einem jungen Hayden Christensen, Anakin „Ani“ Skywalker aus den ‚Star Wars‘ Episoden II und III.
Heute geht Gorana bei den 5 Besten am Donnerstag ans Eingemachte. Die Frage, die ich als Filmfreund fast so sehr fürchte, wie die Frage nach dem Lieblingsfilm. Unsere 5 liebsten Regisseure möchte sie von uns wissen. Das wird eine Liste, die ich vermutlich zwei Minuten nach der Veröffentlichung ändern möchte. Und eine, bei der ein umfangreiches „Ferner Liefen“ Material notwendig wird, denn mich auf 5 zu beschränken ist fast unmöglich.
Es gilt der übliche Grundsatz „es muss mir im Moment des Listenschreibens einfallen“:
John Carpenter
Wer hier länger mitliest, der weiß vermutlich um meine Zuneigung zu Carpenters Filmen. Mit der Subtilität hat er es nicht so, der John. Dafür besitzt er die Fähigkeit aus Nichts eine Atmosphäre zu schaffen, die man mit dem Messer schneiden könnte. Was er dann meist auch tut. Er hat es mit ‚Halloween‘ geschafft das Slasher Genre zu begründen und lieferte für 30.000 Dollar einen Film ab, der besser ist als 98% der anderen Vertreter des Genre. Andere Anspieltips: ‚Das Ding aus einer anderen Welt‘ und ‚Sie Leben‘.
Alfred Hitchcock
Zu seiner Zeit durchaus umstritten ist Altmeister Hitchcock aus keiner Geschichtsschreibung des Films wegzudenken. Genaugenommen hat er sogar drei Karrieren hingelegt: eine im Stummfilm, eine im Schwarz-Weiß-Film und eine im Farbfilm. Und jede für sich wäre erwähnenswert. Und beinahe jeder seiner Filme ist sehenswert (einige seiner Letzten vielleicht weniger). In Sachen minutiöser Planung, akribischer Kameraarbeit aber auch bloßem Spektakel macht er vielen Regisseuren heute noch was vor. Meine drei Liebsten: ‚Das Fenster zum Hof‘, ‚Vertigo‘ und ‚Der unsichtbare Dritte‘.
Akira Kurosawa
Und noch eine beeindruckende Filmografie, mit weitreichendem Einfluss. Seine Samuraifilme haben sowohl den amerikanischen Western bleibend beeinflusst (‚Die Sieben Samurai‘), als auch quasi den Grundstein für den Italo-Western gelegt (‚Yojimbo‘). Er hat Shakespeare auf eine typisch japanische Weise interpretiert (‚Das Schloss im Spinnwebwald‘, ‚Ran‘) und mit ‚Rashomon‘ die erzählerischen Grenzen des Mediums ausgetestet und erweitert. Außerdem hat er ‚Ikiru‘ gedreht. Das allein würde schon reichen, um auf meiner Liste zu stehen.
Park Chan-wook
Am bekanntesten dürfte er für seine Rache-Trilogie und aus dieser vor allem für ‚Oldboy‘ sein. Es gelingt ihm sich dreimal mit dem Thema Rache auseinanderzusetzen und ihm jedes Mal neue und interessante Seiten abzugewinnen. Außerdem war es Parks ‚Joint Security Area‘ durch den ich auf das südkoreanische Kino aufmerksam wurde. Allein dafür kann ich ihm gar nicht genug danken.
PS: habe ich eigentlich ‚The Handmaiden‘ im Kino verpasst? Muss ich mal recherchieren…
Joel & Ethan Coen
Tja, hier konnte niemand anderes stehen. Es ist mir kaum möglich auf diesem Raum meinen Respekt für diese beiden Filmemacher gebührend zum Ausdruck zu bringen. Ich könnte über ‚The Big Lebowski‘ schwärmen. Oder ‚Fargo‘. Sie dafür loben, dass sie als erste bemerkt haben, dass John Goodman nicht nur lustig, sondern absolut furchteinflößend sein kann (‚Barton Fink‘). Mich darüber begeistern, dass man bei ihnen nie genau weiß was man bekommt aber es doch immer unverkennbar „Coen“ ist. Aber wer eine derart umfangreiche Filmografie hat, die nur zwei leichte Ausfälle hat (‚Ein (un)möglicher Härtefall‘ und das ‚Ladykillers‘ Remake) und ansonsten zwischen „zutiefst unterhaltsam“ und „Klassiker“ rangiert, den brauche ich nicht mehr über den grünen Klee zu loben.
Ferner Liefen:
„Mein Herz blutet, weil sie nicht auf der Liste sind“-Fraktion:
Quentin Tarantino, Stanley Kubrick, David Lynch, Lars von Trier, Wes Anderson, Bong Joon-ho, Jean-Pierre Jeunet
„Erwähnt werden müssen“ Fraktion:
Steven Spielberg, Martin Scorcese, Ridley Scott, Guillermo del Toro, Christopher Nolan, Ben Wheatley, Wim Wenders, Werner Herzog,
Jetzt, wo hier gerade ein 80er Quiz läuft und ich viel zu viel über Horrorfilme schreibe, ist vermutlich der perfekte Moment, um dieses Kleinod zu verlinken. Drei absolute Größen des Genres werden interviewt von Mick Garris, der einige Jahre später selbst für einige Stephen King Umsetzungen verantwortlich zeichnen sollte. Ein durchaus intelligentes Gespräch über die Unsterblichkeit des Horror Genres, Gewaltdarstellungen und Altersfreigaben, praktische Spezialeffekte und den Horror sie drehen zu müssen. Und so schmerzhaft 80er, dass es brummt (das Aroma kalten Rauchs ist fast spürbar).
Zwei der Regisseure waren zu diesem Zeitpunkt mit dem Dreh ihrer „besten Filme“ (das ist offensichtlich Geschmacksache) John Carpenter mit ‚Das Ding aus einer anderen Welt‘ und Cronenberg mit ‚Videodrome‘ (ein Film, der seine volle Wirkung wohl am besten entfaltet, wenn man ihn spät nachts zufällig auf irgendeinem Privatsender sieht). John Landis dagegen arbeitete an einem Film, der ihn aus weit tragischeren Gründen in die Schlagzeilen bringen sollte. Beim Dreh seines Teils des Anthologie-Films ‚Unheimliche Schattenlichter‘ kamen, bei einem Unfall drei Menschen ums Leben, sechs weitere wurden verletzt (Landis weigert sich bis heute dafür Verantwortung zu übernehmen).
Cronenbergs Darstellung der kanadischen Zensur ist reichlich erschreckend und ich frage mich, ob das bis heute so unnachgiebig behandelt wird.
Carpenter-Griesgram-Level: gering bis mittel (zum Ende hin steigend)
Als Filmemacher scheint John Carpenter sich im Altersruhestand zu sehen. Das ist einerseits hochverdient, andererseits tragisch, da ‚The Ward‘ somit zu seinem letzten Film wird. Immerhin hat er im Alter eine Leidenschaft für etwas entwickelt, das er zu aktiven Zeiten immer mehr als Notwendigkeit angesehen hat: seine Musik. Zumindest in Nordamerika tourt er damit jetzt durch die Gegend und tritt sehr gerne auch in winzigen Läden damit auf. Das folgende Video enthält somit etwas, was in freier Wildbahn seltener zu finden ist als das seltenste Pokedingsbums: einen gut gelaunten John Carpenter.
Und – weil es so schön war – gibt es hier noch das Thema von ‚Sie Leben‘ oben drauf. Übrigens: schaut ‚Sie Leben‘, wenn ihr das noch nicht getan habt! Am besten jetzt gleich! OBEY!!
Manche Filme sind wie eine gemütliche, warme Wolldecke an einem kalten, nassen, grauen Tag. Es ist vielleicht nicht die schönste Decke, sie ist älter als man selbst, riecht merkwürdig und wird an den Rändern schon etwas fadenscheinig aber, wenn die Kälte sich ihren Weg ins Wohnzimmer bahnt, dann muss es genau diese Decke sein.
Und das ist ‚The Fog‘ für mich: sicher und bequem. Ist es John Carpenters bester Film? Nicht mal annähernd! Ist es sein interessantester? Nö, bestimmt nicht! Doch es ist ein Film, in dessen Eröffnungsszene ein alter Mann einer Gruppe von Kindern eine Gruselgeschichte erzählt. Und für mich gibt das den Ton der folgenden 80 Minuten an: es wird kein „echter Horror“ sondern eher „angenehmer Grusel“. Zwischen den auffälligeren (und „objektiv“ vermutlich besseren) ‚Halloween‘ (1978) und ‚Der Klapperschlange‘ (1981) wird er häufig zu Unrecht vergessen.
Adrienne Barbeau betreibt einen Radiosender in einem Leuchtturm. Klingt cool und ist es auch.
Sollte jemand die Handlung nicht kennen: 1880 möchte eine Gruppe Leprakranker in der Nähe des kalifornischen Kaffs Antonio Bay eine Krankenkolonie gründen. Den Bewohnern des Ortes ist das gar nicht recht und so locken sie, während eines dichten Nebels, das Schiff der Kranken auf eine Sandbank und bergen, nachdem die Passagiere ertrunken sind, das gar nicht so kleine Vermögen, das zur Gründung der Kolonie vorgesehen war. 100 Jahre später ist der Nebel wieder da und in ihm die Geister der verstorbenen, die an den Nachkommen der Mörder mit Haken und Klingen erstaunlich unblutige Rache nehmen wollen.
Wenn ich John Carpenter für nichts anderes respektieren würde, so bliebe immer noch Respekt dafür, dass er Schnauz und Matte bis heute treu geblieben ist
So weit, so vorhersehbar, doch die Inszenierung macht natürlich den Film aus und die ist sehr stimmungsvoll. Von splitterndem Glas arbeiten sich die Spukerscheinungen langsam die Schreckensspirale nach oben, bis schließlich die Manifestationen auftreten und der Nebel durch die Straßen wabert. Carpenter setzt das gewohnt gekonnt in elegantem Breitwandformat um, von der anfänglichen Fischerdorfromantik und beeindruckenden Landschaften hin zu den düsteren späteren Momenten. Unterlegt wird das Ganze von einem ungewohnt zurückgenommenen Elektroscore, der sich aber, in entsprechenden Szenen in carpentertypischen Crescenden ergeht.
Vorsicht Mrs. Doubtfire! Hinter Ihnen!
Die Besetzung ist ebenso top: neben Carpenters damaliger Ehefrau Adrienne Barbeau als verführerische Radiomoderatorin, taucht Jamie Lee ‚Halloween‘ Curtis hier als impulsive Anhalterin auf. Curtis‘ Mutter ‚Psycho‘-Veteranin Janet Leigh gibt eine unterhaltsame Vorstellung als dauergestresste Stadtoffizielle, die keinerlei Geduld mit Vater Malone (Hal Holbrook) hat, als der, dem Alkohol nicht abgeneigte, Kirchenmann beginnt Geistergeschichten zu erzählen. Tom Atkins in der Hauptrolle als Nick Castle bleibt eher unauffällig. Interessant ist, dass die beiden Hauptdarsteller, Atkins und Barbeau, während des Film nicht einmal direkt aufeinander treffen.
Das Dock von Bodega Bay findet keine Ruhe: wenn nicht gerade Hitchcocks Vögel herumstressen ist es Carpenters Nebel
FAZIT: ein routinierter Carpenterfilm aus der Phase in der der gute Mann offenbar nichts falsch machen konnte. Es ist kein ‚Ding aus einer anderen Welt‘ und kein ‚Sie Leben‘ aber hat einen besonderen Platz in meinem Herzen.
Unabhängig. Eigenständig. Cinephil. - “Film is a disease. When it infects your bloodstream, it takes over as the number one hormone; the antidote to film is more film.”