Stichwort japanischer Film, woran denkt ihr da? Akira Kurosawa? Anime? Takashi Miike? Übellaunige, untote Mädels mit bad-hair-day? Alles gut und richtig aber wenn ihr die Überschrift gelesen habt denkt ihr vermutlich an Kaiju Filme oder insbesondere an Godzilla. In Kaiju Filmen greift üblicherweise ein gigantisches Monster Japan (oder meist Tokio) an, dargestellt eben von einem Mann in Gummianzug, der mehr oder weniger detaillierte Modelle umschmeißt. Oftmals prügeln sich auch mehrere dieser Kaiju (eigentlich Daikaiju – riesige Monster) untereinander und fügen der Kulisse so noch mehr Schaden zu. Die menschlichen Darsteller haben dabei oftmals nur die Aufgabe verängstigt auszusehen, den Namen des Ungeheuers zu schreien und fortzulaufen oder sinnlose Militärangriffe zu starten.
War der ursprüngliche Kaiju Film, ‚Godzilla‘ von 1953 in seiner originalen Schnittfassung durchaus ein ernsthafter und gelungener Umgang mit dem japanischen Trauma der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki, wandten sich die zahlreichen Nachahmer und auch die ‚Godzilla‘ Fortsetzungen schnell in eine unterhaltsamere, teilweise sogar kindgerechte Richtung. Einer dieser Nachahmer war 1965 ‚Gamera‘. Eine gigantische Schildkröte mit Stoßzähnen und der Fähigkeit Feuerbälle zu spucken, sowie zu fliegen, indem er (oder sie?) die Hinterbeine einzog und aus den Panzerlöchern Düsenantrieb schoss. Somit ist Gamera die originale mutierte Schildkröte. Allerdings weder ein Teenager noch ein Ninja. Bis 1980 erschienen 7 weitere Filme mit Gamera, bevor es 1995 zu einem etwas düstereren Reboot des Franchises kam. Die daraus resultierende Trilogie will ich hier kurz vorstellen.
Der erste Film der Reihe ist ‚Gamera – Guardian of the Universe‘ (die direkte Übersetzung des japanischen Titels ist übrigens ‚Gamera – Riesenmonster-Luftentscheidungsschlacht‘, macht irgendwie mehr her).
Ein einsames Dorf wurde angeblich von riesigen Vögeln angegriffen. Ornithologin Mayumi Kusanagi stellt Untersuchungen an und entdeckt tatsächlich drei gigantische, urzeitliche „Vögel“. Da alle drei weiblich sind und sie die letzten ihrer Art sind werden sie in einer großen Aktion im Stadion von Fukuoka eingefangen. Doch kaum sind sie gefangen taucht eine gigantische Meeresschildkröte auf zwei Beinen auf und versucht sie umzubringen. Die Vögel sind sogenannte Gyaos und wer die Schildkröte ist sollte klar sein. Im weiteren Verlauf geht ein junges Mädchen eine spirituelle Verbindung mit Gamera ein, es stellt sich heraus, dass die ruppige Riesenkröte eine Art uralte, letzte Abwehr der Atlanter(!) gegen die immer wiederkehrende Gefahr der Gyaos ist. Worauf es aber eigentlich ankommt ist, dass sich Gamera am Ende mit einer Art Super-Gyaos rund um den Tokio Tower möbelt.
Ein starker Auftakt, der tatsächlich den menschlichen Charakteren was zu tun gibt, mit einer wunderbar bizarren Geschichte aufwartet und vor allem gelungene Monsterkloppe in hochdetaillierten Modellumgebungen bietet.
Als zweites folgt 1996 ‚Gamera 2: Attack of Legion‘.
Ein Jahr nach den Ereignissen des ersten Films schlägt ein Meteorit in den Bergen ein. Bald darauf ist die Stadt Sapporo von seltsamen Pflanzen bedeckt: eine insektenähnliche Alien-Spezies ist mit dem Meteoriten auf der Erde gelandet und brütet nun in den U-Bahn Tunnels von Sapporo Millionen von Eiern aus. Gleichzeitig errichten sie eine Art biologische Startrampe – in Form einer gigantischen Blume – zur Besiedlung der nächsten Welt. Dabei – aber auch bei jedem Angriff auf das merkwürdige Pflanzengebilde – würde Sapporo zerstört werden. Natürlich muss Gamera eingreifen und bekommt es dabei nicht nur mit den deutlich kleineren (im Vergleich zu einer gigantischen Schildkröte) Insektoiden, vom Militär wegen ihrer Anzahl Legion getauft, zu tun sondern auch mit einer Art Legion-Königin. Dargestellt von einem der aufwändigsten Gummianzüge, die ich jemals gesehen habe (mit CGI Unterstützung und vermutlich sogar mehr als einem Kerl drin).
Die Modelle und Kostüme sind noch besser, die Handlung durchaus sinniger und spannender als im Vorgänger. Mir gefiel besonders, dass die Erde nur Zwischenstation für die Legion war anstatt das Ziel ihrer Angriffe. Negativ fällt höchstens der Einsatz von schlecht gealterten Computeranimationen auf, vor allem wenn Schwärme der Legion dargestellt werden. Für mich der unterhaltsamste Teil der unterhaltsamen Trilogie!
1999 folgt Teil drei, ‚Gamera 3: The Revenge of Iris‘.
Die Gyaos sind wieder da. Und Gamera geht derart brutal gegen sie vor, dass 20000 Menschen ihr Leben verlieren. Die japanische Regierung sieht in der Zerstörung von Gamera jetzt eine Priorität. Gleichzeitig zieht ein junges Mädchen, dass in der Schlacht des ersten Teils ihre Eltern verloren hat, ein Tentakelmonster heran, dass sie Iris nennt. In einer ironischen Umkehrung des ersten Teils hat sie mit diesem Monster eine spirituelle Bindung und will es nutzen um Gamera zu töten. Ich denke niemand ist überrascht, wenn ich verrate, dass sich Gamera und Iris im Verlauf des Films auf die Nasen geben und eine Menge Architektur darunter zu leiden hat und das japanische Militär auch dabei ist.
Allgemein scheint dieser Teil als der Beste der Trilogie zu gelten. Ich fürchte, ich mochte ihn am wenigsten, was vor allem am übermäßigen Einsatz furchtbar schlecht gealterter Computereffekte liegt. Auf der anderen Seite gibt es etwas mehr Interaktion zwischen Menschen und Gamera. Aber eben viel weniger Gamera, und der (oder sie?) ist nun mal der Grund ist warum ich diese Filme schaue. Sehenswert ist er aber meiner Meinung nach trotzdem.
Jeder einzelne dieser Filme ist etwa 100 mal lohnenswerter als Roland Emmerichs ‚Godzilla‘ Bauchklatscher von 1998 und somit der Beweis: manchmal muss es ein Kerl im Gummianzug sein. Ein gelungenes Drehbuch, liebevolle Effekte, motivierte Darsteller und ein Gespür für Spaß helfen alerdings sicher auch.
Ich weiß und verstehe, dass die Idee von menschlichen Puppenspielern in Kostümen für viele potentielle Zuschauer ein solcher Trash-Faktor ist, dass es ein normales Ansehen entsprechender Filme fast unmöglich macht. Ich kann nur empfehlen einem der Filme aus dieser Reihe zumindest mal eine Chance zu geben. Die Kompositionen aus Realdarstellern, Modellen und Monstern sind zum Teil einfach nur beeindruckend. Besonders wenn noch eine bewegte Kamera dazu kommt, wie im zweiten Film oft der Fall ist. Noch beeindruckender sind sie, wenn man sie mit den zeitgemäßen Computereffekten der 90er vergleicht, von denen alle Filme welche mitliefern. Das lässt zumindest mich etwas traurig zurück darüber, dass der Bau (und die anschließende Zerstörung) von Modellen wohl etwas ist, dass wir im Hollywood-Mainstream nie wieder sehen werden. Das wird immer den inneren 10Jährigen in mir, der sein sorgsam gebautes Lego-Haus mit destruktiver Freude umhaut, mehr ansprechen, als es auch der photorealistischste CGI-Wolkenkratzer je könnte. Vielleicht sind die auch einfach zu real.
In dem Sinne: *zum Himmel zeigt* GAMERAAAAAAAA!!!!!! *läuft weg*